Nun stand Shuhoku ein zweites Mal in seinem Leben da und hielt Arifess in den Armen, die unglücklich gestürzt war. Sie sah ihn beschämt an und versuchte, auf dem rutschigen, vereistem Boden wieder aufzustehen, dabei meinte sie: „Oh entschuldige, Shuhoku, ich …-“ Doch Shuhoku beschwichtigte sie mit einem sanften Kopfschütteln, das ihr deutlich machte, dass sie sich nicht zu schämen brauchte … er konnte sich unterdessen nichts mehr vormachen. Arifess lag noch immer in seinen Armen, und während er in ihr Gesicht sah, spürte er nichts mehr von der eisigen Kälte, die sie alle umgab. Er hatte sie tief ins Herz geschlossen … das spürte er, sowie er sie in seiner Nähe wusste. Und er konnte immer schwerer die Augen vor dieser Tatsache verschließen. Er sah sie weiterhin an. „Arifess …“ Sie unterbrach ihre Bemühungen, aufzustehen, und sah ihn an. Er holte tief Luft. Und sie stoppte für einen Moment das Atmen. Was wollte Shuhoku ihr sagen? Sie hatte eine leise Vorahnung, doch wegen der Ungewissheit fing ihr Herz an, schneller zu pochen … „In letzter Zeit ist sehr viel passiert, glaube ich … vor allem für mich …“ setzte Shuhoku leise an, denn was er sagte, war nur für Arifess bestimmt und für niemanden sonst. Ihr Blick wurde weicher. „Ich … ich hätte nicht gedacht, dass …“ Er unterbrach sich. Selten war er so sehr neben sich … er versuchte sich auf das zu konzentrieren, was er Arifess sagen wollte, er versuchte, klaren Kopf zu behalten. „Aber – …mein - ich merke vor allem, dass da …“ Er holte noch einmal Luft und sah ihr nun in die Augen. „Da war eine sehr lange Zeit so etwas wie eine kalte Wand zwischen mir und jedem, mit dem ich sprach oder den ich sah … doch … seit kurzem … scheint sich ein Knoten in meiner Brust gelöst zu haben …“ Er schluckte. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer sein könnte, dir das zu erklären … aber ich glaube, der Grund … der Grund, weshalb dieser Knoten nicht mehr da ist … bist du.“ Er verstummte und sah sie still an. Und sie sah erwiderte seinen Blick mit weit geöffneten Augen, in denen tiefgehende Wärme geschrieben stand … Langsam öffnete sie den Mund und flüsterte ihm Worte zurück. „Für mich hat sich auch einiges verändert, Shuhoku …“ Sie schluckte. In ihrem Bauch kribbelte es schrecklich, doch sie fühlte sich unendlich wohl dabei. Sie stoppte kurz mit reden und schlug dann vor: „Wie wäre es, wenn wir in unser Astlager gehen? Denn du scheinst noch keinen Schlafplatz zu haben …“ Dabei lächelte sie ihn freundlich an, noch in dem Wissen, dass er ihr stattdessen lieber beim Aufbauen ihres eigenen Nestes geholfen hatte. Shuhoku nickte warm lächelnd und so wünschten sie den anderen eine gute Nacht und verschwanden in ihrem Zelt.
Als sie nebeneinander im Bett lagen, und sie die Kälte von draußen langsam abgeschüttelt hatten, fuhr Arifess’ Hand automatisch unter die Decke und suchte die von Shuhoku. Sie sah ihn an und flüsterte: „Weißt du, ich hatte nun für eine lange Zeit niemanden, der mir wirklich nahe stand, abgesehen von Rifassenar … aber jetzt fühle ich mich nicht mehr allein.“ Shuhokus Herz machte einen Riesenhüpfer und er sah sie zum ersten Mal in dem Maße liebevoll an, sodass es seinen Gefühlen zu ihr gerecht wurde … Arifess rückte ein wenig zu ihm und er legte ihr den Arm um die Schulter … Schließlich schliefen sie beide friedlich ein.
Danach hatten sie wie die anderen die Nacht schlafend verbracht, auch wenn Shuhoku am nächsten Morgen unausgeschlafen aufgewacht war, weil er immer mal wieder aufgewacht war, um ein Auge offen zu halten. Als er Arifess’ neben sich liegen spürte, war er noch wachsamer geworden, in der Befürchtung, Solitarius könnte erneut auftauchen.
Während sie über den verschneiten Landweg wanderten, hing die leicht bedrückte Stimmung wie eine düstere Wolke über den Gefährten. Die seltsamen und unheimlichen Ereignisse schienen sich zu häufen. Solitarius hatte sich mit einem Mal in eine grauenvolle Kreatur verwandelt, so schien es … nun hatte es furchtbar gestürmt, doch der Himmel war kurz darauf wieder wolkenfrei … die Gefährten hatten es eilig, schnell mit ihrer Reise voranzuschreiten.
Arifess hielt sich in der Mitte der Gruppe, und es war deutlich zu erkennen, dass Shuhoku sich immer in ihrer Nähe aufhielt … die Eiswüste war ihm nicht geheuer.