„Ich glaube nicht, dass wir so schnell zu Erik finden werden. Dieser Turm ist ein verdammtes magisches Labyrinth.“, meinte Garett seufzend…
„Na und? Wir werden trotzdem weiter nach ihm suchen! Kommt schon, weiter geht’s!“, erwiderte Gundula trotzig…
Die Gruppe setzte ihren Weg fort, doch anders, als noch vor dem Kampf führte Shuhoku sie nicht mehr, sondern ließ sich zurückfallen und bildete schließlich die Nachhut…
Wie gewohnt lief Arifess direkt neben ihm…
Doch schien er nicht ganz anwesend zu sein; körperlich war er natürlich voll da — aber er wirkte gedanklich abwesend…
Sein Blick war verschleiert, als blicke er in eine unbekannte Ferne…
Immer wieder sah ihn die Halbelfe mit sorgenvollem Blick an, manchmal war sie sogar kurz davor, mit Shuhoku ein Gespräch anzufangen, doch irgendwas an seinem Schweigen hielt sie zurück…
Der Gang endete abrupt mit einer Art Tor…
Es war ein hölzernes Doppelflügelportal mit einem ausgeklügelten Öffnungsmechanismus…
Mehrere Zahnräder waren an der Vorderseite angebracht und es schien, als sei DAS nur die Hälfte des Mechanismus´, denn es waren neun Druckplatten im Boden etwa drei Meter vor dem Tor eingelassen…
Die Gruppe stand einige Minuten ratlos davor, doch dann ergriff Hanfi das Wort: „Ich würde mal sagen, dieser Mechanismus wird durch das gleichzeitige Drücken aller Platten betätigt…
Und wie durch Zufall…“, die Dunkelelfe verdrehte kaum sehbar die Augen, „… sind dies genau so viele Druckplatten wie wir Leute sind…“
Einige der Gruppenmitglieder nickten zustimmend…
Also verteilten sie sich auf die Platten, jedes Mitglied eine…
Und tatsächlich: Als alle Platten synchron gedrückt wurden, kam das Tor ein mechanisch klingendes Geräusch von sich und die Zahnräder fingen an, sich knirschend zu drehen…
Wenige Minuten später, die der der Gruppe jedoch wie Ewigkeiten vorkamen, begann auch das Tor, sich im Schneckentempo zu öffnen…
Ganz langsam wurde der Spalt zwischen den beiden Flügeln breiter; ganz langsam wurde sichtbar, dass sich dahinter nur ein weiterer Korridor befand; ganz langsam wich die Zuversicht aus den Gesichtern der Gefährten…
„Ochneeeeeee! Das gibt´s doch nicht!“, maulte Philippe…
Garett schloss sich murrend an und auch Gundula seufzte resigniert…
„Wie lang soll denn das noch gehen?!“ fragte Luxorian rhetorisch…
Langsam schlurften sie von ihren Druckplatten und dem neuen Gang entgegen…
Der Mut hatte sie nun verlassen…
Der Magier war in der Lage, den Bauplan des Turmes jederzeit zu ändern…
Also hatte er die Gruppe völlig in der Hand…
Sie würden noch Jahre weiterirren können, ohne ihrem Ziel auch nur ein Stückchen näher zu kommen…
Denk nach!, zwang sich Arifess zur Ruhe…
Es MUSS einen Weg geben, den Magier zu überlisten!
Eriks Leben hängt davon ab…
Die Halbelfe ließ ihren Blick durch die Gegend schweifen…
Zu Hanfi, deren Blick klar und deutlich verriet, wie niedergeschlagen sie war; zu Shadow, dessen Blick ausdruckslos, ja fast unbeteiligt wirkte; zu Shuhoku, der nun noch weniger anwesend zu sein schien; zu Luxorian, dessen schönes Gesicht durch eine steile Falte zwischen den Augenbrauen geprägt wurde; zu Gundula, der die Verzweiflung förmlich ins Gesicht geschrieben stand; zu Philippe, der sich gar nicht die Mühe machte, seine Enttäuschung zu verbergen und zuletzt auch zu Moradil, dessen Blick auch Besorgnis verriet…
Sie alle — Arifess eingeschlossen — waren erschöpft und müde von dem langen und gefährlichen Marsch…
Doch sie alle wurden von der Angst um Erik wach gehalten…
Aber lange würde keiner der Gefährten mehr lange durchhalten…
Eine Rast war unumgänglich…
Jedoch war keiner von ihnen bereit, vorzeitig aufzugeben…
Träge trottete die Gruppe weiter…
Der Korridor schien nicht enden zu wollen; setzte sich immer weiter fort…
Nach endlosen Stunden setzte langsam ein stetiges Rauschen ein…
Ein leises, säuselndes Rauschen…
Verlockend, erfrischend…
Wasser…
Das kann nicht sein…!, tadelte sich Arifess…
Wie sollte es hier einen Fluss geben?!
Das war unmöglich…
Doch als die Halbelfe versuchte, diesen Gedanken zu verbannen und das Rauschen zu überhören, ging dies nicht…
Irgendwo rauschte tatsächlich was…
„Hört… Hört ihr das, was ich höre?“, fragte Garett…
Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Unglaube…
„Ein Fluss? In einem Turm?!“, fragte Hanfi…
„In einem Magierturm…“, verbesserte Arifess sie…
Die Dunkelelfe zuckte mit der Schulter und beschleunigte ihre Schritte…
Auch die anderen liefen etwas schneller…
Das Rauschen wurde mit jedem Meter lauter, bis es schließlich lautes Brausen wurde…
Ein Wasserfall…
Und tatsächlich: Genauso plötzlich, wie das Tor aufgetaucht war, endete der Gang mit einem steilen Abgrund und einem dahinter liegendem Tal…
In der kesselförmigen Schlucht wuchsen allerlei Bäume und Sträucher und wie vermutet schlängelte sich ein relativ breiter Wasserfall die steilen Klippen hinab…
„Unfassbar…“, murmelte Garett und er sprach genau das aus, was die anderen gerade dachten…
Nachdem sie sich einigermaßen wieder gefasst hatten, entschlossen die Gefährten, in das Tal zu gehen und eine kurze Rast zu machen, ehe sie einen Ausgang suchen würden…
Erschöpft und übermüdet ließen sich alle fast gleichzeitig in das saftige Gras sinken…
Es war einfach herrlich, nach so vielen Stunden wieder richtig liegen zu dürfen…
Keiner dachte da an das Aufschlagen eines richtigen Lagers oder an das Aufstellen eines Wachpostens…
Viel zu schnell waren sie eingeschlafen, als dass jemand noch einen Gedanken an die mögliche Gefahr dieser spontanen Rast zu verschwenden…
Einige Stunden später erwachte Arifess mit schrecklichen Rückenschmerzen…
Benommen rappelte sie sich auf…
Es war hellster Tag und die Sonne schien…
Nein…
Es war nicht Tag…
Oder das hieß: Doch, vielleicht war es Tag…
Aber DIES war nicht die richtige Sonne, kein richtiges Gras…
Das war alles nur eine Illusion…
Eine recht gute, aber trotzdem nur eine Illusion…
Kritisch besah die Halbelfe ihre Umgebung…
So schwer zu durchschauen war es gar nicht, stellte sie fest…
Die Grashalme waren alle gleich geformt, alle hatten genau dieselbe Farbe…
Auch die Bäume sahen auf den zweiten Blick unecht aus…
Ihre eintönig brauen Stämme schienen irgendwie… zweidimensional…
Das Blätterdach schien regelrecht an den Rest des Baumes „angenäht“ zu sein…
Mit einem Mal überkam die Halbelfe ein ungutes Gefühl…
Der Magier hatte sie alle noch immer fest im Griff…
Wie automatisch kroch Arifess langsam zu Shuhoku, der etwa zwei Meter neben ihr gelegen hatte…
Er regte sich im Schlaf, war gerade am Aufwachen…
Wie auf ein Zeichen hin, bewegten sich auch die anderen Gefährten…
Einer nach dem anderen erwachte, streckte sich und besah die Umgebung…
„Wir wollten sobald wie möglich aufbrechen und nach einem Ausgang suchen…“, meldete Hanfi sich als Erste zu Wort…