Die Egosicht hab ich nie in Frage gestellt. Deus Ex was so am nächsten an Cyberpunk von den Inhalten und der Stimmung ran kommt war Egosicht, die Fallout-Reihe ab Fallout 3 war Egosicht (und ich hab inzwischen auch 1400 Stunden in Fallout 76) und da es teils stark in die Richtung Shooter geht (wenn man denn so spielen will) ist Egosicht meiner Meinung nach auch generell am logischsten. Spielst du denn Fallout 4 ausschließlich in der 3rd-Person-Ansicht?
Die Aussage, dass Fallout ab Fallout 3 Ego war, ist so nicht korrekt. Im Gegenteil hatten diese Games eines der grossartigsten Features im Gaming überhaupt, sie erlaubten es einem zu wählen. Es gibt auch kein Naturgesetz, dass ein Shooter Ego zu sein hat. Gears of War, Mass Effect und Red Faction: Guerilla sind ebenfalls Shooter. Borderlands wäre Ego, es lässt sich aber mit einer Mod fast problemlos in der Third zocken (die Probleme betreffen die Ballistik, die ab und zu austickt).
Ich spiele alle Bethesda-Games in der Third, ausser da, wo die Ansicht versagt, in engen Räumen. Wobei ich in Fallout 4 damals für mich eine Funktion gecodet habe, die das Game in die Ego-Ansicht versetzt, wenn ich mit einer Schusswaffe zoome, und anschliessend zurück. Heute gibt es dafür ein FOSE-Plugin. Wie wichtig mir eine gute Third-Ansicht ist, zeigt alleine schon, dass ich gestern im Fallout 4-Nexus nach "third" gesucht habe, statt nach "titties".
Natürlich hat die Third prinzipbedingte Probleme, weil da effektiv eine virtuelle Kamera hinter dem Spieler schwebt. Was macht man, wenn diese Kamera in einem Begleiter, einem Feind oder einer Wand stehen würde? Die schlechtesten davon entkoppeln dann die Kamera und lassen sie an einer Wand abgleiten, das nennt man zickende Kamera, wenn es besonders mies berechnet wird. Andere beugen Problemen vor, indem sie in Innenräumen von Anfang her die Kamera näher an den Spieler bringen, z.B. Greedfall oder Tomb Raider. Bethesda hingegen übergibt einem die Kontrolle, wie weit die Kamera weg ist, auch das ein grossartiges Feature.
Einige Games sind schlecht darin, eine gezoomte Waffe in der Third umzusetzen, wie etwa Mass Effect, wo der Body die ganze linke Seite überdeckt und die Kamera zu stark gezoomt wird, was fast für Platzangst sorgt. Und auch in allen Fallouts und Skyrim muss man zuerst in der Ini herumschrauben, um eine bessere Ansicht zu kriegen.
Die Ego verdeckt einem nicht die Sicht auf den Feind, das ist ein Vorteil in einem Shooter. Ich glaube mein Problem mit Cyberpunk ist für mich, dass ich weite Teile des Games keine Waffe in der Hand habe und dann bin ich nichts weiter als eine schwebende Kamera, es ist extrem langweilig, lässt mich den Sinn eines umfangreichen Chargen-Editors bezweifeln und macht meine Immersion kaputt. In Borderlands und anderen Ego-Shootern habe ich hingegen ständig eine mehr oder weniger fette Waffe in der Sicht, da spielt es weniger eine Rolle.
Ich habe den Verdacht, dass das Argument, dass die Ego-Ansicht immersiv sei, häufig vorgeschoben ist. Ich vermute, dass es einfacher zum Umsetzen und damit billiger ist. Ich würde ja nix sagen, wenn eine Ego-Ansicht möglichst exakt das wiedergibt, was ich in Real-Life sehe. Ich könnte mich aber auf jeden Fall erinnern, wenn ich jemals "Heureka, jemand hat die Ego genailt!!!" geschrien hätte. Manche Games machen einen relativ vernünftigen Kompromiss, man sieht die Füsse und ein wenig Torso, aber andere stellen meinen Charakter schlicht und ergreifend als schwebende Kamera auf Schienen dar, was keineswegs immersiv ist.