Zitat Antonio
Eigentlich war der Buddhismus niemals eine Religion, wird aber von vielen Menschen (vor allem Indern) so ernst genommen wie eine Religion.
Das stimmt de facto nicht. Der Buddhismus hat wesentlich mehr mit einer Religion als mit einer Philosophie gemein. Das kann ich auf Wunsch gerne ausführen, aber dieser Satz von dir, Antonio, ist grundlegend falsch. Das, was ihn von anderen Religionen unterscheidet, ist, dass er im wesentlichen toleranter ist als zum Beispiel das Christentum oder der Islam.
Das der Buddhismus als Lebensphilosophie bezeichnet wird, ist, gelinde gesagt, ein Produkt der westlichen Welt. Im Westen löst man teilweise den philosophischen Hintergrund von der religiösen Tradition, weshalb er im Westen nicht immer als Religion verstanden wird.
Ich hab mich hier lange zurückgehalten, aber jetzt erzähl ich auch mal meine Gedanken zu dem Thema.
Ich bilde mir normalerweise recht schnell eine Meinung und verteidige diese auch vehement, aber über das Thema Religion bin ich mir immer noch absolut unschlüssig. Einerseits verspüre ich den Wunsch nach Geistlichkeit, immer etwas zu haben auf das man sich in Gedanken berufen kann, etwas zu haben an das man denken kann, wenns einem total beschissen geht und man eigentlich nicht weiter will. Außerdem fasziniert mich dieses "Phänomen" sehr, manche Menschen geben ihr komplettes Leben auf um in einem Kloster zu leben oder Nonne zu werden. Bescheidenheit und Aufopferung betrachte ich mit großem Respekt.
Andererseits weiß ich das Religion für einige der dümmsten Fehltritte und Kriege gesorgt hat und da ich generell gegen Krieg und für ausgereifte Planung bin, ist das ein großer negativer Faktor. Ich habe außerdem eine negative Meinung von einigen Geistlichen die ich so kennengelernt habe, bisher waren in meinem Leben nämlich die die von Nächstenliebe usw. gepredigt haben, die intolerantesten Arschlöcher die es gibt. Allerdings glaube ich auch das es bei mir für eine Konfirmation bereits zu spät ist und das Religion einen bereits frei denkenden Geist nur zügeln würde.
Es gibt soviele Perspektiven und auch jede Menge Religionen, ich muss ja nicht unbedingt Christ werden, vielleicht werde ich auch Muslim, oder Buddhist.
Das ist alles sehr schwer und solange ich da keine freie Sicht habe, werde ich vorerst auch religionslos bleiben, ich denke das hat mir bisher auch ganz gut getan.
Du sprichst da ein sehr schönes bzw. unschönes Thema an, dass mich schon seid einiger Zeit beschäftigt. Ich stelle mal die Frage: Warum ist man "religionslos", wenn man nicht willens ist, sich zu einer der bekannten Religionen zu bekennen oder in ein bestehendes Glaubenssystem einzufügen?
Ich glaube, man kann Religion nach zwei Kriterien beurteilen, nämlich erstens der politischen, historischen oder moralisch-philosophischen Komponente und zweitens der emotional erlebbaren, menschlich empfindbaren Komponente, von mir mal "Spiritualität" getauft. Das Problem bei der Definition von Religion ist leider immer zu, dass sich jeder Theologendepp und Philosophendepp unbedingt auf erstgenanntere Komponente stürzt, ohne jedoch die zweite zu beachten oder auch nur wahrzunehmen. Und so werden Vorstellungen wie das Christentum usw. häufig als einzig wahre Religionen auch im philosophischen Standpunkt definiert, und "geringere" Vorstellungen wie beispielsweise "heidnische" Religionen, denen es weniger um Moral und Politik geht, sondern mehr um die emotionale Komponente, als "esoterisch", "veraltet" und "unzeitgemäß" abgelehnt werden.
Dabei frage ich mich auch, warum das so ist. Als Menschen, die wir noch immer sind, haben wir doch auch nach wie vor Emotionen und emotionale Bedürfnisse. Warum muss man sich immer den politischen Initiativen einiger Deppen unterwerfen, die die eigene Spiritualität ausnutzen wollen, um ihre eigenen missratenen Wünsche zu erfüllen? Und wozu braucht man selbst als Gläubiger das dann? Nebenbei finde ich auch die spirituellen Konzepte vieler Religionen absonderlich und daneben.
In der Frühzeit der Menschen hatte Religion, so die Theorie einiger Forscher, vor allem die Rolle einer emotionalen Erfüllung und als Inspiration zur Kunst eingenommen. Da hatten die wenigsten wohl, wenn überhaupt, an Moral und Politik gedacht. Warum muss es heute unbedingt anders sein? Wegen der "Weiterentwicklung" der Kultur? *laut lacht*
Lieblingsbeispiel Christentum, eine der naturfeindlichsten und selbstherrlichsten Religionen dieser Welt:
Selbstherrlichkeit: Ich finde es alles andere als spirituell erfüllend, jeden Sonntag zwei Stunden in einem riesigen Protzbau namens Kirche rumzuhängen, mir das Gelabbere eines in schwarz und weiß gekleideten Affen anzuhören, der aus einem dicken Wälzer über einen langhaarigen Sandalenträger, der von sich behauptete, der Sohn einer höheren Wesenheit zu sein, zitiert. Ich mag die Atmosphäre nicht, ich mag nicht mal die Vorstellung. Und ich sags mal so, wirklich schöne Kirchenbauten gibt es in heutiger Zeit nicht mehr, einige wenige gotische Kirchen sind ganz nett. Aber die sehr großen Kathedralen, die ja als großartige Bauwerke zum Ruhme Gottes gepriesen werden, finde ich lächerlich und selbstherrlich. Kaum eine Religion verwendet über die Maßen viel Gold wie das Christentum in ihren "Tempeln", um die angebliche Herrlichkeit Gottes auszudrücken, und von Gold kriege ich höchstens Kopfschmerzen.
Gold und Prunk in der christlichen Religion und auch in anderen Religionen sind meiner Meinung nach lediglich ein Ausdruck der politischen Macht dieser Organisationen, und selbst, wenn es kunstfertige Stücke unter all dem gibt, finde ich das wenig bemerkenswert, eher traurig.
Naturfeindlichkeit: Das christliche Ritual beinhaltet insbesondere in der Moderne keinerlei Aspekte dessen, was ich als "Natürlichkeit" bezeichnen würde. Für ihr Ritual begeben sie sich in zugige Riesenbauten namens Kirchen und hören dort einem einzelnen Prediger zu, dem sie nachreden. Ich finde das eher mitläuferisch als spirituell inspiriert, und zudem hat es wenig Persönliches, und wenn man Spiritualität als emotionale Komponente deklariert, gehört wohl auch eine starke persönliche Komponente hinzu, die eher im privaten Gebet gefördert wird. Aber zum Beten muss man kein kirchengängerischer Christ sein. Interessant ist, dass sich viele Christen gerade darüber definieren, immerzu in die Kirche zu gehen. Für das private Gebet muss man aber gerade da nicht hin, dass kann überall stattfinden, wo es für einen selbst am angenehmsten ist.
Aber: Die Geschichte zeigt, dass das Christentum wiederum in seiner politischen Komponente bewirkt hat, dass Wissen und Verbundenheit zur Natur verloren gingen. Während die antiken Naturreligionen, so es sie denn gab, Wissen über die Natur gewonnen haben, ging unter den Christen viel verloren. Menschen fürchteten sich im Wald vor allerlei bösen Geistern, besonders nachts. Bei den Naturmenschen vor dem Christentum war man sich auch nie sicher, aber man konnte eher sagen, dass diese bösen Geister die Gestalt von Wölfen und anderen Tieren annahmen. Man kannte sich einfach ein bisschen besser aus.
Das sogenannte Hexentum wurde von den Christen ja auch immer schön unterdrückt, alles was mit Naturkräuterkunde usw. zu tun hat, wurde verleugnet und für böse erklärt. (Achja, wer mit Hildegard von Bingen zu kontern versucht: Die war im 12. Jahrhundert. Der Hexenwahn setzte in der ach so tollen Renaissance von 1500 bis 1700 ein, wo ja alle sich einer neuen Bildung und Aufklärung zuzuschreiben versuchten. Zu kaum einer Zeit war die Kirche und ihre gesamte Bewegung repressiver und gewalttätiger, was sich an den Taten in Amerika, Afrika und wiederum in Europa sehr gut sehen lässt.) Aber auch schon vorher wurden die germanischen und keltischen heidnischen Kulte und Naturbräuche als von Satan inspiriert angesehen. Karl der Große ließ 4000 Sachsen hinrichten, unter anderem, weil sie sich weigerten, das Christentum anzunehmen. Der Deutschritterorden hat jahrzehntelang unter den Heiden im Baltikum und in Preußen Gemetzel angerichtet, weil sie (noch) nicht das Christentum angenommen hatten.
Repressive Maßnahmen einer Weltreligion (und ebenso ein besonders "liebenswürdiges Gutmenschentum", Beispiel Caritas usw.), insbesondere einer zentral organisierten oder organisierbaren wie das Christentum, zeugen oftmals von deren eigener Angst, langsam aber stetig ersetzt zu werden. Und hier geht es um keine spirituelle Komponente mehr, diejenige, die für den einzelnen Menschen wichtig wäre. Es geht hier nur noch um Politik und nochmals Politik.
Meiner Meinung nach muss sich kein Mensch Christ nennen, oder Muslim oder Buddhist oder sonstwas nennen, um zu beweisen, wie religiös er ist oder um spirituellen Halt zu finden. Religiösen und spirituellen Halt sollte er in sich selbst finden bzw. kann er nur in sich selbst finden. Jemand wird keinen spirituellen Halt finden, wenn er nicht bewusst wie unbewusst an etwas glaubt. Glaube kann auch nicht dadurch erzwungen werden, dass man jetzt regelmäßig in die Kirche geht oder fünfmal am Tag in Richtung Mekka betet.
Mein persönliches Beispiel: Wenn ich so etwas wie spirituellen oder religiösen Halt suche, gehe ich wortwörtlich "in den Wald". Wenn ich mal einen freien Kopf brauche, hilft mir die frische Luft sehr viel. Von Bäumen und den wenigen Geräuschen im Wald umgehen zu sein, befreit meinen Geist. Für mich ist das kein Ersatz zur Spiritualität, für mich ist DAS die Spiritualität, weil es für mich dem Gefühl nahekommt, mit transzendenten Mächten, die hier einst wirkten, in Berührung gekommen zu sein. Unter der frischen Luft kommen mir viel klarere Gedanken als in einem stickigen Haus. Das verbindet für mich diese Elemente, Natürlichkeit und Spiritualität, welche ich beide in der Kirche nicht empfinden kann. Weshalb ich mich auch niemals als Christ begreifen könnte, da mir beides, die spirituelle Komponente wie auch die politisch-moralische Komponente, unverständlich und unangenehm sind.
A-Bomb, du musst nicht zwanghaft einer großen Religion angehören, um Spiritualität und Halt zu erfahren. Überlege dir einfach mal, in welchen Momenten du dich besonders glücklich fühlst, in welchen Momenten deine Gedanken besonders frei und klar sind. Konzentriere dich auf solche Momente und versuche herauszufinden, wie du sie öfter herbeiführen kannst, beispielsweise durch Meditation, oder so, wie ich es mache, durch "In-Den-Wald-Gehen" oder ein deiner Persönlichkeit entsprechendes Äquivalent.
Und du musst auch nicht zwanghaft Gott mit dem Namen "Jahwe" oder so anrufen wollen, wenn mans mal übertrieben darstellen wollte. Wenn du eine für dich wichtige religiöse Idee oder einen Gedanken hast, dann schreibe ihn dir einfach für dich selbst auf, in Handschrift, und mach dir sozusagen deine eigene Bibel daraus. Du kannst "deinen" Gott auch "Habablabb" nennen, wenn es für dich der passendste und schönste Name ist. Es steht allein dir selbst zu, deinen Glauben wie auch deine Glaubensgrundsätze zu formen, und jeder andere, der das versucht, wird sich dir immer als Missionar oder als Usurpator aufzudrängen versuchen.
Du kannst auch jeden Glauben annehmen, von dem du denkst, dass er der Richtige (für dich) ist. Das kann auch ein "vorgefertigter" Glaube sein, wie zum Beispiel das Christentum, aber achte darauf, dass es wirklich deinen Gefühlen und deinen Überzeugungen entspricht. Und lasse dich nicht von irgendwelchen Predigern für etwas einspannen, was mit deinen Glaubensgrundsätzen nicht vereinbar ist, obwohl vorne "Christentum" draufgepappt ist.