Wie ein schwarzer Blitz raste Morachin durch das Tal: geschwind, elegant und überzeugt, dass es vielleicht klüger wäre, ein Pferd zu kaufen (letzteres war keine Eigenschaft schwarzer Blitze). Nicht, dass er irgendwie außer Atem wäre - nicht er! - aber auf Dauer schonte es doch die Kräfte, das Bewegen jemand anderem zu überlassen. Außerdem blickten die Leute jemanden, der zu Fuß weite Reisen unternahm, mehr als nur etwas schief an und zweite Blicke wollte er wirklich nicht auf sich ziehen. Sogar erste Blicke wären unangenehm gewesen. Sicher, ein Pferd bedeutete einen enormen Verlust an Geschwindigkeit, aber er stand schließlich nicht unter irgendeiner Form von Druck, der ihn vorandrängte.
Den Weg von den Bergen hinunter ins Tal und auf Qudinars Mauern zu hatte er flinkesten Fußes zurückgelegt, allmählich musste er jedoch langsamer werden. Ein schwarzes Etwas, das schnell näher kam, zog noch bedeutend mehr erste und zweite Blicke auf sich als ein Reisender ohne Pferd. Morachin ließ sich von seinem Schwung tragen und schlitterte über den ausgetrampelten Feldweg, die Sense, in den Boden gerammt, zweckentfremdet. Die lange Furche, die seine Waffe zog, zeugte von einer beachtlichen Entfernung, die er noch zurücklegte, aber schließlich kam er zum Stillstand.
Nachdem er sich den Staub von den Schultern geklopft und einen bedächtigeren Schritt angestimmt hatte, wuchsen Qudinars Mauern langsam vor Morachin in die Höhe. Sie waren niedrig, hatten aber in der Vergangenheit ihren Zweck erfüllt und obwohl die Stadt eine recht kleine Einwohnerzahl hatte, war die Befestigung keine große Überraschung. In Chachin errichtete selbst das kleinste Dorf noch immer eine Palisade zum Schutz vor Feinden. Ob die Wachen vor dem Baraia-Tor Morachin als Feind einschätzten, schien noch nicht festzustehen. Der Archetyp des grimmigen Sensenmanns zählte zu den weniger vertrauenerweckenden Gestalten und genau diesen stellte Morachin dar. Und nicht zu vergessen: Diese Wachen waren keine Menschen. Wer wusste schon, auf welch fremdartige Weise sie dachten? Hochelfen waren intelligent und scharfsinnig, jedoch auch so hochmütig gegenüber Dünnblütern, dass sie wahrscheinlich keinen Unterschied zwischen ihnen und Morachin sahen. "Ach ja, wie doch die Zeit vergeht... Wie? Kurz? Nein, nein, ich versichere dir, dass Hochelfen überraschend schlechte Gedächtnisse haben. Du musst wissen..." So plauderte er in fließendem Hochchachai wieder mit dieser Person, die sich nur ihm offenbarte und hätten die Wachen ihn nicht aufgehalten, wäre er ohne es zu merken durch das Stadttor marschiert. "Verzeiht, Herr. Herr?" "... und vergiss nicht... Hm?" "Herr, ich bitte euch um Nachsicht, doch kann ich euch so nicht Einlass gewähren. Aufgrund eurer Waffe", dabei sah der Hochelf die mannshohe Sense nicht an "muss ich mich nach eurem Aufenthaltsgrund in unserer Stadt erkundigen." "Wird es ausreichen, dem Protokoll zu folgen?" Kein Grund, unnötig Streit anzufangen. "Natürlich, Herr. Das Protokoll wird genügen." Der Wachmann wandte sich ab, ging zur Tür der Wachstube, die sich im Torbogen befand, und rief etwas hinein. Kurz darauf erschien ein Schreiber, der auf einem Brett ein Stück Pergament festgeklemmt hatte und seine Feder in ein ebenfalls daran befestigtes Tintenfässchen tauchte.
"Caius al Seen, geboren in Qudisharan", log er in einem geistesabwesenden Singsang, während er den Wächter musterte. Beflissen notierte der Schreiber die Angaben. "Auf einer Reise als Gesinnungspilger. Aus geschäftlichen Gründen in Qudinar." "Geschäfte welcher Art?" "Treffen mit Gesandten aus Qudaras." "Aufenthaltsdauer?" "Fraglich... Eure Uniform könnte etwas mehr Blau vertragen." Der Hochelf nahm das gelassen zur Kenntnis, aber der Schreiber, ein Dünnblüter, runzelte die Stirn. Welchen Sinn hatte diese Bemerkung jetzt gehabt? Über dieser Frage brütend zog der Mann ab, nachdem er alle notwendigen Angaben festgehalten hatte.
"In Ordnung, al Seen-Sera. Im Interesse der Bürger dieser Stadt muss ich euch bitten, vom Gebrauch eurer Waffe innerhalb der Mauern abzusehen. Euch sei..." "Oh, warum sollte es einen Grund geben, Gewalt zu verwenden? Natürlich sorgt die Stadtwache für Sicherheit und so werde ich wohl nie in die Lage kommen, mein Leben hier verteidigen zu müssen ist dem nicht so? Ja, ja, ihr macht eure Sache gut. Sehr gut... Sehr gut... Hm, hm... Sagt, gibt es hier ein gutes Gasthaus, in dem ich einkehren kann?" "Die Taverne "Zum Roten Drachen" genügt den Ansprüchen der meisten Reisenden. Wenn ihr größeren Komfort sucht, so solltet ihr euch ein Zimmer im "Goldenen König" nehmen." "Dank euch, guter Wächter. Ihr solltet wirklich über die Farbgebung eurer Uniform nachdenken." Damit zog Morachin in die Stadt hinein und ließ seine Sense mit einem kurzen Aufblitzen verschwinden. Das Pergament des Schreibers würde indessen einige sehr wichtige Personen erreichen...
Die Hochelfen gaben sich stoisch und ungerührt. Ein seltsamer Mann, der da an ihrem Tor erschienen war. Ein Ausländer oder jemand aus den abgelegenen nördlichen Städten, so vermuteten sie. Nun, wer so auftrat, war vermutlich harmlos, Sense hin oder her. Alsbald vergaßen sie, dass die schwarz gewandete Gestalt je an ihrem Tor erschienen war.