Man muss es vielmehr so sehen: Die Bibel bzw. auch die Apokryphen und was-es-da-noch-so-für-Texte-gibt sind historisch insofern schwierig, als sie gewissermassenine Zusammenfassung von Quellen sind. Anders ausgedrückt, viele Zweitquellen befinden sich bereits im Buch selbst, weil man die damals kursierenden Texte so zusammengefasst hat. Andererseits gibt's grundsätzlich keine zuverlässigen Quellen aus der Antike ausser den tatsächlich durch Ausgrabungen bewiesenen Fakten. Beispielsweise wissen wir heute, dass der troianische Krieg wirklich stattgefunden hat, aber Homer als Geschichtsbuch zu nehmen, wäre etwas zu gewagt... Auch De Bello Gallico von Caesar ist eine Selbstbeweihräucherung jenseits von gut und böse und trotzdem voller historischer Tatsachen.
Unser Problem heute ist, dass wir nur wenige gesicherte Fakten haben. Übrigens kommt der Kindermord in diversen Texten gnostischer Gemeinschaften bereits vor, bevor es eine einheitliche Bibel gab. Allerdings wissen wir nicht, welchen Umgang diese Gruppen untereinander gepflegt haben, d.h. wir wissen also nicht, ob sie diese Geschichte unabhängig voneinander erzählt haben oder nicht. Aber viele frühe Christengemeinden, ihre Gegner und die Apologeten nehmen Bezug darauf. Allerdings ist hal eben nicht zu klären, wer zu wem in welchem Verhältnis stammt und ob einer vom andern abgeschrieben hat und welcher von welchem was...
Inwiefern in Betlehem ein Kindermord stattgefunden hat, wissen wir nicht, aber es war durchaus gängige Praxis, die Männer und Jungen einer verfeindeten Volksgruppe zu töten. In "De Bello Gallico" schreibt zwar Caesar nicht explizit von Kindstötungen, aber er verwendet einmal eine Wendung, dass viele Frauen sich mit ihren Kindern getötet hätten, um nicht den Soldaten zum Opfer zu fallen. Auch im Orient wird man solche Praktiken angewandt haben. Man muss das auch vor dem Hintergrund sehen, dass diese Provinzen damals sehr aufrührerisch waren gegen die römische Herrschaft. Wenn nun Gerüchte umgehen, dass der König von Israel wiedergekommen sei, löst das wohl schon einiges Unbehagen bei den Oberen aus... und so ein Kindermord ist ein durchaus wirkungsvolles Mittel, um die Unterdrückten von "Dummheiten" abzuschrecken...
Selbst im Mittelalter wurde dies durchaus noch praktiziert und in abgeschwächter Form findet man es im Ius Primae Noctis aus England. Dies räumte den britischen Adligen die erste Nacht mit schottischen Jungfrauen ein, um so die Schotten "wegzuzüchten".
Die Wendung "ist einfach nicht wahr" ist hier mehr als unangemessen, denn das würde bedeuten, dass du unangreifbare Gegenbeweise hast und dann würde ich die gerne mal sehen... ansonsten ist es wohl eher so, dass der Kindermord zwar nicht belegt ist, aber genausowenig widerlegt... Dann hängt's von deiner Überzeugung ab
Mal ganz abgesehen davon, dass diese Geschichte weder fürs Christentum noch für die Theologie von ernsthafter Bedeutung ist... Karl Barth z.B. hat zwar einen Haufen Predigten geschrieben, aber bislang habe ich da noch nicht einen einzigen Bezug auf den Kindermord gefunden, er spielt schlicht keine Rolle...
Noch eine Anfügung ^^
Bethlehem war ein winziges Dorf zur damaligen Zeit, wenn man da alle Jungen bis zwei Jahre zusammenrechnet, waren es vielleicht 10 oder 20, wahrscheinlich nicht einmal soviele... Das hat damals kein grosses Aufsehen erregt... Lest einmal Bücher wie den erwähnten "Gallischen Krieg" von Caesar. Menschen wurde damals keine grosse Bedeutung zugemessen und noch weniger Kindern (zu einigen Zeiten durften die Väter ihre Kinder in Rom in die Sklaverei verkaufen oder sogar töten, wenn es ihnen beliebte...).
Aber grosse Skandalreporte im Bild-Stil dürfte eine solche Kleinigkeit damals nicht verursacht haben... Das grosse Wehklagen in Bethlehem ist die Beschreibung christlicher Autoren.