Der Sklavenaufstand
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eine Chronik von Hassan dem Weisen
Die Kapuze war schwarz und so schien sein Gesicht in tiefen Schatten getaucht. Als sei er aus der Tiefe des alten Schachtes empor gestiegen und hätte alle Dunkelheit, die dort unten lebte, mit hinauf gebracht. Seine Augen glitzerten darin wie zwei Sonnen – einsam und doch alles überstrahlend.
Kassim öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihm im Halse stecken. Jener Mann dort, der angeblich der Sklave sein sollte, der kurz zuvor in den verlassenen Minenschacht hinab gefallen war, konnte einfach kein Leibeigener sein. Er saß erschöpft auf dem morschen Balken, der vor langer Zeit einmal die Decke am Einstürzen gehindert haben mochte. Sein Atem ging ganz ruhig und er schaute jedem Dunmer, der in der Menge stand, nacheinander mit durchdringendem Blick in die Augen und musterte sie, als sei er ein Pahmer, der seine nächste Beute wählte.
Erschrocken wandte Kassim das Gesicht ab. Hatte der Sklave da etwa gerade ihn angesehen? 'Natürlich hat er mich angesehen. Auf mir lagen seine Augen am längsten.' Er nahm die Beine in die Hand und eilte unter die nächste schattenspendende Decke. 'Was verlässt Du auch mitten am Tag die Stadt? Die Hitze brennt Dir noch den Verstand aus dem Kopf. Gepriesen sei Mephala! Ich weiß, wo ich hingehöre und dorthin kehre ich jetzt auch zurück.'
Kassim passierte die Wache am Stadttor, die ihn mit dem üblichen skeptischen Blick bedachte und hastete schnellen Schrittes zu seinem Haus. Sein Sklave schloss die Tür hinter ihm und beeilte sich, ihm ein Tablett mit frischem Wasser und einem goldenen Becher darauf, zu reichen.
'Wie gut, dass Du noch so gut funktionierst, mein Miro.', sagte Kassim. 'Ein gehorsamer Sklave läuft nicht Gefahr, seinen Herrn zu verärgern und so das Leben zu verl-'
Noch bevor er seinen Satz beenden konnte, durchschnitt ein blankes Messer seinen Hals. Seine Pupillen füllten sich mit leuchtendem Rot und ertränkten allmählich sein Augenlicht. Er fiel zu Boden und die Lache um seinen leblosen Körper breitete sich schnell zu allen Seiten aus, tränkte die leuchtend-blaue Kleidung in seinem eigenen Blut.
Miro indes schlich sich nach draußen. Noch war es Tag, abgesehen von den Ordinatoren waren nur Sklaven auf den Straßen. Er zog sein Messer – die rotverschmierte Klinge leuchtete im Sonnenlicht wie ein sterbender Halbmond am Morgenhimmel – und alle ausgemergelten Männer und Frauen, alle Leibeigenen, die ihn sehen konnten, zogen auf die gleiche Weise ein Messer aus dem Halfter. Ein Ruf erhob sich über Kathar, den die Stadt nie zuvor vernommen hatte und die Ordinatoren horchten auf, zogen ihrerseits ihre Krummsäbel und machten sich kampfbereit. Doch sie waren in der Unterzahl, auf einen Ordinator kamen zehn Sklaven. Die Dunmer brauchten seit jeher viele Diener und so rechneten sich die Unfreien gute Chancen aus, vielleicht doch die Stadt in ihre Gewalt zu bringen.
Genau in diesem Moment schallte eine Stimme vom höchsten Minarett Kathars auf die waffentragenden herab. Alle verstummten. Nur die Stimme des Erleuchteten hallte von den lehmenen Häuserwänden wider. 'Legt Eure Waffen nieder und vergesst, was Ihr getan, so Ihr den Schmerz Eurer Bestrafung leichter ertragen werdet.'
Und die Sklaven, allen voran Miro, ließen ihre Messer in den Sand fallen, schauten ins Leere und gingen langsamen Schrittes in die Häuser ihrer Herren zurück.