Asteria
Freund des Hauses
Diese so verschiedenen Wesenheiten hatten etwas, das Lithia nicht besaß, das wurde ihr im Angesicht des aufkeimenden Muts ihrer Gefährten bewusst.
Auch wenn ihre vermeintlich lockeren, selbstbewussten Worte nichts mehr als ein Versuch war, ihre Unsicherheit und ihre Angst zu überspielen, so war ihre Standhaftigkeit und die Moral, die sie einander schenkten, etwas, was nur zwischen einfühlenden, aufrichtigen Gruppen - Freunden - zustande kam. Xynalithia wollte sich diesem Schwung der Rebellion anschließen, doch sie war wie gelähmt. Was war nur in sie gefahren, dass Ascilla Xynalithia, Priesterin und einstige Herrscherin Chantrasams, jetzt nicht einmal einen Widerstand gegen diesen Möchtegern von einem Bösewicht aufbrachte?
Vielleicht war sie auch nicht mehr, als ein Möchtegern - oder ein Wolltegern. Jetzt aber stand sie auf der richtigen Seite. Ihre einstige Magie reichte noch heute weit genug, Chantrasam in einem weißen Mantel zu ersticken. Doch wenn dieser Herold starb.. Was würde er hinterlassen? "Wenn wir mit Euch fertig sind, wird nichts mehr von euch übrig sein.", zischte Lithia. Langsam regten sich ihre Finger wieder, zittrig, unsicher. Ihre dunklen Augen wirkten einen Moment lang noch dunkler, als wäre unendliche Schwärze in sie gekehrt.
Das wabernde Schwarz, Nichts, das Lithia in dem Herold gesehen hatte, raubte ihr noch immer den Atem. Ist sie hier? Ist meine Herrin hier, um mich mit diesem Gegner vor eine Prüfung zu stellen?
Der Stoß des Herolds wollte auch Lithia vom Boden fegen, doch verfügte Lithia über genug Geistesgegenwart, um rechtzeitig eine dünnere Steinwand vor sich in die Höhe schießen zu lassen. Schneidend, fast wie Klingen die an der Geomantin vorbeischnellten, zog der Wind in ihre Richtung, doch an der Mauer vorbei. Mit einem Stampfer brachte die Geomantin das Gestein in seine Ursprungsform zurück. Bald schon erkannte man nur noch dünne Risse auf dem Steinboden des Plateaus, wo wenige Sekunden zuvor jene Mauer gestanden hatte.
Lithia schlug das nächste Gestein aus der Felswand nicht weit von ihr, um schwere, schnelle Geschosse in die Richtung des Herolds zu schlagen. Wie Meteoriten lenkten sie Gesteine auf den Herold zu und Lithia war guter Dinge, dass sie ihn in vollem Umfang treffen würden, doch kurz bevor sie den Herold erreichten, hielt er die Steine mit einem Windstoß davon ab, ihn noch zu erreichen. Wie Kartoffelsäcke plumpsten die Steine auf den Boden und verloren jegliche Flugkraft. Die Priesterin fühlte sich nutzlos, machtlos. Ohnmächtig stand sie da.
Sie spürte hilflos, wie der Narr eine Entscheidung für die Gruppe traf, die seinen Untergang bedeuten konnte. Die Geomantin streckte noch deutsam ihre Hand nach ihm aus, doch er schoss davon, schnell wie ein Blitz, um den Herold in die Irre zu führen. Lithia stand noch sprachlos in der Gegend herum, während der gewaltige Axtkrieger den Moment nutze, um auf den Herold zuzustürmen. Seine Furchtlosigkeit beflügelte Xynalithia. Sie atmete einmal tief ein, bevor auch sie teilweise von der düstren Wolke eingenommen wurde. Doch etwas durchbrach ihre Angst. Der Stein in ihrer Brust, füllte sich mit eben jenem wabernden Schwarz, das sie gerade noch um den Herold wahrgenommen hatte. Lithia's Schmerz sammelte sich auf diesem einen Punkt, und es war als würde sich der Stein ein zweites mal ganz gewaltig in ihre Brust einbrennen. Es musste sich um ein Zeichen handeln. Taumelnd hielt sich Xynalithia den ovalen Stein, der sie mit unvorstellbaren, fürchterlichen Schmerzen erfüllte. Unverkennbarer Schmerz, den sie schon einmal spürte, machte ihr klar dass ihre Herrin bei ihr war. Was auch immer der Herold mit ihr machte, Lithia fürchtete sich vor dem Falschen, das wurde ihr klar, als sie auf die Knie fiel und fühlte, wie ihre Brust zu explodieren drohte. Langsam, wie von tausenden Gewichten auf den Boden gezwungen, stellte sich die Geomantin auf und kämpfte gegen die Angst an. Dieser Herold würde fallen. Die Priesterin tat einen bedachten Schritt rückwärts, aus der Wolke heraus und sie hörte den Narren in seinen Wahnvorstellungen. Schmerzlichst schloss Lithia ihre Augen und wandte sich dem anderen Brennpunkt zu, als sie sah, dass die Armbrustschützin dem Herold einen wichtigen Schlag versetzt hatte.
Der Drache in seiner mächtigen Gestalt erschüttert, taumelte und ließ den Boden unter den Füßen der Geomantin beben; nichts war aufdringlicher als das Gefühl von Instabilität.
"Alexis!", rief Lithia empört, als sie ihn jetzt schutzlos stolpern sah. Plötzlich bewegte sich die Geomantin viel schneller, unbefangen, und als der Drache ihr mit funkelnden Augen entgegenblickte, stürmte sie auf Alexis zu, um seinen Arm zu stützen. Der Feuerstoß, den Alexis abgewehrt und sogar noch umgekehrt hatte, hatte die Panzerung des Drachen zum Glühen gebracht. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg Lithia zur Nase, als sie ihr rechtes Bein auf den zitternden Boden stampfte und die massive Felswand vor Alexis und ihr gerade rechtzeitig hochschoss, um die sengende Hitze von ihnen abzuwenden. "Ich hab' dich.", raunte Lithia und ließ Alexis sanft auf dem Boden Platz nehmen. Das Feuer brachte die Luft zum Knistern. Schweißperlen sammelten sich auf der Stirn der Geomantin. "Beeindruckende Vorstellung. Doch wir dürfen noch nicht nachlassen. Feste hat uns mehr Zeit verschafft. Je eher wir den Drachen ausschalten, desto schneller können wir uns alle auf den Herold konzentrieren.", murmelte die Priesterin. "Ruh einen Moment. Dir darf nichts zustoßen, Alexis. Diese Gruppe braucht deinen Gemeinschaftsgeist, mehr als dir vermutlich bewusst ist. Ich dagegen bin schon einmal gestorben.", verriet Lithia. "Ich habe nichts Unbekanntes zu befürchten. Lass mich meine letzte Kraft hierfür nutzen."
Sie war müde, längst schon kraftlos durch die Reise mitten durch die ältesten Gesteine auf der Flucht vor dem Dämonenheer. Jetzt blieb ihr nur noch, ihr Ziel vor Augen zu halten und den letzten Rest aus sich heraus zu holen. Wenn sie nur eines der vielen Instrumente auf dem Weg zum Ende dieser Geschichte war, so hatte sie zumindest ihren Platz, aber vor allem ihren Zweck darin gefunden. Vorbereitend für den Plan, der Lithia vorschwebte, ließ sie schließlich einen steinernden Übergang in die Höhe schießen, fast einer Treppe gleichkommend oder einem Podest, der ihnen in die Höhe verhalf, die der Drache in seiner riesigen Gestalt von Grund auf besaß. Um den Aufstieg zu sichern war es noch nötig, ihn zu fixieren, wenigstens für eine Weile. Es zehrte an Lithia's übrig gebliebenen Kräften, dass sie jetzt auch noch die Beine des Drachen in Steinsäulen gefangen hielt, die sich langsam an ihnen hochbauten und zwar nicht die Bewegung an sich, allerdings die Fortbewegung verhinderten. Blinzelnd erblickte Lithia allerdings eine dunkle Gestalt, die sich dem gerade erschaffenen Steinwall tänzelnd, leicht, näherte, und Lithia hielt inne.
"Ascilla Xynalithia", flüsterte aus einem anderen Winkel des Plateaus, "Ich weiß, wer du bist!"
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Das raue Pergament in der Hand, faltete Keerah das wichtige Schriftstück zurecht, um es dann unter das Korsett zu klemmen, wo es sicher verwahrt war und nicht verloren gehen konnte. Eine weitere Bedingung für die Informationen, die sie bei den Seraphen hatte beschaffen müssen. Ein Schauer legte sich über die Haut der Agentin, denn anders als dort draußen, wo der Kampf mittlerweile im vollen Gange war, war es im Zirkelgebäude ganz kühl. Licht von Außen trat stärker ein, Staub wurde durch die Luft gewirbelt und stieg in Wogen zurück auf den Bogen hinab, als ein Körper durch das Fenster in das Gebäude, das vermeintlich sichere Versteck krachte und die Glasscherben auf dem Boden verstreute.
"Du meine Güte...", erschrak Keerah, die nicht geplant hatte einzuschreiten, ehe der perfekte Moment gekommen war. Unfreiwillig trat sie auf die Person zu, um sie entweder als Feind, oder als neutrale Person auszumachen. Nur ein paar Lichtstrahlen gaben die Sicht auf die Person frei, denn sonst war es in dem Gebäude recht schattig. Sie hatte an einem ganz anderen Fenster gestanden, um einen Blick auf die Geschehnisse zu haben, ohne sich bisher zeigen zu müssen. Jetzt wurde sie aus jener Komfortzone gerissen.
Der Narr, dem sie gerade noch gelauscht hatte, lag jetzt inmitten des abgelegenen schattigen Plätzchens und wirkte besorgniserregend geschwächt.
Keerah kniete sich neben dem Narren in den Staub und die Scherben, doch sagte nichts. Er musste nach den Wahnvorstellungen, die er scheinbar durch jenen Herold erfahren hatte, ziemlich verwirrt sein. "He.. Keine Zeit zum Verschnaufen", raunte die Agentin, "Eure Freunde brauchen Euch." Ihre Hände fuhren unter die Oberarme des Narren, um hin zwei Meter weiter an die Wand zu schlurfen und seinen Oberkörper daran zu lehnen. Etwas unbeholfen versuchte Keerah den Narren verspielt etwas zur Konzentration zu ermahnen, als sie ihm sanft mit der Handfläche in das geschminkte Gesicht klatschte. Seine giftgrünen Augen leuchteten trotz der Dunkelheit mit jenem Farbton erstaunlich und wurden von hellgrünen, aufmerksamen Augen fixiert.
"Egal was er Euch gezeigt hat.. All das spielte vorher keine Rolle in Eurer Mission, und sollte es auch jetzt nicht! Lasst Euch nicht in die Irre führen.. Ihr seid ein Narr, aber kein solcher!", ermutigte Keerah die Gestalt und nickte dem Narren ein bestärkendes Mal zu, nachdem sie sich für ihre eigene Mission umdrehte. Als sie durch das zerstrümmerte Fenster stieg und ihre Maske vor den Mund über ihre Nase zog, blickte sie noch einmal hinein zum Narren. "Wir haben alle unsere Missionen zu vollenden."
Mit beiden Füßen auf dem Boden außerhalb blickte sich Keerah hektisch um und machte schnell den Brennpunkt aus, der für sich die größte Rolle spielte.
Dort war sie. Ihr stählernes Korsett aus schwarzschimmerndem Stahl, der ovale Stein der in ihr brannte und jene düstre Augen ließen keinen Zweifel mehr übrig. Ascilla.
Keerah schloss ihre Augen, duplizierte sich unerkennbar und trat vermeintlich leichtfertig auf die Priesterin und jenen Empfänger zu, dem sie das Pergament ausstellen musste. Schattenzwilling!, dachte Keerah eindringlich und schickte ihr Duplikat in einen anderen Winkel des Szenarios. Ihre eigenen leichten Schritte trieben sie voran, schnell und doch elegant, um hinter dem Steinwall niederzuknien. Etwas unpassend plötzlich tauchte sie eben dort auf und widmete Ascilla, ihrem Ziel, tatsächlich nur einen flüchtigen Blick. Die einst so mächtige Hexe an der Seite eines Hexenjägers. Welch Ironie, und obendrein war jene Ascilla nur ein Schatten ihrer selbst, vollkommen in die Irre getrieben durch eine "simple" Illusion.
Elysande griff eisernd die Schulter des Hexenjägers Alexis, mit der anderen Hand das Pergament unter ihrem Korsett hervorziehend. "Die eiserne Lady lässt Grüßen. Dieser Dienst ist ein Beweis meiner Angehörigkeit.", raunte sie und griff kurz noch fester zu, sodass den Hexenjäger ein sanfter Schmerz durchfahren konnte. "Ihr werdet doch noch nicht schlappmachen.", sagte sie dann und schenkte ein kurzes Lächeln und ein Zwinkern, als sie das Pergament gegen seine Brust drückte und losließ. Ein schwall wundersamen Geruches erreichte die Nase der Maskierten, ein sanfter Geruch feinen Jasmin-Parfüms kitzelte sie. Ihr Ziel, Ascilla, blickte sie derweilen skeptisch an, während sie offenbar etwas ablenkte - das Duplikat - unerklärlich strömend vor eigenständiger Magie.
Keerah's Miene wurde ernster, als sie mitbekam, wie sich die Hexe Ascilla zu ihrem Trugbild umdrehte. Vielleicht war ihr Moment jetzt schon gekommen - keine Zeit für Erklärungen.
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Dieses Flüstern.. Lithia traute der eigenartigen Frau kaum, ihre grünen Augen strahlten nichts als List aus.
Und doch drehte sie sich um, denn ihr scheinbarer Zwilling umlauerte die Stellung hinter dem Steinwall. Der Drache hatte sich kaum geregt, und doch drängte die Zeit.
Alexis sah nicht danach aus, als könnte er den Übergang erklimmen und dem Drachen einen verheerenden Schlag verpassen. Vielleicht musste es Lithia selbst irgendwie hinbekommen, doch dort war diese Frau, die sie in die Irre drängte. "Ascilla. Jeder dachte, endlich seid Ihr tot, doch seid Ihr wiederauferstanden zum Leidwesen aller.", sagte die Frau hinter Lithia.
"Ich kam nicht freiwillig wieder, aber ich schade niemandem mehr.", erklärte Lithia. "Woher kennt Ihr meinen Namen? Wieso seid Ihr hier?", fragte sie weiter. Ein weiterer Trick ihrer Herrin, oder eine Illusion? Bei dieser Frau musste es sich um das Original handeln, und jene Version, die sich mit dem Hexenjäger unterhalten hatte, war nicht mehr als die Illusion, dort war sich Lithia sicher. Jene magische Kraft strömte aus der zu ihr Sprechenden, sie musste gewiss der Ursprung sein.
"Ihr werdet ganz Maradar schaden, ganz gleich ob Ihr wollt, oder nicht.", sprach die Schwarzhaarige weiter. "Die verborgenen Mächte Chantrasams vereinen sich um Eure Kraft in ihrem Krieg einzusetzen.", klärte sie auf. "Es ist nicht wichtig, ob Ihr tut, als stündet Ihr auf der guten Seite, oder ob Ihr wirklich einen Wandel durchgemacht habt. Sie haben Eure Gebeine und längst auch haben sie bewiesen, dass sie jahrhundertealte Kräfte auferwecken können. Wenn Ihr fortbesteht.. Dann ist Chantrasam's Bevölkerung dem Untergang geweiht.", sprach sie.
Der Drache, wütend durch seine eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten und jene Verbrennung, die ihm Alexis beschert hatte, brüllte markerschütternd drein und ließ eine weitere Feuersalve los. Doch die Frau fing kein Feuer.. Es schien ihr rein gar nichts anzuhaben und doch musste es sich um ein echtes Wesen handeln. Doch wie sehr konnte sich Lithia darauf noch verlassen?
"Es bringt nichts, sich dagegen zu wehren und das Leben vieler über Euer Einzelnes zu stellen. Wenn Ihr wirklich einen Sinneswandel durchlebt haben solltet, wisst Ihr das genauso gut, wie ich.", sagte die Frau. Sie stand in den Flammen, die sie wild umtänzelten und bald wieder erloschen, weil kein Nährboden für das Feuer bestand.
"Ich kann dem Schicksal dieser Welt mehr entgegensetzen, schenken, als meinen Tod!", entgegnete Lithia. "Es gibt kein höheres Geschenk", fiel das unwissend duplizierte Ebenbild Keerah's der Geomantin ins Wort. "Ich habe noch nicht genug Wiedergutmachung geleistet!", rief Xynalithia verzweifelt dagegen an. Ihr Gegenüber wusste, wer sie war, und auch Lithia wusste das.
Ehe Lithia die vermeintlich angreifende Frau, die ihr Kurzschwert zückte, versteinern konnte, merkte sie es.. Das Nichts konnte man nicht versteinern.
"Euer Tod ist Wiedergutmachung genug.", hauchte es fast geisterhaft um Lithia, als sie eine kalte Hand um ihren Hals spürte, und sah, wie eine Zweite die Klinge eines Kurzschwertes zwischen den ovalen Stein und ihre Haut trieb. Es schmerzte kaum mehr, als der Schmerz den Lithia durch ihre Herrin kennengelernt hatte. Doch jener Stein band sie an diesen Ort, an diesen Körper, an diese Gegenwart. Schockiert zog Lithia die Luft ein in jener Zeit, die ihr noch blieb, und war gelähmt.
Als der Stein von ihrer Brust getrennt war, erschlaffte jede Faser ihres Körpers. Sie sah noch wild blinzelnd. Sie atmete noch flatterhaft. Sie griff kurz nach dem Stein, doch nur zitternd.
Das ovale Siegel der Strafe glitt aus ihrer Hand, in die Richtung Alexis' und zum ersten Mal seit Lithia wieder auf Maradar gewandelt war, sahen ihre Augen nicht mehr leer aus, sondern klar; ihre Augen waren nicht schwarz sondern menschlich - verletzlich, als hätte die Priesterin ihre Verkleidung endlich abgelegt. "Nehmt.. Ihn.", hauchte die Priesterin ihrer Herrin entwandt, ehe sie zuckend in ihren Untergang wich, langsam ins Jenseits hinabschwindend, sterbend. Ein endliches Leben. Ihre Haut bekam immer mehr Risse, wie ein steinernder Boden, der sich spaltete. Staub auf Lithia's brüchigem Gesicht sog schwarze Tränen auf, schwarz, als würde die einstige Schwärze ihrer Augen einfach hinausgespült werden.
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Das Duplikat schwand dahin. Keerah selbst war es, die den Schwachpunkt der Priesterin angegriffen hatte und sich scheinbar des schweren Gewissens belastet machte, das so lange an der Priesterin gezehrt haben musste. Ascilla hatte ihren Verrat, ihre Missetaten verstanden, bevor sie starb. Vielleicht war eben Jenes nötig gewesen, damit sie endlich frei sein konnte, obgleich sie endlich gestorben war. Überwältigt atmend stand Keerah da, hinabblickend auf den zuckenden Körper der Priesterin. Ein ähnliches Bild wie es Lithia einst heimgesucht hatte, eines das sie verfolgte und sie stets an ihre verstorbene Schwester hatte denken lassen, so, wie dieses Bild Keerah fortan an Lithia denken lassen würde. "Das ist für.. Chantrasam.", keuchte sie, weniger berührt durch den Tod der Person, als durch das schauderhafte Bild.. Nur kurz sah Keerah zu Alexis herüber, hoffend, dass das Pergament reichte, um klarzustellen, dass sie trotz der Mission eine Verbündete war, doch daraufhin wandte sie sich von dem geschwächten Magier ab.
"Bei aller Ehre.", raunte die Agentin, sich den Schweiß von der Stirn reibend, mit jener Hand die das Schwert hielt. "Ich führe es fort."
Unbeirrt, nach abgeschlossener Mission, war die Agentin bereit, zunächst das Wichtige ins Auge zu fassen. Die Bestie, die schwer von jenem Hexenjäger getroffen war riss und riss an der steinernden Fessel, doch entkam ihr nur spärlich. Die Steine begannen Risse aufzuweisen und die Zeit drängte. Hektisch erklomm Elysande den steinernden Steg und machte die Schwachstelle beinahe jeden Wesens aus; die Augen. Funkelnde, tobend wütende Augen, die jetzt jene Agentin fixieren wollten.
Keerah nahm Anlauf und hielt die Luft an, als sie absprang.. Und die Halsschuppen des Drachen ergriff. Die Bestie begann sich zu schütteln, versuchte das Menschenwesen abzuwerfen und verlor jegliche Konzentration auf Alexis, oder die dahinschwindende Geomantin. Fest umklammernd hielt sich die Meuchelmörderin an der Panzerung mit all ihren Kanten fest, um weiter hinauf, bis an den Kopf des Drachen zu reichen. "Mal sehen, wie du dich ohne dein Augenlicht schlägst.", murmelte Keerah leise, klammerte sich mit dem einen Arm fest und zog ihr Schwert heraus. Das Gewicht richtig verlagernd, holte Keerah auf allen Vieren am Drachenkopf klammernd aus, soweit es ging, um dem Drachen das Augenlicht zu stehlen. Als das erste Auge durchstoßen wurde, quoll schwarzes Blut aus den funkelnden Augen und auch das zweite begann unkontrolliert zu blinzeln. Keerah bekam es mit der Angst zu tun, als der Drache sie immer wütender versuchte abzuschütteln, und ließ das Kurzschwert zu ihrer rechten Hand fallen. "Woooaah!", schrie sie, als sie mit dem Unterkörper vom Drachen zu rutschen drohte, und sich mit größter Muskelkraft zurück hoch auf die Schuppen zog. Die Bestie brüllte unter Schmerzen und stieß enorme Stichflammen in die Luft empor. Bei der ersten Gelegenheit zog Keerah das zweite Schwert aus der Scheide, wartete den Moment ab, indem das schuppige, feste Augenlid des Drachen das übrige Auge wieder freigab, und stach so weit sie in der Hektik noch konnte, zu.
Brüllend, Flammenprustend und erzürnt hallte es durch die gesamte Gegend. Noch wütender als zuvor, würde es dem Drachen bald gelingen, Keerah abzuwerfen. Schließlich riss er auch das letzte Bein aus seinen Steinfesseln und offenbarte seine Wut, indem er blind auf die nächste Felsenwand zusteuerte, an der er Keerah von seinem Hals schlagen konnte.
"Alexis! Volle Kraft auf die Bestie!", schrie Keerah, die sich kaum mehr an der Bestie halten konnte und ihre Muskeln fest versteifte, um nicht hinabzustürzen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis dieser Drache in die Knie gezwungen war. Das schwarze Blut tropfte in ganzen Pfützen aus den Augen hinab.
Auch wenn ihre vermeintlich lockeren, selbstbewussten Worte nichts mehr als ein Versuch war, ihre Unsicherheit und ihre Angst zu überspielen, so war ihre Standhaftigkeit und die Moral, die sie einander schenkten, etwas, was nur zwischen einfühlenden, aufrichtigen Gruppen - Freunden - zustande kam. Xynalithia wollte sich diesem Schwung der Rebellion anschließen, doch sie war wie gelähmt. Was war nur in sie gefahren, dass Ascilla Xynalithia, Priesterin und einstige Herrscherin Chantrasams, jetzt nicht einmal einen Widerstand gegen diesen Möchtegern von einem Bösewicht aufbrachte?
Vielleicht war sie auch nicht mehr, als ein Möchtegern - oder ein Wolltegern. Jetzt aber stand sie auf der richtigen Seite. Ihre einstige Magie reichte noch heute weit genug, Chantrasam in einem weißen Mantel zu ersticken. Doch wenn dieser Herold starb.. Was würde er hinterlassen? "Wenn wir mit Euch fertig sind, wird nichts mehr von euch übrig sein.", zischte Lithia. Langsam regten sich ihre Finger wieder, zittrig, unsicher. Ihre dunklen Augen wirkten einen Moment lang noch dunkler, als wäre unendliche Schwärze in sie gekehrt.
Das wabernde Schwarz, Nichts, das Lithia in dem Herold gesehen hatte, raubte ihr noch immer den Atem. Ist sie hier? Ist meine Herrin hier, um mich mit diesem Gegner vor eine Prüfung zu stellen?
Der Stoß des Herolds wollte auch Lithia vom Boden fegen, doch verfügte Lithia über genug Geistesgegenwart, um rechtzeitig eine dünnere Steinwand vor sich in die Höhe schießen zu lassen. Schneidend, fast wie Klingen die an der Geomantin vorbeischnellten, zog der Wind in ihre Richtung, doch an der Mauer vorbei. Mit einem Stampfer brachte die Geomantin das Gestein in seine Ursprungsform zurück. Bald schon erkannte man nur noch dünne Risse auf dem Steinboden des Plateaus, wo wenige Sekunden zuvor jene Mauer gestanden hatte.
Lithia schlug das nächste Gestein aus der Felswand nicht weit von ihr, um schwere, schnelle Geschosse in die Richtung des Herolds zu schlagen. Wie Meteoriten lenkten sie Gesteine auf den Herold zu und Lithia war guter Dinge, dass sie ihn in vollem Umfang treffen würden, doch kurz bevor sie den Herold erreichten, hielt er die Steine mit einem Windstoß davon ab, ihn noch zu erreichen. Wie Kartoffelsäcke plumpsten die Steine auf den Boden und verloren jegliche Flugkraft. Die Priesterin fühlte sich nutzlos, machtlos. Ohnmächtig stand sie da.
Sie spürte hilflos, wie der Narr eine Entscheidung für die Gruppe traf, die seinen Untergang bedeuten konnte. Die Geomantin streckte noch deutsam ihre Hand nach ihm aus, doch er schoss davon, schnell wie ein Blitz, um den Herold in die Irre zu führen. Lithia stand noch sprachlos in der Gegend herum, während der gewaltige Axtkrieger den Moment nutze, um auf den Herold zuzustürmen. Seine Furchtlosigkeit beflügelte Xynalithia. Sie atmete einmal tief ein, bevor auch sie teilweise von der düstren Wolke eingenommen wurde. Doch etwas durchbrach ihre Angst. Der Stein in ihrer Brust, füllte sich mit eben jenem wabernden Schwarz, das sie gerade noch um den Herold wahrgenommen hatte. Lithia's Schmerz sammelte sich auf diesem einen Punkt, und es war als würde sich der Stein ein zweites mal ganz gewaltig in ihre Brust einbrennen. Es musste sich um ein Zeichen handeln. Taumelnd hielt sich Xynalithia den ovalen Stein, der sie mit unvorstellbaren, fürchterlichen Schmerzen erfüllte. Unverkennbarer Schmerz, den sie schon einmal spürte, machte ihr klar dass ihre Herrin bei ihr war. Was auch immer der Herold mit ihr machte, Lithia fürchtete sich vor dem Falschen, das wurde ihr klar, als sie auf die Knie fiel und fühlte, wie ihre Brust zu explodieren drohte. Langsam, wie von tausenden Gewichten auf den Boden gezwungen, stellte sich die Geomantin auf und kämpfte gegen die Angst an. Dieser Herold würde fallen. Die Priesterin tat einen bedachten Schritt rückwärts, aus der Wolke heraus und sie hörte den Narren in seinen Wahnvorstellungen. Schmerzlichst schloss Lithia ihre Augen und wandte sich dem anderen Brennpunkt zu, als sie sah, dass die Armbrustschützin dem Herold einen wichtigen Schlag versetzt hatte.
Der Drache in seiner mächtigen Gestalt erschüttert, taumelte und ließ den Boden unter den Füßen der Geomantin beben; nichts war aufdringlicher als das Gefühl von Instabilität.
"Alexis!", rief Lithia empört, als sie ihn jetzt schutzlos stolpern sah. Plötzlich bewegte sich die Geomantin viel schneller, unbefangen, und als der Drache ihr mit funkelnden Augen entgegenblickte, stürmte sie auf Alexis zu, um seinen Arm zu stützen. Der Feuerstoß, den Alexis abgewehrt und sogar noch umgekehrt hatte, hatte die Panzerung des Drachen zum Glühen gebracht. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg Lithia zur Nase, als sie ihr rechtes Bein auf den zitternden Boden stampfte und die massive Felswand vor Alexis und ihr gerade rechtzeitig hochschoss, um die sengende Hitze von ihnen abzuwenden. "Ich hab' dich.", raunte Lithia und ließ Alexis sanft auf dem Boden Platz nehmen. Das Feuer brachte die Luft zum Knistern. Schweißperlen sammelten sich auf der Stirn der Geomantin. "Beeindruckende Vorstellung. Doch wir dürfen noch nicht nachlassen. Feste hat uns mehr Zeit verschafft. Je eher wir den Drachen ausschalten, desto schneller können wir uns alle auf den Herold konzentrieren.", murmelte die Priesterin. "Ruh einen Moment. Dir darf nichts zustoßen, Alexis. Diese Gruppe braucht deinen Gemeinschaftsgeist, mehr als dir vermutlich bewusst ist. Ich dagegen bin schon einmal gestorben.", verriet Lithia. "Ich habe nichts Unbekanntes zu befürchten. Lass mich meine letzte Kraft hierfür nutzen."
Sie war müde, längst schon kraftlos durch die Reise mitten durch die ältesten Gesteine auf der Flucht vor dem Dämonenheer. Jetzt blieb ihr nur noch, ihr Ziel vor Augen zu halten und den letzten Rest aus sich heraus zu holen. Wenn sie nur eines der vielen Instrumente auf dem Weg zum Ende dieser Geschichte war, so hatte sie zumindest ihren Platz, aber vor allem ihren Zweck darin gefunden. Vorbereitend für den Plan, der Lithia vorschwebte, ließ sie schließlich einen steinernden Übergang in die Höhe schießen, fast einer Treppe gleichkommend oder einem Podest, der ihnen in die Höhe verhalf, die der Drache in seiner riesigen Gestalt von Grund auf besaß. Um den Aufstieg zu sichern war es noch nötig, ihn zu fixieren, wenigstens für eine Weile. Es zehrte an Lithia's übrig gebliebenen Kräften, dass sie jetzt auch noch die Beine des Drachen in Steinsäulen gefangen hielt, die sich langsam an ihnen hochbauten und zwar nicht die Bewegung an sich, allerdings die Fortbewegung verhinderten. Blinzelnd erblickte Lithia allerdings eine dunkle Gestalt, die sich dem gerade erschaffenen Steinwall tänzelnd, leicht, näherte, und Lithia hielt inne.
"Ascilla Xynalithia", flüsterte aus einem anderen Winkel des Plateaus, "Ich weiß, wer du bist!"
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Das raue Pergament in der Hand, faltete Keerah das wichtige Schriftstück zurecht, um es dann unter das Korsett zu klemmen, wo es sicher verwahrt war und nicht verloren gehen konnte. Eine weitere Bedingung für die Informationen, die sie bei den Seraphen hatte beschaffen müssen. Ein Schauer legte sich über die Haut der Agentin, denn anders als dort draußen, wo der Kampf mittlerweile im vollen Gange war, war es im Zirkelgebäude ganz kühl. Licht von Außen trat stärker ein, Staub wurde durch die Luft gewirbelt und stieg in Wogen zurück auf den Bogen hinab, als ein Körper durch das Fenster in das Gebäude, das vermeintlich sichere Versteck krachte und die Glasscherben auf dem Boden verstreute.
"Du meine Güte...", erschrak Keerah, die nicht geplant hatte einzuschreiten, ehe der perfekte Moment gekommen war. Unfreiwillig trat sie auf die Person zu, um sie entweder als Feind, oder als neutrale Person auszumachen. Nur ein paar Lichtstrahlen gaben die Sicht auf die Person frei, denn sonst war es in dem Gebäude recht schattig. Sie hatte an einem ganz anderen Fenster gestanden, um einen Blick auf die Geschehnisse zu haben, ohne sich bisher zeigen zu müssen. Jetzt wurde sie aus jener Komfortzone gerissen.
Der Narr, dem sie gerade noch gelauscht hatte, lag jetzt inmitten des abgelegenen schattigen Plätzchens und wirkte besorgniserregend geschwächt.
Keerah kniete sich neben dem Narren in den Staub und die Scherben, doch sagte nichts. Er musste nach den Wahnvorstellungen, die er scheinbar durch jenen Herold erfahren hatte, ziemlich verwirrt sein. "He.. Keine Zeit zum Verschnaufen", raunte die Agentin, "Eure Freunde brauchen Euch." Ihre Hände fuhren unter die Oberarme des Narren, um hin zwei Meter weiter an die Wand zu schlurfen und seinen Oberkörper daran zu lehnen. Etwas unbeholfen versuchte Keerah den Narren verspielt etwas zur Konzentration zu ermahnen, als sie ihm sanft mit der Handfläche in das geschminkte Gesicht klatschte. Seine giftgrünen Augen leuchteten trotz der Dunkelheit mit jenem Farbton erstaunlich und wurden von hellgrünen, aufmerksamen Augen fixiert.
"Egal was er Euch gezeigt hat.. All das spielte vorher keine Rolle in Eurer Mission, und sollte es auch jetzt nicht! Lasst Euch nicht in die Irre führen.. Ihr seid ein Narr, aber kein solcher!", ermutigte Keerah die Gestalt und nickte dem Narren ein bestärkendes Mal zu, nachdem sie sich für ihre eigene Mission umdrehte. Als sie durch das zerstrümmerte Fenster stieg und ihre Maske vor den Mund über ihre Nase zog, blickte sie noch einmal hinein zum Narren. "Wir haben alle unsere Missionen zu vollenden."
Mit beiden Füßen auf dem Boden außerhalb blickte sich Keerah hektisch um und machte schnell den Brennpunkt aus, der für sich die größte Rolle spielte.
Dort war sie. Ihr stählernes Korsett aus schwarzschimmerndem Stahl, der ovale Stein der in ihr brannte und jene düstre Augen ließen keinen Zweifel mehr übrig. Ascilla.
Keerah schloss ihre Augen, duplizierte sich unerkennbar und trat vermeintlich leichtfertig auf die Priesterin und jenen Empfänger zu, dem sie das Pergament ausstellen musste. Schattenzwilling!, dachte Keerah eindringlich und schickte ihr Duplikat in einen anderen Winkel des Szenarios. Ihre eigenen leichten Schritte trieben sie voran, schnell und doch elegant, um hinter dem Steinwall niederzuknien. Etwas unpassend plötzlich tauchte sie eben dort auf und widmete Ascilla, ihrem Ziel, tatsächlich nur einen flüchtigen Blick. Die einst so mächtige Hexe an der Seite eines Hexenjägers. Welch Ironie, und obendrein war jene Ascilla nur ein Schatten ihrer selbst, vollkommen in die Irre getrieben durch eine "simple" Illusion.
Elysande griff eisernd die Schulter des Hexenjägers Alexis, mit der anderen Hand das Pergament unter ihrem Korsett hervorziehend. "Die eiserne Lady lässt Grüßen. Dieser Dienst ist ein Beweis meiner Angehörigkeit.", raunte sie und griff kurz noch fester zu, sodass den Hexenjäger ein sanfter Schmerz durchfahren konnte. "Ihr werdet doch noch nicht schlappmachen.", sagte sie dann und schenkte ein kurzes Lächeln und ein Zwinkern, als sie das Pergament gegen seine Brust drückte und losließ. Ein schwall wundersamen Geruches erreichte die Nase der Maskierten, ein sanfter Geruch feinen Jasmin-Parfüms kitzelte sie. Ihr Ziel, Ascilla, blickte sie derweilen skeptisch an, während sie offenbar etwas ablenkte - das Duplikat - unerklärlich strömend vor eigenständiger Magie.
Keerah's Miene wurde ernster, als sie mitbekam, wie sich die Hexe Ascilla zu ihrem Trugbild umdrehte. Vielleicht war ihr Moment jetzt schon gekommen - keine Zeit für Erklärungen.
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Dieses Flüstern.. Lithia traute der eigenartigen Frau kaum, ihre grünen Augen strahlten nichts als List aus.
Und doch drehte sie sich um, denn ihr scheinbarer Zwilling umlauerte die Stellung hinter dem Steinwall. Der Drache hatte sich kaum geregt, und doch drängte die Zeit.
Alexis sah nicht danach aus, als könnte er den Übergang erklimmen und dem Drachen einen verheerenden Schlag verpassen. Vielleicht musste es Lithia selbst irgendwie hinbekommen, doch dort war diese Frau, die sie in die Irre drängte. "Ascilla. Jeder dachte, endlich seid Ihr tot, doch seid Ihr wiederauferstanden zum Leidwesen aller.", sagte die Frau hinter Lithia.
"Ich kam nicht freiwillig wieder, aber ich schade niemandem mehr.", erklärte Lithia. "Woher kennt Ihr meinen Namen? Wieso seid Ihr hier?", fragte sie weiter. Ein weiterer Trick ihrer Herrin, oder eine Illusion? Bei dieser Frau musste es sich um das Original handeln, und jene Version, die sich mit dem Hexenjäger unterhalten hatte, war nicht mehr als die Illusion, dort war sich Lithia sicher. Jene magische Kraft strömte aus der zu ihr Sprechenden, sie musste gewiss der Ursprung sein.
"Ihr werdet ganz Maradar schaden, ganz gleich ob Ihr wollt, oder nicht.", sprach die Schwarzhaarige weiter. "Die verborgenen Mächte Chantrasams vereinen sich um Eure Kraft in ihrem Krieg einzusetzen.", klärte sie auf. "Es ist nicht wichtig, ob Ihr tut, als stündet Ihr auf der guten Seite, oder ob Ihr wirklich einen Wandel durchgemacht habt. Sie haben Eure Gebeine und längst auch haben sie bewiesen, dass sie jahrhundertealte Kräfte auferwecken können. Wenn Ihr fortbesteht.. Dann ist Chantrasam's Bevölkerung dem Untergang geweiht.", sprach sie.
Der Drache, wütend durch seine eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten und jene Verbrennung, die ihm Alexis beschert hatte, brüllte markerschütternd drein und ließ eine weitere Feuersalve los. Doch die Frau fing kein Feuer.. Es schien ihr rein gar nichts anzuhaben und doch musste es sich um ein echtes Wesen handeln. Doch wie sehr konnte sich Lithia darauf noch verlassen?
"Es bringt nichts, sich dagegen zu wehren und das Leben vieler über Euer Einzelnes zu stellen. Wenn Ihr wirklich einen Sinneswandel durchlebt haben solltet, wisst Ihr das genauso gut, wie ich.", sagte die Frau. Sie stand in den Flammen, die sie wild umtänzelten und bald wieder erloschen, weil kein Nährboden für das Feuer bestand.
"Ich kann dem Schicksal dieser Welt mehr entgegensetzen, schenken, als meinen Tod!", entgegnete Lithia. "Es gibt kein höheres Geschenk", fiel das unwissend duplizierte Ebenbild Keerah's der Geomantin ins Wort. "Ich habe noch nicht genug Wiedergutmachung geleistet!", rief Xynalithia verzweifelt dagegen an. Ihr Gegenüber wusste, wer sie war, und auch Lithia wusste das.
Ehe Lithia die vermeintlich angreifende Frau, die ihr Kurzschwert zückte, versteinern konnte, merkte sie es.. Das Nichts konnte man nicht versteinern.
"Euer Tod ist Wiedergutmachung genug.", hauchte es fast geisterhaft um Lithia, als sie eine kalte Hand um ihren Hals spürte, und sah, wie eine Zweite die Klinge eines Kurzschwertes zwischen den ovalen Stein und ihre Haut trieb. Es schmerzte kaum mehr, als der Schmerz den Lithia durch ihre Herrin kennengelernt hatte. Doch jener Stein band sie an diesen Ort, an diesen Körper, an diese Gegenwart. Schockiert zog Lithia die Luft ein in jener Zeit, die ihr noch blieb, und war gelähmt.
Als der Stein von ihrer Brust getrennt war, erschlaffte jede Faser ihres Körpers. Sie sah noch wild blinzelnd. Sie atmete noch flatterhaft. Sie griff kurz nach dem Stein, doch nur zitternd.
Das ovale Siegel der Strafe glitt aus ihrer Hand, in die Richtung Alexis' und zum ersten Mal seit Lithia wieder auf Maradar gewandelt war, sahen ihre Augen nicht mehr leer aus, sondern klar; ihre Augen waren nicht schwarz sondern menschlich - verletzlich, als hätte die Priesterin ihre Verkleidung endlich abgelegt. "Nehmt.. Ihn.", hauchte die Priesterin ihrer Herrin entwandt, ehe sie zuckend in ihren Untergang wich, langsam ins Jenseits hinabschwindend, sterbend. Ein endliches Leben. Ihre Haut bekam immer mehr Risse, wie ein steinernder Boden, der sich spaltete. Staub auf Lithia's brüchigem Gesicht sog schwarze Tränen auf, schwarz, als würde die einstige Schwärze ihrer Augen einfach hinausgespült werden.
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Das Duplikat schwand dahin. Keerah selbst war es, die den Schwachpunkt der Priesterin angegriffen hatte und sich scheinbar des schweren Gewissens belastet machte, das so lange an der Priesterin gezehrt haben musste. Ascilla hatte ihren Verrat, ihre Missetaten verstanden, bevor sie starb. Vielleicht war eben Jenes nötig gewesen, damit sie endlich frei sein konnte, obgleich sie endlich gestorben war. Überwältigt atmend stand Keerah da, hinabblickend auf den zuckenden Körper der Priesterin. Ein ähnliches Bild wie es Lithia einst heimgesucht hatte, eines das sie verfolgte und sie stets an ihre verstorbene Schwester hatte denken lassen, so, wie dieses Bild Keerah fortan an Lithia denken lassen würde. "Das ist für.. Chantrasam.", keuchte sie, weniger berührt durch den Tod der Person, als durch das schauderhafte Bild.. Nur kurz sah Keerah zu Alexis herüber, hoffend, dass das Pergament reichte, um klarzustellen, dass sie trotz der Mission eine Verbündete war, doch daraufhin wandte sie sich von dem geschwächten Magier ab.
"Bei aller Ehre.", raunte die Agentin, sich den Schweiß von der Stirn reibend, mit jener Hand die das Schwert hielt. "Ich führe es fort."
Unbeirrt, nach abgeschlossener Mission, war die Agentin bereit, zunächst das Wichtige ins Auge zu fassen. Die Bestie, die schwer von jenem Hexenjäger getroffen war riss und riss an der steinernden Fessel, doch entkam ihr nur spärlich. Die Steine begannen Risse aufzuweisen und die Zeit drängte. Hektisch erklomm Elysande den steinernden Steg und machte die Schwachstelle beinahe jeden Wesens aus; die Augen. Funkelnde, tobend wütende Augen, die jetzt jene Agentin fixieren wollten.
Keerah nahm Anlauf und hielt die Luft an, als sie absprang.. Und die Halsschuppen des Drachen ergriff. Die Bestie begann sich zu schütteln, versuchte das Menschenwesen abzuwerfen und verlor jegliche Konzentration auf Alexis, oder die dahinschwindende Geomantin. Fest umklammernd hielt sich die Meuchelmörderin an der Panzerung mit all ihren Kanten fest, um weiter hinauf, bis an den Kopf des Drachen zu reichen. "Mal sehen, wie du dich ohne dein Augenlicht schlägst.", murmelte Keerah leise, klammerte sich mit dem einen Arm fest und zog ihr Schwert heraus. Das Gewicht richtig verlagernd, holte Keerah auf allen Vieren am Drachenkopf klammernd aus, soweit es ging, um dem Drachen das Augenlicht zu stehlen. Als das erste Auge durchstoßen wurde, quoll schwarzes Blut aus den funkelnden Augen und auch das zweite begann unkontrolliert zu blinzeln. Keerah bekam es mit der Angst zu tun, als der Drache sie immer wütender versuchte abzuschütteln, und ließ das Kurzschwert zu ihrer rechten Hand fallen. "Woooaah!", schrie sie, als sie mit dem Unterkörper vom Drachen zu rutschen drohte, und sich mit größter Muskelkraft zurück hoch auf die Schuppen zog. Die Bestie brüllte unter Schmerzen und stieß enorme Stichflammen in die Luft empor. Bei der ersten Gelegenheit zog Keerah das zweite Schwert aus der Scheide, wartete den Moment ab, indem das schuppige, feste Augenlid des Drachen das übrige Auge wieder freigab, und stach so weit sie in der Hektik noch konnte, zu.
Brüllend, Flammenprustend und erzürnt hallte es durch die gesamte Gegend. Noch wütender als zuvor, würde es dem Drachen bald gelingen, Keerah abzuwerfen. Schließlich riss er auch das letzte Bein aus seinen Steinfesseln und offenbarte seine Wut, indem er blind auf die nächste Felsenwand zusteuerte, an der er Keerah von seinem Hals schlagen konnte.
"Alexis! Volle Kraft auf die Bestie!", schrie Keerah, die sich kaum mehr an der Bestie halten konnte und ihre Muskeln fest versteifte, um nicht hinabzustürzen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis dieser Drache in die Knie gezwungen war. Das schwarze Blut tropfte in ganzen Pfützen aus den Augen hinab.
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