@Ebisumaru:
Erstensmal ist der "Atheismus", wie du ihn definierst, im Gegensatz zu "richtigen" Religionen, keine organisierte Glaubensrichtung. Atheismus bzw. Agnostizismus, wie du es nennst, bezeichnet die Eigenschaft, keiner Religion anzugehören, und das AUS ÜBERZEUGUNG. Wiederum kann jeder religionslose Mensch, wie du ja selbst anerkennst, völlig individuelle Vorstellungen besitzen, und ergo besteht keinerlei Einheitlichkeit zwischen den verschiedenen Vorstellungen. Ob das nun etwas Positives oder etwas Negatives ist, sei dahingestellt. In jedem Falle schränkt es die Wahrscheinlichkeit ein, dass Massenphänomene wie bei organisierten Religionen stattfinden.
Desweiteren rührt Moral und Ethik nicht aus Religion her, sondern aus Überzeugung. Und wie ich schon oben sagte: Diejenigen, die sich selbst Atheisten bzw. Agnostiker nennen, sind zumeist auch soweit, dies sagen zu können, weil sie von ihrer Vorstellung überzeugt sind.
Religion kann EINE Quelle der Überzeugung sein bzw. etwas sein, von dem man überzeugt ist, aber sie genießt kein Monopol darauf. Man kann genauso von einer politischen Ideologie überzeugt sein. Man kann auch davon überzeugt sein, dass Ziegenkäse besser ist als Kuhmilchkäse. Selbst aus so einer Nichtigkeit kann Moral entstehen: "Weil ich glaube, dass Kuhmilchkäse schlecht ist, esse ich ihn nicht, dafür aber Ziegenkäse, weil ich davon überzeugt bin, dass dieser gut ist." Der Unterschied zu einer Regel wie "Ich soll nicht töten." ist lediglich eine Frage des Subjekts und Objekts und damit keineswegs lächerlich, wie dem geneigten Leser vielleicht zu Denken zumute ist, sondern ein praktikabler Vergleich. Dabei fällt mir glatt Russells Teekesselchen ein.
Ich glaube auch nicht, dass es gut ist, wenn ich jeden ***** gleich umlege, weil er mich schief anguckt. Und ich fühle mich trotzdem keiner Religion verpflichtet bzw. bin von ihren Sätzen überzeugt.
Alle Religionen verlangen von den Anhängern größtenteils das Selbe: Barmherzigkeit, Gutmütigkeit etc.
Unsinn. Das ist nur bei den großen Weltreligionen so, die alle auf Erlösung usw. basieren. Es gibt unzählige Religionen, die über Barmherzigkeit und Gutmütigkeit "lachen".
Naja, das Propagandamittel wurde aber dennoch ziemlich selten genutzt, Kreuzzüge und ein Paar andere im Vergleich zu den Millionen anderen Kriegen, die nicht aufgrund von Religion geführt wurden. Aber obwohl... Ich als König könnte es durchaus als richtig sehen, andere Länder zu erobern, damit die Menschen, die in dem Land wohnen, diese durch die in meinen Augen richtige Religion erlöst werden können:lol:
Eine Argumentation, wie sie auch von jedem x-beliebigen Ideologen kommen könnte. Im übrigen ist das Konzept der Theokratie ein häufigeres, als man denkt. Ayatollah Khomeini hat es verstanden, der Religion das Aussehen einer politischen Ideologie bzw. umgekehrt zu geben, was dazu führt, dass es heute nicht das Kaiserreich Persien gibt, sondern die Islamische Repubik Iran. Eine beliebige politische Ideologie kann durchaus auch durch eine beliebige Religion ersetzt werden, die Grenze ist flexibel, so es sie denn überhaupt gibt.
Also ich weiß nicht so recht. Wenn es tatsächlich so ist, dass es Gott gibt, wächst bei mir die Angst vor dem Tod viel eher als sie steigt, denn es ist wohl kaum so, dass dann auch jeder in den Himmel kommt.
Sagt wer? Deine Kirche? Deine heilige Schrift? Das ist das Problem mit Buchreligionen. Man formt seinen Glauben nicht nach den eigenen Gefühlen, sondern nach dem, was einem von irgendjemandem gesagt wird. Und so wird überhaupt erst möglich, dass das religiöse Gefühl vieler Menschen zur Legitimation und Ausführung grausamer Verbrechen missbraucht wird. Deshalb ist Religion ja so ein mächtiges "tool of statescraft".
In meine Augen hat die Kirche gar keinen Grund sich zu entschuldigen. Das wäre doch Dasselbe, wie als wenn ich mich für meinen Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater entschuldigen müsste, weil er getötet hat. Ich sehe keinen Grund mich dafür zu entschuldigen, denn ich sehe mich in keinster Weise verantwortlich, da ich ja auch nicht beeinflussen konnte, was er damals gemacht hat.
Du überträgst hier das Problem der Schuld eines Kollektivs, zum Beispiel einer politischen Gruppe, auf das Problem der Schuld eines Individuums, was nicht praktikabel ist, da eine politische Gruppe über Jahrhunderte aktiv sein kann und daher sich nicht nur einzelne Individuen eines Verbrechens schuldig machen kann, sondern alle, die diese politische Gruppe unterstützen, denn dadurch werden auch sie mitschuldig, denn sie akzeptieren das Verbrechen als "Notwendigkeit" zur Erreichung ihres politischen Zieles.
Bei allem Respekt, mit der gleichen Argumentation könntest du also auch den Holocaust und die Verbrechen zahlloser anderer Diktaturen entschuldigen?
Du hast Recht. Du selbst musst dich nicht für die individuellen Taten deines Großvaters entschuldigen. Aber die Kirche muss sich nach wie vor für die kollektiven Taten ihrer Gruppe entschuldigen. Ansonsten trägt sie den Makel dieser Verbrechen auf ewig mit sich, denn es ist nach wie vor die gleiche Kirche, und wenn sie sich nicht entschuldigt, dann akzeptiert sie die Taten als richtig, denn sie haben dazu geführt, dass die moderne Kirche heute da ist, wo sie sein kann.