Vorsichtig bewegte Shuhoku seine Finger. Die Hand war mittlerweile vollkommen ausgeheilt. Das hatte er spätestens in dem Moment festgestellt, als er der verwesenen Kreatur, welche Philippe bedroht hatte, sein Schwert in den Rücken gestoßen hatte.
Schon seit einigen Stunden hatte sich der Halbelf immer wieder misstrauisch umgeblickt, diese Gegend war ihm nicht geheuer, was aber eigentlich nicht verwunderlich sein sollte. Er fühlte sich ständig beobachtet.
Um sich abzulenken, klopfte er Philippe auf den Rücken, der daraufhin mit husten aufhörte. Gundula versuchte währenddessen weiterhin, Joshua zu einer Frisuränderung zu überreden. "Dann glätte sie dir doch wenigstens mal, guck mal die von Shuhoku, die sind viel glätter, mach das doch wenigstens!" "Pff, bei dem is das halt von Natur aus so, ich mag meine Haare so wie sie sind." "Die sehn aber bescheuert aus!" "Nein!" "Doch!" "Nein!" "Doch!" Und so ging es weiter.
Shuhoku beobachtete Natsumi und die anderen Neulinge. Ray war bisher sehr schweigsam gewesen, doch das schien in ihrem Charakter zu liegen. Doch Shuhoku war noch nie gut darin gewesen, andere Leute einzuschätzen, deshalb stützte er sich nicht auf eine vorschnell gefällte Beurteilung.
Sein Blick huschte zu Zarius hinüber. Der Assassine schien ein Meister seines Fachs zu sein. Er sortierte seine Ausrüstung so einstudiert als hätte er das schon tausend mal getan, und Shuhoku schien es als wäre ebendies gar nicht so unwahrscheinlich. Dann fiel sein Blick auf Amra. Sie schaute sehr unsicher von einem Gefährten zum anderen und zog es vor, still Figuren in die feuchte Erde zu malen. Den Halbelfen erinnerte dies abrupt an Sandmalerei. Amra schien es nicht leicht zu haben, doch nach allem was Shuhoku von ihr wusste, war sie unbeabsichtigt zu ihnen geschlittert und kannte sich in dieser Welt nicht aus. Der Assassine musste an seine eigene Ankunft in diesen Landen denken. Durch ein magisches Portal gerasselt und in einer anderen Dimension aufgetaucht, was für ein Durcheinander. Glücklicherweise war diese Welt derjenigen, aus der er ursprünglich stammte, sehr ähnlich.
Während die Gefährten ihren Gedanken nachhingen und sich vor der kommenden Schlacht noch einmal abzulenken versuchten, schritten zwei Schatten durch die Regenschleier. Man erkannte nur flüchtig ihre Umrisse, mehr nicht. "Musste dieser Ausflug wirklich sein? Nicht gerade das schönste Wetter, oder?" "Sei still, da vorn sind sie." Es herrschte kurzes Schweigen, während die beiden Gestalten von einer Klippe auf die rastenden Gefährten hinabblickten. "Du meine Güte, hier könnte sie jeder Blinde aufspüren. Nicht gerade die Art von Organisationsfähigkeit, die ich erwartet hatte." "Dann solltest du deine Erwartungen nicht zu hoch setzen." "Schon gut, ich hör schon auf." "Ach, so ein Gespräch an der frischen Luft tut doch ausnahmsweise mal richtig gut, findest du nicht?" "Abgesehen davon, dass mir das fortwährende Gewitter allmählich auf den Geist geht ..."
Eomer hörte nicht weiter auf die Beschwerden seines Bruders und beobachtete weiterhin das Lager der Gefährten, richtete seinen Blick zuerst auf Shuhoku. Hat sich rausgeputzt, der Bursche. Braucht aber mal wieder Training, glaube ich ... ach, und der gute Zarius. Schon wieder am Schreiben. Wie auf ein Stichwort blickte der Khajiit auf, direkt zu der Stelle hin, an der sich Eomer befand, doch auch für ihn offenbarte sich nichts als Dunkelheit. Von hinten drang Sirius' Stimme wieder an Eomer heran. "Kannst du mir jetzt sagen, wozu wir hier sind? Der letzte Spaziergang, den wir unbekümmert hier draußen geführt haben, liegt schließlich bereits eine ganze Weile zurück."
Der Assassine seufzte. "Ryu hat ein paar Fragen. Ich denke, es wird Zeit, mal mit ihm Kontakt aufzunehmen." Bei der Erwähnung Ryus blitzte es in Sirius' Augen für einen kurzen Moment zornig auf. Eomer zischte leise. "Das ist lange vorbei, Bruder. Du musst auch verzeihen können. Je mehr Macht jemand besitzt, desto größer ist die Bürde. Das musst du berücksichtigen." Die beiden warteten, während der Regen auf sie herabprasselte. "Er scheint aber nicht bei den anderen zu sein.", brummte Sirius. "Er ist bereits auf dem Weg zu uns." Eomer lehnte sich gegen einen großen Stein und blickte wartend in die Dunkelheit. Was den kleinen, gewagten Ausflug der Gefährten betraf, würde er sich später Gedanken machen, doch er war sich sicher, dass Shuhoku im Falle des Falles in der Lage wäre, sich zu verteidigen, für die nötige Unterstützung hatte Eomer schließlich bereits indirekt gesorgt. Er hatte sein Schwert seit dem Moment gespürt, als er in diese Sphäre gewechselt war. Seine Anwesenheit ließ den Teil seiner Seele im Innern des Schwertes erstarken.
Während er auf Ryu wartete, schweiften seine Gedanken bereits wieder nachhause. Nach ihrem Gespräch würde er sich erst einmal einen saftigen Braten gönnen. Und dann galt es noch die Rolle des Onkel Eomers zu vertreten, während er den Kindern seiner Schwester die Geschichte vom Abend zuvor zuende erzählen würde. Die Gedanken an solch gewöhnliche Dinge taten ihm gut.