Der Raum war in völlige Dunkelheit getaucht. Shain und Shuhoku hatten sich am nächsten Morgen ein neues Versteck gesucht und waren gerade eingetreten. Shuhoku strengte die Augen an, doch mehr als Umrisse konnte er nicht erkennen. Es musste eine Art Lagerhalle sein, dem Hall der Schritte nach zu schließen. Shain wollte gerade einen Lichtzauber sprechen, als sie hinter sich ein Poltern hörten. Beide fuhren herum, und eine Stimme rief: "Bleibt stehen und ergebt Euch, ihr habt gegen das Gesetz verstoßen indem ihr jemanden umgebracht hat, auf derart schwere Verbrechen folgt hier die Todesstrafe!" Shuhoku rollte sich zur Seite und ging hinter einer Kiste in die Knie. Shain rannte durch die Lagerhalle und versteckte sich ebenfalls.
Laute Schritte ertönten, dann wurde die Tür aufgestoßen und ein Wachtrupp der Stadt stürmte herein. Eine Fackel wurde entzündet. "Sie müssen hier irgendwo sein, sucht sie." Shuhoku merkte, wie sich eine Wache in seine Richtung bewegte. Er ließ seinen Puls ruhiger werden und wartete ab. Als die Wache die Kiste umrundet hatte, drückte er ihr von hinten ein Tuch auf den Mund, um den Hilfeschrei zu ersticken und riss den Kopf ruckartig mit der freien Hand herum. Ein Knacken ertönte, als das Genick brach, dann legte Shuhoku den Toten lautlos zu Boden. Doch jemand schien das Krachen der Knochen gehört zu haben und bewegte sich hastig in die Richtung der Kiste. Shuhoku wollte weiter zurück in die Schatten, doch plötzlich war ein weiterer Mann über ihm und rief: "Hier ist einer!" - "Ergreift sie!", tönte es von der anderen Seite des Raumes, und Shuhoku konnte sehen, wie Shain aus der Deckung sprang um loszurennen, jedoch umringt wurde und schließlich nach einem harten Schlag gegen die Schläfe zu Boden ging. Shuhoku wollte einen Dolch zücken, als es ihm genauso erging.
....
Der schwarze Nebel, welcher seinen Blick verschleiert hatte, lichtete sich, und Shain nahm langsam seine nähere Umgebung war. Benommen richtete er sich auf. Die Wände waren glitschig, hier und da waren Striche eingeritzt. Neben ihm lag eine einfache Bettrolle als Schlafquartier. Langsam klarte sich sein Blick, und Shain wusste, wo er sich befand: In einer Zelle. Man hatte sie anscheinend vorrübergehend in einem Kerker untergebracht ... danach würden sie gehängt werden. Shain sah sich missmutig um. Erst hatte man ihn bestolen, und als er es sich zurückgeholt hatte, waren er und Shuhoku verhaftet worden. Dann horchte er auf. Da war ein Geräusch. Jemand kam außerhalb der Zelle eine Treppe hinunter. Shain ging zum Gitter. "...da sin' sie ja, die Mis'kerle *hicks*, haha, nachher wer'n se gehängt, ham' se ja auch verdient, die Hundesöhne *hicks*. Stech'n einfach so 'nen Händler ab... tztztz... -" Ein betrunkener Wachtmann kam in dahergetorkelt, dann verharrte er schwankend, als er Shain bei Bewusstsein sah. Dann wankte er heran, sah Shain ins Gesicht und rülpste ihn an. Shain verzog das Gesicht und wollte durch den Raum zwischen den Stangen des Gitters schlagen, doch der Wächter war schon weitergewankt. "Na, wie fühlste dich da drin, häh? Keine *hicks* Sorge, bald riechste den Kot und das Urin nimmer, dann biste nämlich *hicks* da oben.," , der Mann deutete in Richtung Decke, " wo de den Marktplatz vom Galgen aus betrachtn kannst." Shain sah den Mann schweigend an. Der würde sich nicht mehr lange über ihn lustig machen, wäre das Zellengitter geöffnet. Fingerknackend setzte er sich auf die Matte in seiner Zelle. Dann hörte er ein leises Stöhnen und wusste, dass Shuhoku nun auch aufgewacht war.
´Die zweite Wunde am Kopf in zwei Tagen´, dachte Shuhoku missmutig und tastete über die Beule, die sich dort gebildet hatte, wo man ihn niedergeschlagen hatte. Er sah sich um. Ein Kerker. Draußen vor der Zelle ein besoffener Wächter. Diesen Tag würden sie noch hier bleiben, um später zum Platz gebracht und aufgehängt zu werden. Shuhoku sah an sich hinab. Man hatte ihm sämtliche Ausrüstung abgenommen, sodass er in simple Gefangenenkleidung gewandet war. Doch dann bemerkte er, dass man ihm seine Schue gelassen hatte. Er ließ sich äußerlich nichts gegenüber dem Wäächter anmerken, doch innerlich grinste er. Er war nicht ganz ohne Aurüstung. Dann sah er, wie der Wächter den Krug mit Met fallen ließ, nocheinmal laut rülpste und dann zu Shains Zelle hinüberwankte. Dann war er aus Shuhokus Sichtfeld verschwunden. Dieser lauschte und bekam ein Plätschern zu hören. Er rümpfte die Nase. Es gab auch Menschen mit keinerlei Achtung vor anderen. Als der Wächter Wasser gelassen hatte, wankte er rück zu seinem Holzstuhl und ließ sich darauf plumpsen. Shuhkou war gerade mit trübem Blick in Gedanken versunken, als aus der Zelle rechts von ihm roter Nebel quoll. Shuhoku fuhr hoch und sah hin. Der rote Nebel vermischte sich mit schwarzem, dann ertönte ein markerschütterndes Brüllen, das Zellengitter wurde aus der Wand gerissen und krachte mit voller Wucht gegen den Wächter, welcher in die Wand hinter ihm gedrückt wurde. Kein schöner Anblick. Shuhoku wandte den Blick von dem Wächter und sah hinüber. Shain sprang behände aus seiner Zelle, die Augen flammten vor Zorn. "Jeder hat seine dunkle Seite", schoss es Shuhoku durch den Kopf. Shain schien ihn nicht zu beachten. Er zerrte den von den Gittern zerstückten Wächter hervor und kramte in seinen Taschen. Kurz darauf hatte er einen Schlüsselbund in der Hand, mit welchem er die Tür weiter oben würde öffnen können. Dann rannter er die Wendeltreppe hinauf und entschwand Shuhokus Blick. Dieser sah an sich herab. Die Schuhe. Er bückte sich und zog einen Dietrich und einen Dolch aus einer Schlaufe, die innen befestigt war. Kurze Zeit später hatte er sich befreit. Jetzt musste er nur noch seine Ausrüstung wieder bekommen. In der Ecke sah er eine Kiste. Shuhoku wusste, dass seine Ausrüstung dort drin lag, das Hab und Gut der Gefangenen wurde immer in solchen Kisten aufbewahrt. Shuhoku ging hin, doch dann fiel ihm auf, dass Shain die Schlüssel mitgenommen hatte und sein eigener Dietrich nicht in das Schloss passte. Kurz entschlossen schritt er zur Wand, nahm eine Hellebarde hinunter und zertrümmerte die Kiste. Es dauerte nicht lange, bis er die unbequeme Gefangenenkleidung ausgezogen und seine eigene Ausrüstung angelegt hatte. Dann rannte er ebenfalls die Treppe hinauf.
Es klickte laut, als die Tür zum Kerker aufgeschlossen wurde, und alle Wächter im Raum sahen auf. Die Wache im Kerker musste den Vorschriften gemäß unten bleiben und durfte sich nicht von den Gefangenen entfernen, das wussten sie alle. Alarmiert zogen sie die Waffen. Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder, die Wache war aus irgendeinem Grund hinauf gekommen, oder die Gefangenen hatten sich befreien können. Dann wurde die Tür aufgestoßen. In der Öffnung standen zwei Halbelfen, der eine in eine Robe gekleidet und der andere in schwarzer Assassinenausrüstung. Einen Augenblick lang bewegte sich niemand. Dann stürmten Shuhoku und Shain vor, und im gleichen Augenblick schrie jemand: "Tötet sie!"
Shuhoku lächelte. ´Kommt schon.´ Eine Wache rannte auf ihn zu und er warf einen Wurfdolch. Die Wache wurde in den Hals getroffen und ging zu Boden. Shuhoku verharrte nicht und warf ein zweites Messer in Richtung einer weiteren Wache, als ihn jemand von hinten in den Schwitzkasten nahm. Shuhoku griff nicht reflexmäßig an den würgenden Arm, sondern stieß der Wache sein Katana durch den Bauch. Sie hustete Blut in seinen Nacken. Shain wandte in der Zwischenzeit Shuhoku unbekannte Arten von Magie gegen die Wächter an, und jenen platzten mal die Köpfe auf, mal wurde ihnen einfach das Blut aus den Adern gesogen. Die beiden wüteten unter den Reihen der Wächter, und schließlich war der Raum blutgetränkt. Shain hatte Shuhoku immer noch nicht richtig registriert und rannte weiter. Shuhoku folgte ihm. Er draußen vor den Toren der Stadt fand Shain wieder zu sich zurück und bemerkte Shuhoku. Er atmete schwer. "Ich... es tut mir leid, ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle." Shuhoku nickte beschwichtigend. "Lass uns sehen, ob wir uns nicht einer Gruppe anschließen könnten." Die letzten Stunden hatten völlig neue Erfahrungen für Shuhoku bedeutet. Nie zuvor hatte er sich mit jemandem zusammengetan. Nun jedoch glaubte er zu spüren, was Kameradschaft war.