Shuhoku wusste nicht, wie er sich fühlen sollte. Einerseits war er froh, dass es Arifess wieder besser ging, andererseits wurde ihm dabei bewusst, dass er Arifess nicht mit sich vergleichen konnte, was das Töten anging. Ihm war es schon lange zur Gewohnheit geworden, er verspürte keine Gewissensbisse, wenn er einem Feind die Klinge durch den Körper stieß. Und das Töten über die Jahre hin hatte ihn die Gnade vergessen lassen. Doch Arifess war von zarterer Natur, ihr lag das Töten nicht im Blut, zwar war sie mehr als geschickt im Kampf, doch der Geist war oft die größere Schwachstelle eines Kriegers als seine Fähigkeiten im Kampf.
Shuhoku ließ Nuramon an Rifassenars Seite reiten, welcher das Bein nachzog, die kleine Gruppe hatte noch keine Zeit gehabt, ihn zu verarzten, ehe die Gefährten von den Uruks und Orks überrascht worden waren.
Arifess sah schnaufend den Uruk-hai entgegen, sie schien nicht genau zu wissen, was sie tun sollte. Shuhoku sah sie ernst an und zog beide Katanas. Sie blickte etwas erschöpft zurück und zog dann ebenfalls ihre Waffe. Der Halbelf trieb Nuramon schließlich zum Galopp an, um Erik, Mordred und Korribas zu folgen, die sich furchtlos durch die Reihen der Uruk-hai schlugen. Eigentlich war Shuhoku nicht der geborene Nahkämpfer. Er war darauf spezialisiert, bei Nacht und aus dem Hinterhalt zu kämpfen … hinterhältiges Meucheln war zwar eine miese Art, einen Mann zu töten, doch es war auch die sichere. Was nützte einem Krieger sein Kampfgeist, wenn er im offenen Kampf getötet wurde?
Doch all dies spielte nun keine Rolle, Shuhokus Mantel flatterte im Wind, als er hinter den anderen dreien her preschte und alle anwesenden Gefährten sich auf ihre Feinde stürzten. Shuhoku blockte einen Schlag und ließ die Klinge an der seinen abgleiten, während Nuramon weiter ritt, wodurch sich Shuhokus Katana schließlich an dem Schwert des Feindes vorbei schob und ihm durch den Brustkörper fuhr. Der Ork wurde mitgerissen, währenddessen enthauptete Shuhoku einen weiteren mit seinem anderen Schwert. Er befreite seine Klinge von seinem sterbenden Feind, Blut spritzte ihm ins Gesicht.
Als er sich mitten unter den Uruks befand, sah er, wie Erik weiter vorne von einem Pfeil schwer getroffen wurde und aus dem Sattel stürzte. Shuhoku versuchte, Nuramon zur Eile anzutreiben, als auch er Sirren mehrerer Pfeile vernahm. Nuramon bäumte sich auf, sodass ein Pfeil Shuhokus Brustkörper verfehlte, ein zweiter Pfeil grub sich in die Flanke des Pferdes. Shuhoku brüllte wütend auf, steckte ein Schwert weg, nahm den Bogen und schoss zurück. Der Schütze wurde in die Brust getroffen, noch ehe er den nächsten Pfeil aufgelegt hatte. Shuhoku versuchte, Nuramon von dem Pfeil zu befreien, doch er hatte mehrere Widerhaken, sodass das Pferd gequält wieherte. Shuhoku ließ sofort los und sprang schließlich zu Boden, sodass Nuramon nicht mehr weiter unter Beschuss stand.
Wie ein Berserker stürzte er sich auf zwei weitere Feinde, riss sie mit sich zu Boden und es begann ein mörderischer Klingentanz. Die kleine Gruppe der Gefährten befand sich versprengt unter den Orks und Uruk-hais, ihre Chancen standen nicht gut. Shuhoku sah, wie Korribas einen Ork zu Boden schlug und zu Erik eilte, welcher sich nicht bewegte. Dann hörte er einen Schrei, der ihm durch Mark und Bein fuhr. Er schlug seinem gegenwärtigen Gegner die Waffe aus der Hand und packte seinen Kopf. Es krachte laut, als die Halswirbel zersplitterten.
Dann fuhr Shuhoku herum und sah, wie Arifess einen Pfeil in die Schulter bekommen hatte. In gebückter Haltung stand sie da und hielt sich die Schulter, während sie mit der freien Hand kraftlos die Schläge eines Angreifers blockte. Ihre Bewegungen verloren immer mehr an Kraft. War es ein vergifteter Pfeil? Shuhoku dachte nicht weiter darüber nach. Alles in ihm brannte, doch nicht etwa wegen der Wunden, die er davongetragen hatte. Mit einem Glühen in den Augen sprintete er zu Arifess, dabei blockte er den Schlag eines schweren Zweihänders nur mit halber Aufmerksamkeit, sodass er die Klinge nicht ganz ablenkte. Doch noch bevor der Schlag ihn vollends erreichte, rammte er seinen Gegner einfach aus dem Lauf heraus zu Boden.
Er sah, wie die Halbelfe unter einem wuchtigen Hieb schließlich die Waffe verlor. Der Gegner setzte zu einem vernichtenden Schlag an und hob seinen Zweihänder mit beiden Händen über den Kopf. Die Klinge hatte die am Boden liegende Halbelfe auf halbem Wege erreicht, als der Ork von zwei Wurfsternen in den Kopf getroffen wurde. Die Wucht der Treffer ließ ihn zur Seite taumeln und seine Klinge fuhr neben Arifess in den Waldboden. Er blinzelte benommen, noch war er nicht tot. Ein Wurfmesser traf ihn in der Brust.
Endlich hatte Shuhoku die beiden erreicht. Der Ork wollte erschöpft einen Dolch ziehen, um sein Gegenüber mit letzter Kraft ins Jenseits zu schicken, als der Halbelf durch die Luft geflogen kam und ihn mit einem wuchtigen Schlag zu Boden streckte. Er sah sich schnell um, die anderen Gefährten standen noch aufrecht, doch alle waren sie von Feinden umzingelt. Nur Mordred saß noch auf seinem unermüdlich scheinenden Schlachtross, auch er hatte nun große Schwierigkeiten, mit der Feindesmasse fertig zu werden. Es gab kein Entkommen. Entschlossen stellte Shuhoku sich vor Arifess und blickte seine Feinde mit gezogenen Schwertern an …
Der Waldboden zitterte leicht, als schwere Schritte vernehmbar waren. Alle sahen sich um und bekamen mehrere Ents zu Gesicht, die durch den Wald auf sie zu stapften. Die Orks und Uruks quiekten angsterfüllt und versuchten zu fliehen, doch die Ents schienen sich wenigstens einmal zu beeilen und zertrampelten alle Flüchtlinge. An ihrer Seite kamen die restlichen Gefährten zum Vorschein.
Alle atmeten erleichtert auf. Die Feinde waren schließlich endgültig fort, entweder geflohen oder zertrampelt. Gundula eilte mit entsetztem Gesichtsausdruck zu Erik, Shuhoku kniete neben Arifess nieder, die schwach wieder auf die Beine kam. Noch sagte niemand ein Wort, das Klirren der Waffen war kaum verhallt, alle sahen sich erschöpft an. Nuramon trabte leise zu Shuhoku heran, überall auf dem Körper des Tieres waren Einschnitte zu sehen. Sie töteten auch die Tiere ihrer Feinde. Shuhoku sah über seine eigenen Wunden hinweg und versuchte, Arifess und Nuramon von den Pfeilen zu befreien, die sie getroffen hatten. Die Gefährten waren zusammen stark, doch zersprengt war jede Gefahr um ein vielfaches größer.