In den Eingangshallen lehnte sich Jason gegen eine einsame Säule, er war noch immer in Gedanken versunken. Durch das Epinephrin, womit er sich aufputschte, hatte er genug Zeit, sich Gedanken zu machen.
Das Rennen draußen tobte, doch Jason verspürte kein Interesse an diesem, weder als Zuschauer noch als Teilnehmer. Denn er versuchte das zu verstehen, was geschehen war: Androiden haben eine Kampfstation hochgenommen. Jason wusste, Androiden wurden auch im Kampf eingesetzt, aber diese waren anders, sie agierten selbstständig, ohne Befehle von Menschen und mit tödlicher Präzision. Doch bereitete ihm nicht die Frage Sorgen, ob sie von Menschen befehligt oder gesteuert worden sind, sondern die Frage nach der Herkunft dieser Androiden.<Die Androiden... sie müssen Produkte der SC sein...>
Jason nahm seine Brille ab, um sie mit einem Tuch abzuputzen.
Nur die Scientist Community verfügte über das nötige know-how und die nötigen Ressourcen, um solche technologisch hochwertigen Produkte zu entwickeln, das stand außer Frage. <Weitergehend stellt sich die Frage "Warum das Ganze?">
Es passte nicht. Warum sollte sich die SC sich selbst angreifen?
Jason hielt seine Sehhilfe gegen das Licht und prüfte die Brillengläser auf Verunreinigungen.
<Vielleicht lege ich das ganze falsch aus, interpretiere zu viel hinein...?> Jason setzte seine Brille wieder auf. Fehlinterpretationen nutzten nichts, Gewissheit musste her. Also beschloss Jason kurzerhand seine alte Mentorin Prof. Dr. Kiriko Shirahama zu kontaktieren. Sie müsste mehr wissen, wenigstens genug, um Jasons beißendes Gewissen zu beruhigen.
Jason stieß sich von der Säule ab und erstarrte kurz danach. Ein kurzer Schwall von Frustration und Wut überschwamm ihn, in Jasons Gesicht zeichnete sich Überdruss ab.
<Super... alles weg...> Jason hatte vollkommen vergessen, dass sich noch all sein Hab und Gut, in seinem Zimmer auf der gerade erst verlassenen Station befand. Darunter befand sich auch sein Funkgerät. Und nicht nur das, darunter befanden sich auch seine gesammelten Gegenstände früherer Zeitalter. An sich waren diese Dinge nicht sehr wertvoll, aber für Jason waren sie das.
Aber glücklicherweise befande er sich im A.I.L., hier konnte er sich einfach ein Kanal nach Damaskus öffnen lassen, wo Kiriko sich derzeit befand. <Nun denn...>
Während Jason auf die Rezeption zuging, vernahm er laute Motorengeräusche von außerhalb. <Das Rennen... mein Gott, können die nicht mal etwas sinnvolles tun?!> Jasons Laune war auf dem Tiefpunkt.
An der Rezeption mühte sich Jason ein Lächeln ab und begann freundlich: "Guten Tag, mein Name ist Jason Yaşar Shirahama, ich bräuchte eine sichere Verbindung nach Damaskus zu Prof. Dr. Shirahama."
Die Frau an der Rezeption beäugte ihn misstrauisch. "Vorerst bräuchte ihre ID, die sie als Mitglied der SC ausweist. Sie sind doch Mitglied der SC, oder nicht?"
Jasons schmales lächeln verschwindete und wortlos beantwortete er ihre Frage, indem er seine ID in den ID-Scanner eingab.
Eine kurze Zeit verging und Jason hörte von draußen den Jubel der schaulustigen Menschen.
"Tut mir leid, sie sind nicht autorisiert eine Verbindung zu Prof. Dr. Shirahama herzustellen."
<Das war's...>
Die Frau schreckte zurück, als Jason ausholte und im Begriff war, mit seiner geballten Faust auf die Theke zu schlagen. Doch kurz vor aufprallen der Faust, bremmste Jason seine Faust. Er zwang sich Ruhe zu bewahren, doch es gelang ihm nur schwer. Seine Kiefermuskeln arbeiteten und er spürte, wie sein Blut vor Wut in sein Gesicht schoss. Seine Muskeln erschlafften wieder.
<Sie trifft keine Schuld, ich werde sie nicht zum Ventil meiner Emotionen machen, so schwach bin ich nicht.> wiederholte Jason wie ein Mantra im Kopf.
"Ändert auch die Tatsache, dass ich ihr Ziehsohn bin, nichts an dem Sachverhalt?", fragte Jason ruhig, mit dem Blick zur Seite geneigt. Er schämte sich für seinen kleinen "Ausbruch", für ihn war so etwas das Zeigen von schwäche. Er konnte ihr nicht mehr ins Gesicht blicken.
"Tut mir leid, aber-", sagte sie schon fast versöhnlich.
"Schon gut. Vielen Dank.", Jason bewegte sich wieder zurück zu seiner einsamen Säule und setzte sich gegen sie gelehnt hin. <Manchmal vergesse ich einfach den Unterschied in den Rängen, der uns teilt.>
Jason war ratlos, was konnte er jetzt noch tun? Sein Gewissen biss noch immer, es ließ ihm keine Ruhe. Wieder war er alleine mit seinen Gedanken, ohne Gewissheit. In seinen Gedanken versuchte er die wenigen Puzzleteile, die er hatte, in ein Gesamtbild zu fügen. <Androiden, Androiden...>
Wie ein Blitzschlag traf es ihn. <Cromwell... Augustus Cromwell>
Jason sprang auf, instinktiv ging er zum Archiv. Er wusste wo es lag, es war schließlich nich sein erstes mal im A.I.L. Er schnellte an ein paar Wachen vorbei, die er im vorbeigehen kaum bemerkte. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein dezentes Lächeln ab. <Natürlich... Cromwell, wer sonst?>
Ihn und das Archiv trennte nur noch eine Tür mit einer Eingabekonsole. Er gab seine ID ein und verschwand im dunklen Raum, nur erhellt durch das blaue Licht der Displays.