Es behagte Ravos ganz und gar nicht, den Bosmer mit diesem Ungetüm allein zulassen. Eistrolle waren furchteinflößende Kreaturen, und auch wenn dieser seine besten Tage scheinbar schon hinter sich hatte - ein kerngesunder Eistroll hätte sich kaum von ein paar lausigen Banditen abrichten lassen - so war es doch eine Herausforderung, die alleine nur schwer zu bewältigen war. Dennoch hatte Ulwaen recht, jemand musste dafür sorgen, dass die Banditen nicht noch mehr aus dem Ärmel zauberten. Wer sagte denn, dass sie nur diesen einen Troll hatten? Rasch nickte er seinem Gefährten zu, ehe er an dem Biest vorbeilief. Innerlich richtete er dabei ein Stoßgebet an das Regenerat, dass Ulwaen diesen Kampf für sich entscheiden würde.
Ravos folgte dem Gang, aus welchem die Banditen zuvor geströmt waren und landete daraufhin scheinbar in der Hauptkaverne - zumindest übertraf dieser Hohlraum alle anderen in seiner Größe. Wackelige Holzplattformen, Treppen und Leitern krallten sich verzweifelt an den hohen Wänden fest. Der Dunmer konnte eine Schmiede erspähen, zudem eine Art Sammelschlafplatz mit etwa 20 einfachen Schlafmatten. Auf einem Felsvorsprung am anderen Ende der Höhle befand sich eine Holzhütte, die über all dem thronte - vermutlich hatte sich dort ihr Anführer eingenistet. Er erblickte auch einen offenen Käfig, groß und rostig, in welchem vermutlich der Eistroll sein Leben gefristet hatte. Nur von den Banditen selbst sah Ravos nichts. Er hielt sich dicht an der Wand und nutzte Felsen, um Deckung zu beziehen, aufdass er nicht von Bogenschützen oder dergleichen überrascht werden konnte.
Wo sind sie nur abgeblieben?
Die Banditen konnten sich ja schlecht in Luft aufgelöst haben, so schön der Gedanke auch war. Nach seiner Schätzung mussten noch fünf oder sechs hier unten herumkriechen ... und ihr Anführer natürlich. Er glaubte nicht, dass er in dem Gemetzel vorhin dabei war - keiner von ihnen hatte zumindest den Eindruck gemacht. Ravos entdeckte unterhalb der Hütte einen Eingang gefunden, der wieder in eine kleinere Höhle führte, voll mit Kisten. Nachdem er eine davon geöffnet hatte, wusste er auch womit sie es zu tun hatten.
Schmuggler. Natürlich.
Aber nicht nur einfache Schmuggler, solches Gesindel kam gar nicht an diese Ware heran - die Kiste, in die er gespäht hatte, befand sich eine kleine Ladung 'Balmora Blau'. Schon in Morrowind war es nicht einfach, an dieses spezielle Skooma zu kommen, aber in den anderen Provinzen war das schon fast unmöglich. Wenn er ihren Anführer finden würde, würde er vorher aus ihm herausquetschen, wo er das Zeug her hatte. Diese Information wäre der Stadtwache von Einsamkeit sicher etwas wert.
Doch nun wandte er sich wieder seiner eigentlichen Suche zu. Er hatte die meisten Orte bereits abgegrast, blieb nur noch die Hütte. Er umrundete den Vorsprung und erklomm eine schmale Treppe, doch vor der Tür machte er Halt, denn er vernahm Stimmen.
"Wenn ich es doch sage, diese zwei haben uns gnadenlos aufgerieben! Das waren sicher keine einfachen Abenteurer, es könnte gut sein, dass sie jemand auf uns angesetzt hat."
"Das ist jetzt ohnehin egal. Der Troll wird sie in Stücke reißen und dann sind wir dieses Problem los."
"Selbst wenn - wer sagt, dass sie nicht noch mehr nach uns schicken werden? Nächstes Mal könnten es fünf sein, oder zehn. Wir sollten herausfinden, wer sie geschickt hat!"
"Und warum habt ihr Skeeverhirne dann den verdammten Troll von der Kette gelassen?! Wenn er erstmal seinen Spaß mit ihnen hatte, werden sie uns sicher nichts mehr sagen!" Diese Stimme ordnete Ravos dem vermeintlichen Anführer zu. Aber er hatte genug gehört. Ravos bereitete sich einen Moment vor, ehe er mit festem Tritt die Tür aus den Angeln riss und mit erhobenen Schild hineinstürmte. Der Erste wurde sofort von der Metallkante des Schildes schwer verwundet und zurückgestoßen, und als ein zweiter mit einer Axt nach ihm Schlug, zog der Dunmer rasch die Klinge hoch, um sie über seinen Brustkorb und den Schlagarm zu ziehen. Beide waren gewiss nicht tot, doch Kämpfen konnten sie wohl nicht mehr. Der nächste ging frontal mit einem wuchtigen Zweihänder auf ihn zu, doch Ravos hob den Schild und bewegte sich zugleich zur Seite, um den Angriff abzuleiten und den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen. Anschließend hieb er ihm in die Kniekehle, worauf er stöhnend zu Boden ging. Die zwei verbliebenden stellten sich schützend vor ihren Boss, der eine mit zwei Dolchen bewaffnet, der andere mit Schwert und Schild. Ravos wechselte zu der Seite des Dolchkämpfers und nutzte seine überlegene Reichweite, um die Klinge direkt in seinen Brustkorb zu rammen. Mit einer Drehung zog er sein Schwert wieder heraus und nutzte den Schwung, um zugleich den Zweiten anzugreifen. Dieser blockte den Hieb, doch war die Wucht zu groß und er torkerlte kurz zurück. Ravos nutzte die Chance, machte einen Satz nach vorn und verpasste ihm einen Hieb mit der scharfen Kante des Schildes, der ihn direkt am Hals traf. Gurgelnd ging nun auch er zu Boden, wo er langsam sein Leben aushauchte. Die drei anderen, die noch nicht tot waren, rappelten sich nur schwerlich auf, doch machten keine Anstalten, ihn erneut angreifen zu wollen.
Nun konnte er zum ersten Mal einen genaueren Blick auf ihren Anführer werfen - ein schmieriger und dicker Bretone in einfacher Kleidung, der zwar mit zitternden Händen einen Dolch auf ihn richtete, aber allen Anschein nach noch nie zuvor eine Waffe benutzt hatte. Mit einem mühelosen Hieb entwaffnete er ihn und richtete seine Klinge an den Hals des Bretonen.
"Ist ja gut! Ich ergebe mich! Bitte, ich flehe euch an, verschont mich!" Von der herrischen Art, die er zuvor durch die Tür mitbekommen hatte war nichts mehr geblieben als ein Häufchen Elend.
"Dann macht keine Dummheiten, ansonsten könnte es mir passieren, das meine Klinge abrutscht."
"Ich werde mich nicht rühren, versprochen! Doch sagt, was tut ihr hier? Wer hat euch geschickt? Was immer sie euch zahlen, ich werde ich das Doppelte ausstellen und vielleicht ein Fläschchen Balmora Blau oben drauflegen, und dafür lasst ihr mich ziehen. Wie klingt das?" Der Blick des Dunmers verfinsterte sich.
"Leute wie du widern mich an. Ich wurde von niemanden geschickt, und euer Angebot könnt ihr getrost stecken lassen. Du und der Rest von euch, der noch lebt, werdet mich nach Einsamkeit begleiten. Man wird dort über eure Strafe entscheiden. Wenn ich du wäre", er ging näher an den Bretonen heran und erhöhte den Druck auf dessen Kehle leicht, "würde ich ihnen sagen, wo du dieses Balmora Blau her hast. Das könnte für mildernde Umstände sorgen, wenn du Glück hast."
Sie ließen sich widerstandslos fesseln. Nun gut, sie konnten in ihrem Zustand auch schlecht dagegen wehren. Dem, welchem Ravos die Sehnen des rechten Beines durchtrennt hatte, musste er noch eine provisorische Gehhilfe aus herumliegenden Holz machen. Die anderen hatte er natürlich auch notdürftig verarztet.
In der kleineren Kaverne fand er den Kadaver des Eistrolls und einen mitgenommenen Ulwaen daneben.
"Beim wahren Tribunal, ihr habt das Ding tatsächlich niedergemacht. Ich muss gestehen, ich hatte da geringe Zweifel. Doch sagt, wie geht es euch? Könnt ihr stehen?"
Sein Blick fiel auf die Wunde an der Seite. Er holte etwas von dem Stoff, mit dem er seine Gefangenen auch verarztet hatte, hervor und reichte es ihm.
"Hier, ihr solltet das lieber verbinden. Bevor ihr mir noch umkippt."