Aufmerksam hatte Taimi der Vorstellung des Rothäutigen gelauscht. Ein Dämon? Was das Wesen von sich gab klang ungut. Das Wort "Dämon" hatte Taimi schon oft als Bezeichnung gehört, nur hätte sie nicht gedacht, dass es welche wie diesen hier gab. Er sprach mit ihnen, wenn auch nur spärlich. Und Taimi hatte ihn begrüßt, ganz normal, so ahnungslos wie sie eben gewesen war. Im Nachhinein tat sie dies nicht als Naivität ab, immerhin hatte sie durchaus damit gerechnet dass ihr nicht gefallen könnte, was sie hörte oder sah. Nein, ihre Intuition hatte gestimmt, da war sie sich sicher. Selbst wenn dieser Dämon sie unter anderen Umständen wahrscheinlich versucht hätte umzulegen, so war diese Situation eine gänzlich andere. Martax stellte sich ihr vor, es wirkte rückblickend etwas widerwillig - es war für einen Moment so gewesen, als sei es ein ganz normales Aufeinandertreffen zwei ganz normaler Personen.
Taimi schüttelte ihren Kopf und vertrieb die Gedanken, die sich in ihrem Kopf kreisten.
Oriak, wie er mit seiner Art nunmal war, empfing diesen neuen Ankömmling mit Spott. Die Eiselfe konnte darüber nur den Kopf schütteln, doch sie blieb stumm. Martax war nicht die Art Person, die Taimi mit Spott belästigen würde. Nein, eher mit.. Gebührendem Respekt und höflicher Distanz. Immerhin war der Muskelkoloss niemand, den man anhand seines Äußerlichen unterschätzen konnte. Nun. Er war gekommen um ihnen dabei zu helfen, den Riss zu schließen - geschickt von einer Magna? Wer war das? Als er sagte, jemand von ihnen kannte Magna, wanderte Taimi's aufmerksamer Blick durch die Halle. Ha'jett war es, der als nächstes nach vorn trat, um sich vorzustellen. Taimi konnte sich nicht helfen, sie empfand die Echse als ein Wesen, das man gerne um sich haben musste. So ruhig und verlegen, dass man ihn gerne vor allem in Schutz genommen hätte, selbst wenn er bestimmt auch gut allein zurechtkam. Taimi lächelte schwach, als Ha'jett sich dem Dämon vorstellte.
Ihr Blick fiel auf etwas, oder besser jemandem - war das etwa Magna, von der eben noch die Rede gewesen war? Sie war also die Schwester des Wolfgeists, mit dem Alexis unterwegs war. Nun, der Dämon schien nicht begeistert von Magna. Als er auf Alexis zugehen wollte, wich Taimi kurz zur Seite, um ihm Platz zu schaffen. Er würde doch nicht etwa außer Kontrolle geraten? Nein, so kopflos wäre er bestimmt nicht. Taimi blieb ebenso ruhig und ließ sich von der angespannten Stimmung nicht in den Bann ziehen. Sie blieb bei ihrer für sie üblichen inneren Ruhe und strahlte dies auch aus. Martax war ihr Verbündeter, spätestens als er sein Versprechen, ihre Feinde seien seine Feinde, gab. Die Eiselfe bewegte sich langsam wieder fort, denn sie hatte inmitten dieses Trubels gestanden. Ob Yoko von alledem mitbekommen hatte? Stumm trat die Chantrasami zurück an den Tisch, auf dem sie Yoko gebettet hatte, und entdeckte, dass der Waldgeist schläfrig, aber wach war. War ja klar gewesen, dass sie sich nichts entgehen ließ. Taimi sprach nicht, sondern behielt die Runde weiter im Auge.
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In Trauerlied.
Es war unter ihrer Würde. Die Schmuckketten, die die Fetzen Stoff zusammenhielten, die Siviria zu tragen bekommen hatte, sie klimperten beim Reinigen des Gemachs unaufhörlich. Ein dauerndes, nervtötendes Geräusch, das Siv in jeder Gelegenheit daran erinnerte, dass sie sich gerade als Sklavin im Feindesgebiet bewegte. Doch mehr Glück hätte sie nicht haben können. Natürlich war ihr immer klar gewesen, dass sie nicht einfach plötzlich beim Herr Regenten persönlich landen würde.. Deswegen war es hervorragend, die rechte Hand um sich zu haben. Längst waren die Wachen nicht so viele wie bei Extan und Siv könnte bestimmt etwas aus diesem Mann herauskitzeln. Nun, gut, vielleicht sollte sie dabei aufpassen – schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen hatte Stenian davon Wind bekommen, dass sie unmöglich nur ein Waschweib irgendwo im Wald für eine Familie sein konnte. Und die Eiselfe konnte nicht leugnen, dass sie einen feuchten ******dreck vom Putzen verstand – ein Eiself hatte an diesen Zeiten anderes zu tun, als den Boden zu schrubben, Wäsche zu waschen und dabei auch noch gut auszusehen.
Die Elfe hatte in den Quartieren der Mägde gesehen, dass nur die Mägde der hohen Tiere solch einen Klimperkram trugen. Außerdem hatte Siv nicht fassen können, was aus manch einem Elfen im Dienst als Sklave der Menschen geworden war. Einige der Bediensteten Elfenfrauen verkauften sogar ihren Körper, nur um eine Ration Rum zu ergattern. Siv wusste nicht, ob sie darüber traurig, oder davon angewidert sein sollte. Sie waren so heruntergekommen – doch dafür war die Elfe ja hier! Sie musste glaubwürdig wirken und dafür ihren Job tun. Es war Zeit, dass die Einheiten der Kriegerkaste zuschlugen. Ihre Truppen waren um ein Vielfaches gestiegen und Siv war sich sicher, dass sie mit der richtigen Strategie einen Krieg gewinnen konnten. Hier und dort fühlte sich Siv unnütz, hier in dem Palast von Trauerlied, doch sie musste nur den richtigen Moment abwarten. Schon einige Tage bedienstete sie Stenian, und bisher hatte er ihr sehr distanziert gegenübergestanden. Was wohl aus den anderen drei Eiselfen geworden war? Siv hoffte, die Verbündeten wurden nicht allzu schlimm von dem Regenten behandelt. Wenn er sie überhaupt angenommen hatte. Zumindest hatte Siv sie außerhalb des Palasts schon spazieren sehen, was wohl hieß, dass der Regent ihnen zur Genüge vertraute – oder den Einheiten, die die Mauern bewachten und fliehende Elfen sofort niederstreckten.
Siv betrachtete die Haut an ihren Fingern, die schon längst etwas aufgeweicht war, durch die Abfolge von Holzbretter schrubben, Schwamm in das Wasser tunken und neu ansetzen. Das Schlafgemach ließ darauf deuten, dass Stenian nie in Gesellschaft schlief. Es hatte etwas Einsames an sich. Immer war nur die eine Seite seines Bettes zerrüttet, Stenian ließ nachts den linken Platz auf dem Doppelbett frei – so als ob er darauf wartete, dass sich jemand ganz Bestimmtes neben ihm zur Ruhe bettete. Was das wohl zu bedeuten hatte? Siv schrubbte weiter, immerhin war der Herr anwesend, in seinem Büro, wo er einigem Papierkram nachging. Würde sie nur Däumchen drehen und nachdenken, würde ihr Essen recht spärlich ausfallen.
Plötzlich riss es die Eingangstür auf und nicht zu überhören traten einige Männer in die Gemächer der rechten Hand ein. Siv rührte sich nicht, immerhin saß Stenian an seinem Schreibtisch, gleich am Eingangsbereich. Sie schrubbte und schrubbte, doch ihre Ohren waren aufmerksam.
„Ich fasse es nicht!“, raunte die kratzige, tiefe Stimme des Regenten. Er war außer sich. „Dieses Elfenpack!“, war alles was er wiederholte. Seine Wut nahm überhand und es fiel ihm schwer, Worte zu finden. Wie ein kleines Kind stampfte er wütend auf den Boden und schlug mit ganzer Wucht auf den Tisch der rechten Hand. Siv wurde hellhörig. Elfenpack? Womit hatte Erlendur den Regenten jetzt auf Trab gebracht?
„Ein Schreiben? Wer brachte es?“, hörte man nur die ruhige, tiefe Stimme Stenians. Jetzt stand Siv mit dem Schwamm in der Hand auf, leise, und ging hinüber, um sich neben der Tür zum Eingangsbereich zu platzieren. Sie brauchte nicht unbedingt zu sehen, doch von hier hörte sie besser. „Es war eine von unseren Frauen. Eine einfache Bürgerin Lothloriells. Sie haben ihr die Winterkleidung genommen und sie frierend durch ganz Chantrasam gejagt. Als sie ankam, hatte sie das Schreiben dabei.“, tönte eine Stimme, die weder Stenian's war, noch die des Regenten – der unüberhörbar nach der besten Beleidigung für das Elfenpack suchte. Sie konnte sich nicht helfen. Siv wagte es, etwas an die Türschwelle zu rücken und einen Blick in den Raum nebenan zu werfen. Nur kurz lugte sie, doch was sie sah erschrak die Elfe. Unkontrolliert krallten sich die Finger Siv's in den Schwamm, den sie in den Händen hielt, und kaum hörbar plätscherte das Wasser daraus auf den Boden. Ein Elf? Er war ein Eiself! Was hatte hier ein Eiself zu suchen? Offensichtlich genoss er sogar Anerkennung, sonst wäre er wohl kaum bei der rechten Hand aufgeschlagen. Dieser Verräter.. Dort stand er, ein Elf, in einer Rüstung, die unmöglich von Elfen geschmiedet war. Seinen Visierhelm unter den rechten Arm geklemmt, stand er dort und wie selbstverständlich auf der Seite der Menschen. Wie konnte das nur sein? Er musste.. ein hohes Tier unter den Menschen sein. Siv bekam Angst. Wozu waren selbst die Eiselfen imstande?
„DAS PACK HAT LOTHLORIELL EINGENOMMEN!“, platzte es aus Extan heraus. „Und jetzt? JETZT DAS HIER?“, schrie er wie wild geworden. Der Dicke war nur schwer ernst zu nehmen. Weder konnte er seine Ausbrüche kontrollieren, noch sah er wie ein zu respektierender Mann aus. Vielmehr erinnerte er an ein dickliches, stures Kind, dem man sein Spielzeug weggenommen hatte. Der Elf mit dem langen, blonden Haar, ging nicht einmal auf das Gezeter des Regenten ein. Es war beinahe so.. So als ob der Regent nur ein Maskottchen für das Reich wäre, und die Fädenzieher im Verborgenen agierten. In dem Verborgenen? Für Siv nicht mehr. Sie wusste wo sie gelandet war.
Genau am richtigen Ort.
„Was bilden die sich ein? Ihre Truppen sind schwach! Sie können niemals den Wald, Lothloriell und ihre verdammte Höhle Uthalia halten.“, sprach Stenian erkennend, nachdem er das Schreiben gelesen hatte. „Sechs Tage – wenn wir nicht sterben wollen, sollen wir gehen.“, raunte der Elf, es trug Spott in sich. „Wenn dieses dreckige Pack doch nur verstünde, dass es ihnen nicht einmal etwas brächte, wenn sie den verdammten Krieg gewinnen..“, murmelte Stenian. Der Regent geriet in Rage. „Diese SCHWACHMATEN! Sie haben selbst jetzt rein gar nichts verstanden!“, platzte aus dem Regenten hinaus. „Dieser Fluch.. Verstehen die Schwachmaten den überhaupt nichts von dem, was Ascilla getan hat?“, lachte der Regent. Siv blickte wieder um die Ecke. Wovon sprach der Regent? Stenian legte eine äußerst genervte Miene an den Tag. Hatte er eigentlich vergessen, dass jemand anwesend war, der vielleicht nichts von alledem hören sollte? Oder war es ihm egal, weil er dachte, dass Siviria eh niemals wieder Trauerlied verlassen würde? Siv lauschte weiter.
„Wir tun Folgendes.“, unterbrach der Elf den Regenten. Er ging im Raum auf und ab, deswegen zog sich Siv schnell wieder hinter die Wand zurück, wo sie nur noch hören konnte. „Wir werden ihre Seelenkapsel fortbringen – Fort, mit den Schiffen, sodass selbst wenn die Chantrasami uns schlagen könnten, sie den Fluch niemals aufheben könnten. Außerdem gehen wir sicher, dass niemand sie in die Finger bekommt, wenn der Krieg bis hinter unsere Tore gehen sollte. Wir können das Schreiben nutzen und ihnen zutragen, wir nehmen das Gebot an. Wir werden es glaubwürdig aussehen lassen.“, erklärte der Elf.
Siv stockte der Atem. Seelenkapsel? Ascilla's Seelenkapsel? Fluch?
Was hatte das zu bedeuten? Wie sollte Siv ihren Verbündeten diese Informationen rechtzeitig schicken? Es würde ihr schon noch etwas einfallen, da war sie sicher. Doch wovon genau sprachen die Männer nebenan überhaupt?
„Gut, wenn Ihr dann abtreten wollt – die Pläne dafür müssen wir noch ausfeilen.“, sprach Stenian. „Ein guter Vorschlag, wie ich finde.“, schenkte er dem Elfen Anerkennung. Langsam wurde es lauter in dem Raum – die Wachsoldaten, die sich um den Regenten scharrten, traten ab und öffneten ihm scheinbar die Tür. Also wurde es Zeit, viel zu lang hatte Siv an der Wand verharrt. Schnell, aber so leise sie konnte, griff sie den Wassereimer im Raum, huschte weiter in das Schlafgemach und verschwand so weit es ging, in den hintersten Raum, der Waschkammer, um dort so zu tun, als hätte sie die ganze Zeit schon dort hinten gesessen, um den Boden zu reinigen.
Es wurde schließlich gänzlich still in dem Wohnraum der rechten Hand, und Schritte kamen der Elfe näher. „Wenn du mit dem Zimmer fertig bist, machst du mir was zu essen, ja?“, fragte Stenian, der in der Türschwelle zur Waschkammer stand. Siv tat, als wäre sie völlig vertieft ins schrubben.
„Hast du verstanden?“, fragte Stenian nach, und erst jetzt hob Siv den Kopf. „Huh? Ja, jaja, etwas zu Essen machen, aber klar doch.“, sagte sie und nickte eifrig.
Ob er Verdacht geschöpft hatte?