Bevor Hanfi dazukam
Morrowind... Ein seltsamer Kontinent. Schattenrose wusste wenig über Nirn, er hatte dort nur ganz selten zu tun gehabt und hatte sich ständig mit den Morag Tong und der Dunklen Bruderschaft ärgern müssen. Der Gedanke, jemanden gegen Geld zu töten und nicht, weil er es verdiente, zu sterben, widerte ihn an. Darüber hinaus war ihm nur bekannt, dass sich die Elfen Nirns außerhalb ihrer angestammten Heimat sehr unelfisch benahmen. Von Überlegenheit und übermenschlicher Eleganz sah man keine Spur, wenn sie Valenwald, Summerset oder Morrowind verließen. Vielleicht war der hier ja eine Ausnahme. Jedenfalls führte er ein paar hübsche Titel, wenn er nur nicht so melancholisch wäre...
Schlimmer als die Drow von Faerûn mit ihrem Niedere-Rassen-Fimmel und den Welteroberungsplänen, die das dunkelelfische Naturell zum Äußersten trieben, konnte er auch nicht sein. Auf Antares hatte es mal Elfen gegeben, sie verließen die Welt jedoch, als die Götter ihnen ihre Gunst entzogen. Damals waren die Menschen, ein schwächeres, aber sehr vielseitiges und, was wichtiger war, bescheideneres Volk. Es gab noch einzelne Elfen, die aus diesem Ereignis ihre Vorteile gezogen hatten. Wenn man nicht von allmächtigen Moralaposteln beobachtet wurde, konnte man mit der Magie die mächtigsten, wenn auch perversesten Dinge anstellen.
Schattenrose spürte förmlich, dass sein Gegenüber zu betrübt war, um das Gespräch fortzuführen, Schattenrose hingegen war bester Laune. Was sprach also gegen ein Gespräch? "Ich habe es bereits begriffen, ein wenig. Ich bin unvermeidlich. Ich kann mein Ziel an jeden Ort verfügen, selbst in das Reich der Toten hinein, um es wahrhaftig auszulöschen. Ich bin mächtig und doch schwach, so wie du. Du musstest gewiss einen Preis zahlen. Einen hohen, denn du hast viel dafür erhalten. Nein, lass mich weiterreden. Ich weiß nicht, ob du dich für diese Macht entschieden hast oder ob du dir der Konsequenzen bewusst warst. Ich hatte nie eine Wahl, direkt nach meiner Geburt... Es ist eine gebräuchliche, aber offiziell verbotene Methode, um sich Loyalität zu sichern. Es ist mein größtes Geheimnis und nicht einmal du kennst es." Das stimmte, Schattenrose wusste es genau und das gab ihm Sicherheit.
"Direkt nach meiner Geburt nahm man mir meine Seele. Ohne Seele ist man das ultimative Werkzeug. Ich habe versucht, mir das Leben zu nehmen; wollte sie zurückstehlen; ihren unrechtmäßigen Besitzer töten. Ich lernte schnell, dass all dies vergeblich war und fügte mich meinem Schicksal. So wurde ich einer der größten Attentäter meiner Welt. Ich entscheide, wer lebt und wer stirbt, aber über mein eigenes Lebn habe ich keine Gewalt. Ich habe selbst Kinder getötet. Ich musste es tun, ich hatte keine Kontrolle über mich." Keine Reue schwang in seiner Stimme, sie glich der einer Maschine, die einfach ihren Zweck erfüllt hatte. Und doch war deutlich spürbar, dass er sich dieser Taten schämte. "Ich habe es dir erzählt. Du könntest meine Gebieter verraten, nicht wahr? Nein. Sie würden meine Seele vernichten und für mich wäre nichts damit gewonnen. Sie ist unwiderbringlich verloren. Ich will weiterleben und ich will es nicht. Ich sollte Trauer verspüren, aber das tue ich nicht. Ich erahne sie nur. Wut ist das einzige Gefühl, dass ich mit aller Kraft empfinde kann. Bin ich gut gelaunt? Nein, ich bin nur seltsam. Wenn auch nicht so seltsam wie andere. Gefühle nur ahnen zu können... Das ist schlimmer, als nichts zu empfinden. Wenn doch nur..." Er wollte seine Rede fortsetzen, als Hanfi eintrat. Das war für ihn das Signal, aufzuhören. Sie war die denkbar schlechteste Zuhörerin für solche Geständnisse. Er war sich nicht sicher, aber Ryu musste mehr darüber wissen, wie es war, keine Wahl zu haben. Schattenrose wusste auch nicht, warum er das alles erzählt hatte.