RPG Endless Travellers - Crossed Roads

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Die Antwort stand fest, nichts und niemand konnte Myrasia noch von ihrem Kauf abbringen, außer vielleicht, dass der Stab in ihren Händen zu Staub zerfällt oder der Händler mehr Gold verlange, als sie überhaupt bei sich hatte. Ansonsten...was sollte schon dazwischenkommen? Sie hoffte nur, dass sie genug Gold bei sich hatte. Egal, ob der Verkäufer in einem Gespräch verwickelt war, oder nicht, entschlossen streckte Myrasia den Stab zu den Verkäufer hin und fragte schon fast schreiend: >Wieviel kostet der???< Leicht verwirrt, weil er aus dem Gespräch gerissen wurde, antwortete der Händler >Ähm...mhhh...12 Goldstücke?< Myrasia atmete auf, sie hatte 15 bei sich, heute schien ihr Glückstag zu sein! Stolz bezahlte sie den erforderlichen Preis, bedankte sich mit einem breiten Grinsen und stolzierte von dem Stand. Sie war schon fast in Versuchung, ihre neu erworbene Waffe zu umarmen, aber die Bewohner würden sie für...verrückt halten.

Mit den letzten drei Goldstücken hatte Myrasia auch schon etwas vor, sie benötigte noch etwas Proviant, wenn es dann wieder auf Wanderschaft geht, sie wollte hier immerhin nicht ihr restliches Leben verbringen. Aber das kann sie später machen, immerhin bleibt sie noch ein paar Tage in Gepedi. Mit ihrer neuen Erworbenheit im Gepäck, schlenderte sie ein wenig durch den Markt, musterte die bunte Mischung von Leuten und lauschte am Vorbeigehen deren Gesprächen. Doch irgendwie überkam sie ein Unbehagen...als würde man sie beobachten, vielleicht war es aber einfach nur Einbildung!
>Beruhig dich...<, sprach sie zu sich. >Es gibt keinen Grund zur Besorgnis, du machst dich nur verrückt!< Doch nun war es nicht nur Einbildung, man beobachtete sie tatsächlich und zwar sämtliche Leute im Umkreis, anscheinend haben sie Myrasias Selbstgespräche mitbekommen. Myrasia errötete und verließ murmelnd und mit gesenktem Kopf den Marktplatz. Sowas sollte nicht noch einmal passieren. Nun gut, erstmal wird die Stadt etwas begutachtet, hoffentlich verirrte sie sich nicht.
 
Raphael fiel ein wirklich großer Stein vom Herzen, als er Larales Zustimmung bekam. Es war fast schon eine ganze Felsformation, die sich da in seinen kardiologischen Bereichen auflöste. Mehr als ein leises „bis später“ sagte er auch nicht mehr und betrat sein Zimmer. Die drei kleinen Fenster waren alle nach Norden ausgerichtet und so lag eine angenehme Kühle in dem Raum. Der Magier ließ sich auf sein Bett fallen und musterte seine Umgebung. Das Zimmer war nicht wirklich groß, lediglich ein Schrank, ein kleiner Tisch mit liebevoller Decke und einer einzelnen Blume fanden zusammen mit einem Stuhl und dem Bett darin Platz. Raphael benötigte einige Zeit bis er sich wieder aufrappelte und sich wieder daran zurückerinnerte was er eigentlich vor hatte. Er ließ seine Kleidung an. Sie war ohnehin sauber und wirkte durch die kraftvollen roten Samtbänder daran ohnehin schon recht vornehm. Auch die kunstvollen Schnallen taten ihr übriges.

Larale war auf dem Weg durch die Stadt nicht gerade entspannt. Sie schien jeden Moment zu erwarten alle Hiobsbotschaften auf einmal zu hören. Dazu kam sicherlich noch dieses Gefühl von Unbehagen, dass sie in seiner Nähe verspürte. Raphael wusste nicht wirklich wohin sie eigentlich gingen, doch auf der oberen Ebene der Stadt angekommen, führte er seine Begleitung in die nächst beste Gaststätte die ihm angemessen erschien. Es war das Haus eines Elfen, der sein Restaurant schlicht „Eden“ genannt hatte. Und kaum hatten sie es betreten wurde auch klar wieso. Das Innere des eher unscheinbaren Gebäudes wirkte mindestens doppelt so groß und wie ein liebevoll und lebensechter Ausschnitt aus den hängenden Gärten. Bäume, Wurzeln, Blumen sah man und sogar ein angelegter Bach plätscherte vor sich hin. Alles in allem war es eine wirkliche beeindruckende Mischung aus Zucht und Natur. Raphael wurde erst wieder aus dem Staunen gerissen, als ihn der Besitzer fragte was für einen Tisch er denn gerne hätte. „Einen Tisch für zwei, bitte“, und kaum gesagt, saßen sie. Unsicher wie er anfangen sollte, schaute er unsicher zu seiner Begleitung und schwieg sie an. Erst nach dem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten sagte er etwas.

„Larale“, fing er an und machte eine Pause um noch einem über seine Worte nachzudenken, „sie fragen sich sicherlich, warum ich das hier tue, warum ich euch etwas über euer Volk erzählen möchte und warum ich es überhaupt kenne.“ Er las Zustimmung aus ihrem Gesicht ab und fuhr fort, „ich will, dass ihr wisst, dass ich es besucht habe. Ich war in eurer Heimat, nicht allzu lange her. Und ihr solltet wissen, dass es eurem Volk nicht gut geht.“ Raphael machte eine Pause und beobachtete ihre Reaktion, er war sich sicher es wäre leichter, wenn er sie langsam an all sein Wissen heran führte, als alles von der Stange zu brechen. „Es hat Angst und handelt in dieser Angst unbesonnen und unüberlegt. Der König hat die mächtigsten Magier ihrer Zunft rufen lassen und sie alle in eure Hauptstadt gebracht um eine Lösung für ihr Problem zu finden. Die Barriere, die euer Volk einst beschützte, ist zerbrochen.“

„Ich war einer dieser Magier. Uns wurde nicht gesagt, warum man nicht den Magier der sie einst erschuf darum bat sie wieder aufzurichten, doch ich erfuhr, dass er wohl selbst im Sterben liegt. Seine Seele marodiert immer mehr, als würde ihm ein Teil fehlen, so sagte man es mir.“ Er beobachtete erneut Larale und befand, dass es wohl besser wäre ihr erst einmal eine Chance zu geben zu antworten.
 
Ein grimmiges Lächeln schlich sich auf Nyons Gesicht, das immer breiter wurde, je weiter der Händler mit der Wegbeschreibung fortfuhr. Oh ja, wie es aussah, konnte sie dem Kerl sehr bald heimzahlen, was er verschuldet hatte.
Aber der Waffenhändler wurde unterbrochen, ehe er das letzte Wegstück darlegen konnte. Nyon warf einen Blick zu dem Störfaktor und fand dort wieder das Mädchen mit den seltsamen Haaren. Sie verengte ihre kalten Augen für einen Moment zu einem vernichtenden Blick und hatte den spontanen Drang, diese Person mit ihren Klingen von einem Teil der Haarlast zu befreien.
Aber sie drängte dieses Verlangen zurück. Es wäre wohl nicht gerade hilfreich, mitten auf einem Markt mit einer Waffe herumzufuchteln. Außerdem wickelte der Händler diese Geschichte relativ schnell ab und wandte sich dann sofort wieder Nyon zu, wenn auch nur, um ihr noch die letzte Abzweigung zu nennen.
»Ich danke Euch«, sagte Nyon, nickte, um ihre Worte zu unterstreichen, und wollte sich bereits abwenden.
»Aber wenn ich fragen darf, wieso wollt Ihr denn zu seinem Haus?«, hielt der Händler sie jedoch noch einmal zurück. »Er verkauft nichts, wenn er nicht auf dem Markt ist und er gilt nicht gerade als ausgesprochen gastfreundlich.«
Nyon drehte sich noch einmal zu ihm hin. Eine Welle von Abscheu wogte in ihr auf, als sie diese Formulierung hörte, dass er nichts verkaufe. Nichts … Sklaven waren also keine Personen, es waren Gegenstände. Auch sie selbst war es wohl nicht wert, als Lebewesen zu gelten, nur als potentieller Besitz …
»Nun, ich möchte niemanden bei ihm kaufen. Es ist etwas … Privates«, antwortete sie unbestimmt.
Ein verschwörerisches Grinsen bildete sich auf dem Gesicht des Händlers. »Oh … ich verstehe«, meinte er und sie meinte sogar, dass er ihr zuzwinkerte.
Er verstand? Nun, das bezweifelte sie. Woran der Kerl sofort zu denken schien, hatte wohl definitiv nichts mit ihrem Vorhaben zu tun. Aber sollte der Lustmolch doch denken, was er wollte.
Nyon kümmerte es nicht mehr. Sie wandte sich ab und ging den Weg, den er ihr beschrieben hatte.

In dieser Stadt galten die vielen unterschiedlichen Türme offenbar als wichtige Orientierungsmerkmale. Vermutlich hatten sie allesamt Namen, die dies noch weiter erleichterten, aber für Fremde und Besucher genügte auch eine Nennung der Merkmale der Bauten. Denn die Türme unterschieden sich allesamt deutlich voneinander, im Gegensatz zu den meisten anderen Häusern in diesem Teil Gepedis, die eher den Eindruck vermittelten, in der ganzen Stadt gäbe es nur einen einzigen Architekten.
So war es nicht weiter schwer, das richtige Haus zu finden. Nyon stand jetzt vor der zweiflügeligen Eingangstür eines großen Hauses mit einer kleinen Treppe vor der Tür. Dieser Bertilius war wohl alles andere als arm …
Nyon atmete ein par Mal tief durch. Sie beschwor all den Hass herauf, den sie inzwischen allein auf diesen Mann projizierte, und ein tiefer Abgrund schien sich in ihren Augen aufzutun.
Kraftvoll stieß sie durch ihre Magie die Tür auf, die beinahe aus den Angeln zu springen schien, und stürmte hinein. Nach den ersten paar Schritten entschied sie sich, ein Stockwerk nach oben zu gehen, und flog förmlich die Marmortreppe hinauf. Irgendwie schien alles hier ziemlich kostbar zu sein. Aber sie wollte ihre Wut jetzt nicht an diesen Besitztümern auslassen, nein, so einfach kam man ihr nicht davon.
Oben angekommen lief sie zügig den Flur entlang, beiderseits immer wieder magisch die Türen aufstoßend. So dauerte es nur wenige Momente, bis hinter einer schier aufgesprengten Tür ein geräumiges Schlafzimmer zum Vorschein kam, an dessen Wand ein großes, bequem anmutendes Bett stand. Und darin lagen der mit nun erschrocken aufgerissenen Augen Bertilius und eine leicht bekleidete junge Frau, die einen spitzen Schrei hören ließ, als Nyon urplötzlich ins Zimmer stürzte.
»Erinnert Ihr Euch an mich?«, fragte Nyon fordernd und Wellen von Hass schienen von ihr auszugehen, die beinahe schon körperlich zu fühlen waren.
 
Tief in Gedanken versunken lief Chaya durch die Stadt. Einige Zeit später Chaya fand sich inmitten einer fast leeren Straßenkreuzung und bemerkte das sie sich vollkommen verlaufen hatte. Erst jetzt als sie sich genauer umsah fiel ihr auf, dass sich die Häuser am Straßenrand verändert hatten. Die Häuser waren heruntergekommen und ungepflegt. Teilweise standen sie sogar leer, was bei in dieser Stadt eigentlich schwer vorstellbar war. Auf den Straßen lag Schmutz und Unrat. Kein einziger Baum zierte soweit sie blicken konnte die Gegend. Vor den Häusern lungerten finstere Gestalten herum, welche die junge Elfe mit zweifelhaften Absichten musterten. Hier würde sie sicher keine Bibliothek finden, sondern Diebe und anderes Gesindel wurde ihr schnell klar. Außerdem fragte sie sich warum es ihr nicht aufgefallen war wohin sie gegangen war. Eilig drehte Chaya sich um und ging wieder die Straße entlang, auf der sie gerade zu der Straßenkreuzung gekommen war.

Bis sie eine Gruppe Stadtwachen traf traute sie sich nicht einen der Bewohner des Viertel nach dem Weg zu Fragen. Freudig lief sie zu den Wachen hinüber und fragte: "Verzeiht, werte Krieger, könntet Ihr mir bitte sagen, wie ich aus diesen Stadtviertel heraus komme. Mir ist es hier nicht geheuer." Nach dem sie kurz nachgedacht hatte fügte sie noch hinzu: "Und könnt Ihr mir zufällig sagen wo ich in dieser Stadt eine Bibliothek finde?" Zunächst schauten die Stadtwachen Chaya nur misstrauisch an, doch dann antwortete derjenige, welche der Anführer zu seien schien: "Geht dort entlang die Straße in Richtung Westen und wendet euch nach Norden, wenn ihr den Turm dort hinten erreicht habt. Und passt auf euch auf, my Lady. Dies ist keine Gegend in der man spazieren gehen sollte." Lächelnd fügte er hinzu: "Wo Ihr eine Bibliothek findet kann ich euch aller Dings nicht sagen. Das ist nur ein Ort für gebildete Männer und nicht für Soldaten."

Ein wenig später befand sich Chaya wieder in einem sichererem Stadtviertel. Dort fragte sie einen älteren Händler, der teure Kleidungsstücke verkaufte - zu teuer für Chaya, welche sich diese trotzdem interessiert anschaute - nach dem Weg. Dieser erklärte ihr etwas enttäuscht darüber, dass sie nichts kaufen wollte, dass sie am besten in der nähe des Rathauses suchen möge. Er zeigte ihr einen großen Turm nach dem sich sich richten sollte. Chaya bedanke sich und lief los in die Richtung, welche der Händler ihr gewiesen hatte. Nachdem sie durch zahlreiche Gassen und Straßen gelaufen war, in denen die verschiedensten Güter feil geboten wurden, erreichte sie einen großen Platz vor einem großen aufwendig verzierten Gebäude. Nachdem sich Chaya bei einem Passanten erkundigt hatte ob es, dass Rathaus sei und eine positive Antwort erhalten hatte setze sie sich erst einmal erschöpft auf die Treppen vor dem schönen Rathaus...
 
Der Junge mit der blutroten Robe rannte quer über dem Markt, verzweifelt nach Nyon suchend. Er fragte immer wieder einen Passanten nach ihr, aber niemand schien sie gesehen zu haben. Doch er gab nicht auf...

...so oder so ähnlich hätte die Sache ablaufen können, wäre Varim nicht auf den Süßwarenstand gestoßen. Anstatt seinen ürsprunglichen Plan, Nyon zu suchen, durchzuführen, wanderte er nun ziellos und verträumt druch die Straßen. Er nahm seine Umwelt kaum war, in seinen Gedanken war nur noch Platz für seine teuer erworbenen Bonbons, das edle, noch viel teurere Marzipan, dass er heute erst entdeckt und zu seiner neuen Lieblingsspeise erklärt hatte und, nicht zu vergessen, die wunderprächtige Sahnetorte, seperat verpackt, damit sie nicht kaputt geht, die absolute Göttin aller Konditorenkünste, Varims Meinung nach, und das war immerhin die Meinung eines echten Kenners.
In der einen Hand einen vollen Korb der die meisten seiner erworbenen Waren beinhaltete, in der anderen Hand die Torte suchte Varim einen ruhigen Ort wo er sich erst einmal hinsetzen konnte. Vielleicht sollte er auch nach einer Tasche oder etwas ähnlichem Suchen, sowas bräuchte er sowieso, seine Waffen in den Taschen seines Gewands zu tragen ist eben nicht so das Wahre.
>Ah, da hinten, eine Bank...jetzt muss ich nur noch die lächerliche Strecke bis nach dort hinten zurücklegen, dann muss ich mir keine Sorgen mehr darüber machen, dass mich gleich jemand anrempe - <
Grob wurde er von hinten angerempelt, schwankte stark und verlor fast das Gleichgewicht, fand es wieder, ließ dafür aber die Torte fallen.
Auf einmal bewegte sich alles schrecklich langsam. Zentimeter für Zentimeter konnte Varim die sorgsam verpackte Torte fallen sehen, er streckte die Hand nach ihr aus, aber es war zu spät. Langsam landete sie auf dem Pflasterstein, langsam wurde sie eingedrückt, viel zu deutlich war das häßliche, schmatzende Geräusch zu hören mit dem die endgültige Zerstörung des kulinarischen Meisterwerks eingeleitet wurde.
Den Leuten, die zuschauten, schlug die Dramatik der Szene wie ein Faustschlag ins Gesicht, immerhin sah diese Torte so teuer aus wie das Mobiliar eines ganzen Zimmers und selbst die, die das alles einfach nur komplett lachhaft fanden, wurden durch Varims intensive Aura der Bestürzung mitgerissen.
Noch Stunden stand der seines wohl kostbarsten Schatzes beraubte vor der schrecklichen Szenerie, so kamen ihm die wenigen Augenblicke, bis er den Übeltäter hinter sich mit dem Kurzschwert ausholen sah, jedenfalls vor.
Dank eines intuitiven Ausweichschritts kostete ihn der Hieb, der sein Leben nehmen sollte, lediglich ein paar Haare. Der Angreifer knurrte. "Ich weiß wer du bist! Ich kann dich gleich zu Hackfleisch verarbeiten oder du gibst mir die Kugel freiwillig! Ich warne dich, meine Männer sind überall auf dem Marktplatz! Du kannst nicht fliehen!"
Und tatsächlich: Von allen Seiten schälten sich weitere Bewaffnete aus der gaffenden Menge und fingen an, einen Kreis um ihr Ziel zu bilden. Ob die Stadtwache zusah? Wohl eher nicht, diese mussten schon im vorraus ausgeschalten worden sein, oder bestochen, bei einem Attentat würden sie nur stören.
Die akute Gefahr der Situation brachte Varim wieder in die Wirklichkeit zurück und aktivierte seinen Verstand. Er musste jetzt einen kühlen Kopf bewahren, so sehr er sich auch wünschte, die Eingeweide dieses brutalen Tortenzerstörers zu Staub zerfallen zu lassen.
Der Kreis begann sich zu schließen, wenn er jetzt nicht schnell handelte, würde er den Tag wohl nicht mehr überleben.
Er konzentrierte sich. Er streckte seine flache Hand aus, so dass die Handfläche auf sein Gegenüber zeigte, der schon ahnte was Varim vorhatte. "Komm mir jetzt nicht mit dieser verdammten Magie!!". Er hatte keine Zeit mehr, ihn aufzuhalten. Varims Handfläche begann rot zu leuchten, und das rote Licht wurde auch auf den Brustkorb des Gegners projeziert, wo nun der Umriss einer Hand zu erkennen war. Er wurde dunkler und es sah aus, als ob sich Risse von ihm ausbreiten würden.
Der Angreifer erstarrte, biss die Zähne zusammen und fing an zu schwitzen. Er ließ das Kurzschwert fallen. Es folgte ein markerschütternder Schmerzensschrei, gefolgt von einem kollektiven ungläubigen 'Huch?!' der Komplizen. Diese Chance nutzte Varim. Er rannte in eine Seitengasse und schob sich dabei an einem der Attentäter vorbei. Der Effekt des Schmerzzaubers wurde nicht mehr aufrecht erhalten und der wahrscheinliche Anführer erlangte wieder Fassung. "Er will fliehen! Hinterher!!", rief er, worauf die Angreifer eine Art wütenden Mob bildeten, der Varim in die Seitengasse folgte.
Die Verfolger legten eine ordentliche Geschwindigkeit an den Tag, mit der sie den jungen Hexer auch eingeholt hätten, würde dieser nicht immer wieder woanders einbiegen. Er kam stark ins Schwitzen, seine Ausdauer ließ wie immer zu Wünschen übrig.
Wie zu erwarten war, dauerte es nicht lange, bis er komplett außer Atem war. Weiter durch die engen Gassen wegrennen war keine Option mehr. Wohin jetzt?
Hastig sah er sich um. Es gab kein Fenster, in welches er einsteigen könnte, kein Kanalisationseingang, nichts dergleichen. Aber halt - was lehnt da gegen die unsorgfältig verputzte Wand? Eine Leiter direkt zum Dach! Nicht lange nachdem er sie erblickt hatte, erklomm er schon die ersten Sprossen, sich noch mehr beeilend, als er schon die ersten Stimmen hinter sich hörte.
Es war ein Ziegeldach, ein ziemlich flaches, auf dem man gut laufen konnte. Es lag im Schatten der viel höheren Türme zu den Seiten wodurch man seinen Zustand nicht so gut erkennen konnte. Das es eine Reperatur dringend nötig hatte, wusste Varim zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Der ihn verfolgende Mob hatte gesehen, wie er die Leiter erklommen hatte, und folgte ihm rasch. Da das Dach an kein anderes direkt angrenzte, sodass man hinüberspringen könnte, gab es keinen Ausweg. Jetzt führte kein Weg mehr an einem Kampf vorbei.
>Das war ja eine ganz geniale Idee, hier hoch zu kommen...fast so effizient wie mir das Grab selber zu schaufeln...<
Er wartete gar nicht erst darauf, dass seine Gegner alle hochkommen und Aufstellung beziehen konnten, sondern schleuderte dem ersten gleich einen roten Blitz hochkonzentrierter Zerstörungsmagie direkt ins Gesicht. Der Getroffene schrie auf und hielt sich die Hände vor die klaffende Wunde. Die nächsten Drei, die die Leiter hochgekrakselt kamen, wurde auf dieselbe Weise begrüßt. Der Vierte schien endlich zu merken was los war und wich der magischen Attacke mit einer Rolle vorwärts aus. Da Varim erst einmal mit ihm zu tun hatte, hatten seine Komplizen Zeit einer nach dem anderen auf das Dach zu klettern und sich in einem Halbkreis aufzustellen. Alleine gegen acht Attentäter auf einmal. Das versprach eine Herausforderung zu werden. Konnte der Hexer seine zerstörerischen Blitze auf acht Ziele gleichzeitig lenken, ohne dabei die Kontrolle zu verlieren und sich selbst oder die Umgebung zu beschädigen? Einen Versuch war es wert.
Er streckte beide Hande aus, spreizte die Finger und aus jedem, außer den beiden Daumen, schossen die blutroten Blitze, rissen den Angreifern die Haut von den Knochen und ließ das innere Gewebe zerfallen. Sie zuckten ziemlich unkontrolliert mal nach oben, mal zur Seite und zerstörten auch einige der Dachziegel. Die Schmerzensschreie der Angreifer übertönten das bedrohliche Knarren des Bodens unter ihren Füßen.
Alle acht wurden von den Beinen gefegt und hielten sich die schmerzenden Wunden, die Zerstörungsmagie brach ab. Wenn Varim jetzt schnell war, konnte er sich eine Waffe schnappen und schnell allen den Gnadenstoß geben, bevor sie wieder aufstehen konnten.
Als er jedoch den Fuß hob, um einen Schritt zu machen, realisierte er erst, wie instabil das Dach war. Nicht nur konnte er es unter sich zittern spüren, sondern auch das vermoderte, von Würmern zerfressene Holz unter den zerstörten Dachziegeln sehen. Er befand sich in einer Situation vergleichbar mit Schlittschuhfahren auf einem See mit sehr dünner Eisdecke.
>Verdammter Mist...jetzt keine unnötgen Bewegungen...<
Kracks. Das Dach gab nach. Die Ziegel und das Holz sacken ein und rissen Varim mit sich durch das Loch, direkt in das Haus.
In einem Regen aus Staub und Holzsplittern landete er auf unsanft auf dem Boden des Zimmers, über dem er gekämpft hatte. Die Einrichtung war ziemlich edel, im Mittelpunkt des Zimmers stand ein großes Bett.
In diesem Bett befand sich eine verängstigt dreinblickende, leicht bekleidete Frau, und daneben ein Mann der regelrecht in Panik schien. Kein Wunder, mit zwei Kristallklingen vor seiner Kehle schwebend. >Schwebende Kristallklingen? Einen Moment...woher kenne ich das bloß?!< Er lenkte seinen Blick ein Stückchen weiter, zu der Person, die vor dem Bett stand.
"Öhm...hallo, Nyon. Wie war dein Tag so?" Peinliche Stille. Jeder im Raum schien gerade zu versuchen zu verarbeiten, wie absurd das alles war, außer der Frau, die im Bett lag, diese war inzwischen in Ohnmacht gefallen.
 
»Varim!«, stieß Nyon überrascht aus und starrte ihren Gefährten wütend an. Was suchte der denn hier? War er ihr etwa gefolgt? Und was sollte sie jetzt tun? Das war wirklich das letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte. Aber sollte sie jetzt den Kerl davon kommen lassen, nur weil sie unerwartet Besuch bekommen hatte? Wohl kaum.
»Zur Seite«, fauchte sie und stieß den jungen Magier grob aus dem Weg, als sie langsam um das Bett herum auf Bertilius zuging. Dieser schien regelrecht starr vor Angst zu sein, den Blick steif auf die blitzenden Schneiden der beiden Schwerter an seinem Hals gerichtet. »Ich frage Euch noch einmal: Erinnert Ihr Euch an mich?«
Sie starrte ihn fordernd an, aber seine Aufmerksamkeit schien nur ihren Waffen zu gelten. »SEHT MICH AN!«, schrie Nyon plötzlich. Innerhalb von Sekundenbruchteilen entfernten sich die Kristallklingen weit genug und der Körper des Mannes wurde wie von Geisterhand aus dem Bett gerissen. Es schleuderte ihn ein Stück durch die Luft, bis er mit dem Rücken hart an der Tür eines Schrankes schlug. Die Magie, die das bewirkt hatte, hielt ihn in eisernem Griff. Seine Füße hingen hilflos ein paar Handbreiten über dem Boden.
Nyons Gesicht war verzerrt von Hass und Zorn, aber nun sah er ihr zum ersten Mal direkt ins Gesicht. Einige Augenblicke starrten sie sich nur gegenseitig an. Dann weiteten sich seine Augen noch weiter, als würde er sich tatsächlich an sie erinnern.
Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, aber er brachte nicht mehr hervor als ein unverständliches Krächzen.
Ein grimmiges Lächeln zeichnete sich auf Nyons Gesicht ab. Ihre kalten Augen schienen zu blitzen vor Bosheit, als sie sich nach vorne lehnte und den Mund öffnete. »Mich zu kaufen war der größte Fehler Eures Lebens«, flüsterte sie ihm zu und richtete sich wieder auf.
Das Lächeln erstarb. »Und der letzte«, fügte sie mit unbarmherziger Stimme hinzu und hob blitzartig ihre scheinbar krampfhaft gekrümmte Hand.
Bertilius fuhr sich mit den Händen an den Hals, als erwartete er dort Hände, die ihm die Kehle zuschnürten. Aber da war nichts. Egal was er tat, nichts verschaffte ihm die rettende Erlösung, wieder atmen zu können.
Nyon stand nur da und starrte auf das panisch verzerrte Gesicht Bertilius’, der mit allen Mitteln versuchte, irgendwie sein Leben zu bewahren. Er strampelte und röchelte, die Augen schienen ihm beinahe aus dem Schädel zu quellen. Eine ganze Weile genoss sie den Anblick dieser völligen Hilf- und Machtlosigkeit, der Verzweiflung und dem langsam brechenden Lebenswillen. Dann erschlaffte der Körper langsam und sie löste den Bann.
Leblos und mit einem eingefrorenen Entsetzen im Gesicht sank Bertilius zusammen.
Emotionslos stand Nyon über dem toten Körper und funkelte mit ihren kalten Augen auf ihn herab. Irgendetwas in ihr war zutiefst erschüttert ob dieses Anblicks. Was hatte sie gerade getan? Sie hatte für Gerechtigkeit gesorgt. Aber zu welchem Preis? Sie hatte einen völlig wehrlosen Mann grausam zu Tode gequält! Er hatte es verdient. Niemand verdiente ein derartiges Schicksal! Niemand verdiente es, in den letzten Momenten seines Lebens nur noch Grausamkeit und Verzweiflung wahrzunehmen! Es verdiente auch niemand, sein ganzes Leben lang Gefangener seiner selbst zu sein. Und es herrschte wieder Stille in ihr.
Nach ein paar Augenblicken drehte sie sich um. Varim stand noch immer da. »Wagt es nicht, den anderen davon zu erzählen«, sagte sie mit eiskalter Stimme, die keinen Zweifel ob der Konsequenzen zuließ.
Sie ließ ihre Klingen wieder zu ihr zurückkehren und ging würdevoll aus dem Zimmer.
 
Sie sah ihn an. Ein wenig geschockt, ungläubig. Es war schwer zu sagen was sie dachte, angesichts der tausend Gedanken die durch ihren Kopf strömten. Vielleicht war es nur der Bruchteil einer Sekunde, die ihr wie Stunden vor kam. Einer dieser Gedanken, war schrecklicher als der Nächste. Die Barriere war gefallen...das hieß das Ark Shar, der große Drache, nicht nur im Sterben lag, sondern schon fast seine gesamte Magie eingebüßt haben müsste.

„Ark Shar, der Drache des Feuerlandes, Hüter der Barriere seid Anbeginn meines Volkes liegt im Sterben?!“ sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. „Dann habe ich versagt.“ murmelte sie, leise, mehr zu sich selbst, als zu Raphael, für den diese Worte nicht einmal bestimmt waren. „Und mein Volk wird dem Untergang geweiht sein, ebenso wie das strahlende Volk der Nymphen.“ sie hätte heulen können, aber ihre Königswürde verbot ihr derartige Schwächen. Selbst wenn sie es gewollt hätte, sie hatte das weinen schon vor so langer Zeit verlernt, dass sie nicht einmal mehr wusste, wann sie es das letzte Mal getan hatte. Es musste nach menschlichen Maßstäben mindestens zwei Menschenleben her sein. Auch wenn es äußerlich in ihrem Gesicht nicht einmal Anzeichen dafür gab wie sehr sie das traf, war etwas in ihren Augen zerbrochen, als sie wieder aufsah.

„Meine Schuld, alles meine Schuld.“ sagte sie bestürzt. Für Raphael würde es keinen Sinn ergeben, er wusste nichts davon natürlich nicht. Wenn es so schlimm war wie Raphael sagte – und sie zweifelte diesmal nicht daran, dass er die Wahrheit sagte, dann dürfte ihr Volk nicht mehr lange haben – nach elfischen Maßstäben gemessen, nicht nach menschlichen. Warum hatte sie ihn auch nicht gefunden? Ein Artefakt dieser Macht müsste doch über Meilen spürbar sein. Sie berührte das Amulett um ihren Hals, spürte die pulsierende Wärme. Wo war er? Wo war das heilige Kleinod ihres Volkes? Sie durfte nicht schwach werden, noch hatte sie nicht völlig versagt, solange der Drache lebte, gab es wenigstens den Hauch einer Chance. Daran musste sie glauben, daran durfte sie nicht zweifeln. Sie fasste sich wieder.
„Verzeiht.“ sagte sie entschuldigend für ihren für ihre Maßstäbe furchtbaren Ausbruch an äußeren Gefühlen. „Es geht mir wieder besser, bitte fahrt fort.“ bat sie gefasst, vermied aber jeden Blickkontakt.
 
Nachdem sie sich im Rathaus nach einer Bibliothek erkundigt hatte wurde Chaya erklärt, dass diese in der Nähe des Palastes des Statthalters befand. Kurz vor dem Ziel wurde sie an einem Tor, welches in den inneren Mauerring hereinführte, von einer Stadtwache angehalten: "Verzeiht, my Lady, ich muss euch nach Waffen und anderen gefährlichen Gegenständen durchsuchen. Ich hab das sicher schon beim Betreten der Stadt erlebt."

Nachdem Chaya die Sicherheitsüberprüfung hinter sich hatte fand sie schnell das Bibliotheksgebäude, öffnete die schwere Eingangstür und betrat einen großen Saal, in dem Reihe um Reihe Bücher in hohen Regalen ordentlich angeordnet waren. Hinter ihr fiel die Tür leise ins Schloss. Der Saal wirkte staubig und alt und das einzige Licht kam von weißen Kristallen, die an den Bücherregalen befestigt waren. Ab und zu stand ein kleiner Tisch samt Stuhl in den Gängen, wo man Platz nehmen könnte um zu lesen. An den Bücherregalen lehnten an und zu Leitern womit man auch an die Bücher, die oben in den Regalen standen, erreichen konnte. Ein Bibliothekar war nicht zu sehen.
Staunend ging Chaya langsamen Schrittes auf ein Bücherregal zu. So viele Bücher hatte sie noch nie auf einen Haufen gesehen und insgesamt wahrscheinlich auch nicht. Den Blick zu den Büchern direkt unter Decke gerichtet lief sie einen Gang entlang bis gehen eine Leiter stieß, die laut polternd umfiel. Erschrocken sah Chaya sich um und hoffte, dass das niemand mitbekommen hatte. Doch nur einen Augenblick später kam ein kleiner alter Mann mit einen grauen Bart um eine Ecke gewuselt und sah sie empört an. "Verzeiht bitte." sagte Chaya kleinlaut und griff schnell nach der Leiter und stellte sie wieder auf.

Als der alte Mann wieder gehen wollte fragte Chaya eilig und etwas zu laut: "Sagt bitte; wo finde ich hier den Bücher über Drachen?" Als Antwort erhielt sie zunächst nur ein: "Schhh!" und einen empörten Blick. "Sprecht leiser, das ist eine Bibliothek!" sagt er streng und fügte hinzu: "Folgt mir, my Lady." Er führte sie schnellen Schrittes in einen anderen Raum, der genauso mit Büchern gefüllt war und sagte: "Hier sind die Bücher über magische Wesen." Er ging ein Regal entlang und deutete nach oben: "Und dort oben müssten die Bücher über Drachen sein. Viel Vergnügen." Kurz darauf war der alte Mann hinter einem Bücherregal verschwunden.

Gespannt klettere Chaya eine wackelige Leiter herauf und griff nach einen dicken, schweren Buch. Erst nachdem sie den Staub abgewischt hatte konnte sie den Titel lesen: 'Drachenjagd'. >Ich will doch keine Drachen jagen.< dachte sie und stellte das Buch zurück. "Einen Drachen habe ich schon - naja, fast" murmelte sie und griff zum nächsten Buch. Diesmal lautete der Titel: 'Volksmärchen über Drachen'. Doch für Märchen interessierte sie sich auch nicht so wirklich. Buch für Buch durchsuchte sie, doch hielt man in Gepedi anscheinend nicht viel von der Aufzucht von Drachen. Müde brach Chaya ihre Suche ab, ging zwischen die Bücher hindurch zum Ausgang und kehrte dann zur Herberge zurück.
 
Völlig perplex starrte Varim Nyon nach, in einem Haufen aus Dachziegelscherben und gesplittertem Holz sitzend. Selbst wenn er sich bei dem Sturz Verletzungen zugezogen hätte, würde er sie wohl jetzt am Wenigsten spüren.
"Was...zur...HÖLLE...?!"
Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Was war den eigentlich passiert?
Als er hier reingeplatzt kam, war Nyon offensichtlich dabei, diesen Typen umzubringen. Aber die Unterbrechung hatte es wohl nur hinausgezögert. Was hatte sie gesagt...? 'Erinnert Ihr Euch an mich?'...? Sie kannte ihn also. Sie hat ihn daraufhin gefoltert und kaltblütig ermordet. Es war wohl keine sehr angenehme Bekanntschaft. Ein Racheakt?
'Mich zu kaufen war der größte Fehler Eures Lebens'. Diesen Satz hatte sie nur sehr leise ausgesprochen, aber dennoch hatte Varim ihn vernommen. Nyon kaufen...das klang ganz nach Sklavenhandel. Sie war eine Sklavin?
Endlich löste sich Varims Körper aus der Starre. Er richtete sich auf und sah sich um. Die Frau im Bett war immernoch ohnmächtig, und hatte immernoch ziemlich wenig an. Bevor der pubertierende Junge auf falsche Gedanken kam, richtete er seinen Blick auf die Leiche. Um einen Menschen zu erwürgen, brauchte man keine Magie. Würde die Stadtwache hier auftauchen, was früher oder später der Fall sein musste, wäre Varim sofort Hauptverdächtiger. Wenn er also weitere Informationen sammeln wollte, musste er sich beeilen.

In diesem Raum gab es nichts weiter als das Bett und einen Kleiderschrank. Varim eilte in den Flur und riss die Tür gegenüber dem Schlafzimmer auf. Der Geruch von altem Pergament und Tinte schlug ihm entgegen - der Raum war voll mit Regalen, diese waren voll mit Stapeln aus Papier, eine Menge Informationen schienen hier verzeichnet zu sein. Im Mittelpunkt des Raumes am Fenster stand ein Schreibtisch mit mehreren Gläsern Tinte und verschiedenen Federn, außerdem Stempeln und den dazugehörigen Kissen. Die Unterlagen auf der Arbeitsfläche schienen zum Teil unvollendet, und das würden sie nun auch bleiben.
>'Männlich, jung, kräftig, braune Haut, dumm aber arbeitswillig, verkauft an Baugesellschaft'...ohne Zweifel, der Mann den Nyon getötet hat, war ein Sklavenhändler.<
Die Akten in den Regalen mussten demnach alles Informationen über sämtliche Sklaven sein, die dieser Mann jemals besessen hat. Wo sie gefunden oder gekauft wurden, Aussehen, Arbeitskompetenzen, und wo sie schließlich wieder verkauft wurden...alles war hier verzeichnet. >Wenn Nyon tatsächlich eine Sklavin gewesen ist, die diesem Händler gehört hat, muss sie hier verzeichnet sein...!<
Also machte sich Varim daran, die Akten zu durchstöbern. Sie waren nach Datum geordnet, was die Suche nicht gerade leichter machte. Er überlegte, wann er das erste Mal auf Nyon getroffen war, womit er wenigstens einen großen Zeitraum ausschließen konnte. Trotzdem hatte er nur eine Chance sie zu finden, weil das Geschlecht der Sklaven und ihre potenzielle Arbeitsfähigkeit farblich gekennzeichnet wurden. Er glaubte nicht, dass dieser Sklavenhändler eine Frau sonderlich hoch einschätzen würde, und suchte deswegen erst nur in der entsprechenden Sparte.

Nach gut zwanzig Minuten hatte er endlich, was er wollte - Nyons Akte. In interessierte nicht wirklich was darin stand, das einzige was zählte war, dass er sich jetzt über ihr Motiv sicher sein konnte.
Er legte die Akte unnötigerweise wieder zurück und verließ das Haus, diesmal durch den Vordereingang. Er hatte nicht vor, direkt wieder zum Gasthaus zurückzugehen, er hatte immernoch nicht die Einkäufe getätigt, die er sich vorgenommen hatte, zudem brauchte er dringend neue Kleidung, damit ihn die Attentäter nächste Mal nicht so schnell -
Wie ein Blitz durchfuhr in die plötzliche Erinnerung. Die acht Angreifer mussten sich inzwischen von den Schmerzen erholt haben und verletzt nun irgendwo auf ihn lauern. Merkwürdig, dass sie ihm nicht durch das Dach gefolgt waren. Möglicherweise gab ihnen die Kostprobe seiner magischen Fähigkeiten das Gefühl, sie hätten sich überschätzt. Das bedeutete für Varim aber eher Probleme, denn das hieß, dass sie nächstes Mal in größerer Zahl erscheinen würden...
 
Raphael sah berührt zu der Elfe und hielt sich mit Kommentaren zurück. Er war versucht sie zu trösten und zumindest den Versuch zu unternehmen sie von ihrer wohl selbst auferlegten Schuld zu befreien. Er konnte sich nicht vorstellen, dass all das ihre Schuld sein sollte, doch er war sich auch bewusst, dass er sicherlich nicht die ganze Geschichte kannte. Raphael schwieg weiter und blickte sie mit festem Blick an um ihr im Notfall wenigstens mit seinen Augen einen Ankerpunkt zu geben. Doch sie vermied es ihn anzuschauen.

„Wie ihr nun wisst, bin ich ein kein kleiner Magier. Meine Ausbildung ist bereits schon lange zu Ende und ich gehöre zu den mächtigsten Magiern meines Elementes“, er legte bewusst eine Pause ein um ihre Reaktion genauestens zu studieren, „Wasser.“ Er war sich sicher ein leichtes Zucken an ihr beobachtet zu haben. Vielleicht aus Angst oder schlicht aus Erkenntnis. Spätestens jetzt war ihr wohl klar, woher das Unbehagen in ihr kam. „Ich bin seit einem Vorfall vor einigen Jahren stark an dieses Element gebunden. Ohne es vertrocknet mein Mana innerlich.“ Vorsichtig näherte er sich seiner Hand und als sie mit Abneigung reagierte, flüsterte er ihr ein ernstes und beruhigendes „keine Angst“ zu. Vorsichtig ließ er seine Hand über der ihren sinken bis sich ihre Haut für den Bruchteil einer Sekunde berührte. Schlagartig blitzten die blauen Fäden auf seiner Haut auf und versetzten seinen Arm bis fast zum Ellenbogen in eine glitzernde und seltsame Schönheit. Raphael achtete nicht auf Larales Reaktion, sondern konzentrierte sich darauf, ihr nicht zu nahe zu kommen. „Was ihr hier seht, haben natürlich auch eure Landsmänner gesehen. Ich wurde schlagartig von einem Retter zum Antichrist. Ich wurde gefoltert, verbannt und ich hatte Glück lebend das Land zu verlassen.“

Raphael wollte auf keinen Fall, dass Larale nun Mitleid oder jegliche Gefühle über ihn verlor und lenkte schnell wieder auf das eigentliche Thema zurück. „Die Feuerelfen verloren immer mehr Zuspruch unter dem Gremium aus Magiern und das ohne, dass man ihnen wirklich einen Vorwurf machen konnte. Weiter auf der Suche nach einer Lösung bin ich abseits der ehemaligen Barriere auf einen Einsiedler gestoßen. Er erzählte mir von dem Magier der die Barriere erschaffen hatte und noch einiges mehr. Ich war darauf wieder in meiner Schule in der ich fast alles gelernt habe was ich weiß. Ich habe die Bibliothek von Silbersee besucht, die weiseste und vollständigste die ich kenne und habe nach einer Lösung gesucht. Ich habe sie vielleicht auch gefunden. Es gibt eine Chronik eures Volkes und laut ihr, wurde die Barriere mit der Seele ihres Erschaffers verwoben um sie für alle Zeiten aufrecht zu erhalten. Ich denke das wisst ihr. Um jedoch im Falle des Todes ihres Erschaffers eine Energiequelle für die Barriere zu haben, bannte dieser einen Teil seiner eigenen Seele in einen Stein und versteckte ihn irgendwo. Es gab damals nur einen Kreis aus vier Leuten die von seinem Aufenthaltsort wussten. Über drei kann ich sicher sagen, dass sie Tot sind. Von zweien fand ich einen Vermerk, dass sie in einem Krieg der Elfen gefallen sind. Der dritte war der Vater eures Vaters und er lebte nicht mehr als ich euer Reich besuchte. Es gibt jemand der weiß wo sich dieser Stein befindet. Und mit Glück lebt er noch. Du kannst ihn suchen, finden. Dein Volk retten.“ Raphael wurde immer stürmischer in seinen Vorschlägen. "wenn ihr den Mann findet, findest du den Stein. Die Seele. Die Barriere hat wieder Energie." Seine Augen funkelten und er brauste immer weiter auf, während Larale wohl noch immer betrübt über den Scherbenhaufen war, der von ihrem Volk zurück geblieben war. Für den Moment ignorierte er sie. "Du bist die Tochter des Königs. Ihr kommt ins Land und könnt die Magie in dem St..."

Raphael verstummte plötzlich. Er war völlig in Rage geraten. „Es tut mir Leid“, sein Kopf sank und unbewusst legte sich seine Hand auf die ihre nieder. „Das muss für euch völlig verrückt klingen. Völlig surreal. Ein Mann der das Volk zu retten sucht, dass ihn einst folterte. Doch gerade weil ich es gesehen habe. In seiner manischen Verlorenheit. War es mit wichtig etwas zu tun. Bestimmt habe ich euch mit meiner vorigen Rede jegliche Hoffnung bereits genommen. Es tut mir Leid. Wo möglich habt ihr Recht und es ist völlig falsch.“ Der Magier schüttelte langsam seinen Kopf und schaute dann auf, blickte zu ihren Augen und meinte: „Es tut mir Leid euch all das erzählt haben zu müssen, doch ich fühlte mich verpflichtet es euch mitzuteilen. Wer weiß wann ihr nach Hause zurück…“, ihm stockte der Atem. Sie war verbannt. Wie er. Derselbe Ring. „Es tut mir Leid“, flüsterte er erneut und schaute dann etwas verloren und verwirrt in die schönen Augen der Elfe. Was hatte er bloß getan? Wie verwirrt musste sie jetzt sein? Sein Versuch Klarheit zu schaffen war nun wieder in seinem Aufbrausen zu Verwirrung geworden.
 
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Es war eine seltsame Schönheit die die Linien innehatten. Sie spürte wie die Flammen in ihrem Inneren tobten, als er näher kam. Es war ihre Furcht vor dem Wasser. Aber es ergab Sinn, wenn sein Element das Wasser war. Er brauchte das Wasser zum Leben, wie sie das Feuer brauchte. Und gerade sie waren Gefährten. Sie schüttelte diesen Gedanken ab und hörte ihm weiter zu. Dann wartete sie einige Zeit ehe sie antwortete, ordnete ihre Gedanken in die richtige Reihenfolge, verdaute das neu erfahrene.

„Dann gibt es zwei Steine.“ Sagte sie. „Der andere ist der Feuerkristall, die Lebensquelle des Drachen, der Grund warum er stirbt. Gestohlen durch einen Verräter.“ Sie sah ihn an. Seine Nachrichten gaben ihr ein wenig Hoffnung, aber auch nur ein wenig.

„Nun ist die Frage was einfacher zu finden ist: Der Feuerelf der das Geheimnis kennt oder der Kristall, ein Artefakt von furchteinflößender Macht. Ich wage mir kaum vorzustellen, was passiert, wenn er in die falschen Hände gerät. Die Lebensquelle eines Drachen, seines Kleinods, verspricht immerhin die Unsterblichkeit und eine grausame Macht.“ Sie seufzte.
„Und es muss euch nicht leidtun.“ Setzte sie hinzu.

„Den selbst für die Verbannten gibt es eine Möglichkeit zurückzukehren…oder sie halten den Ursprung der Barriere in den Händen. Auch dann ist es möglich zurückzukehren.“ Sie hob ihr Amulett an. „Dieses Amulett gehörte demjenigen der vor mir den Kristall suchte, meinem Onkel, es reagiert wenn der Kristall in der Nähe ist, aber bisher ist es stumm geblieben. Vielleicht habt ihr Recht und ich sollte den suchen, der den Aufenthaltsort des zweiten Steines kennt, aber dazu müsste ich ihn finden.“

Sie hielt kurz inne, überlegte ob sie weiterreden konnte, ohne zu viel auszuplaudern. Allerdings…Raphael wusste sowieso bereits so viel, da würde der Rest auch nichts mehr ändern.
„Die vier sind wahrscheinlich die vier Alten, die Vertrauten der Drachen, Feuerelfen denen es vergönnt ist, weit über das normale heraus zu sehen. Mein Sharill, war einer von ihnen, er sah so vieles, Dinge die ich nicht einmal erdenken kann. Es ist ein Geschenk, eine Gabe und der Grund warum er niemals König war, weil es so vieles bedeutet vieles zu sehen. Sie würden meinem Volk niemals schaden.“ Sie hielt inne. „Allerdings ist nie bekannt wer zu ihnen gehört, dass mein Sharill dazu gehörte wusste ich nur, weil ich ihn einmal belauscht habe. Ihre Namen werden sonst erst bekannt, wenn sie tot sind.“ Sie seufzte. „Es dürfte also wahrlich schwer werden ihn zu finden.“ Sie schüttelte den Kopf.
„Aber danke das ihr es mir gesagt habt…es ist besser als im Ungewissen zu leben.“
 
Raphael blickte ihr in ihre Augen, er bewegte sich nicht. Nach einer kurzen Pause sprach er wieder. „Danke, dass ihr das so seht“, meinte er aufrichtig und fuhr nach einer weiteren Unterbrechung fort. Innerlich war er gerade zu aufgesprungen, als ihm klar wurde, dass der Erschaffer der Barriere ein Drache war. Kein Elf. „Ich weiß. Ich kenne diese Macht. Ich habe sie gesehen. Ich habe sie in mir“, er nickte zu seiner Hand und erst jetzt wurde ihm bewusst, dass diese noch immer auf der sanften Haut Larales ruhte. Er zog sie schnell weg und langsam verschwanden die Fäden wieder, wie eine Glut die langsam erlosch. „Diese Zeichen sind Drachenrunen. Ich habe einen Leviathan besiegt und bin so zu einem Draconigena aufgestiegen. Ich kann zwar nicht von Unsterblichkeit berichten, doch von einer ungeheuren Macht, deren volles Ausmaß ich wohl nicht erlebt habe.“

„Ich glaube nicht, dass wir von zwei verschiedenen Steinen reden“, er lenkte schnell wieder zurück um nicht zu viel von sich preisgeben zu müssen. Er hatte sich dieser Elfe ohnehin schon mehr anvertraut wie er dies bereits seit Jahren einer Person getan hatte. Und wohl dabei war ihm nicht wirklich, doch er konnte sich auch nicht mehr recht zurück halten. Vielleicht tat es ihm auch gut, sich mal wieder alles von der Seele zu reden. „Die Chronik eures Volkes, ist zwar von einem Feuerelfen geschrieben, jedoch sicherlich auch nicht ohne Einflüsse von Mythen, Erzählungen und Märchen. Wenn dieselbe Geschichte mehrmals mündlich überliefert wird, verändert sie sich.“

Raphael musterte Larale noch einmal genau, bevor er seinen Verdacht äußerte. Ihm wurde später klar, dass er in diesem Moment erneut Angst vor dem Feuer hatte dessen sie sich jederzeit bemächtigen konnte. „Ich glaube einer der Sharill, der letzte lebende, wurde durch die Aussicht auf die endlose Macht des Drachens verdorben und hat den Stein gestohlen und versteckt. Es würde erklären warum er der letzte Lebende ist. Womöglich hat er die Mitwisser um den Stein sogar selbst getötet. Ich weiß, ihr sagtet diese Männer würden eurem Volk nicht schaden. Und ich glaube euch das. Wenn ihr euch sicher seid, dann schweige ich auf der Stelle, doch über dem Eingangstor von Silbersee ist ein Spruch gemeißelt, dessen Inhalt die Lehrmethoden und auch mein Leben dort enorm beeinflusst hat. Und auch euch möchte ich ihn zitieren. Die Aussicht auf ein schönes Leben erfreut ein jedes Lebewesen, doch die Aussicht auf Macht zeigt erst ihren wahren Charakter.“ Raphael schwieg darauf und blickte Larale fest an.
 
Sie schüttelte sanft den Kopf.
„Ihr versteht nicht was es bedeutet.“ Sagte sie ruhig.
„Wen sie den Drachen verraten…“ sie stoppte kurz, immerhin war sie kurz davor ein weiteres Geheimnis her auszuplaudern, aber sie konnte nicht anders.
„wird eben jene Macht ihr Untergang sein. Sie werden zu Geistern und doch sind sie es nicht. Sie behalten ihren Körper, doch müssen sie ansehen wie die Drachenmacht ihn zerfrisst, verändert und sie in etwas Scheußliches verwandelt. Ihre Seele wird zerfetzt, immer und immer wieder und doch ist es ihnen nicht vergönnt zu sterben, so sehr sie den Tod auch herbeisehnen, er wird sie nie ereilen. Verdammt zu einem Leben, das kein Leben ist. Das ist der Fluch des Drachen.“ Ihre Stimme klang fest.

„Wenn es tatsächlich der letzte der vier gewesen ist, dürfte er leicht zu finden sein. Den obwohl sie ruhelos sind, können sie nicht fort, sind an einen Ort gebunden. Aber vielleicht irre ich mich auch und der Kristall hat die Macht den Fluch zu brechen.“ Sie seufzte.
„Auch wenn ich das bezweifle…“ sie stoppte und runzelte die Stirn.
„Aber vielleicht ist es auch gar nicht der Kristall…sondern der Drache selbst. Vielleicht endet durch den Tod des Erhabenen auch der Fluch.“ Murmelte sie.

„Auch wenn ich nicht glaube das Ark Shar ein solcher Fehler unterlaufen wäre.“ Sie sah Raphael wieder an und lächelte leicht. Wechselte kurzzeitig das Thema.
„Die Geschichte mit den Drachenrunen müsst ihr mir unbedingt einmal erzählen. Wie ihr das geschafft habt ist mir nämlich ein Rätsel.“ Dann wurde sie wieder ernst.
„Habt ihr in Silbersee einen Hinweis darauf finden können, wer der vierte war? Selbst ein kleiner Hinweis, ein Rätsel oder was auch immer würde helfen. Den sollte er der Verräter sein, dürfte er solange an einem Ort festhängen, bis der Erhabene tot ist.“ Eine schauerliche Vorstellung. Der Drache war so viel mehr, als ein bloßer Wächter. Er war der Inbegriff ihres ganzen Glaubens. Das Drachenfeuer war es, das in den gesegneten schlief. Den Feuergeborenen. Den wenigen Feuerelfen die waren wie sie, die nicht aus der Kraft der Feuerelementare zehrten, sondern aus dem Feuer der Drachen. Ihre ganze Ordnung würde zusammenbrechen….die Barriere wäre ein erster Schritt um wenigstens einen Teil wieder herzustellen. Aber das Chaos wäre doch immens…
 
Ihr Interesse an seiner Geschichte fürs erste elegant ignorierend ließ Raphael seine Stirn in Falten fallen. „Ich bin mir nicht sicher“, ließ er verlauten, „sein Name tauchte nirgends auf. Doch nun, da ihr erwähnt, dass er womöglich an einen Ort gebunden ist, habe ich vielleicht einen Hinweis auf diesen Ort gefunden, ohne dessen womöglich Bedeutung zu kennen.“ Er überlegte kurz und tastete dann verschiedene seiner Taschen ab, bis er schließlich zufrieden einen älteren, leicht vergilbten Zettel heraus zog. Der Magier schaute Larale kurz prüfend an, ob er ihr wirklich all dies erzählen sollte, doch für Zurückhaltung war es nun auf jeden Fall schon zu spät. „Was mich eigentlich in diese Gegend führt ist eine mächtige Hexe. Man könnte auch sagen, die Aussicht auf mehr Wissen“ … und mehr Macht, fügte er in Gedanken hinzu und ihn schauderte es innerlich kurz angesichts seiner eigenen Ausführungen über die Aussichten auf Macht. Doch als sie das erste Mal mit mir sprach, beschrieb sie das Land auf dem wir uns hier befinden als Tor des Südens. Und mir fiel eben schlagartig auf, dass ich genau diese Formulierung bereits schon einmal gehört hatte. Besser gesagt gelesen.“ Larale schien zu verstehen. „In der Chronik. Genau.“

Nun entfaltete Raphael das Stück Papier, dass er heraus geholte hatte und legte es zwischen sie auf den Tisch. Mit einer Feder begann er zu zeichnen und bereits nach einigen Minuten war er fertig. „Meine Augen sind zu faszinierenden Dingen fähig. Zum Beispiel zum Wiedergeben von unglaublich detaillierten Zeichnung oder der gleichen. Ich habe diese Illustration nach gezeichnet, weil mir wieder eingefallen ist, was ich damals gelesen habe.“ Er machte eine Pause und deutete auf die schwarzen Linien. Sie stellten vier Männer da, die in der Mitte saßen und jeder schaute in eine andere Richtung. In ihren Blickfeldern waren Zeichen (Raphael konnte es nicht lesen) und Illustrationen von Flora und Fauna die wohl bestimmte Gegenden repräsentierten. „Ich weiß es natürlich nicht, aber kann es sein, dass die Sharills für je eine Himmelsrichtung zuständig waren? Vielleicht in die sie ihre Sehkraft richten sollten? In der Chronik wurde vermutet, dass jeder der Sharills in seine Richtung gegangen war, damit niemand wusste, wohin der Stein nun wirklich ging. Mit dem was wir jetzt wissen, könnte das vielleicht heißen, dass der Verräter in seine Himmelsrichtung gewandert ist. Felagrund, der Kontinent auf dem wir uns befinden, ist die größte Insel im Südosten. Von eurem Heimatland weit südlich. Der Name Tor des Südens kommt sicherlich nicht von ungefähr. Wir sollten diese Hexe aufsuchen und sie danach fragen. Einen Versuch ist es wert. Wenn ich denn recht haben könnte.“ Er blickte Larale fest an. Gefasst auf alles.
 
Sie hatte erwartet, dass die Rache ihr ein Gefühl des Triumphes sein würde. Dass Bertilius’ Tod ihr Genugtuung verschaffen würde. So war es für eine Zeit lang auch gewesen. Sie hatte das Zimmer verlassen, hatte einen Diener aus dem Weg gefegt und war aus dem Haus gestürmt. Nun eilte sie durch die Straßen. Und sie war nicht mehr allein mit sich selbst. Irgendjemand verfolgte sie. Hatten die Stadtwachen etwa etwas von ihrem Racheakt mitbekommen?
Nyon beschleunigte ihre Schritte. Sie blickte über ihre Schulter. Aber sie sah niemanden. Das hieß, sie sah viele Menschen, aber keiner davon achtete in irgendeiner Weise auf sie. Niemand nahm wirklich Notiz von ihr. Aber dennoch: Da war jemand. Das spürte sie genau.
Doch sie hatte nichts unrechtes getan. Dieser Kerl war kein Mensch mehr gewesen. Er hatte es verdient. Aber das konnte die Stadtwache natürlich nicht wissen. Und jetzt war sie hinter ihr her.
Hier um die Ecke. Ja, da vorne war schon der Turm, an dem sie sich orientieren wollte. Es war nicht mehr weit zum Markt! Und von dort aus würde sie schnell zurück zur Herberge finden. Mit schnellen Schritten eilte sie weiter. Sie musste zugeben, die Wachen dieser Stadt waren gut. Bei keinem der vielen Blicke, die sie über die Schultern zurück warf, konnte sie einen von ihnen direkt entdecken. Nur einmal meinte sie, die Schwertspitze eines Wachmannes hinter einer Ecke verschwinden zu sehen.
Sie bog noch einmal ab. Da war der Markt! Sie eilte schleunigst zwischen den Ständen durch. Aber es gelang ihr nicht, ihre Verfolger abzuschütteln. Zu sehr auf ihren Rücken und zu wenig auf ihren Weg achtend, rempelte sie immer wieder irgendjemanden an. Aber darauf achtete sie gar nicht. Sie lief einfach weiter, stieß die Leute aus ihrem Weg.
Nyon erreichte das andere Ende des großen Platzes. Sie verließ den Markt. Für einen Moment dachte sie, sie wäre ihre Verfolger los. Aber dann spürte sie, dass sie wieder da waren. Und sie kamen näher. »Nein …«, flüsterte sie und wurde noch etwas schneller.
Doch es half nichts. Sie rannte mittlerweile die Straßen entlang, warf immer wieder Blicke zurück, aber diese Leute blieben ihr dennoch auf den Fersen. Da war die Herberge! Sie stürzte hinein, hetzte die Treppe nach oben.
Sie stolperte über die oberste Stufe und fiel. »Nein …«, wiederholte sie. Sie drehte sich auf den Rücken und kroch weg von ihren Verfolgern. »Nein … VERSCHWINDET!«, schrie sie und hielt ihre Arme schützend übers Gesicht. Dann erschlaffte ihr Körper. Sie lag mitten auf dem Gang zwischen den Zimmern ihrer Gefährten. Eine letzte bewusste Erkenntnis durchzuckte ihren Kopf, dann wurde ihr schwarz vor Augen. Es war die Erkenntnis, dass sie die ganze Zeit vor sich selbst davongelaufen war.
 
Eine schmackhafte Karamelle lutschend und gleichzeitig eine monotone Melodie pfeifend (wie auch immer das möglich war) schlenderte Varim die Straße entlang und setzte sich schließlich auf eine Steinbank, um zu betrachten, was er denn bisher erworben hatte.
Am wichtigsten war auf jeden Fall der dunkelgrüne Übermantel, der zur Tarnung diente. Ein komplett blutrotes Gewand fiel eben doch zu sehr in der Menge auf. Der Ledergürtel mit mehreren Schlaufen, den er jetzt um die Hüfte trug, war schon lange überfällig gewesen. Endlich konnte er seine Waffen bequemer transprtieren, indem er sei am Gürtel befestigte.
Den geräumigen Rucksack, in gleicher Farbe wie sein Tarnmantel, brauchte er ohnehin, um seine Süßigkeiten zu transportieren. Sein neuer Kamm und das Papier befanden sich ebenfalls schon darin.
Das einzige, was noch fehlte, waren die Bücher. Varim hatte gedacht, dass es schwer werden würde, eine Buchhandlung für den Zaubererbedarf zu finden, aber nachdem ihm eine verdächtig aussehende Person mit Rauschebart und spitzem Hut gleich drei nennen konnte, wurde ihm klar, dass man als Magier in dieser Stadt wohl kaum auffiel.
Die ersten beiden Läden boten nicht wirklich an, nach was Varim suchte, die meisten Bücher dort waren für angehende Elementarmagier, und die Besitzer verstanden nicht wirklich, nach welcher Art Magie er suchte.
Nun saß er auf einer Bank direkt gegenüber des Eingangs zum dritten Laden. Unabhängig davon, ob er hier etwas Passendes finden würde, nahm er sich vor danach unverzüglich zum Gasthaus zurückzukehren. Schon die ganze Zeit bedrängte ihn diese Sorge im Hinterkopf, ob mit Nyon alles in Ordnung war. Immerhin hatte sie eine wehrlose Person ermordet, wenn auch nicht ohne Grund. Er wusste nicht, ob sie diese Art von Mord schon öfters durchgeführt hatte, aber wenn nicht, konnte das an ihr schließlich nicht spurlos vorbeigehen.

Er betrat den Laden und sofort fiel ihm die düstere Atmosphäre auf, die durch das wenige Licht und das viele Schwarz und Grau in der Einrichtung erzeugt wurde. Die Spinnenweben in den Ecken trugen vielleicht auch dazu bei. Und die dicke Staubschicht... jedenfalls schien er hier wenigstens richtig zu sein.
Er ging auf den Tresen zu, hinter dem vor einer Wand die nur aus einem einzigen großen Bücherregal bestand eine zwielicht aussehende Gestalt in einem zerschlissenem Hemd gelangweilt mit einem Tuch die Innenseite eines Bierkrugs putzte.
>Öööhm...was stimmt an diesem Bild nur nicht?<
Als die Gestalt Varim näher kommen sah, packte sie hastig das Tuch und den Krug weg und begrüßte ihn mit rauer Stimme: "Oh, äh, seid gegrüßt. Entschuldigt für das gerade eben, ich habe einmal an einer Bar gearbeitet, kleine Angewohnheit. Nun, was kann ich für euch tun, junger Mann?" Wie der Angesprochene erwartet hatte, fehlten dem ehemaligen Barkeeper einige Zähne. "Nun, ich suche nach Fachbüchern über Magie-" "Von denen hab ich hier viele."
"...schwarze Magie, um genau zu sein." "Ha, mein Fachgebiet. Was hättet ihr denn gerne? Nekromantie, Schattenmagie,..." begann der Verkäufer aufzuzählen. "Halt, nichts davon", unterbrach ihn Varim. "Ich brauche ein Buch über reine Zerstörungszauber. Wartet, ich demonstiere euch das kurz." Er holte ein Bonbonpapier hervor und platzierte es auf seiner Handfläche, die er darauf zu einer Faust ballte. Nach einer Weile begann es aus den Lücken zwischen seinen Fingern rot zu leuchten. Er öffnete die Hand wieder. Was von dem Papier übrig war, war nichts als ein kleines Häufchen Asche. "Ein kleiner Hinweis: es ist nicht verbrannt." Der Mann hinter dem Tresen nickte verstehend und zog von weit unten aus dem Regal ein Buch mit schwarz-rotem Umschlag hervor. "Das sollte genau sein, was ihr sucht. Dieses Buch befasst sich mit der Zerstörung der bloßen Zellstruktur von Materialien sowie von Lebewesen. Das Grundwissen wird kurz erklärt, aber hauptsächlich ist es für Fortgeschrittene. Ein paar ziemlich mächtige Zauber werden auch erklärt, aber ich hafte für nichts was ihr damit möglicherweise an euch selbst anrichtet. Kapiert?" "Absolut perfekt. Genau das was ich suche. Wie viel soll das denn kosten?" "Sieben Goldstücke."
Bedächtig holte Varim seinen Münzbeutel hervor und warf in auf den Tisch, was ein lautes Scheppern verursachte. "Stimmt so. Stellen sie sich von dem Rest eine Putzfrau an."
Der Verkäufer, soviel Großzügigkeit von seinem Kundenkreis nicht gewöhnt, konnte nur noch ein kurzes Danke stammeln, bevor der sonderbare Junge mit dem Buch im Gepäck den Laden verließ.
Die Ausgaben für die Süßigkeiten zuvor waren enorm gewesen. In dem Münzbeutel befanden sich höchstens noch zwei Goldmünzen, der Rest war eher wertloses Kupfer.

Es dauerte nicht lange, bis Varim wieder am Gasthaus ankam. Erschöpft erklomm er die Treppen und kramte seinen Schlüssel hervor.
>Welches der Zimmer war nochmal meins?...Bin ich denn überhaupt im richtigen Sto-<
Er wurde abrupt aus den Gedanken gerissen, als er beinahe über ein nicht einzuordnendes Objekt auf dem Boden stolperte.
"Nyon? Was macht ihr da auf dem Boden?", fing er an, wobei ihm auffiel, das sie bewusstlos war. Vorsichtig stupste er sie etwas mit dem Fuß an, wie man es bei einem Tier tat, wenn man nicht sicher war, ob es noch lebte. "Hmmm...ob ich schonmal einen Sarg kaufen gehen soll?", dachte er laut, sich ausmalend, wie sie reagieren würde, wenn sie das jetzt hören könnte.
 
„Eine Hexe…“ murmelte sie. Das erinnerte sie an den Falken und auch an die Männer die sie angegriffen hatten. Ihre Schilde die von jemandem gemacht worden sein mussten, der unglaublich mächtig war. Vielleicht sah sie Geister, aber es beschlich sie das ungute Gefühl, das diese drei Dinge zusammenhingen.

Immerhin war der Falke erst aufgetaucht, nachdem die Männer tot waren und kurz danach Raphael. Das war aber auch der einzige Zusammenhang der ihr auffiel. Sie verdrängte ihren Verdacht fürs erste und dachte über das nach, was Raphael gesagt hatte. Sie kannte die Geschichte, natürlich kannte sie sie. Wenn man eingesperrt war in einem Palast, der zwar wunderschön war – Theris war nicht umsonst die gläserne Stadt – aber keine Freiheit bot, tat man wohl das einzige was man konnte: Man fraß die Bücher der Bibliothek. Sie sah Raphael an.

„Sie verkörpern nicht nur die Himmelsrichtungen.“ Sagte sie ruhig. „Sondern auch die vier Wege des Feuers.“ Fuhr sie fort. Sie deutete auf den im Norden. „Leben.“ Sagte sie und ihr Finger fuhr zu dem im Westen.
„Hoffnung.“ Er fuhr weiter zum Osten.
„Macht.“ Nun fuhr ihr Finger zum Süden und ihre Miene verdüsterte sich. „Tod.“ Sie schluckte.
„Das bedeuten die Symbole die ihr aufgemalt habt. Wie ich bereits sagte, es ist eine alte Legende. Der Mittelpunkt von all dem ist das Feuer selbst.“ Sie legte den Kopf schief.
„Ich hatte nicht erwartet, dass es außerhalb von Theris noch ein solches Buch gibt.“ Sie seufzte. Es gab viele Dinge die sie nicht erwartet hatte, vor allem das ein unbeteiligter so viel über ihr Volk wusste. Das einzig tröstliche war, das er wahrscheinlich mit dem Begriff "Heiliges Feuer" nichts anfangen konnte. DAS nämlich würde kein Feuerelf in eine Chronik schreiben oder auch nur weiter erzählen.
„Es wäre ratsam die Hexe aufzusuchen da gebe ich euch Recht.“ Gab sie ihm ganz und gar nicht, aber ihre Miene verriet gar nichts. Mit Hexen war nicht zu spaßen, vor allem mit den Mächtigen.
„Immerhin führte ihr Falke euch ja zu uns.“ Sagte sie unbekümmert und beobachtete ob seine Miene irgendeine Regung verriet.

Gisal wurde von einem scheppern wach und beschloss nachzusehen was los ist. Er stapfte in den Flur und sah Nyon, die bewusstlos dort herum lag. Verwundert schlich er näher, als Varim auch noch kam. Der Junge bemerkte ihn nicht einmal.
"Ich würde eher empfehlen sie in ein Bett zu bringen." bemerkte Gisal laut und sah den Jungen an. Also wirklich...
 
Nun ist Myrasia schon eine Weile in der Stadt umhergeirrt, allzuviel Interessantes gab es auf den ersten Blick außerhalb des Marktes nicht zu sehen...aber es sind ja noch einige Tage Zeit. Das hieß allerdings nicht, dass das nächste Ziel die Herberge ist, auch wenn schon langsam aber sicher das Abendrot der untergehenden Sonne zum Vorschein kam. Myrasia überlegte sich, ob es nicht doch bald Zeit wäre, sich neue Kleidung zuzulegen und grübelte dabei nach, ob die finanziellen Mittel dazu überhaupt ausreichen würden, während sie in Gedanken versunken durch die Stadt trottete. Nachdem sie mit sich selbst ausgemacht hat, diese ganzen Vorhaben auf den nächsten Tag zu verschieben, schaute sie verdattert auf. Jetzt erst merkte sie, wo sie umherlief, wusste es allerdings nicht. "Na toll, doch verlaufen!" Dachte sie laut. Was nun? Den Weg zurückgehen oder einfach mal umsehen? Die Verzierungen der Häuser und die Sauberkeit der Gänge und Gassen hier ließen anmerken, dass dies das Viertel der Bettler, Tagelöhner und Diebe war. Vielleicht wäre es unklug, sich dort weiter hineinzubegeben, allerdings schien das recht interessant sein zu können, außerdem sollten nicht nur die prunkvollen Teile dieser Stadt eines Blickes gewürdigt werden. Demnach ging Myrasia fest entschlossen weiter in diesen düsteren Teil der Stadt hinein.

Hier sah es schon ganz anders aus. Komischerweise drang kaum Licht durch diese Gänge, was diesem Viertel einen schön schaurigen und dunklen Effekt verlieh. Sah so wirklich ein Ort für arme, wehrlose Bettler aus? Hier ging etwas nicht mit rechten Dingen zu, langsam begriff Myrasia, warum sie die Einzige hier in den Gängen war, nicht einmal ein Wachmann war zu sehen. Die verhältnismäßig junge Senurerin schlenderte die Gänge entlang, die immer weniger ein herzliches Willkommen vermittelten, je weiter man sich in diesen Komplex wagte...und so langsam kam Myrasia auch das Gefühl auf, doch nicht völlig allein hier zu sein, aber dabei dachte sie nicht an Wachen oder normale Diebe, nichtmal an richtige Krieger...demnach schien das der Moment zu sein, doch Kehrt zu machen und in einen Teil der Stadt zu gelangen, der einem auch nur Ansatzweise das Gefühl von Menschlichkeit vermitteln könnte.

So drehte sich Myrasia um, damit sie nicht rückwärts laufen musste und da erkannte sie den Grund, nicht das Gefühl der Einsamkeit zu erleben. Sie wurde verfolgt. Aber von wem? Oder besser, von WAS??? Durch den immensen Lichtmangel dieses Stadtteiles konnte Myrasia nicht erkennen, was nun vor ihr stand, es waren nur Umrisse zu erkennen. Sie ließen auf menschenähnliche Wesen hindeuten, allerdings war sie sich da nicht so sicher, da die Augen dieser Wesen rot schimmerten und das waren momentan gerade mal die stärksten Lichtquellen hier. Fünf Augenpaare waren zu erkennen und sie machten keinen gerade gastfreundlichen Eindruck. Was war also nun zu tun? Zum Glück kam Myrasia wenige Stunden vorher auf die Idee, sich ein Mittel zur Verteidigung käuflich anzueignen, nun wird es einem Härtetest unterzogen. Sie zog den Kampfstab und ließ auch gleich die Klingen an den Enden ausfahren, die sich zugleich förmlich ausklappten und eine richtige Schnittfläche bildeten. Die Waffe drohend vor sich haltend stand Myrasia nun in Angriffsstellung (sofern man das bei ihr so bezeichnen konnte) vor diesen...Wesen. Ein Lichtzauber wäre nicht schlecht, jedoch ist Myrasia nur in den Künsten der Telekinese ausgebildet worden, das allerdings umso besser. Doch diese Gestalten standen einfach nur da. War das eine Falle? Sollte sich Myrasia nur in Sicherheit wägen? Das kann sie ja jetzt wohl sicher nicht.

Plötzlich trat eines der Wesen vor. Das Augenpaar kam auf Myrasia zu, bis es nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt war. "W...wer seid ihr? Was wollt ihr von mir? I-ich warne euch!", rief sie, jedoch nicht wirklich von Überzeugung geprägt. Der Schatten blieb vor Myrasia stehen, hinter ihm die anderen Vier. Plötzlich konnte sie ein Hauchen vernehmen, welches von dem Wesen direkt vor ihr auszugehen schien, es klang wie eine zart flüsternde Windbrise. Myrasia musste gut zuhören, was dieses Ding zu sagen hatte.
"Dunkle Mächte...Todesgeist...deine Träume..."
Myrasia legte den Kopf leicht schief, sie hatte nicht die geringste Ahnung, was ihr damit vermittelt werden sollte. Von welchen dunklen Mächten pustete dieses Vieh? Was für eine Rolle spielte dabei ein Todesgeist? Und was bei Senuge haben Myrasias Träume damit zu tun??? Sie musste zugeben, sie hatte in letzter Zeit recht komische Träume gehabt. Ein Wesen, gehüllt in einem langen Gewand, verfolgte sie ständig. Nur der skelettierte Kopf war zu sehen. Das Gewand war schwarz und schimmerte leicht rötlich. Es war immer wieder da, in jedem Traum...ist das etwa ein Todesgeist? Eine dunkle Macht? Und woher weiß dieses Teil davon? Doch dieser Schatten hatte noch mehr zu sagen.
"Vorbereiten...Todesgeist wird da sein...Gesandter...verteidige dich..."
Was zum...der Blick auf Myrasias Gesicht sagte unverkennbar eine pure Verwirrung aus. Aber sie schien zu verstehen...dieser Todesgeist, von dem gehaucht wurde...er wird bald nicht mehr nur im Traum erscheinen? Und es ist nur ein Gesandter von etwas Mächtigerem? Naja, was die Verteidigung anging, brauchte sich Myrasia keine Sorgen machen, jedoch wird sie nach diesen Informationen nicht unbedingt sehr ruhig schlafen können.
"Was seid ihr? Woher kommt ihr?", fragte sie noch. Doch diese fünf Wesen verblassten langsam. Kurz bevor sie verschwanden, konnte Myrasia ein Wort vernehmen. "Instinkt..." Und schon waren keine Umrisse mehr zu sehen, die rot leuchtenden Augen waren ebenfalls verschwunden. Doch das gab Myrasia sehr zu denken. "Hmmm...Instinkt...mein Instinkt?" Aber diese Prophezeiung schien für Myrasia recht eigennützig zu klingen, darum sollte dem auch Glauben geschenkt werden.

Doch genug für heut. Myrasia ging zurück zum zivilisierteren Teil der Stadt, nein, besser gesagt, sie rannte. Die dunklen, grauen, größtenteils verlassenen Häuser, rauschten nur so an ihr vorbei. An Levitation dachte Myrasia in diesem Moment nicht, sie wollte nur weg, egal, wie. Bald konnte sie wieder leichte Strahlen der Sonne erkennen, die an Röte gewonnen haben. Wie lange war die Senurerin in diesem furchterregenden Viertel? Egal, sie bekam die Erkenntnis, die sie hoffentlich in Kürze bald wieder ruhig schlafen lassen konnte, ohne Visionen eines Todesgeistes. Sie wusste Einiges über diese Wesen, es waren Geister Verstorbener, die einem sehr nahe lagen. Doch wer soll gestorben sein? Alles eine verwirrende Sache, doch es stand wohl fest, dass die folgende Nacht alles Andere als erholsam sein werden würde.

Puh, geschafft. Das warme Licht der Sonne schien auf Myrasia herab, ein wohles Gefühl. Dazu kam noch, dass ihr diese Straße bekannt vorkam...genau! Sie schien sich wohl am Stadtrand zu befinden, denn das war die Straße, wo auch der Gasthof steht, in dem sich Myrasia eine Unterkunft gemietet hatte und das Gasthaus war auch schon schnell gefunden. Welch ein Glück. Myrasia betrat die Taverne und setzte sich zunächst auf einen Stuhl. Sie war nicht die Einzige, außer dem alten Wirt befanden sich zwei andere Personen im Erdgeschoss, anscheinend Gäste. Sie saßen an einem gemeinsamen Tisch und hielten einen Plausch, über eigenartige Begebenheiten in den verlassenen Vierteln der Stadt, wie Myrasia mithören konnte. Natürlich war das für sie nicht uninteressant, doch sie wusste nicht, ob sie von ihrem Erlebnis von vorhin erzählen sollte. Sie saß weiterhin da und schwieg. Auf einmal kam der Wirt hinter dem Tresen vor zu Myrasia, mit einem Lächeln, so freundlich das ein alter Mann nur auf die Reihe bekommen kann. Mit einer ebenso freundlichen, aber leicht kratzigen Stimme fragte er: "Benötigt ihr etwas, edle Dame? Etwas Erfrischendes zur Erholung nach einem langen Spaziergang in der Stadt vielleicht?" Tatsächlich hatte Myrasia einen nahezu unbändigen Durst entwickelt, der ihr jedoch durch die Hektik vorher nicht so aufgefallen ist. "Ja, aber ich glaube nicht, dass ihr das besitzt. Ich hätte eigentlich Lust auf ein Glas Erfehsa." "Kommt sofort!", entgegnete der Wirt und ging an den Tresen, um das Getränk zuzubereiten. Myrasias Augen fielen vor Verwunderung fast heraus, der Wirt kennt das Erfehsa??? Ein sehr beliebtes senurisches Getränk, aber das Rezept ist geheim und die Zutaten mehr als nur schwer auffindbar. Demnach gab es wohl etwas, was Myrasia den Wirt fragen wollte...
 
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Das Essen kam. Gerade rechtzeitig um die ernste Stimmung etwas aufzulockern, doch Raphael war noch immer leicht in Sorge. Weniger über Larales Volk, als über sie selbst. Während die Elfe sorgfältig und mit allem königlichen Anstand den man erwartet hätte ihre Bestellung verspeiste, betrachtete sie der Magier still. Genau genommen und vor allem angesichts der Umstände, war er zutiefst von ihrer Reaktion überrascht. Begeistert war er davon jedoch nicht gerade. Sie hatte all seine Nachrichten, egal wie hart sie sie getroffen haben, oder wahrscheinlich haben, geschluckt und fast sofort wieder diese äußerliche Eleganz aufgelegt. Sie wirkte immer perfekt nach außen, stark, fast ein wenig eitel und diese Eigenschaften hatte die Elfe nicht einmal jetzt verloren. Durchaus imposant, doch Raphael gehörte zu der Gruppe Menschen, die nichts von Gefühlskälte hielten. Man zeigte Stärke nicht durch Ignoranz seiner Ängste und Gefühle, sondern in dem man sich ihnen stellt und sie besiegt. Er lächelte kurz, schüttelte leicht den Kopf und wandte sich dann seiner eigenen Mahlzeit zu. Es ging ihn eigentlich nichts an.

Es verging einige Zeit in der beide für sich selbst waren. Wahrscheinlich hatten beide viele Fragen und waren sich auch sicher, dass ihr Gegenüber höchst wahrscheinlich eine Antwort darauf haben würde, doch man genoss die Stille für den Moment. Ihre Blicke trafen sich und als Larale ein Lächeln beschlich, legte Raphael fast schlagartig sein Besteck weg und schaute ihr eindringlich in die Augen. „Larale, so sehr ich eure Standhaftigkeit bewundere und in keinem Zweifel bin, dass ihr mit allem was eure Seele belastet nicht selbst fertig werden könnt, so sehr glaube ich auch, dass jeder einmal in eine Phase von Ungewissheit und Angst kommt. Wenn ihr jemals glaubt, dass euch eure Gefühle erdrücken, dann frisst es nicht in euch hinein. Öffnet euch, irgendjemanden dem ihr vertraut. Falls ihr nicht wissen solltet, zu wem ihr gehen sollt, kommt zu mir, ich werde euer Vertrauen nicht enttäuschen“, Stille. Eine der unerträglichen Sorte, denn dem, der als letztes Gesprochen hatte beschlich dann oft das Gefühl genau das Falsche gesagt zu haben. „Nichts für ungut“, fügte er hinzu, „wollt ihr noch etwas? Der Kellner ist gerade hier.“
 
Etyana schlenderte eine ganze Weile mit Ashanti durch die Stadt, bis sie sich nicht einmal mehr sicher war, sich überhaupt auf dem Rückweg zum Gasthaus zu befinden. In diesem Teil der Stadt gab es eine vielzahl an Läden, die alchemische Ware feilboten, sowie diverse Rüstungs- und Waffenläden. Der Geruch von unterschiedlichsten Kräutern, vermischt mit dem Geruch blanken Stahls, bereitete ihr Kopfschmerzen.
Doch sie hatte ein festes Ziel, denn sie suchte nach einem Laden, in dem normale Kleidung angeboten wurde. Auf Dauer ihre Rüstung zu tragen, schmerzte in ihren Knochen und sie benötigte unbedingt leichte Kleidung, die sie zu jedem Anlass tragen konnte.
Nach einer geschätzten halben Stunde dann erreichte sie ihr Ziel, und stand vor einem dunklen Laden mit kaputten Fenstern, selbst die Tür hing nur noch schlaff in den Angeln. Am Anfang war die Vampirin davon überzeugt gewesen, dass dieses Geschäft verlassen sei, doch als sie hin und wieder eine bucklige Gestalt im Inneren vorbeihuschen sah, wusste sie, dass dieser Laden sehr wohl noch existierte. Er lag nicht neben den anderen Läden, sondern versteckt hinter einer rauchgrauen Mauer, und der kleine Eingang zum winzigen Hof war mit zahlreichen Efeuranken bedeckt, sodass das Gehen fast schwer fiel.
Doch Etyana sah im Schaufenster, wenn man es denn so nennen konnte, ein Kleidungsstück für den Oberkörper aus schwarzem Stoff, dazu eine hose aus demselben Stoff. Die Kleidung würde eng anliegen, sodass sie sie im Kampf kaum behindern würde.
Sie trat näher an den Laden heran, klopfte an die Tür, und ging, ohne auf ein Zeichen zu warten, herein.
Im Inneren des Ladens stank es fürchterlich, doch Etyana konnte nicht genau sagen, wonach. Sie hörte ein Schnurren, und vor ihr, auf einem groben Holzschrank, saß eine schwarze Katze, die sie aus gelben Augen anstarrte.
Ob dieses Tier wohl einen Kadaver mit in den Laden gebracht hatte ? Einerseits hätte dies den Gestank erklärt, doch es roch nicht nach totem Fleisch.
Die Vampirin ging langsam an dem Holzschrank vorbei, wobei die Holzdielen unter ihren Füßen knarrten, als wollten sie jeden warnen, der diesen Ort betrat.
"Es ist nur ein Kleidungsladen", sagte sie sich, und schritt um die nächste Ecke.
Plötzlich wurde es dunkel, sie spürte einen Lufthauch an ihrer Wange, und im nächsten Moment griff eine Hand nach ihrer Schulter.
 
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