Zohani blickte Idril kurz hinterher, die sich unauffällig durch die Menge schlängelte und dabei im Vorbeigehen noch einen Münzbeutel mitgehen ließ. Amüsiert wandte sie sich ab und ging in die andere Richtung zurück. Sie musste nun zu dem Rüstungsschmied, den sie auf ihrem geistlichen Ausflug ausfindig gemacht hatte.
Nach wenigen Schritten bemerkte sie, wie jemand nach ihrer Seite langte. Die Person musste ihr Schwert erkannt haben, das ab und zu unter dem Gewand herausragte. Im ersten Moment wollte sie den Dieb anfahren, ließ ihn dann jedoch gewähren, was die wirksamere (und schmerzvollere) Methode war.
Sie musste ihm ein großes Talent anerkennen, denn eine andere Person hätte den Diebstahl zu spät bemerkt. Ein Schmerzensschrei ertönte hinter ihrem Rücken und der Mann - wie sich heraussstellte - machte einen Satz rückwärts. Zohani blickte ihn gelassen an und erkannte eine mit Brandblasen übersähte Hand. Hätte sie ihre Magie in das Schwert fließen lassen, was ihr allerdings noch nicht sehr gut gelang, wäre das Gliedmaß des Diebes vermutlich abgeschmolzen. So allerdings ließ sie ihn mit der gelernten Lektion außer Acht und ging weiter.
Sie hatte sich den Satz neuer Wurfmesser - sie waren allem Anschein nach sehr hochwertig, und Zohani freute sich über das Geschenk - provisorisch an einer Leine mit Knoten eingehängt. Sie würden ihr mit Sicherheit gute Dienste erweisen.
Gut gelaunt kam sie vor dem Ladenschild der Schmiede in einer Seitengasse zum Stehen. Hier hielt sich kaum jemand auf, die Pflastersteine waren mit Dreck übersäht und in den Ecken hörte man es vor Ungeziefer und Ratten rascheln. Doch bekanntlich musste man nach den wirklichen Meistern ihres Handwerks erst einmal suchen.
So trat sie in den Laden ein. Überall glitzerte ihr Metall entgegen. Der Schmied zog die buschigen Augenbrauen hoch, als er die junge Frau sah. Vermutlich war er es nicht gewohnt, Frauen in feinbürgerlicher Tracht in seinem Laden zu begrüßen. Wenn er in letzter Zeit überhaupt jemanden begrüßen durfte.
Er brummelte etwas zwischen Pfeife und Zähnen von unverhofftem Ruhestand und nickte ihr dann zu. "Wie kann ich euch helfen? Habt ihr euch in den Gassen dieses Viertels verlaufen?"
Zohani lächelte und schüttelte den Kopf. "Ich suche eine Rüstung, die sich an der Qualität dieses Schwertes messen lässt." Damit nahm sie das Katana aus seiner schwebenden Position und legte es auf den Verkaufstresen. Es folgte "nicht anfassen", als der alte Mann zögerlich danach griff. So zog er die Hände zurück und blieb eine Weile ruhig. Dann meinte er: "Wisst ihr, was ihr da besitzt?" Sie nickte und sah ihn abwartend an. Sein Blick zeigte seine Fassungslosigkeit, und er schien in Erinnerung zu schwelgen. "Mein Urgroßvater hat mir von jenem Material erzählt. Es soll von einer anderen Welt stammen und nur unter Verwendung von starker Magie zu schmieden sein. Die einzigen wenigen Exemplare, die überhaupt existieren, gehörten den Mitgliedern eines geheimen Ordens von Assassinen. Doch dieser soll kürzlich vernich -" Dann verschluckte er den Rest seiner Wort und griff sich an den Kopf. "Ich erzähle zu viel. Wo hab ich nur meine Gedanken?" Zohani empfand automatisch Symphatie für den alten Zwerg. Er musste weit gereist sein, denn kaum jemand wusste vom Orden der Nebel. Womöglich war er selbst einmal eine Art Held - es gab nur wenige, die dieser Bezeichnung wirklich würdig waren, jene, die nicht nur Abbilder dieses Begriffes waren.
Dann blickte er ihr ins Gesicht. Zohani seufzte. "Ich weiß davon. Wie ihr euch denken könnt, befinde ich mich auf abenteuerlicher Reise, und das Schicksal das meiner Gefährten und mir ist ein schweres. Aber ich habe euch gefunden und glaube, dass ich nur bei euch eine wirklich gute Rüstung finden kann." Der alte Mann nickte. "Eine Rüstung, wie es sie nicht überall gibt. Ihr habt tatsächlich den Richtigen gefunden." Dann schmunzelte er. "Odim der Starke ist mein Name." Und er streckte ihr die Hand entgegen. "Ich habe gehofft, mit der Führung dieser unbedeutenden Schmiede meinen Ruhestand zu verbringen, abseits von all dem Krieg und den Schlachten. Doch ich freue mich immer wieder, großen Abenteurern zu begegnen, für die ich schmieden kann. Wie ihr schon bemerkt habt, gehen diese Leute nicht zu dem gewöhnlichen Schmied in der Stadt." Impliziet wollte er wohl ausdrücken, dass er Zohani für eine potenzielle große Kriegerin hielt. Als Kriegsmatrone ihres Volkes, persönliche Streiterin ihres Gottes, lag ihr diese Rolle vermutlich nicht ganz fern.
Dann schwieg er kurz und meinte schließlich: "Folgt mir in den hinteren Teil des Ladens."
Eine ganze Weile später kam sie in neuer Rüstung aus dem Laden heraus. Das Gewand trug sie gefaltet über dem Arm.
Die Rüstung konnte von keinem normalen Schmied geschmiedet werden, da das Material aus Magie geschaffen und mit Magie bearbeitet worden war. Odim hatte angemerkt, dass es mithilfe von Magie möglich sein dürfte, eventuelle Schäden zu reparieren. Wie, das musste Zohani herausfinden.
Die Form war auf ihren Körperbau maßgeschneidert und saß dementsprechend gut. Aus den Schulterplatten ragten breite Stachel hervor, die sich gegen Ende hin zuspitzten. Selbiges ließ sich an Stiefel und Handschuhen feststellen. Dort konnten sich Waffen verhakten oder Gegner verletzen. Das Material an sich war von beachtlichem Gewicht. Trotz ihrer körperlichen Kraft, die sie durch ihre Verbindung zu Ymar erhalten hatte, würde sie trainieren müssen, um das Gewicht über längere Zeit tragen zu können. Ihre Bewegungen im Kampf würden also auch langsamer und eingeschränkter sein, was bedeutete, dass sie künftig häufiger Magie würde einsetzen müssen.
So machte sie sich auf den Weg zurück zur Taverne, da sie nun glaubte alles zu haben. Wasservorräte würden sich finden und restlichen Proviant wie Decken und Handwerkszeug hatte sie zuvor auf dem Markt erworben, der bereits im Gasthaus verstaut war.
Sie hoffte, dass Nuramon mit ihrem Gewicht klarkommen würde, doch der Hengst hatte bisher nichts seiner alten Kraft verloren und so würde er zwar langsamer als zuvor sein, aber immer noch schnell genug.
Schließlich kam sie mit dumpfen Schritten in den Schankraum der Taverne zur Seerose, wo bereits einige der anderen versammelt saßen. Sie setzte sich zu Ryan, der ebenfalls gerade gekommen sein musste.