>Verdammter Pferdedreck!!!<
Ayu lauschte mit ihrer nur durch das Handtuch bedeckten Blöße an der geschlossenen Tür zum Schankraum bis es darin doch recht still war und sich das gesprächige Gelächter der Raufbolden nach draußen verlagerte und langsam in der Nacht zu verschwinden drohte.
Erst dann öffnete sie einen minimalen Spalt dieser, der gerade groß genug war, um mit einem Auge vorsichtig die aktuelle Lage zu erkunden. Sie hatte diese Menschen nicht gesehen, wohl aber gehört und als die Luft rein zu sein schien, öffnete sie kurzerhand die Tür soweit, dass sie einen guten Überblick über den gesamten Schankraum erhielt und dennoch für den Notfall Deckung hatte.
Als auch diese Überprüfung zur Zufriedenheit ausfiel und sie sich vergewisserte, dass keiner der vermutlichen Schläger auch nur annähernd einen Versuch der Rückkehr starten würde, öffnete sie schnellstens die Tür ganz und eilte, mit gehaltenem Handtuch zum geschlagenen Wirt, der sich immer noch auf dem Boden hinter der Theke befand und sich mit angezogenen Knien an die Schnapsregale gelehnt, seine gebrochene Hand hielt.
„Ismail, WAS ist hier passiert, warum hast du nichts gesagt???? Wer war das, wer hat dir das angetan... sprich schnell!!!!“ kniete Ayu sich zu ihm in Deckung hinter der Theke und sah sich seine Hand kurz an. Ismail war im Moment wirklich nicht in der Lage, große Reden zu halten und seine Hand war fürchterlich blau und angeschwollen mit krummen verbogenen Fingern. Er zitterte und hielt sich mit der anderen immer noch den Unterleib vor Schmerz als er leise stotterte: „S...ss...o ddr...eist... war... waren sie noch ... noch nie, Ayu... so ... so dreist... noch nie... mmmpf...“ „WER Ismail??? WER?!“ “Die … Goldfinger-Bande… aaah” stöhnte der Wirt schmerzerfüllt auf.
Der Blick der Drow verfinsterte sich zusehendst als sie die Worte des Wirtes hörte und ihre Augen über Ismails Körper wanderten. Dann wagte sie einen leichten Blick über den Thekenrand und sondierte abermals kurz die Lage. Die Tür zum Schankraum stand sperrangelweit offen, die Laute schon lange verstummt. Nur noch das Chaos und das Jammernd des Wirtes erinnerten daran, was hier passiert sein konnte.
Die Dunkle seufzte. Lag es an ihr, dass Ismail in Gefahr gebracht ward?
Die schwelgenden Gedanken wurden auf einen anderen Zeitpunkt vertagt, in dem Zustand konnte sie ihn nicht alleine lassen und halb nackt schon gar nicht die Verantwortlichen aufspüren, die vermutlich eh schon in Tiefwassers Gassen verschwunden waren.
„Ich hol mir eben meine Sachen!!!“ sagte sie milde zu ihrem alten Freund und unterließ es ihm beim Aufstehen liebevoll wie sonst auf die Schulter zu klopfen. Der Wirt nickte nur und startete nicht annähernd den Versuch, sich aufzusetzen, geschweige denn ohne fremde Hilfe aufzustehen. Er fühlte sich, als seien eine Horde Ochsen, über ihn gelaufen und überdachte jenen kurzen Moment die aufflimmernden Gedanken seiner Nachwuchspläne. Als er sich nämlich zwischen die Beine guckte kam unweigerlich die Frage auf, ob es sich nur so anfühlte, oder ob es wirklich Mus war. Ayu sah den tränenerfüllten Blick seiner Augen, als Ismail zu der Dunkelelfe aufsah, die soeben wieder sein Blickfeld betreten hat und noch eben das Mieder in einem letzen Knoten zuschnürte bevor sie sich die noch klammen Ärmel ihres hellblauen Leinentops zurechtzupfte. Fürsorglich kniete sie dann zu ihm hernieder und schaute ihn leicht besorgt und schweigend an.
„Es war untypisch für sie... heute noch mal aufzutauchen.“ begann er das Schweigen zu brechen und versuchte sich ein wenig aufzusetzen. Ayu half ihm unter die Arme greifend dabei vorsichtig und Ismail wagte es sogar zu versuchen aufzustehen.
Die Dunkelelfe schwieg abermals und stützte ihn sorgfältig sicher. Denn der Wirt stand nicht nur unter Adrenalin, sondern auch unter Schock und war sehr wackelig auf den Beinen. So bugsierte sie ihn unter Stöhnern zu einem nahegelegenen einsamen Hocker, der den Vandalismus überlebt hatte und platzierte Ismail so darauf, dass er durch die Theke zusätzlichen Halt bekam und nicht herunterfallen konnte.
„Danke.“
„Ismail, wie lange geht das schon so??!“ stellte sie ruhig ihre Frage und ging hinter die Theke um vielleicht noch einen letzten Rest seines selbstgebrannten Schnapses in einer vielleicht vergessenen Nische zu finden, bevor sie von Ismail zu seinem geschlossenen Vorratsversteck mit den Fingern der noch intakten Hand dirigiert wurde und dieses öffnete.
„Ayu halt dich da raus, es ist eine große Sache. Das schaffst du nicht alleine... und schon gar nicht mit drei Mann...“ berichtete er und stoppte das über die Theke geschubste Glas, bevor er sah, wie es randvoll aufgefüllt wurde.
„Wir haben schon ganz andere Sachen besiegt Ismail. Da werden uns ein paar Straßenräuber wohl kaum beunruhigen. Also?“
Als Ismail in einem Zug sein Pinnchen leerte und es auf das Thekenholz knallte, wurde es von Ayu erneut aufgefüllt. Sein Blick traf den ihrigen und der Wirt sah mehr als Entschlossenheit in diesem. Nach einer langen schweigenden Pause, weiteren stummen Blicken und einem erneut geleerten Pinnchen, welches WIEDER nachgefüllt wurde, seufzte er sich geschlagen gebend:
„Seit geraumen Mondzyklen. Zuerst waren es nur Burschen, die Spaß hatten. Sie zogen durch die Stadt von Kneipe zu Kneipe. Waren oft in Frauenbegleitung und machten nie Ärger. Sie tranken hatten Spaß und verschwanden wieder.“ „Und wann änderte sich das Bild?“ „Vor einem Mondzyklus.“, seufzte der Wirt auf die Theke starrend. „Gunnar vom zwanzig Münzen erzählte plötzlich, sie wären nicht mehr in Frauengesellschaft da gewesen, sondern trafen oft einen Mann in zwielichtiger Kleidung, der ihnen ein Päckchen rüberschob. Zuerst nichts ungewöhnliches, oder bedrohliches.“, trank der Geschundene erneut sein Pinnchen leer. „Man hörte immer mal was von Vergewaltigungen oder Schlägereien, doch nie war einer von uns darin verwickelt gewesen.“ „Was meinst du damit, einer von Euch darin verwickelt??!“ „Es traf Hartwig. Seine Kneipe unten im Händlerviertel ist dicht. Es heißt er hätte Susanna vergewaltigt und Schmuggel betrieben. Als die Stadtwache dem auf den Grund ging, fanden sie das Päckchen offen unter seiner Theke. AYU ich schwöre dir, Hartwig hatte nie etwas mit Kammarth, Rhul oder Mordayn Dampf zu tun. Er war ein anständiger rechtschaffender Mann.“
Ayu schaute Ismail nachdenklich schweigend an und schenkte erneut nach... Der Wirt hatte Recht. Vermutlich werden sie mehr als nur drei Leute brauchen, um sich der Sache anzunehmen. Die Gedanken der Dunklen wanderten zu Sámur’s Anwesenheit zuvor hier im Schankraum.
Hatte etwa er zuvor die Lage für sie ausgekundschaftet? War er wohlmöglich auch ein Drahtzieher? War es eventuell sogar ein erneuter Versuch ihrer verbliebenen Feinde, die letzten von ihnen auch noch zu vernichten und somit die Gilde ihrem endgültigen Untergang zu weihen? Sie hang noch ein wenig ihren Gedanken nach, während sie durch die offene Tür nach draußen starrte...
[Währenddessen in der Zwischenzeit:]
„Naaaaach, komm schoooon, stell dich nich so an duhhh...“ „Pepe, ich will aber niiiicht... und schon gar nicht hiiier, wo uns alle dabei zusehen können!“ „Wasch hassu deenn gegn bissi Spaaaß Mädel hä?“
Das 'Mädel' zog sich ihren Ausschnitt zurecht, als sie die kalten Münzen wieder aus diesem in die dafür vorgesehene Kassenbox beförderte und erwehrte sich dann mit einer Ohrfeige, den Grabschern ihres Hinterns, während der grobschlächtige Rabold sich schon zwischen ihren Beinen zu schaffen machte und auch sie ihm verzweifelt im Versuch ihn von sich zu halten, eine schallend langte.
„Meine Herren, meine Herren... lassen wir dieses Arme Geschöpf doch einen kurzen Augenblick ruhen und widmen uns den angenehmeren Dingen ja?!!“ befahl Goldfinger Hans in äußerst elegantem Ton und klatschte belustigt in die Hände, worauf sich Rabold und Pepe mürrisch, aber gehorchend, von ihr fernhielten und brav ihre Handtücher gegen Unterhosen tauschten. Das verschüchterte Mädchen, zupfte sich scheu zu Hans lächelnd schnell alles wieder zurecht und bedankte sich artig nickend bei dem wohlhabenden Mann, der sie soeben vor Peinlichkeiten und Ärger bewahrte. Denn, Ohrfeigen gegenüber Gästen, sah der Bademeister gar nicht gerne. Schon gar nicht, wenn es die gehobene Klasse der Bürger betraf und überhörte dabei völlig Hans’ leise Murmelei, dass sie sich eine Andere für ihren Spaß suchen würden, bevor der kleine Trupp sich wieder vom Badehaus in Tiefwassers Gassen aufmachte.