nein, ihr beiden, ich hab euch nicht für Christen gehalten.
Für mich war es rein vom Standpunkt des Charakterforschers interessant zu erfahren. Ihr beide seid relativ jung, und, das gebe ich offen zu, da bin ich gern etwas vorurteilsbehaftet, euch beiden traue ich noch nicht zu, dass ihr derartig mit der Materie vertraut seid, frei so urteilen zu können.
Was mich speziell interessiert, war, dass es zunächst für mich so aussah, als wäre eure Begründung für die Todesstrafe auch so ein "Aug um Aug, Zahn um Zahn"-Dingen.
Aber man sollte wenigstens über ide Art und Weise der Exekution sprechen, meiner Meinung nach lang und demütigend, allerdings nur wenn es keinen Zweifel an der Schuld des Gerichteten gibt.
Ich finde, man sollte (bei wirklich schweren Fällen) den Mörder genauso töten wie er seine Opfer.
Unchristliches Verhalten? Natürlich widerspricht solche eine Ansicht dem, was die 10 Gebote vorschreiben ... wenn man sie so auslegt. Aber ich maße mir nicht an, jemanden danach abzuurteilen. Ganz im Gegenteil, ich lehne das Christentum genauso ab.
Es würde mich trotzdem interessieren, woher eure augenscheinliche Rachementalität herrührt. Ich bin alles andere als ein Freund von christlichen Werten, wie könnte ich auch als Antichrist? Trotzdem würde ich solch ein Urteil niemals aus Rache fällen, sondern ausschließlich, um damit der Gesellschaft insgesamt einen Dienst zu erweisen, indem ich sie und ihre Ressourcen durch Tötung des Gefährlichen schütze. Während beispielsweise die strengchristlichen Amerikaner (die, zur Schande des gesamten Christentums, als Christen angesehen werden müssen) rein aus einem völlig irrationalen Rachetrieb Todesurteile vollstrecken.
Ich versuche nochmal, die Diskussion an anderer Stelle aufzunehmen.
Wir stellen fest:
- Die Tötung des zum Tode Verurteilten macht das Verbrechen, für das er verurteilt wurde, nicht rückgängig.
- Der zum Tode Verurteilte kann durchaus in der Lage sein, Reue zu empfinden und einsehen, dass sein Verbrechen falsch war.
- Der Verurteilte kann im Nachhinein durchaus von Wert für die Gesellschaft sein und, trotz seines Verbrechens einen wertvollen Beitrag zum gesellschaftlichen Fortschritt leisten.
Ersteres trifft auf absolut jeden zum Tode Verurteilten zu. Insofern frage ich mich, was das bringen soll. Einen Lektionseffekt hat das ganze nicht, denn der zum Tode Verurteilte hat nicht mehr viel Freude an seinem Leben. Ich habe weiter oben in einem anderen Post angeführt, dass ich nicht wirklich an einen Abschreckungseffekt glaube. Ich setze das jetzt als gegeben voraus, aber wer darüber diskutieren möchte, darf sich gerne melden, dann kann man das separat besprechen.
Zweiteres trifft zum Beispiel auf einen Täter zu, dessen Name ich vergessen habe. Jener war als geistig minderbemittelt zum Tatzeitpunkt eingestuft worden. Im Laufe seines langen Gefängnisaufenthaltes wurde er durch die Beschäftigung mit seinem Rechtsanwalt usw. "intelligenter", d.h., durch IQ-Tests hat man eine Erhöhung desselben festgestellt. Wodurch der Täter jedoch in die unglückliche Lage geriet, nun doch, anstatt nur sicherheitsverwahrt zu werden, doch hingerichtet zu werden, weil er ja nun geistig in der Lage war, die Tat zu beurteilen. Äußerst makaber, wie ich finde. Denn der IQ-Test sagt absolut nichts über Moralvorstellungen wie Reueempfinden aus. Auch sagt der IQ nichts über eine eventuelle geistige Behinderung aus. Autisten wird auch ein hoher IQ nachgesagt, sind aber soziale absolut taube Nüsse. Und am allerschlimmsten ist das völlige Paradoxon, eine festgestellte Änderung, die NACH der Tat eintrat, nun auf den Tatzeitpunkt zu beziehen.
Es macht auf mich den Eindruck, als wollten die Amerikaner aus reinem Tötungstrieb nun einen Menschen, der vielleicht zu Reue und Einsicht fähig war, töten. Das widerspricht selbst meinen zugegebenermaßen zweifelhaften Moralvorstellungen, da es ein völlig sinnloser Tod und im weiteren Sinne staatlich legitimierter Meuchelmord war.
Der dritte Fall, den ich oben nannte, ist der von Tookie Williams. Ich gebe zu, er hat niemals seine Schuld in dem Fall, für den er angeklagt und verurteilt wurde, eingestanden, vllt, weil er tatsächlich unschuldig war (was aber jetzt niemanden mehr kümmern wird. Straftaten, für die der mutmaßliche Täter mit dem Tode bestraft wurden, haben die seltsame Angewohnheit, aus dem Gedächtnis der Leute und aus den Akten zu verschwinden). Aber er hat insgesamt eingesehen, dass sein Gang-Verhalten falsch war, und hat alles getan, um diese Vergangenheit hinter sich zu lassen. Er hat Kinderbücher geschrieben und seinen Teil dazu beigetragen, um die Gangs und ihren Einfluss einzuschränken und zu verringern.
Dieser Mann wurde ebenfalls hingerichtet, obwohl er insgesamt genau jenes Verhalten schließlich als falsch angesehen und dagegen vorgegangen ist, wofür er verurteilt wurde. Für mich paradox und ebenfalls unbegreiflich. Dahinter steckt keine Moral oder völkerrechtliche Legitimation, sondern pures Rachegelüst.
Aus diesem Grund, so sage ich mir selbst, sind die Amerikaner, jene, die als die mächtigste Nation der Erde gelten, moralisch am weitesten verkommen und eigentlich genauso zurückgeblieben wie die Römer vor 2000 Jahren, als diese verurteilte Verbrecher zum Vergnügen gegeneinander auf Leben und Tod haben kämpfen lassen.
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Deshalb bekräftige ich nochmal meine Meinung: Die Todesstrafe, so sie denn überhaupt ein Mittel staatlicher Gewalt sei, muss den wirklich Gefährlichen (und zwar den unheilbar, sprich, den nicht resozialisierbar Gefährlichen) vorbehalten sein. Die einzige Schwierigkeit ist dann halt nur die Frage, ob man die Todesstrafe in diesem Sinne wirklich anwenden sollte. Im Falle eines einfach psychisch Gestörten aber würden die Menschenrechtler sagen, dass es Euthanasie sei wie im Dritten Reich. Im Falle eines Amokläufers, der einfach nur extreme Probleme hatte, ist es staatlich legitimierter Mord, usw. Demnach bleibt nur noch die Frage, was halt menschlicher sei: Lebenslang oder Tod. Und auch das kann individuell unterschiedlich sein, wie weiter oben bereits jemand sagte.
So, jetzt habe ich viel Zeit für diesen Post aufgewendet, wo ihr noch munter dazwischen geschrieben habt. Egal, aber das wollte ich einfach mal einschieben.
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@Diskussion zu Hochsicherheitsgefängnissen: Ja, auch sowas kennen die Amis. Super Max wird das genannt, Isolationshaft 23 Stunden am Tag, eine Stunde Hofgang, maximale Überwachung, minimalste Freiheiten. Wird aufgespart für die allergrößten Schwerverbrecher.
Allerdings, und das sagt ja auch Doomfighter, ist das enorm teuer. Bloß, um den Verbrechern die Hölle auf Erden zu bringen, finde ich das Geld ebenfalls verschwendet. Aber wieviele von diesen Schwerverbrechern passen wieder in das Schema eines zur Einsicht nicht fähigen, geistesgestörten und hochgefährlichen Menschen und müssten dann, nach meiner Ansicht, auch getötet werden? Wenige, sehr wenige eigentlich. Die meisten sind Amokläufer oder Mörder, die durchaus intelligent und einsichtig sein könnten, wenn man ihnen die Chance gewährte. Und Amokläufer und Beziehungstäter ... sie sind nicht von grundauf geistesgestört, sondern einfach schlecht erzogen oder haben zuviele Konflikte mit zuviel Gewalt erfahren, was sie nicht standhalten konnten.
Wir befinden uns in einem moralischen Dilemma, wollte man die Moral als bestimmende Instanz (und das wollen wir ja offensichtlich) hinzuziehen. Aber man sollte sich wirklich noch einmal vor Augen führen, ob es Strafe an sich bringt:
Lest nochmal meinen Beitrag weiter oben: Strafe kann, wenn es keine tödliche oder lebenslange Strafe ist, natürlich als Lektion herhalten. Aber unter den Bedingungen, unter denen die Inhaftierten zu leiden haben, sind sie gar nicht in der Lage, klar zu beurteilen, was sie getan haben und weshalb sie bestraft wurden, und daher ist das ganze keine Lektion, sondern einfach staatliche Rache im Namen der Opfer. Sieht man ja allein an der extrem hohen Rückfallquote bei den Entlassenen.
Und auch der Abschreckungscharakter ist irgendwie nicht mehr da. Jene Leute, die besonders häufig inhaftiert werden, sind gleichsam jene, bei denen die Hemmschwelle zum Verbrechen besonders gering ist. Wenn die Hemmschwelle niedriger liegt als die Angst vor Strafe, wird das Verbrechen begangen. Dann nützt die Abschreckung nichts weiter. Was also soll auch dieser Aspekt bringen, wenn er faktisch gar nicht gegeben ist?
Ich bin ein leidenschaftlicher Verfechter von Resozialisierung, und wollte man tatsächlich moralisch korrekt vorgehen, dann ist dies der einzig gangbare und korrekte Weg. Ich glaube, die Reife unserer Gesellschaft hängt insbesondere davon ab, wie vernunftgeleitet sie tatsächlich mit ihren Problemgruppen umgeht ... und Strafe für Verbrecher, die niemandem wirklich etwas bringt ... ist das vernunftgeleitet?