Bevor ich endgültig Nr. 4 von dfWdT poste (ist fast fertig), noch mal was Gestalterisches:
Die fünf Weisheiten des Todes, Teil 4
Eine autobiographische und auf wahren Ereignissen beruhende Geschichte einer Schattenschuppe ohne Schuppen
VORWORT
Einige Streifen in Salz eingelegtes Fleisch, ein wenig Obst, Met, Bier, viel Wasser, möglichst viele Septimen, ein Bogen und ein Dolch. Ich fühlte mich wie ein Packesel, aber was sollte man machen, immerhin sollte das eine spektakuläre und vor allem erfolgreiche Flucht werden. Jeder hätte mir einreden können, dass es keinen Sinn hat, vor der Dunklen Bruderschaft zu fliehen, aber damals war ich noch voller Zuversicht und fest entschlossen, es zu tun.
„Meister!“ Ich klopfte an die Tür von Ten-Seis Privatquartier. Keine Antwort. Ich klopfte noch einmal. Immer noch nichts. Als ich eintrat, war es bereits zu spät.
Seine Leiche hing in einer Schlinge an der Decke, im Herz einen Pflock. Sie schwang herum wie ein Kompass, an den man einen Magneten hält, fast widernatürlich.
Ich konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten, fiel auf die Knie und weinte bittere Tränen.
DIE TAGE DER FLUCHT
Ein lautes Fauchen und ein Aschehäufchen. Ich hatte eben so meine Vorkehrungen getroffen. Wahrscheinlich hielten sie mich für dumm und hatten diesen Anfänger auf mich angesetzt. Aber er hatte die Tür nicht auf Fallen überprüft, bevor er sie geöffnet hatte, sonst wäre er jetzt noch am Leben.
Schnell ging ich hinüber zur Tür, erneuerte die Falle und legte mich wieder ins Bett. Was für eine Wonne, endlich einmal nicht im Wald schlafen zu müssen, wo man immer in das Dilemma geriet, dass man zwar Wölfe mit Feuer vertrieb, Attentäter aber anlockte.
Ich schmiegte mich in die grobe Wolldecke, die mir nach vielen Nächten auf Tannennadeln trotz ihrer rauen Fasern weich wie eine Wolke erschien und gab mich wieder meinen Träumen hin. Die vermittelten mir allerdings nicht die Genugtuung, die ich im wachen Zustand angesichts der bereits getöteten Attentäter empfand. Insgeheim wusste ich, dass man noch keine Profis auf mich angesetzt hatte. All diese Personen, die von Baumstämmen zerquetscht, von Feuer pulverisiert und von Pfeilen aufgespießt worden waren, hätten sich genau so gut ein Schild mit der Aufschrift „Hier bin ich!“ umhängen und laut schreiend mit einer Fackel durch den Wald rennen können, ich hätte sie so oder so bemerkt. Und sie waren auch noch in die einfachsten Fallen hineingelaufen, ohne sich zu ducken oder zurückzuweichen. Keine Reflexe, keine Instinkte. Woher bekam die Bruderschaft solche Witzfiguren?
Sei's wie's sei, ich legte mich äußerlich gefasst ins Bett, war innerlich aber dennoch in hellem Aufruhr. Der Tod meines Lehrmeisters war mir sehr zu Herzen gegangen. An seine Stelle war eine gähnende Leere gerückt, die mich fast in den Wahnsinn trieb. Er war all die Jahre mein einziger Gesprächspartner gewesen, er hatte mir immer Ratschläge gegeben, er war unentbehrlich für mich. Und jetzt sollte das alles vorbei sein?
Nach vielem Wälzen und Umdrehen im Bett fand ich schließlich doch noch in einen unruhigen Schlaf, der mir nur wenig Erholung versprach.
Doch selbst diese schien mir nicht vergönnt, denn am nächsten Morgen fühlte ich mich als hätte ein sich nicht ans Tempolimit haltender Schlickschreiter mich überfahren. In meinem Kopf brummte es wie 13 Kobolde, mein Magen knurrte und mein Rücken schmerzte. Und müde war ich auch. Aber es half nichts, der Marsch musste weitergehen, auch wenn er zum Gewaltmarsch wurde. So quälte ich mich mit bleichem Gesicht aus meinem Bett und stapfte die Treppe hinunter in den Schankraum der Unterkunft, um mir dort ein schnelles Essen für auf den Weg zu holen. Die Leute starrten mich an, als hätte ich Corprus, wie ich so durch den Raum schlurfte, ein junger Mann mit zotteligen Haaren, zerrissenen Kleidern, einem Dreitagebart und einer Visage wie drei Fass Gurken. Entsprechend kurz fiel denn auch mein Aufenthalt aus. Ich ließ mir aus der Küche einen Brotlaib, ein paar Stück Käse und gepökelten Schinken kommen und verduftete (und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich hatte schon lange nicht mehr geduscht und meine Bettstatt sicher auch das ein oder andere Mal versehentlich auf Fuchskot errichtet) nach draußen, wo ich mich in Richtung Stadttor drückte.
Meine Odyssee schien aber noch lange nicht zu Ende zu sein, denn ich hatte gerade einmal die Grenze der Schwarzmarsch überschritten, womit aber auch schon der schwierigste Teil der Reise überstanden war. Ich war jetzt nicht mehr im direkten Einflussgebiet der Schattenschuppen, ich war in Cyrodiil. Aber von Leyawiin bis in die Kaiserstadt waren es trotzdem noch mehrere Tagesmärsche...
Die nächsten Nächte blieb ich weitgehend unbehelligt, was mir Genugtuung bescherte. Denn genau das hatte ich bezwecken wollen, als ich nicht aus dem Westen der Schwarzmarsch zur Kaiserstadt reiste, denn das hätte mich an Cyrodiils größter Zuflucht, der in Cheydinhal, vorbei geführt. Stattdessen war ich zuerst nach Süden gereist und hatte dann die Grenze nach Cyrodiil überschritten, was mich weitgehend an den akuten Gefahrenzonen vorbeiführte. Ich musste zwar noch den einen oder anderen Attentäter eliminieren, aber das waren alles Anfänger, nicht der Rede wert. Bis...
Es war ein lauer Abend, für die frühe Jahreszeit ungewöhnlich warm, ich hatte mir in Bravil eine Flasche Wein der Surilie-Brüder geleistet und ein Picknick begonnen. Ich war bald in der Kaiserstadt, musste nur noch das Gewässer umrunden, um an die Brücke zu kommen, denn schwimmen wollte ich sicher nicht bis dorthin. Ich hatte mein Lager an der westlichen Seite aufgeschlagen, unweit der Straße nach Cheydinhal. Ich war unvorsichtig.
Gemütlich goss ich mir ein Glas des guten Weins ein, während ich unweit des Unterholzes müßig ging. Schon lange hatte kein Attentäter mehr versucht, mich kaltzustellen, ich fühlte mich sicher. Und außerdem ritten in Cyrodiil anders als in der Schwarzmarsch immer wieder kaiserliche Wachen vorbei, was konnte mir da schon passieren?
Eine streunende Katze kam zu mir, angelockt vom Geruch meines Picknicks. Ich hatte ein Schaf geschlachtet, dessen rohes Fleisch ich als kleine Happen mit gut dosierten Feuerstößen aus meinen Händen briet. Schnurrend schmiegte sich die Katze an mich und versuchte, sich einen der Streifen zu schnappen. Ich gab ihn ihr und sie verspeiste ihn zur Hälfte. Die andere Hälfte verteilte sie beim Essen auf meinen Klamotten, aber das machte mir nichts aus, immerhin hatte ich mich seit sieben Wochen nicht mehr gewaschen. Schließlich ließ sie sich schnurrend auf meinem Schoß nieder und schloss die Augen.
Doch plötzlich versteifte sich ihr Körper. Das Schnurren wich einem aggressiven Knurren. Sie schien etwas zu riechen, vielleicht einen Wolf oder einen Kobold.
„Was hast du denn?“, fragte ich, während ich versuchte, sie mit sanftem Streicheln zu beruhigen. Einen Sekundenbruchteil zu spät verstand ich, was sie hatte.
Blitzschnell zog ich meinen Dolch, warf ihn in einer schnurgeraden Bahn ins Unterholz hinter mir und wich gerade noch dem Pfeil aus, der von dort abgeschossen wurde. Einige Meter entfernt hörte man ein ersticktes Röcheln. Ich hatte den Assassinen getroffen. Schnell eilte ich in den Wald, aus dem der Pfeil gekommen war und fand ihn hinter einer Wand aus herabhängendem Efeu. Seine Brust hob und senkte sich langsam, und mit ihr der Dolch, der bis zum Heft in ihr steckte.
Und in dem Verwundeten, der dort vor mir lag, erkannte ich einen meiner alten Kameraden. Er streckte die Hand nach mir aus und versuchte, irgendetwas zu sagen, aber es ging in blutigem Husten unter, der sein Gesicht rot besprenkelte. Eigentlich war der Gnadenstoß noch zu gut für ihn, aber hatte ich mich nicht auf die Seite des Humanismus geschlagen? Und mehr konnte ich nicht mehr für ihn tun.
Gerade als sein Körper unter meiner Klinge erschlafft war, hörte ich klägliches Maunzen hinter mir. Eine kleine Gestalt zog sich mit den Vorderpfoten in meine Richtung, die Hinterläufe wie einen nassen Sack hinter sich herziehend. Es war die Katze. Der Pfeil, dem ich ausgewichen war, hatte sie getroffen und eine schmerzliche, aber ungefährliche Fleischwunde an den Hinterläufen hinterlassen. Und ihr schien noch zu helfen zu sein.
Nun gut, mit diesem Teil meiner Reise brachen keine neuen Tage an, auch wenn dies für die Buchreihe ein Traditionsbruch sein mag. Aber was ist schon Tradition? Doch nicht mehr als das Festhalten an unzeitgemäßen Routinen. Oder nicht?