Es war fast so, als wäre der Punkt gekommen, wo alle Hoffnung versagte, wo nichts als Warten auf das Ende geblieben wäre. Doch aus irgendeinem Grund passte es nicht. Irgendetwas passte einfach nichts ins Bild. Warum waren sie hier in diese Falle getappt? Warum war hier der Golem entstanden? Irgendwie musste der Beschwörer es auch geschafft haben dem Sog zu widerstehen und selbst der Golem musste dies. Er war beeindruckend von Gestalt und Kraft, aber dennoch hätte er sich nicht halten können, würde der Felsenwurm ihn einsaugen wollen. Diese Tiere standen ohnehin irgendwo zwischen Mythos, Schauspiel und Schädling. Vermutlich würde es nur ein Traum sein. Doch Ta'nor träumte nicht. Er schlief nicht mal. Also konnte dies nicht sein. Die Magensäure hatte die Gruppe nun erreicht. Jedenfalls alle, welche dem Kai'shak in die Höhle gefolgt waren. Es zischte hier und da. Dies war eindeutig Kleidung, vielleicht gar Haut, oder andere Gegenstände, welche die Gefährten trugen und nun mit dem Schleim des Magens in Berührung kamen. Da Plötzlich wurde alles stumpf. Licht erlosch. Ta'nor merkte gar nichts mehr. Kein Gefühl keine Wahrnehmung. Etwas was der Berserker so nicht kannte - außer erstarb. Ja natürlich! Das musste es sein. Dies was der Augenblick, kurz bevor die eigene Existenz aufhörte. So musste es sein. Ta'nor glaubte nicht daran, dass er sich würdig gemacht hatte an der Tafel seines König zu speisen, wenn er aufhörte zu leben. Da überkam ihm ein seltsames Gefühl. Es war so, als wäre er in vollkommener Sicherheit. Alles war warm und ruhig. So als schlang jemand eine Decke um deinen Körper, wenn du allein in einer Eiswüste sitzt. Ein Gefühl als lege dir jemand die Hand auf die Schulter und lächelt dich freundlich an. Auch die anderen Gruppenmitglieder bekamen dieses Gefühl, egal ob sie nun im Inneren des Wurm waren, oder noch davor standen. Dann gab es einen Blitz und alles endete.
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Die riesige, dunkle Halle des Maestro wurde nur von einigen Kerzen erleuchtet, die verzweifelt gegen die Finsternis aufbegehrten. Nur die riesige Treppe, welche sich wie ein Fächer nach unten zu beiden Seiten ausbreitete und am oberen Ende den Thron beherbergte, war von vielen Lichtern erleuchtet. Einige waren ebenfalls Kerzenschein, welcher auf einigen Stufen standen, andere riesige Fackelständer, die verschiedene Höhen erreichten. Eine rote, eindeutig magische Wolke, welche an der Rückseite des Throns schwebte und sich in sich bewegte, tauchte alles ins eine gewisse Grundbedrohung. Der Maestro stützte einen Ellenbogen auf den Thron und darauf seinen Kopf. Am Fuße der Treppe kniete Spiller mit gebeugtem Haupt und einem erhobenen Knie. "Es ist gelungen mein Gebieter." Der Maestro schien in seiner Kapuze aufzuschauen. "Wie?". Seine Stimmte hallte durch den Saal, oder bildete sich das der Hexenmeister nur ein? Es dröhnte jedenfalls ins seinem Kopf. "Soir hat sich die Gorddarianer zu nutzen machen können. Ihre Fähigkeiten der Infiltration sind... besser als ich annahm." Ein wohliges Brummen drang aus dem Dunkel der Kapuze hervor. "Sie ist dort?" - "Ja mein Gebieter." - "Wann wirst du haben wonach du verlangst, um den Golem fertig stellen zu können?" - "Ich rechne mit wenigen Tagen. Soir wird Wissen und Materialien von Goddar mitbringen." - "Das ist zu riskant! Viel hängt davon ab, ob du Erfolg hast." Spiller horchte auf und wagte sogar aus Neugier seinen Blick empor zum Thron zu heben. "Das war mir nicht bewusst. Ich verdopple meine Bemühungen!" War es wirklich so wichtig das er den Golem erfolgreich erschaffen konnte? Was hatte der Maestro mit diesem vor? Er wagte nicht zu fragen. Die Antwort könnte ihm nicht gefallen, oder schlimmer: er könnte das Schicksal seines Bruders teilen, wenn er zu viele Fragen stellte. "Begib dich ebenfalls nach Goddar. Unterstütze Soir wo du kannst, aber stehe ihr nicht im Weg!" Der Diener senkte wieder sein Haupt. "Ja mein Gebieter. Ich begebe mich umgehend dort hin. "Nutze den Portalraum! Jede Minute ist kostbar!" Spiller erhob sich und nickte stumm. "Nun hinfort!" Der Maestro machte eine wegscheuchende Handbewegung. Während sich der Hexenmeister entfernte, stütze er wieder den Kopf auf den Arm und bleib stumm allein zurück.
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Als Ta'nor wieder etwas wahrnahm roch es nach Holz, Stein und irgendwie nach Blut. Seine Augen wurden besser und er konnte sich schließlich sogar orientieren. "Erwacht.", sagte eine mechanische Stimme, die irgendwie blechern klang. Der Kai'shak sah sich um. In unmittelbarer Nähe lagen die Anderen, welche nun ebenfalls wieder das Bewusstsein erlangten. Alle schienen irgendwie müde zu wirken und auch der Eisenhüne fühlte sich, als wäre er viele Kilometer mit einem riesigen Stein auf dem Rücken einen Bergpfad empor gelaufen. "Erwacht.", wiederholte die mechanische Stimme. Nun entdeckte er endlich den Ursprung. Auf einem Balken unter der Decke saß eine leuchtend weiße Gestalt. Ihre Konturen schienen zu verschwimmen. Sie schien nur aus Licht zu bestehen. Es war schwer einen Körper auszumachen. Ta'nor wollte zuerst aus Reflex einen Arm vor seinen Helm halten, um die Intensität des Leuchtens zu dämmen, aber erst im zweiten Moment merkte er, dass das Leuchten ihn gar nicht in den Augen schmerzte, ob wohl ein Kaminlicht, oder ein Magisches von dieser Intensität durchaus dazu führen würde, zumindest dazu das er die Augen zusammenkneifen würde. "Ihr seid wach." Ein Gesicht trat aus dem Leuchten hervor. Es schien freundlich zu lächeln. "Ich habe euch gerettet. Eure Existenz ist nicht zu Ende. Ihr seid wichtig." Jeder Satz schien allein für sich ausgesprochen zu werden. Als würden ihn drei Personen mit der gleichen Stimme nacheinander sagen. "Mein Name ist nicht eindeutig. Zur Zeit lautet er Fey. Nennt mich so." Das Wesen schien keine Pause für Reaktionen, oder Fragen zulassen zu wollen. "Ihr habt ein Gadrek. Es ist sehr mächtig. Das Wesen schien zu überlegen. Zumindest schwieg es einen Moment. Euch sagt 'Gadrek' nichts. In euer Sprache bedeutet es … 'Artefakt'. Ja. Ein mächtiges Artefakt. Ein ... Hammer. So nennt ihr es. Der Tiermensch besitzt ihn. Darum seid ihr wichtig. Meine Geschwister haben ihn euch gegeben. Ihr kennt sie. Ich werde sie euch zeigen."
Der Schimmer um das Wesen änderte sich kurz. Sofort darauf tauchte ein Bild in den Köpfen der Gefährten auf. Es zeigte die Gilde. Vor allem Haj'ett und Ta'nor erinnerten sich an die Gilde. Doch sagte im Moment niemand was dazu. "Durch seine Taten bin ich auf euch aufmerksam geworden. Ihr seid wichtig. Ihr habt eine Aufgabe." Der Kai'shak überlegte. Doch bevor er darauf kam ergriff das Wesen wieder das Wort. "Ihr müsst jemanden aufhalten. Er nennt sich 'Maestro'. Ihr kennt ihn nicht. Ich zeige ihn euch." Wieder wechselte das Leuchten und in den Köpfen tauchten verschiedene, bewegungslose Bilder auf. Sie zeigten den Maestro auf dem Thron, eine Nahansicht, die Hinrichtung von Balthasar und die Suche in der Bibliothek. "Er ist mächtig. Er bedroht mich. Er hat einen Plan. Ich weiß nicht welchen Plan er hat. Ihr haltet ihn auf. Der Maestro hat viele um sich gescharrt. Einige sind ebenfalls mächtig. Sie sind schwächer als der Maestro. Sie helfen ihm. Ihr haltet ihn auf. Ich werde sie euch zeigen." In den Köpfen der Gruppe tauchten wie zuvor vom Maestro Bilder von Balthasar auf. Viele der Szenen haben sie selbst erlebt. Danach überkamen sie Bilder von Spiller. Auch diese haben sie erlebt. Doch einige waren neu für die Gruppe: wie er den Golem den Befehl zum Angriff auf das Dorf gibt, wie er über dem Buch brütet und wie er vor dem Maestro kniet. Daraufhin folgten Bilder von Soir: wie sie heimlich tötete, wie sich jemanden umgarnte, und wie sie badete. Dann erschienen Bilder von Fesir. Sie zeigten ihn beim Training, beim Kampf, und beim Befehle geben inmitten der Bärenbrigarde. Zuletzt zeigten die Bilder Feste: wie er Karten mischte, sein breites fast irres Grinsen, wie er in fast unmöglichen Positionen saß, oder stand, wie er auf Händen lief und wie er Blut von einer Karte leckte.
"Das sind viele Informationen. Ihr halten sie auf. Ich weiß nicht wo alle sind. Diese sind in Goddar." Ein Bild von Soir und Spiller tauchte in den Köpfen auf. "Sie werden euch zum Maestro führen. Jetzt seid ihr wieder in Port Milan. Von hier kommt man gut nach Goddar." Die mechanische Stimme sprach Satz um Satz, Aussage um Aussage ohne Emotionen, ohne Schwankungen in der Stimme. "Ihr fragt euch was ich bin. Ich bin Fey. Ich bin ein Geist. Ich bin mächtig. Der Maestro ist mächtiger. Er bedroht mich. Ihr haltet ihn auf. Ich belohne euch." Kaum hatte Fey das letzte Wort gesagt verschwand sie so plötzlich wie sie gekommen war. Etwas entfernt ging knarrend eine alte Holztür auf. Jetzt erinnerte sich Ta'nor. Sie waren in dem Versteck der Geldeintreiber, der Schlangenbruderschaft. Die Leichen hatte man anscheinend schon weggebracht. Die Mittagssonne schien durch die halboffene Tür in den Raum. Niemand sagte etwas. Draußen hörte man geschäftiges Treiben.