Kannste ham.
Die fünf Weisheiten des Todes, Teil 3
Eine autobiographische und auf wahren Ereignissen beruhende Geschichte einer Schattenschuppe ohne Schuppen
VORWORT
Nachdem ich Impulse zum Umdenken bekommen hatte, verschlechterte sich meine Situation immer schneller. Ich verlor mein Ansehen in der Bruderschaft und noch so einiges anderes.
Ich muss anmerken, dass der Titel des Buches in die Irre führt, denn es hat weniger etwas mit Bewährung als viel mehr etwas mit Umdenken zu tun. Denn in diese eigentlich der besagten Bewährung gewidmeten Zeit platzte der damals kältestmögliche Winter, eine Katastrophe für das ökologische System Schwarzmarsch, das es nachhaltig schädigte, und überrumpelte die Argonier...
DIE ZEIT DER BEWÄHRUNG
Es war ein langer Winter, ein kalter. Der Schnee hatte die meisten Menschen überrascht, wo doch hier in der Schwarzmarsch sonst immer und zu jeder Jahreszeit das tropische Klima herrschte. Es war der Ausnahmezustand und hie und da hörte man die Leute munkeln, dass Telvannizauberer aus Morrowind diese Kälte geschickt hätten.
Zu diesem Zeitpunkt hätte ich es fast für wahrscheinlicher gehalten, dass die Kälte aus mir herauskam, denn abgesehen davon, dass es eine abwegige Überlegung war, die Telvannizauberer hätten eine Kältewelle bis hier nach Argonien geschickt, befand ich mich in einer schweren Krise. Ich war hin- und hergerissen zwischen zwei unvereinbaren Oppositionen, und ich lief Gefahr, zwischen beiden zerdrückt zu werden. Denn wer konnte schon Menschen für sein Land beseitigen und gleichzeitig von sich behaupten, die kritische Theorie zu vergöttern?
Auch in unserer Gruppe wurde ich immer mehr zum Außenseiter. Wo ich früher Bestleistungen erbracht hatte und trotz meiner Abstammung und einer gehörigen Portion Misstrauens immer der Liebling der ehrwürdigen Lehrmeister gewesen war, hing ich heute durch, machte mir allein schon bei Zielübungen bittere Vorwürfe, bei den seltenen Folterstunden wurde mir zum Erbrechen übel und einmal erbrach ich auf mein Opfer.
Das mag drastisch klingen, kann aber lange nicht das beschreiben, was ich damals fühlte. Wenn die Kälte schon nicht aus mir herauskam, war sie mit dem Winter in mein Herz eingezogen und hatte sich hartnäckig festgesetzt. Mit Schrecken beobachtete ich, wie ich in dieser gewissermaßen lebensfeindlichen Umgebung meinem Mentor Ten-Sei immer ähnlicher wurde. Ich verwelkte wie eine Blume, wo ich einstmals hart wie Ebenherz war, und mindestens so kostbar für die Dunkle Bruderschaft. Aber diese Zeit war vergangen, ich war nur noch ein Häufchen Elend, geplagt von Selbstzweifel und seit einigen Tagen auch Paranoia, seit meine Brüder auffällig laut über die Eliminierung des schwächsten Gliedes in der Kette redeten.
So saß ich Tag für Tag am Fenster, beobachtete diese eigenartigen weißen Ballen, die da vom Himmel fielen, und badete in Selbstmitleid...
„Schatten... Schatten!“
Ich schreckte auf. Wie immer lag ich auf meiner ungastlichen Pritsche, die Augen rot vom weibischen Geheul und das einstmals so entspannte und anmutige Gesicht zu einer Fratze verzerrt – alles beim Alten.
„Sei still“, flüsterte Ten-Sei, „Wir haben nicht viel Zeit. Komm mit, ich muss dir etwas zeigen.“
Der alte Vampir trug keine Fackel, um ja nicht die Anderen zu wecken. Es musste 3 Uhr nachmittags sein und bis auf ein paar abgestellte Wächter schliefen all diese meine „Brüder“ wie Lämmer.
Ich folgte dem Vampir durch die dunklen Gänge der Zuflucht, wir mussten immer wieder stehen, um keinem patroullierenden Wächter in die Arme zu laufen, aber Ten-Sei war durch seine Vampirinstinkte deutlich im Vorteil. Er lief immer weiter durch unsere im Verhältnis zu anderen wirklich geräumige Zuflucht, bis nach unten in die eigens eingerichteten Folterkeller. Schauder liefen mir den Rücken hinunter, als ich an mein letztes Opfer dachte, mit dessen Blut ich meine Finger besudelt hatte.
Ganz abgesehen davon, dass ich nicht gewillt war, hier noch länger zu bleiben, wusste ich nicht einmal, wo wir hingingen. Ten-Sei führte mich leicht hastig, aber zielstrebig in einen Teil des Kellers, in dem ich mich noch nie aufgehalten hatte. Schließlich – es mussten Stunden vergangen sein... oder waren es Minuten? Ich weiß es nicht mehr – hielt er vor einer großen, einer Streckbank nicht unähnlichen Apparatur an und... legte sich darauf.
„Ten-Sei, was macht Ihr denn da?“, fragte ich verwundert.
„Sei so nett und zieh den Hebel.“, wies er mich mit einem Fingerzeig auf das Rad, das zum „Strecken“, dem Auseinanderziehen der der beiden Holzplatten, die die Streckbank ausmachten, gedacht war, an.
„Ich soll
was? Ihr glaubt doch nicht, dass ich Euch jetzt foltere!“
„Das ist gar nicht nötig“, seufzte der Vampir, „Tu es einfach, dann wirst du sehen, was ich meine.“ Ten-Sei machte seine Füße an den Lederriemen der Streckbank fest und hielt mit seinen Händen die oberen Riemen.
Ich zog vorsichtig an dem Hebel, und als nichts passierte, kein Schmerzensschrei oder dergleichen zu hören war, sah ich mich um. Hinter mir hatte sich lautlos eine Tür in der Wand geöffnet.
„Eine meiner Konstruktionen. Sobald der geringste Widerstand, verursacht durch einen Menschen, ein gespanntes Seil oder was auch immer man auf dieser Streckbank festschnallen mag, sobald sich also der geringste Widerstand regt, öffnet der Mechanismus diese Tür.“, erklärte er, während er seine Füße losmachte.
„Nur keine Scheu!“
Wir gingen in den Raum, in dem der Vampir endlich eine Fackel entzündete, und ich sah mich einem gewaltigen Haufen Büchern gegenüber. Ich kriegte den Mund nicht mehr zu vor staunen, die Hälfte dieser Schriften war von mindestens einer Institution aus Tamriel verboten und auf den Index gestellt worden, das sah man sofort. Es waren alles aufklärende Bücher berühmt-berüchtigter Schriftsteller und Freigeister. Ten-Sei musste sie hier vor den neugierigen Augen der regierungstreuen Brüder geschützt haben.
„Überwältigend, nicht? Aber ich bin nicht aus diesem Grund mit dir hier. Ich musste unter vier Augen mit dir reden.“
„Was ist es, Meister?“
„Die Schwarze Hand hat den Blick auf uns geworfen. Deinen Brüdern ist nicht entgangen, dass sich deine Leistungen rasant verschlechterten, als du mir zugewiesen wurdest, damit hat die Bruderschaft einen der besten Anwerber des letzten Jahrzehnts an die Vernunft verloren. Ich verspreche dir, dass sie sich bitter an mir und vielleicht auch an dir rächen wird.“
„Dann fliehen wir!“ In meinen Augen fing es wieder an zu glühen, nach dieser Zeit der Depression und Orientierungslosigkeit hatte ich endlich wieder ein Ziel, das zu erreichen sich lohnte.
„Nein“, erwiderte Ten-Sei, „Flieh selbst! Ich bin dir nur eine Belastung, du müsstest tagsüber in einer Herberge oder besser einer Höhle rasten, um einen alten Vampir mitzunehmen, genau dann wenn sich die Attentäter nicht im Schatten verstecken können.“
„Aber Eure Instinkte, sie müssten uns doch spielerisch vor den anderen Brüdern...“
Ein Laut. Ein Huschen. Vielleicht nur eine Ratte, aber das Risiko war zu groß.
„Schnell, wir müssen wieder zurück, wir waren sowieso schon zu lange hier!“
Angespannt, aber auch einen Hauch von Fröhlichkeit verspürend, rannte ich geduckt die Gänge entlang zu meinem Bett. Ich wusste ja nicht, dass mein einziger Freund in dieser verdammten Zuflucht nirgendwo mehr hingehen würde.
Ich wusste nur, dass die Zeit des ewigen Wanderns, der ständigen Verfolgung und der Angst greifbar nahe war: Die Zeit der Flucht.
Axo, krieg ich auch nen NPC gewidmet? Wenn ja, bitte männlicher Dunkelelf, langer Pferdezopf, mittelalt oder ein bisschen jünger und feine Gesichtszüge? :-D