Blinzelnd schlug Shuhoku die Augen auf. Sie schmerzten ihm, sein Kopf schien platzen zu wollen. Er wusste nicht wo er sich befand, alles war dunkel. Als er ausatmete, merkte er, wie eingetrocknet und eingerissen seine Lippen waren. Er versuchte sich aufzurichten, dabei krachte sein Rücken bedrohlich. Er fuhr sich mit den Fingern über das Gesicht, es war blutverkrustet.
Nicht lange brauchte er, um sich zu erinnern. Fluchend rappelte er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. Da ertönte ein hässliches Lachen und Licht flammte auf. Shuhoku kämpfte gegen den Drang an, geblendet die Augen zusammenzukneifen. „Na, so schweigsam geworden? Willst du nicht reden?“ „Sag mir wo sie ist.“, schnaufte der Halbelf nur. Wieder lachte Mataku. „Liebe. Das ist nichts. Doch mit Euch vermag sie die seltsamsten Dinge anzustellen. Glaube mir, Shuhoku, du wirst Arifess nicht wieder sehen. Sie wurde weit fortgeschleppt. Ich habe sie einem meiner Hauptmänner überlassen, was nun mit ihr geschieht, weiß ich nicht.“ Sein bösartiges Grinsen jedoch ließ Shuhoku ahnen was die Hauptmänner im Sinne hatten. Es kochte in seinem gesamten Körper, er ballte die Hände zu Fäusten. Mataku grinste noch breiter. „Hat sie dir denn so viel bedeutet? Wie bedauerlich. Aber glaube mir, sie ist in guten Händen. …so endet die Geschichte also, der junge Shuhoku verliert seine große Liebe und stellt sich aus Trotz entgegen dem gesunden Menschenverstand allen Gefahren. Nur was nützt es ihm? Seine Liebste ist verloren und willenlos ausgeliefert. Sie wird noch lange so leben müssen, doch er wird noch am selben Tag sterben und nichts daran ändern können. Ah, höre hin. Sie schreit … sie-“ „Verdammter Bastard!“ Mit aller Kraft schlug Shuhoku zu. Mataku krachte gegen eine Felswand hinter ihm und rutschte daran zu Boden. Jetzt erst wurde Shuhoku bewusst, dass sie sich in einer Höhle befanden. Er rannte auf Mataku zu und holte zu einem weiteren Schlag aus, als dieser seinen Stab hob. Von einer ungeheuren Druckwelle von den Füßen gehoben, flog der Halbelf mehrere Meter zurück und wurde seinerseits gegen die Wand geschmettert. Er hörte, wie sein Fußknöchel krachte. Vor Schmerz halb ohnmächtig blickte er langsam wieder auf und zur gegenüberliegenden Wand. Mataku stand auf und schritt gemächlich zu ihm herüber. „Nun, ich denke, es gibt wirklich nicht mehr viel zu sagen. Ich habe dich mit ihr gelockt, damit du zu mir kommst. Ich habe so sehr darauf gewartet, dich wieder zu sehen. Und jetzt, wo du schwach wie eine Made vor mir auf dem Boden kriechst, ohne Waffen und ohne Freunde, da kann ich dich endlich zerquetschen. Ich schulde dir noch einen Tod, mein Lieber.“ Shuhoku saß auf den Knien und hatte die Augen geschlossen. Er wusste, es würde nun enden. Mataku schritt lächelnd weiterhin zu ihm und zog ein Kurzschwert. Eiskalt blitzte es ihm entgegen. Der Tod war nicht mehr fern. Shuhoku ließ die Arme singen und schlaff baumeln. Da fühlte er etwas an seiner Seite … länglich, in Leder eingefasst. Er traute seinen Sinnen nicht. Sein Dolch! Er hatte ihn in die Innenseite seiner Hose gesteckt. Die lederne Scheide gab kein Geräusch von sich, als er die Waffe zog. Ein Wall Energie durchströmte ihn und mit einem wuterfüllten Schrei stieß er aus der Hocke nach vorn. Matakus Streich ging ins Leere. Shuhokus Dolch durchbohrte seinen Oberkörper. Er spürte, wie er Matakus Herz traf. „Nein“, schrie dieser mit einem Schwall Blut, der ihm aus dem Mund brach. „AhhhHH! Sie ist verloren, glaube mir, sie – ist – verloren!“ Mit blutüberströmten Oberkörper beugte sich Shuhokus Gegenüber herab und wollte noch zustechen, da ergriff dieser den Dolch erneut und zog ihn quer über Matakus Oberkörper. Würgend ging dieser in die Knie und blieb dort wankend sitzen. Mit stahlhartem Blick zog Shuhoku den Dolch heraus, setzte ihn weiter oben an und trennte Matakus Kopf ab. Dabei ging er langsam vor, und erst als er die Halsschlagader und Luftröhre durchtrennt hatte, ging sein Gegenüber endgültig zu Boden. Mit einem Ruck wurde der Kopf abgerissen.
Vollkommen in rot wankte Shuhoku aus dem steinernen Raum hinaus.
Um ihn herum lagen die Leichen der Wächter. Aus dem Hinterhalt hatte er sie getötet, während sie durch die Gänge patrouillierten. Er war sich sicher, er würde Arifess hier drin finden. Irgendwo musste sie sein. Er suchte verzweifelt nach irgendwelchen Abzweigungen, wo es weiter gehen könnte, doch er fand keine. Da hörte er ein Donnergrollen. Angeschlagen wie er war, zuckte er bei dem Geräusch erschrocken zusammen. Doch dann klärte sich sein Kopf wieder ein wenig. Donnergrollen? Hier, so tief im Innern dieses Höhlensystems? Er drehte sich um, in die Richtung aus der er das Grollen vermutete. Dann wusste er, was es war. Das gesamte Tunnelsystem stürzte ein. Schnell humpelte er in Richtung einer Tür, die ihn nach draußen führen musste, kurz zuvor war er an einer Stelle vorbeigekommen, bei der Sonnenlicht durch eine Öffnung in der Decke hinunter geschienen hatte. Er hatte diesen Weg bewusst nicht gewählt, da er sich sicher war, Arifess würde tiefer im Berg – oder wo auch immer er sich hier befand – gefangen gehalten.
Mit letzter Kraft stieß er die Tür auf und humpelte durch den folgenden Gang. Das Grollen hinter ihm wurde immer lauter. Als er um eine Ecke huschte, sah er vor sich eine halb verrottete Tür, von Licht durchleuchtet. Der Ausgang. Er warf sich dagegen und kugelte kurz darauf ein paar Meter einen Hang hinunter, bis er zwischen Gräsern liegen blieb. Hinter ihm flog die Höhlentür aus den Angeln und ein eiskalter Hauch rauschte über seinen Kopf hinweg, dabei ertönte ein hassvoller, spitzer Schrei in seinem Kopf. Dann wurde es ruhig, und Shuhoku sah noch eine leicht bewaldete Fläche vor sich, dann sank sein Kopf auf den Boden und Dunkelheit umfing ihn erneut. Während er in der Welt der Träume versank, sagte ihm eine innere Stimme, dass er Arifess nicht wieder sehen würde.