Es hatte sich zwar genauso angefühlt, dennoch war da ein Unterschied zwischen gewöhnlichem Streicheln und Hanfis Berührung gewesen. Hatte das vielleicht weh tun sollen? Nun, dann hatte die Dunkelelfin ihr Ziel wohl verfehlt. Seltsame Frau. Als sie von dieser Geschichte erzählte, war er eigentlich zu der Ansicht gelangt, dass sie auf idiotische Ideen stand, wie der Specht auf die Made (Schattenroses Menschen- und Überhauptkenntnis hatte durchaus glänzende Momente, war ansonsten aber eher beschränkt). Von daher legte er sich darauf fest, dass sie ein wenig gestört war, denn dieser plötzliche Hang zum Einfachen stand im Widerspruch zu ihrem Outfit, das die Vorstellung, sie wäre für jeden Unfug zu begeistern, unterstützte. Er wollte sich gerade bei Garett, der ihm sympathisch war, erkundigen, ob er Hanfi auch etwas seltsam fand, als Fyntwallas in Sicht kam. Es bestand größtenteils aus rauchenden Ruinen. Er beobachtete die Reaktion seiner Geschwister, die sich wenig daran störten, also war hier wohl das ewig siegreiche Heer am Werke gewesen. "Sieht so aus, als hätte man sich auf Antares zu einer kleinen Invasion entschlossen. Der übliche Anlass?" "Jein", entgegnete Rosanne. "Die Nation, der Fyntwallas angehört, hat uns nicht angegriffen, aber dafür die Leute, die von ihr unterstützt werden und dort großen Einfluss haben." "Was für Leute?" "Kultisten, die..." Rosanne erzählte das wenige, was sie über die Kultisten wusste. Als Schattenrose nach dem Gegenstand ihrer Anbetung fragte, wurde die Sache schon interesssanter. "Klingt nach diesem Kapuzenschrecken mit Sprachfehler, zu dem ihr mich letzte Nacht befragt habt", wandte sich Schattenrose an seine Begleiter. Inzwischen näherten sie sich Fyntwallas' Überresten. Vor den zerstörten Stadttoren standen jede Menge Zelte. Sie schienen allerdings nicht zu den Einwohnern der Stadt zu gehören, sondern befanden sich im Besitz diverser Händler. Alisim erklärte schnell. "Wir arbeiten noch an der Spionage, von daher müssen wir uns auf diese Händler verlassen, um Informationen zu erhalten. Etwa darüber, ob dieser Kult in allen Landesteilen unterstützt wird - und was er überhaupt für Praktiken, Lehren usw. hat, eben Detailwissen -, weil... wir können schlecht ein ganzes Land unterwerfen, nur weil eine einzelne Stadt uns feindlich gesonnene Elemente beschützt." "Das ist ehrenhaft, aber der Regent wird da anderer Ansicht sein." "Oh, wir haben Fyntwallas wegen seiner Abgelegenheit ausgewählt, genau wie unsere Feinde. Es ist ja nicht einmal auf den Karten dieses Landes verzeichnet!" "Ich verstehe. Und die Bewohner der Stadt?" "Wir haben möglichst viele Opfer vermieden. Die Kultisten wurden natürlich alle nach einem ausgiebigen, wenn auch erfolglosen Verhör hingerichtet, aber von den aufrichtigeren Bewohnern der Stadt ist niemand zu Schaden gekommen. Wir arbeiten am Wiederaufbau, die Gefechte uferten ein wenig aus... Noch sind sie mit uns unzufrieden, verständlich, aber weißt du eigentlich, wie karg diese Region ist? Wir haben hier gerade mal einen unserer Wetterweber eingesetzt und die Ernten der Felder haben sich verdoppelt!" Die restlichen Worte galten Schattenroses Begleitern. "Und wenn wir hier erst einen mystischen Hain gepflanzt haben... Ein einzelner Baum würde ausreichen, um genug Ambrosia für die ganze Stadt zu produzieren und wenn es auch nur Brombeeren sind, in denen es vorkommt. Wir haben mit der ärmeren Bevölkerung angefangen und siehe da, sie freuen sich über unsere Ankunft. Wir bauen Wohnungen, stellen ihre Versorgung sicher... Und verschönern das Stadtbild. Unsere Architektur ist diesen Fachwerk-Monstern weit überlegen und Parks wären auch nicht schlecht. Und wir Attentäter! Endlich haben wir einen vernünftigen Unterschlupf In der Obsidian-Zitadelle, nicht diese zugige Krypta." Gerade als Alisim davon sprach, tauchte besagte Zitadelle auf. Um sie herum hatte man die Ruinen abgerissen, es handelte sich um einen gewaltigen Turm aus dem namensgebenden Vulkangestein. Wie ein Speer - ein lebendiger Speer - ragte sie in den Himmel. Umhüllt war sie von einem Exoskelett aus mit komplizierten, elegant geschliffenen Mustern versehenen Vulkanglasscheiben in dunklem Blau und Gitterwerk, hergestellt mit einem unbekannten Metall, das schwarz-rot und glänzend den ganzen Turm verkleidete. Lange, silberne Linien zogen sich über das Metall hinweg, um in denselben exotischen Mustern auszulaufen, wie auf dem Glas. Während dieses vorwiegend runde, weiche und gewellte Formen hatte, war das Gitterwerk scharf, kantig und wies mehrere Stachel oder gar lange Stahlklingen auf. Zu diesem atemberaubenden Beispiel höchster Handwerkskunst gesellten sich diverse Rubine und Onyx-Stücke, die in zahllose Fassungen eingelassen und von höchster Qualität waren. Einem Baum gleich wurzelte das organisch anmutende Gebäude, welches einer Frau mit perfektem Körper, gekleidet in das eleganteste nur vorstellbare Gewand glich, in der Erde. Aus den fleischig wirkenden Wurzeln, die mit dem Obsidian verschmolzen, sickerte unaufhörlich Blut und wo es die Erde berührte, erhoben sich fremdartige Pflanzen, die goldene Lichtstrahlen durch die Dunkelheit sandten. Dieses Phänomen erklärte nun Schattenrose. "Das Blut des Kaisers - möge er über alle unter dem Himmel herrschen- wird dazu benutzt, um durch Schlachten verwüstete Gebiete wieder bewohnbar zu machen. Es lässt Leben entstehen, wo ansonsten nur Tod war. Oder ein gehöriger Brand wütete." Sie beschritten eine vielfach gewundene Treppe, die, obwohl von Menschenhand bearbeitet, ähnlich den Wurzeln, mit dem sie umgebenden Felsen verschmolz. An ihrem Rand schwebten Zauberlichter entlang, die fremdartige Schriftzeichen an den Rändern der Stufen erkennbar machten. Sie waren schlicht, ließen sich aber keiner Sprache zuordnen, die die Nichtantaraner kannten. Bald erreichten sie eine Art Tor, vielmehr ein Kraftfeld. Darüber befand sich ein imposantes Banner aus dunkelblauer Seide, das zwischen 2 seltsame Halterungen gespannt war. Ebenso wie 2 kleinere zu Seiten des Portals zeigte es eine Hand, die mehrere Kugeln, die undeutlich als diverse Welten zu erkennen waren, umklammerte. Umgeben war sie von 12 Schwertern, die nach außen gerichtet waren. Die Attentäter führten ihre Gäste zwischen dem Mondlicht hindurch, das sich am Fuße der Zitadelle sammelte und in einem leuchtenden Strom an ihr hochfloß, um sich in einem großen Kristall, ihrer Spitze, zu sammeln. Sie durchschritten den Mantel aus Licht und das Portal. Schattenroses Schwester Alundra blieb da, um eventuelle Fragen zu beantworten, ihr Bruder zog los, um für Garett ein Sonnenwächter-Amulett besorgen und Rosanne sowie Alisim zogen sich zurück, während sie mindestens 10x im Chor beteuerten, wie leid es ihnen doch täte, dass sie nun gehen müssten.