Drei Gestalten drängten sich wortlos durch die Menge. Überall knallte es, die hölzernen Unterkünfte dieser primitiven Menschen zerbarsten unter den Geschossen. Menschenleichen, aber auch die schmutzigen Leiber elfischer Sklaven pflasterten den Weg, den die stumm schweigenden Wesen beschritten. Diese Änderung hatte man ihnen nicht mitgeteilt, doch jetzt kümmerte es nicht mehr – der Auftrag war bereits bezahlt, und dem dunkel verhüllten Anführer der drei Boten des Unterganges gefiel es nicht, wenn er offene Schulden hatte.
Er war der Beste unter den Attentätern der Elite von Valos, und das Schlimmste war, er wusste es – ganz ohne überheblich zu werden. Nein, trotz der Umstände galt der Auftrag, egal was er jetzt noch brächte, in dieser stürmischen Zeit; Was der vollbrachte Auftrag gewiss bringen würde, wäre der endgültige Untergang der Dryaden.
Mit regungsloser Miene gingen sie vorbei an panischen Menschen und Elfen, die sie nur entsetzt anstarrten, als ob es noch einen Unterschied machte, ob es nun Menschen oder Elfen waren, die in den Palast eintraten. Nur kurz fragte sich der Jüngste und Unerfahrenste der drei Attentäter, ob ihm der Auftrag etwas ausgemacht hätte, wenn er selbst einen Waldgeist bekommen oder eine liebenswerte Familie auf ihn gewartet hätte, als er noch ein kleiner Elfenjunge war.
Der Gedanke brachte nichts, und der düstere Blick, den ihm der Anführer zur Seite auf ihn warf, schien ganz so, als würde er seine Gedanken gelesen haben.
In keinem Fall hätte es ihm etwas ausgemacht. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er einen Platz gehabt, an den er auch wirklich gehörte – er wusste noch ganz genau, wie Valos sein Potenzial entdeckt und ihn höchstpersönlich in Lothloriell aufgelesen hatte. „Du selbst entscheidest darüber, ob du ein Teil der Zukunft Chantrasams bist – nicht die Aufständischen, nicht deine Eltern, auch nicht dein Herrscher.“, hatte er gesagt. Ja, Valos war eine eindrucksvolle Persönlichkeit, und selbst heute noch nahm ihm sein Anlitz den Atem: Er wollte genau so mächtig und eigenständig wie Valos werden.
Jeder Preis dafür war ihm recht.
Weiter stumm näherten sich die drei den Wachen am Eingang des längeren Ganges, der zu ihrem Ziel führte. Sie brauchten nichts zu sagen, damit die Wachen ihnen den Weg frei machten. Jeder Mensch hier wusste es: Valos' Elite bestand aus jenen, die die aufständischen Chantrasami Uthalia's mehr hassten, als die Menschen in Trauerlied selbst. Dazu gehörten vor allem die Ausgestoßenen, sowie die, die ihr Schicksal akzeptiert hatten. Elfen, die sich in den Augen der Aufständischen nicht mehr die „wahren Pflanzenelfen“ nennen durften. Der Feind unserer Feinde ist unser Freund, so sagte Valos – mit dieser Einstellung hatte er es weit gebracht. Und während er in die Schlacht zog, waren die Attentäter der Elite diejenigen, die im Verborgenen für den sicheren Sieg sorgten – und die Wachen, die Händler, selbst die Bettler wussten, wenn Valos Elite auftrat, waren sie bereit das Gleichgewicht in der Gesellschaft der Menschen wiederherzustellen.
Es hallte im Gang, die festen, ledernen Stiefel verteilten ihren Dreck auf dem blitzenden Boden.
„Ist sie das?“, fragte der Jüngste, und der Anführer nickte ruhig. Er legte argwöhnisch einen Finger auf seine Lippen. „Shhh.“, zischte er, „Habt Respekt vor dem, von dem Ihr jetzt Zeuge werdet.“
Der Junge nickte – er würde kein Wort sagen, die Stille war wie immer sein Freund.
Als die schwere Tür vor ihnen langsam geöffnet wurde, strahlte ihnen ein Licht entgegen. Es war undefinierbar, weder die Sonne, noch der Mond, oder eine Kerze oder Fackel würden solch ein Licht schaffen können. Mit den ersten Schritten auf das Licht zu nahmen die drei Elfen ihre Kapuzen ab, um Ascilla's Seelenkapsel den gebührenden Respekt ein allerletztes Mal zu erweisen. Während des Ganges auf das atemberaubende Licht zu, erfüllte es den Jüngsten von ihnen mit Demut, dass sie das, was von Ascilla übrig war, schließlich vernichten würden. Sie würden eine Macht in ihren Händen halten, die sie selbst nicht einmal verstanden.
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Hunderte sterbende Waldgeister und der Himmel glitzerte.
Niemand konnte seinen Blick noch abwenden – all das Blut und die Gedärme, die im Schnee strahlend rot den nahenden Sieg verkündeten, waren nichts mehr wert in diesem Moment.
Glitzernde Partikel fielen wie Schnee vom Himmel, tauchten das Schlachtfeld in einen Anblick, der dem Sternenhimmel glich. Wenn der Schmerz eines ganzen Volkes nicht diesen heiligen Anblick getrübt hätte, hätte man an diesem einmaligen, unvergesslichen Bild eine wunderschöne Melancholie entdeckt, in der jedes Wesen gerne für immer gelebt hätte.
Briefe an die Familien flogen zu Boden, Kazar's Brief an Erlendur war nichtig unter ihnen, denn heute würde nichts mehr Lothloriell oder Uthalia erreichen.
Sie starben. War es ein Zeichen dafür, dass die Schlacht geschlagen war? Oder ein Zeichen dafür, dass sie niemals siegen konnten? Noch immer keuchten Menschen auf dem Schlachtfeld, und steckten manches Mal ihre Klingen in die Elfen, die ohne Reaktion gen Himmel starrten.
Hätten die Chantrasami jemals noch reiner und schmerzhaft gütiger wirken können, als mit den schimmernden Überresten ihrer heiligen Beschützer im Gesicht, auf der Haut, ihren Rüstungen?
Zum ersten Mal seit langem war Kazar kalt – seine Haut strahlte keine Wärme mehr aus. Das Leder lag kühl auf seinem Körper, der Stahl seiner Dolche war unerträglich kalt. Sie versanken im Schnee, bis sie nicht mehr zu sehen waren, als Kazar sie losließ.
Nur das Schwert in seinem Oberkörper, das sich bis durch seinen Rücken hinaus bohrte, sorgte für eine Hitze in ihm. Heißes Blut tropfte an ihm herab, eine Wärme machte sich in Kazar breit, die zu schön war, um wahr zu sein. Er sah hinunter, wo das Werkzeug eines Verräters in ihm steckte, und erkannte das Gesicht eines Elfen, der mit kalten blauen Augen in Seine starrte – den Tod erwartend, den Tod des ersten Kastenhöchsten der Kriegerkaste. „Das ist erst der Anfang.“, sagte der Elf, und Kazar blickte ein letztes Mal gen Himmel, bevor er die Augen schloss, bereit zum Sterben. Er hatte Recht behalten – die Elfen Lothloriells waren keine Opfer, sie waren nicht dankbar für Befreiung. Sie hatten sich ihr Schicksal ausgesucht und die Aufständischen waren eine Bedrohung dafür. Ja, Kazar hatte Recht behalten – aber zu welchem Preis?
Alles stand jetzt auf Messers Schneide. Und.. wofür eigentlich?
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Die Tür hinter ihr wurde aufgerissen, und stumm ging Siv davon aus, dass es die Wachen waren, während sie in das Chaos hinaussah. Ihr weißes Antlitz schien besonders im Schein des Kronleuchters zu leuchten, als sie sich umdrehte. Sie kannte keine Scham, und gerade in diesem Moment war sie mit Unruhe und Stolz zugleich erfüllt. Rechtmäßig war sie die Regentin, jetzt, wo nur noch sie von ihnen beiden übrig war. Natürlich brachte ihr das nichts in diesem Chaos, außer das Chaos selbst..
Siviria spürte immer noch die Hitze auf ihrer Wange, die gerade noch von Stenian geohrfeigt wurde. Aber etwas anderes erfüllte sie mit Unruhe, neben all diesem Chaos, den Leichen die Trauerlied erfüllten, dem Blut das vergossen wurde. Etwas ging kaputt, ein Teil von ihr, doch sie konnte sich nicht helfen. Was geschah mit Chantrasam?
Die Chantrasami erblickte zwei unbekannte Gestalten – eine davon erinnerte sie sehr an Extan. Es war für Siviria unwichtig, was dieses Nervenbündel sagte. Er sah sowieso aus, als würde er bald an seinen eigenen Worten ersticken. So viel Zorn und Witz tobte in seiner fettigen Fratze, dass es Siv an das Mahl mit Extan erinnerte, bei dem er an dem Gift Stenian's starb.
Schweigend blickte Siv die Begleitung dieser einzigen Witzfigur an. Während er eine Hasstirade über ihren angeblichen Verrat, ihr Machtbestreben und das elfische Volk abhielt, stand die andere, verhüllte Gestalt einfach dort – Siv konnte nur raten, doch sie war sicher, dass nicht nur sie und ihre Untergebenen die Verachtung gegenüber des Mannes verspürten.
Der Vetter des Regenten Extans; Siviria lächelte nur leicht, als Kiefernstein seine Klinge gegen sie richtete. Stumm nahm sie sich vor, in Zukunft jeden Menschen zu töten, der Kiefernstein in seinem Hass und seiner primitiven Denkweise glich.
Corra und die zwei anderen Verbündeten spannten sich an, als die Klinge auf Siv zeigte. In Anwesenheit ihrer drei Kameraden spürte Siviria keine Sorge darüber, dass ihr jemand etwas antun konnte – selbst wenn sie ohne Waffen und völlig entblößt dastand. Sie konnten noch nicht einschätzen, inwiefern die Begleitung Kiefernsteins zur Bedrohung werden konnten, doch sie formierten sich zur dritt vor ihrer Kastenhöchsten, um zu töten, wenn nötig. Corra ergriff die Gelegenheit, als die maskierte Begleitung einen Dolch fallen ließ, doch schlug es sie mit der Wucht des Schildes auf den Boden. Verunsichert starrte sie Siviria an. Ihr Blick schien wie eine Bitte um Erlaubnis, sie alle beide zu töten. Regungslos hielt Siviria's Blick an dem bewaffneten Gegenüber fest. Corra rappelte sich, kaum merklich in ihrem Stolz beleidigt, wieder auf und wollte zum Angriff wechseln, doch kam es anders, als es jeder Anwesende erwartet hatte.
Vier Augenpaare sahen dabei zu, wie die Söldnerin ihren Auftraggeber ganz von allein beseitigte. Siviria gefiel es, dass diese Frau wusste, wann Blut vergossen werden musste. Sie machte sich die Hände schmutzig, vergaß wenn nötig ihr Versprechen und ihren Vertrag. Vielleicht waren wirklich nicht alle Menschen gierige, unmoralische Tiere. Oder.. Sie wollte einfach nicht sterben.
Corra lächelte schwach, als sie ihre Klinge auf die Söldnerin richtete – spätestens jetzt hatte sie ihren Stolz wieder zurück. Die Dolche blitzten, und eine Flucht war ausgeschlossen.
„Wen auch immer Ihr in diesem Dreckloch sucht, spätestens jetzt werdet Ihr nicht mehr findig.“, entgegnete Siv der Söldnerin. Sie blickte der Menschenfrau in die Augen, als sie ihre Maske abnahm. Menschen konnten bei weitem schöner sein, als jene wie Stenian und Extan. Nicht alle von ihnen hatten von Zorn durchtriebene Fratzen.
„Ich habe Frieden für Chantrasam ersucht. Was habe ich gefunden? Nur einen Haufen Dreck, ein Meer voll Gedärme, und eine Stadt die sich selbst niederbrennt.“, sagte sie, und abrupt nach jener Aussage bebte es. Wie konnte das sein? Ein paar wütende Menschen waren mit Fackeln nicht dazu imstande, einen Palast aus Stein zu erschüttern!
Siviria betrachtete die Zerstörung, die den Palast langsam in seinen Bestandteilen aufzulösen schien. Sie mussten schnell verschwinden, bevor es sie mit dem Gebäude fortriss. Doch was geschah jetzt mit Trauerlied? Warum musste alles vernichtet werden, was noch von der Ordnung in Chantrasam übrig war? Alles ging den Bach herunter. Es drohte Siv zu entgleiten..
Sie konnte sich an nichts festhalten und stürzte auf ihren Allerwertesten, als ein weiteres Beben den Palast erschütterte. Auf diese Weise wollte sie nicht sterben. Wortlos entwich sie in das offene Nebenzimmer, während die Söldnerin aus dem Fenster hinausblickte – Corra tat es der Menschenfrau gleich. „Was geht hier vor sich?“, fragte die Verbündete, während Siv sich bekleidete und die dickste Lederhose überzog, die sie in dem Schrank vorfand. Es war gar nicht so leicht sich anzuziehen, wo es doch immer wieder bebte, und man nie wusste, wann der Boden vielleicht nachgab. Siv verspürte plötzlich panische Angst, jegliche Kontrolle über ihre Mission zu verlieren. Hektisch verschloss sie die Knöpfe des engen Ledermantels und schlüpfte dann in ihre Lederstiefel. Sie hoffte, es wäre das letzte Mal, dass sie in diesem Anwesen stand.
Als sie auf der Schwelle zum Zimmer stand, sah sie nur noch die weit aufgerissenen Augen Corra's. Die tausenden Glassplitter, die sich in dem Zimmer streuten, aber auch die Möbel, einfach alles, was in dem Raum zerbarsten konnte, betäubten Siviria's Ohren, während Splitter sich in ihren Mantel bohrten, in die nackten Hände und ihre makellose Haut aufritzten. Wände gaben nach, Holzbretter, Steine und Splitter schienen nach der schnellsten Möglichkeit zu suchen, Siviria und ihre Begleiter zu beseitigen. Nichts war sicher, es gab nichts was blieb, keine Möglichkeit, sich festzukrallen.. An seinem Leben. Siviria spürte einen Stoß und dann, wie sie in Dunkelheit abglitt.. Sie lud sie ein, sanft, wollte ihr eine Hand reichen, an der sie sich festhalten konnte. Siv hatte kein Zeitgefühl, nichts war beständig oder vorhersehbar. Alles fühlte sich schwammig und irreal an. War das das jähe Ende?
Sie öffnete mit letzter Willenskraft ihre Augen, bevor sie sich endgültig der Dunkelheit hingegeben hätte. Ihr Hinterkopf blutete, und einige weiße Strähnen waren jetzt rot getränkt. Ihr Gesicht fühlte sich nass an, Siv war sich allerdings nicht sicher, ob sie nur ihr eigenes Blut auf der Haut trug. So kraftlos hatte sich die Kastenhöchste seit Ewigkeiten nicht mehr gefühlt. Ihre Augen suchten träge die Gegend ab, und erst als sie ihren Körper bewegte, spürte sie, dass sie direkt am Abgrund lag.
Ihr Herz machte einen Sprung, und beinahe wäre sie aus Schreck den Abgrund hinuntergestürzt, um auf dem Steinboden vor dem durchlöcherten Palast wie eine Melone zu zerplatzen. Erschrocken lehnte Siv ihren Körper in Richtung Sicherheit, um ganz langsam, ohne irgendetwas anzufassen, aufzustehen. Die Knie der Kastenhöchsten wurden weich, als sie die Tiefe sah, durch die sie hätte sterben können. Tief durchatmend versuchte die Elfe sich selbst davon zu überzeugen, dass der Boden unter ihren Füßen nicht nachgab, wenn sie sich bewegte. Der Palast musste mittlerweile aussehen wie ein löchriger Käse, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die nächste Ladung der schweren Geschosse das Gebäude niederriss.
Siv trat benommen Schritt für Schritt weiter. Von dem Eingangsbereich war nicht mehr viel übrig, und von ihren Verbündeten auch nicht. Siviria schloss ihre Augen, als sie Corra's von Glasscherben gespickten Körper entdeckte, ganz als würde sie einfach den Anblick wieder vergessen wollen und nicht wieder hinsehen. Die Kastenhöchste schluckte jegliche Trauer herunter, so gut es ging, um sich nicht weinend zusammenzukauern. Das Leben war aus Corra's Augen gewichen.
„Ich komme wieder, um dich neben den Dryaden zu bestatten, ich verspreche es.“, wimmerte sie nur in ihr Ohr, während sie die größten Scherben aus dem erschlafften Körper zog. Jetzt erst spürte sie neben dem schweren Herz die Schmerzen, die ihre eigenen Verletzungen verursachten. Es war keine Zeit für Schwäche.. Also schluckte die Weißhaarige schwer und erblickte dann ihre zwei übrigen Verbündeten. „Macht dass ihr hier weg kommt! Sammelt die Sklaven!“, keuchte Siv. Adrenalin durchströmte sie, als sie realisierte, dass die nächste Salve bestimmt schon auf sie wartete. Widerwillig machten sich die Kriegerinnen auf, um ihrem Befehl nachzukommen.
Das Söldnermädchen musste noch irgendwo sein – auch wenn sie ein Mensch war, war sie ganz gewiss noch zu jung um zu sterben. In Hoffnung dass es nicht schon zu spät war, wanderte Siv's Blick weiter.
Fast hätte sie das kleine Paket Mensch übersehen, das sich auf dem instabilen Boden eingerollt hatte. Siv fragte sich, wozu sie ihre Zeit für einen Menschen vergeudete, während sie einen Arm auf den nicht völlig regungslosen Körper legte. „Seid Ihr wach? Schlappmachen könnt Ihr, wenn wir das hinter uns haben!“, sagte sie und rüttelte beherzt an dem Leib.
„Ihr könnt jetzt nicht einfach liegen bleiben. Ihr müsst Euch für Chantrasam nützlich erweisen, Menschenmädchen, und ich verspreche, ich helfe dabei, zu finden was Ihr sucht!“, sagte sie laut, und packte ihr unter die Arme, um ihren Körper aufzustellen. Überall krachte es und Siviria's Angst, wegen eines Menschenlebens zu sterben, wuchs in diesem Moment.
Aber vielleicht war genau das, was sie von den Menschen unterschied?
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Sextana amüsierte sich über die Situation, in die sie den Janagi gebracht hatte, als er sich verunsichert vorstellte. Immerhin war sie mit diesem Unbehagen jetzt nicht mehr allein.
Die Gruppe, die sich in der Halle versammelt hatte, war noch größer als am Vorabend. Scheinbar hatte sie nicht alle Dazugehörigen kennengelernt, doch das würde sich jetzt ja noch ergeben können. Wortlos nahm Sextana neben Haj'ett Platz, als er zu ihr hinüber winkte – seine Gesellschaft war ihr lieb, und besser gelaunt als zuvor, begann sie mit dem Frühstück. Der Rotschopf hielt sich davon ab, dem Dämon bei seiner Speise zuzugucken – wahrscheinlich wäre ihr sonst noch der Appetit vergangen. Diese Gelegenheit, sich ein letztes Mal zu stärken, wollte sie sich nicht entgehen lassen, immerhin wusste sie nicht, wann es das nächste Mal in diesem Umfang möglich war. Auch Fräulein Karma bediente sich unverfroren, der Frühstückstisch bot auch einiges für Äffchen. Als Oriak sich vorstellte, bekam sie das Gefühl, sie müsste sich jetzt auch laut vorstellen – doch irgendwie sagte ihr diese Zurschaustellung ihrer Selbst nicht zu, und sie blieb einfach sitzen. Immerhin konnte sie sich ein zögerliches Lächeln abzwingen, das sie Oriak für seine freundliche Begrüßung zuwerfen konnte.
Nach ihrer Erzählung über Jadro passierte alles wieder etwas schneller – Sextana wünschte sich, sie hätte sich noch länger mit Haj'ett unterhalten können, doch sie war bereit zum Aufbruch und war immerhin auch ziemlich neugierig, was sie unterwegs erwarten würde. Lange stillzustehen war noch nie ihr Ding gewesen. Sextana griff ihre Tasche, die Geige und machte sich bereit, der Gruppe zur folgen. Sie war ein wenig gespannt, wie Jadro sich während der Reise verhielt, doch das würde sie mit der Zeit schon sehen – ganz sicher wusste sie, dass sie nicht seine Aufpasserin spielen wollte, und hoffte inständig, der Janagi könne sich selbstständig seinen Platz in der Gruppe schaffen. Zwar war er verwundet und brauchte Aufsicht, doch die hatte er hier gefunden.
Ob er sich wirklich nützlich machen konnte? Sextana zuckte mit den Schultern. Sie würden sehen.
Während des Begrüßungskomitees am Galgenplatz hielt sich Sextana zurück. Sie wusste nicht einmal, wozu sie all diese Männer brauchten, noch, ob man ihnen trauen konnte. Stumm nahm sie sich vor, die ganze Zeit über mit gesunder Skepsis auf alles gefasst zu bleiben. Das war offensichtlich auch besser so, nicht nur den eingetroffenen Söldnern gegenüber, wie sich zeigen sollte.
Sextana beobachtete die sinnlosen Wortwechsel, die jetzt stattfanden, und schüttelte den Kopf. Sie hatte ernsthaft mal gedacht, sie wäre in Sachen Sozialkontakt plump und unnütz, doch wenn sie sich die Streithähne ansah, mit denen sie reiste, wusste sie, dass sie mit sich selbst nicht ganz so hart vor Gericht gehen brauchte. Wie stumpfsinnig konnte ein Wesen sein? Für den Rotschopf boten sich Szenen, die ein gutes Maßstab dafür waren. Weiterhin schweigend ging sie weitestmöglich auf Abstand und dachte sich ihren Teil dazu. Diese Wesen waren so sehr auf sich selbst fixiert.. Während sie eine Reise antraten, um eine Lösung für das aktuelle Leid der Welt zu finden.
Bei dem Gedanken lächelte sie verspottend und schüttelte abermals den Kopf. Lächerlich.
Ihr war es egal, wer oder was jemand war, solange er keine Untaten plante. Hauptsache war doch nur, dass sie das Wichtige im Auge behielten. Schweigend tat sich Sextana daran, ein Reittier auszusuchen und blendete jegliches Treiben hinter oder neben ihr aus. Fräulein Karma nahm Sextana die Entscheidung ab, als sie auf eine braune Stute zustürzte und ohne Zurückhaltung auf dem Rücken des Tieres Platz nahm. Die Stute schniefte laut, als würde sie es bedauern, dass das Äffchen ausgerechnet sie ausgewählt hatte, doch Sextana musste darüber nur lachen. „Mach dir nichts draus, mich verfolgt dieser Quälgeist schon seit geraumer Zeit.“, flüsterte sie dem Tier ins Ohr. Der Rotschopf machte sich gleich daran, aufzusteigen, und überlegte, ob sie nach dem Namen fragen sollte.
Nein, kein Interesse – die Magierin beschloss, dass sie dem Tier für die Reise einfach einen Leihnamen gab, sobald ihr einer einfiel. Sextana konnte es kaum erwarten, endlich aufzubrechen und möglichst nicht unnötig Zeugin dieser völlig lästigen Konversationen anderer zu werden.