Nachdem niemand Hilfe zu benötigen schien, lauschte alles mehr oder weniger gespannt dem Gespräch zwischen dem Mädchen und diesem Ronny. Caelians Mundwinkel zuckten dabei nicht nur einmal leicht nach oben. Das neueste Mitglied der Lagerfeuerrunde schien auf den ersten Blick von recht sprunghafter Natur zu sein, so schnell wie sie von hilflosem, geradezu verzweifeltem Gebaren in aufgeregtes Plappern verfiel. Und eine Kämpferin war sie also auch noch. Nun ja, wenn man auf der gleichen Seite stand, mochte das einmal praktisch sein. Um also seine friedlichen Absichten zu unterstreichen und seinen Plan von eben in die Tat umzusetzen, erhob sich der Priester mit einem freundlichen Nicken in Grimhilds Richtung und trat zu Mai-Lin. „Ist leider schon angebissen, aber besser als ein leerer Magen.“ meinte er und reichte dem Mädchen das halbe Fleischbrot mit einem Zwinkern, bevor er sich wieder an seinen Platz bei Grimhild, Alexis und Mana zurückzog. „Es wäre ja auch schade, wenn sie nicht in den Genuss Eurer Kochkunst käme.“ sagte er zu der Trollin und nahm das alte Stück Brot aus seinem Reisebeutel wieder auf. Schnell war das aufgeweichte Gebäck auf einen Ast gespießt und sollte nun eine Weile in der Nähe des Feuers zubringen, um wenigstens eine vage Ahnung von Knusprigkeit zurück zu gewinnen. Caelian starrte eine kleine Weile in die Flammen, sein Gesicht deutlich nachdenklicher als zuvor, und schien dem weiteren Gespräch gar nicht mehr recht zu folgen. Auch, dass Alexis und Mana sich etwas abseits zurückzogen, entging seiner Aufmerksamkeit. Nicht allerdings ihre Rückkehr. „Hm?“ machte er ein wenig verwirrt und schaute auf.
Nur wenig später war Caelian über das Problem in Kenntnis gesetzt und nickte ernst. Nun waren es also nicht nur ein, sondern zwei geheimnisvolle Geisterwölfinnen und eine davon schien Alexis nicht wohl gesonnen (oder zu sehr – ganz hatte der Priester das noch nicht durchblickt). „Ich denke, ich kann Euch helfen, ja.“ begann er langsam und in gedämpfter Stimme, ließ seine Worte aber in der Schwebe. „Wir können die Mutter bitten, Euch eine Weile vor Magna zu schützen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ein solcher Segen nicht alle Geisterwesen von Euch fernhalten wird, Alexis.“ Mana wirkte bislang von freundlicher Natur und da sie die treibende Kraft hinter dieser Idee schien, hatte Caelian auch keinen Anlass ihr anderes zu unterstellen. Umso weniger wollte er, dass ein Geisterbann der Wölfin zum Nachteil gereichte. „Ich würde es so machen, dass es erst einmal nur einige Tage hält… für mehr müssten wir wohl ohnehin in einen Tempel.“ fuhr er leise fort. „Aber vielleicht erzählt ihr mir besser etwas mehr über die Bindung zwischen Euch…dreien.“ Er räusperte sich leise. „Wenn es nicht zu persönlich ist.“
Ein Zischeln neben ihm ließ Caelian ein weiteres Mal aufblicken, doch es war nur der Echs und nicht etwa die garstige Sumpfnatter, mit der er sich vorgestern angelegt hatte. Entsprechend erleichtert blickte er den Grüngeschuppten an und wies lächelnd auf den freien Platz neben sich. „Verzeiht bitte, ich wollte Euch nicht außen vor lassen.“ erklärte er, als ihm auffiel, dass der Echsenmann wohl nicht erst seit eben da stand. „Alexis hat sich nur in einer persönlichen Sache an mich gewandt.“ Eben diesem warf Caelian einen entschuldigenden Blick zu, doch jetzt, da die Atmosphäre der Verschwiegenheit nicht mehr gewährt war, wollte er wohl ohnehin nicht weiter auf sein Anliegen eingehen. Und falls er sich für den Bann entschied, würden sie auch ein wenig Ruhe benötigen. So hatte der junge Mann wenigstens noch etwas Zeit, sich mit seiner Begleiterin zu beraten.
„Die Große Mutter…“ begann Caelian und konnte dabei nicht recht verbergen, dass es ihn freute, nach der Göttin gefragt zu werden. Es passierte selten genug. „Nun, sie ist sehr, sehr alt – wir wissen gar nicht genau, seit wann sie verehrt wird. Ihre bisher ältesten Spuren finden sich in Syrma, wo auch ihr größter Tempel steht. Aber scheinbar hat sie sich fast überall auf der Welt in irgendeiner Form offenbart… Und obwohl sie so alt ist, erneuert sie sich doch ständig. Sie bringt alles Leben hervor und wacht darüber, bis es letztlich wieder in ihren Schoß zurückkehrt.“ Caelians Blick glitt von seinem Gegenüber ab und schien erneut in den Flammen zu versinken. „Ihr Wesen… hm, stellt Euch jemanden vor, der Euch Halt gibt, ganz egal, wer Ihr seid. Und gleichzeitig ermutigt sie Euch, auf eigenen Beinen zu stehen und Euren Weg zu gehen…“ Ein sanftes, fernes Lächeln umspielte Caelians Mund als er sich wieder seinem Gesprächspartner zuwandte. Er war sich nicht sicher, inwieweit der Echs das Konzept einer Mutter verstand - zuwenig wusste er darüber wie dieses Volk lebte -, und so machte er erst einmal eine Pause, während er mit halbem Ohr hörte, wie irgendwo im Hintergrund wieder diese ominöse Schlangensache erwähnt wurde.
Oh… und sein Brot war verbrannt.