Dieser Narr hatte wirklich eine besondere Auffassungsgabe. Wollte sie selbst, was sie tat? Lithia konnte das nur schwer beantworten - vielleicht hätte sie es gewollt, ohne all den Zwang, ohne dass ihre Herrin ihre Mission kontrollierte. Wenn sie ohne Fortschritte blieb.. Dann blühte ihr Unvorstellbares. Wenn sie nur daran dachte, konnte sie die Schmerzen wieder ganz genau spüren, als ihr Rücken mit den langen, tiefen Narben geziert wurde. Xynalithia schaute unpassend verschüchternd drein, eine Miene, die man eigentlich nur noch durch die Erwähnung ihrer Herrin, oder ihrer früheren Taten hervorbringen konnte, wenn man Glück hatte.
Die Priesterin hätte allerdings auch nicht gewusst, was sie in dem Moment hätte tun wollen, wenn ihre Herrin nicht gewesen wäre. Sie entschied sich dafür, das kleinere Leid, diesen Auftrag zu verfolgen, einfach als gegeben hinzunehmen. Mit einem Kopfschütteln schob sie die schwächliche Miene aus dem Gesicht und starrte Feste daraufhin ernst an. Er durfte nicht wissen, wer ihre Herrin war - ganz egal, ob er längst bemerkt hatte, dass Lithia nicht ganz ihrem eigenen Willen folgte. Und man hätte sie quälen können, um irgendeine Information zu erlangen, denn all das wäre kein Vergleich zu dem gewesen, was ihr bei ihrer Herrin geschehen wäre. Ganz ungewollt spannten sich Lithia's Muskeln an, doch sie realisierte, dass Feste gar nicht weiter darauf eingehen wollte, sondern längst das Thema wechselte.
Lithia erkannte somit, wie sehr ihre Herrin sie in der Hand hatte, selbst wenn sie gerade rein gar nichts tat. Ob ihr das gefiel? Sie genoß es ganz gewiss.
Feste's Grinsen war für Lithia mehr als wunderlich. Lag es an ihr, dass sie seine Wesensart nicht deuten konnte, oder war er einfach wirklich.. sonderlich für einen Menschen? Vermutlich beides, so dachte Xynalithia. Etwas stimmte mit diesem Kerl nicht, selbst wenn er ein Narr war, so schien er darüber hinaus unberechenbar für Lithia. Genau das machte ihn wohl derart interessant für die Priesterin. Ein wenig entspannter lauschte sie seinen Erzählungen über den Menschen und den Echsenmann, auf die er gedeutet hatte.
Freundschaft.. Lithia sah dem Echsenmann und dem Menschen dabei zu, wie sie sich mit ihren Armen umschlungen und für einen kurzen Moment sehr dicht aneinander standen.
So eine Umarmung musste sich eigenartig anfühlen. In ihrem früheren Leben - und erst Recht jetzt - war nie Platz für so etwas. Trotzdem meinte Lithia sich vage daran zu erinnern, schon einmal einen Menschen umarmt zu haben. Wer es wohl gewesen war? Es lag so unglaublich lange zurück.. Und bis auf die Tat war in der Erinnerung nichts mehr übrig.. Nicht die Wärme, die sie vielleicht gespürt hatte, oder den Duft des Menschen, der ihr einst so nahe kommen durfte. Etwas auffällig lange sah sie dem Echsenmann und dem Menschen zu. Ob sie je so etwas kennenlernen würde?
Xynalithia sah Feste in sein geschminktes Gesicht und wunderte sich über seine Aussage. Die gleiche Berufung? Hoffentlich meinte er damit nur ihre Fähigkeiten..
Seine Augen? Die Priesterin hielt die Luft an, konnte es sein, dass der Anführer bereits mit ihrer Herrin vertraut war? Wenn ja, dann wusste er, welch unvorstellbare, unentschuldbare Taten..
".. aber Alexis‘ mehr in eine andere Richtung als bei Euch. Was habt Ihr gemacht? Ist ein Zauberspruch anders gelaufen als Ihr dachtet?", fragte Feste und Lithia atmete wieder durch. Er hatte also nicht ihre Augen.. Was es wohl war? Ehe Lithia etwas erwiderte, sprach der Narr weiter und antwortete ihr auf jede der Fragen.
Der Narr schien äußerst viel zu wissen, darüber, was mit dieser Welt geschah. Mehr als ihre Herrin ihr verraten hatte über den jetzigen Stand Maradar's. Verunsichert hörte sie zu, wie Feste von Mechanismen sprach und davon, dass die Welten einstürzen konnten. Klar, von dem Chaos wusste sie, aber sie hatte das Gefühl, Feste wusste mit Abstand mehr darüber, als Lithia es tat. War sie hier auf einen Brunnen wertvoller Informationen gestoßen? Aufmerksam lauschte sie und war fast schon enttäuscht, als der Narr aufhörte darüber zu sprechen. Sie schwieg still, die ganze Zeit über und wurde aus diesem Narren nicht schlau.
Seine Miene war so undeutbar, jeder Gestik und Mimik für die Priesterin ein Rätsel.
Mit seinen Fähigkeiten offenbarte er ihr ein weiteres Stück seines Nutzens.
Xynalithia betrachtete jede seiner Regungen und unterdrückte es, mit ihren Augen zu rollen, als er vom Auftreten sprach. Solch ein Humbuk - was sollte ihnen das auf dieser Reise nutzen? Da ein harmloses Augenrollen allerdings in diesem Falle einer verstörenden Fratze mit verschlingenden Augen gleichkam, unterdrückte die Priesterin diese Geste und hörte gefasst zu.
Sie musterte die Dame in seiner Hand und fragte sich, was er plante, mit ihr zu tun - da wirbelte der Sand plötzlich auf.. Und weg war er!
Fast schon verärgert kniff sie die Augen zusammen und sah in die Ferne. War das ein Zaubertrick?!
Die Priesterin zuckte unwillkürlich zusammen, als hinter ihr Feste's Stimme ertönte. Er schien kein Magier zu sein, doch seine Fähigkeiten schienen beinahe magisch.
Sie stand aus Reflex aus ihrer Hocke auf und sah ihn verwundert an. Mit dieser Fähigkeit konnte er wirklich viele brenzlige Situationen in seine Kontrolle bringen.
Tonlos seine Position zu wechseln konnte außerdem beim Meucheln von unfassbarem Wert sein. Mit dem Narren hatten sie auf jeden Fall äußerst ungewöhnliche, praktische Fähigkeiten in dieser Gruppe, ihre Herrin hatte also nicht übertrieben. Xynalithia drehte sich mit dem Narren mit, ihre Augenbraue schob sich skeptisch nach oben. Als er dann wieder vor ihr saß, mit dem Joker in der Hand, entlockte es ihr einen nach oben zuckenden Mundwinkel. Er war ziemlich gerissen.
Langsam klatschte sie einen leisen Beifall und sah auf den Narren herunter. "Wenn du diese Fähigkeiten auch im Kampf einzusetzen weißt, dann kannst du mit ihnen wirklich von Wert sein.", sagte Xynalithia vage anerkennend, "Eine bewundernswerte Vorstellung." Zum ersten Mal hatte sie einem Narren für seine "Vorstellung" applaudiert. Sie wollte sich gerade noch für einen Moment zu dem Narren setzen und ihm auf seine Frage antworten, da bemerkte sie, dass zwei Personen zu ihnen herübertraten. Xynalithia spürte förmlich wie die Augen sie trafen und eindringlich musterten. Langsam drehte sie sich etwas zu dem Anführer und starrte ihm fesselnd in die Augen. Sie waren wirklich untypisch für einen Menschen.. Und diese Art von raubtierähnlichen, geschlitzten Augen, kam ihr mindestens so unnatürlich vor, wie ihre Eigenen.
"Was führt eine Magierin wie Euch in diese gottverlassene Wüste?", fragte er nachdem er sich ihr Vorstellte. Ein Hexenjäger.. Manch einer hatte Ascilla, die Magierin die Chantrasam verfluchte, als Hexe bezeichnet und mittlerweile war sich Lithia sicher, dass sie diese Auslegung für jene Taten verdient hatte. Doch jetzt, jetzt war sie eine Priesterin und somit war sie sich sicher, dass Alexis der Hexenjäger keine Gefahr für sie darstellte, solange sie nur für sich behielt, wer sie einst war.
"Die Suche nach dir und deiner Gruppe.", antwortete die Priesterin also schroff und ohne ihren Gedankengängen weiter nachzugehen. Nur ein flüchtiger Blick warf sich auf Haj'ett, bis sie weiter in die Augen des Hexenjägers starrte. Er wusste etwas, sie war sich sicher - die Art, wie er sie gemustert hatte..
"Mein Name ist Xynalithia. Ich bin eine Magierin und Priesterin mit dem Ziel, euch alle bei unserem gemeinsamen Ziel zu begleiten.", stellte sie sich dann vor. Jetzt wurde ihr Ton klarer und die Miene verriet, dass sie nicht vor hatte, lange über ihre Herkunft oder ihr Dasein als Priesterin zu reden. Es war mehr wie ein Abwägen, ob sie die Argumente für ihren Beitritt erst erwähnen musste, oder ob sie auf der Hand lagen. Das Schwarz und die leuchtend grüne Iris waren auf den Anführer gerichtet, der Einzige, der ihren Auftrag erschweren konnte, wenn er sie ablehnte.
"Deine Gruppe kann jede fähige Person gebrauchen und ich täte ein Gutes daran, mit anderen Gleichgesinnten zusammenzuarbeiten.", sagte sie nur.
"Ihr stündet mir im Weg und ich euch, wenn wir getrennt demselben Ziel folgen. Also, was sagst du?", machte sie keine Umschweife. Ihr Blick fixierte den Menschen und ließ sie alles ausblenden, was sich um sie herum regte.