Sadris Falle
Von Meanwas
Fürstin Carana aus Andrethi eilte durch die Flure des Königspalasts. Mit pochendem Herzen stieß sie die Türen des Thronsaals auf. König Hlaalu Helseth stand vor seinem Thron und sprach mit Tienius Delitian, den Carana unter vorgehaltener Hand Tienius Dilettant nannte. Doch nun war keine Zeit für Scherze und so unterbrach sie den König.
„Ja?“, antwortete dieser mit hochgezogenen Augenbrauen. Seit Carana und ihr Berater Varon Indarys im Eisherbst in Gramfeste angekommen war, hatte sich seine abweisende Art ihr gegenüber nicht geändert.
„Ich muss Euch sprechen... Unter vier Augen,“ fügte sie hinzu, als sie Tienius Delitians neugierigen Blick bemerkte.
Auch wenn Helseth sie unübersehbar nicht leiden konnte, so benahm er sich doch respektvoll ihr gegenüber. Mit einer Handbewegung gab er ihr zu verstehen, dass sie ihm in sein privates Zimmer folgen sollte. Sie betraten einen kleinen Raum, welcher zwar nicht karg, aber doch rein zweckmäßig eingerichtet war. Er setzte sich auf den einfachen Stuhl, so blieb für Carana keine Sitzmöglichkeit und sie musste stehen. Und das, obwohl sie den Weg von den Kanälen in den Thronsaal gerannt hatte. Naja, nicht gerannt, aber bei ihrem Korsett war schon das Laufen eine große Mühsal.
„Nun, was gibt es?“ wollte der König wissen.
„Ich habe es endlich gefunden. Das Geheimnis dieser Maschine ist entdeckt. In den Gewölben Golena Sadris fand ich diese Apparate, von denen Alvan Llarys sprach. Wie es scheint, hat sie Schätze unermesslichen Ausmaßes erstellt.“
„Natürlich war sie reich,“ erwiderte Helseth. „Golena Sadri war eine außergewöhnliche Frau. Sie gehörte zum reichen Adel der Stadt. Als sie noch bei Verstand war, verwaltete sie das Vermögen ihres Onkels, der an unheilbarem Geisteswahn litt. Wer hätte denken können, dass Golena Sadri längst das gleiche Schicksal ereilt hatte...“
„Dwemer“, platze es aus Carana heraus. „Sie hat die Energie der Dwemer angezapft, die unter der Stadt ein gigantisches Bauwerk errichtet haben. Nur deshalb sind die magischen Fallen so stark.“
„Nun, die Fallen dürften leicht abzustellen sein, jetzt wo Ihr das Geheimnis kennt. Mich interessiert eher was für ein Schatz dort noch immer liegt“, entgegnete Helseth gelangweilt.
„Vielleicht wirkt es vermessen, aber ist denn die dwemerische Energie nicht Lohn genug? Nicht, dass ich unhöflich erscheinen möchte“, warf Carana irritiert ein. Nur das allein war der Grund für ihre Anwesenheit in Almalexia. Von einer Reisenden hatte sie gehört, dass es in Almalexia, besser gesagt in Gramfeste einige Vorkommnisse gab. Viele machten den Nerevarine dafür verantwortlich, doch das war in diesen Zeiten eine Art Mode. Die Reisende wusste von einem Gerücht zu erzählen, wonach ein Teil der alten Kanäle mit gefährlichen Fallen ausgestattet waren, die Eis, Feuer und sogar Blitz zu schießen vermochten. Wenn man die Energie umleiten könnte, hätte man eine große Macht in den Händen. Zur Verteidigung der Hauptstadt, aber – und das war ihr Eigennutz - auch um ihre Heimatstadt Andrethi vor Feinden aus den anliegenden Provinzen zu schützen. Nur allein deshalb hatte sie sich mit Helseth, dem König von Morrowind und Vasall des Kaiserreichs eingelassen. Als gläubige Tempelanhängerin und Ratsherrin des Hauses Dres wäre es eigentlich eine Pflicht, dass sie sich einem Patriarch des Tempels anvertraut hätte, doch in den letzten Monaten entstanden durch das Tribunal einige Merkwürdigkeiten - kurzum, der Tempel ist in äußerster Alarmbereitschaft und niemand weiß eigentlich warum. Daher hielt sie es für besser, König Hlaalu Helseth aufzusuchen. Zudem hatten er und seine Mutter in Andrethi überwintert, als sie auf dem Weg von Wegesruh (oder Wegrast, wie man es jetzt nennt) nach Gramfeste waren. Demzufolge erhoffte sie sich eine gute Zusammenarbeit, was nun ganz und gar nicht der Fall war. „Über etwas anderes als die Magie kann ich nichts berichten“, fügte sie kleinlaut hinzu.
„Wenn dem so ist, wollen wir der Sache doch auf den Grund gehen. Wenn Ihr Euch morgen in die Kanäle wagt, wird Tienius Delitian Euch begleiten. Und Alvan Llarys. Er kannte Golena Sadri schließlich am besten.“
Carana konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken: „Bei allem Respekt, Euer Hoheit, ich habe einen kleinen Durchbruch errungen, aber ich bin noch nicht so weit, um an allen Fallen vorbei zu gelangen.“
„Genau aus diesem Grund werdet Ihr begleitet,“ in Helseths Augen spiegelte sich Wut über die Kritik an seinem Befehl. Carana blieb nichts anderes übrig, als sich zurück zu ziehen, um den Zorn des Königs nicht vollends über sich zu entladen.
„Wer weiß schon, wie der König denkt. Ja, die Vergangenheit hat uns gezeigt, dass das Fürstenhaus Hlaalu gegen den Nachfolger Llethans rebelliert hat. Aber das ist nun schon eine ganze Weile her. Und sind die Hlaalu und das Kaiserreich nicht zusammengewachsen in ihrem Disput gegen den Tempel?“
„Scht, nicht so laut. Ich halte zwar nichts von Gildenpolitik, aber man muss das Schicksal auch nicht herausfordern, indem man ihm Königspalast gegen den König intrigiert,“
„Nichts läge mir ferner, Herrin, aber man darf nicht vergessen, wer hier zu wem hält.“ Varon Indarys blickte sie beschwörend an. In der Vergangenheit war er ihr immer ein guter Berater gewesen und dies war auch der Grund, warum sie ihn mit auf die Reise genommen hatte. Doch nun lag er einfach falsch, er sah eine Verschwörung, wo nichts dergleichen war.
„Unsinn,“ wischte sie seine Bedenken weg. „Hier gibt es zwar eine Menge Vetternwirtschaft, aber die Hlaalu werden nicht vergessen, dass Helseth seinen Vorgänger ermordet hat. Außerdem – und das ist der weitaus wichtigere Punkt – will ich doch nichts von dem Tand, der dort unten eventuell liegen könnte. Der König weiß, dass es mir um die Verteidigung meiner Stadt Andrethi und nicht um das Fürstenhaus Dres geht. Andrethi liegt viel zu weit im Westen, als dass Dres einen besonderen Einfluss auf mich hätte. Das hat er sicher bemerkt, als er und die Königin Mutter vor einigen Jahren auf dem Weg nach Gramfeste in Andrethi überwinterte. Und nun Schluss mit den düsteren Vorahnungen, Varon. Morgen erforschen wir die Dwemerfallen. Ich bin mir sicher, dass wir die Energie auch für uns nutzen können.“
Am nächsten Tag machten sich eine Gruppe von vier Dunmern und einem Imperialen auf den Weg in den Keller des Königspalast. Fürstin Carana gab die Richtung an, während Varon Indarys die Kommandos gab. Alvan Llarys war sichtlich verängstigt und sein Blick wanderte nervös in jede Ecke. Tienius Delitian folgte der Gruppe schweigend. Außerdem war noch eine Wache dabei, den Namen hatte Carana aber schon vergessen.
„Öffnet die Bodenklappe,“ wies Varon die Wache an. Die große Gestalt in der Rüstung des Königs ging an den Wartenden vorbei und öffnete wortlos die Luke. Varon überholte die Wache und stieg als erstes in die Kanalisation, aus der erstaunlich wenig Gestank strömte. Carana trug natürlich kein teures Gewand, doch blieb ihre Kleidung ihrem Stand gerecht. Deshalb war sie in ein Ledermieder und einen einfachen Rock gekleidet. Nach den Monaten, in denen sie mit Varon in der Kanalisation gearbeitet hatte, hatte sie sich eine Art Pragmatik angewöhnt. So machten sie sich mit einer guten Ausrüstung auf den Weg. Auch heute trugen sie mehrere Laternen, ein Seil, zwei Spaten, eine Lederschürze, die die gefährlichen Zauber abwehren sollte und drei Rollen Göttlicher Eingriff, für eine eventuell notwendige Flucht. Außerdem hatten Varon und Carana noch auf dem Basar einen Zauber erlernt, der sie mit einer Kombination aus Eis-, Feuer- und Blitzschild vor den magischen Fallen schützen sollte.
Ob einer der anderen solch einen Zauber kannten, wusste sie nicht. Zumindest bei der Wache hätte es sie sehr verwundert. Selbst wenn Tienius „Der Dilettant“ diesen Zauber sprechen könnte, würde er sich in einem Notfall bestimmt nicht an die richtige Formel erinnern. Und was Alvan Llarys anging, so fiel es ihr schwer, ihn nur irgendwie einzuschätzen. Bei ihrem ersten Gespräch hatte er ihr ohne Umschweife in aller Grausamkeit die Details der Geschichte Sadris erzählt. Damals wirkte er kühl, beinahe unberührt, aber auf alle Fälle gefasst. Doch nun war er nervös und schien gehetzt. Besonders als sie durch die Gänge der Kanalisation gingen, folgte sein Blick jedem Geräusch, selbst wenn es das einer Ratte war. Jeden Moment schien er mit einem Überfall eines Goblins oder dergleichen zu rechnen. Nun, diese Viecher hatte Carana hier unten zwar schon gesehen, aber vorgefallen war noch nichts. So auch heute. Als sie nach über einer Stunde den Bereich der Kanäle erreichten, der zu Golena Sadris altem Versteck führte, war nichts geschehen. Selten sprach jemand etwas und wenn einer das Wort an die Gruppe wendete, so nur um auf eine unsichere Stelle oder eine Wegkreuzung aufmerksam zu machen. Dann waren sie da und Carana hielt die Gruppe an. „Hinter dieser Tür liegt der Durchgang. Wir müssen uns rechts halten und gelangen durch einen Wanddurchbruch in Sadris Kanäle. Dann müssen wir sehr vorsichtig sein. Die alten Fallen sind noch immer aktiv. Varon Indarys oder ich gehen vor.“
Leise schlich sich Alvan nach hinten und versteckte sich hinter dem breiten Kreuz der Wache. Der Dilettant hatte weniger Angst, forsch schritt er auf die Tür zu. Nachdem die Gruppe den Wanddurchbruch passiert hatte, fragte er Carana: „Was, glaubt Ihr, werden wir hinter den Fallen finden. Man sagt ja, dass irgendwo dort gigantische Adamantiumvorkommen sein sollen.“
„Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich daran noch keinen Gedanken verschwendet. Mir geht es um die Energie, wie Ihr sicherlich wisst. Sadris Geist war von Sheogorath befallen, niemand weiß, was dort unten liegt. Vielleicht Adamantium, vielleicht Gold, vielleicht auch nichts? Es ist nicht wichtig.“
„Für Euch. Für andere schon,“ entgegnete Tienius.
„Wie zum Beispiel für das Fürstenhaus Hlaalu?“ fragte Varon interessiert und suchte Tienius Gesicht nach einer verräterischen Reaktion ab.
„Zum Beispiel. Oder für das Königshaus und das interessiert meinen König natürlich mehr.“ Der Dilettant ließ sich nichts anmerken und das Gespräch verebbte.
„Die ersten vier Fallen haben wir entschärft. Dort könnt Ihr ohne Sorgen vorüber gehen. Passt auf, Tienius, der mittlere Gang ist am sichersten. He, Alvan, drängelt nicht so.“ Varon schien sich in der Rolle des Führers ganz wohl zu fühlen. Hier war er der Wissende, ein Gefühl, dass er nur allzu selten erlebte. Carana belächelte das beinahe kindische Prahlen ihres Beraters nur. Sie machte sich mehr Sorgen um Alvan. Es entging ihr nicht, dass er zu zittern begann. Sein Gesicht war blass grau und die Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Zuvor war er ihr mit seinen ängstlichen Fragen beinahe auf die Nerven gefallen, doch nun schwieg er nur noch.
Nun passierten sie die letzte Falle, die sie durch einen Stahlkasten abgesichert hatten. Sofort machte Varon die anderen darauf aufmerksam: „Hier kommt die erste aktive Falle. Geht ganz nach rechts und drückt Euch an der Wand entlang. Ich gehe vor, Herrin Carana geht zuletzt. In der Mitte geht Ihr,“ fügte er überflüssigerweise hinzu.
Carana machte den Dilettanten auf die besondere Beschaffenheit und den dwemerischen Ursprung der Falle aufmerksam, doch er schien nichts wissen zu wollen. Nachdem sie die erste Falle passiert hatten, bogen sie um die Ecke und standen vor dem zweitem Hindernis. „Vorsichtig!,“ flüsterte er. „Die hier reagiert auf Geräusche.“
Besonders Alvan musste sich zusammen nehmen, um ruhig zu bleiben. Seine laute Atmung und das gelegentliche Stöhnen konnte nun nicht mehr verhehlen, dass er kurz vor dem Zusammenbruch stand. Er war vor Carana an der Reihe und kurz bevor er los schlich, griff sie nach seiner Hand. Sie versuchte ihm Mut und Vertrauen zu geben und es schien, als sei ihr das tatsächlich geglückt. Mit einer Entschlossenheit in den Augen – oder was er dafür hielt – machte er sich auf den Weg und schaffte es an der Falle vorbei.
Varon war schon an der nächsten Barriere: „Diese Falle hier reagiert auf Bewegung. Ihr müsst Euch ganz tief ducken und knapp über dem Boden schleichen. Ich mache es vor.“ Er ließ sich hinab und windete sich über den Boden. Carana musste unwillkürlich an eine Schlange denken. Der Dilettant folgte ihm ohne Probleme. Auch wenn er nicht sonderlich schlau schien, körperlich geschickt war er auf jeden Fall.
Dann folgte die Wache. Die schwere Rüstung hinderte sie am Kriechen und der Mann war auch nicht besonders klein. Bevor er die Falle halb passiert hatte, fuhr plötzlich ein Feuersturm und ein Blitz los. Eis überzog die Rüstung und die Wache wurde bei lebendigem Leib gegrillt. Sie drehte sich auf den Rücken und schrie vor Schmerzen. Der Helm rutschte ab und Alvan und Carana konnten einen Blick auf das verzehrte Gesicht werfen. Alvan verfiel in hysterisches Geschrei, sodass sogar die Falle, die sie zuvor passiert hatten, aktiviert wurde. Ohrenbetäubender Lärm ließ die Höhlenwände erzittern. Carana sah, wie die Haut der Wache allmählich braun wurde, als verwelke sie in wenigen Sekunden. Dann war es vorbei. Das Lebenslicht aus den Augen der Wache erlöschte und der schwarze Kopf brach vom verbrannten Körper ab, wie ein Holzscheit im Kamin auseinander bricht.
„Lähmung,“ sprach Carana und ein grünlicher Funke sprang aus ihren Händen. Er wanderte auf den immer noch hysterisch herum springenden Alvan. Als der Zauber ihn erreichte, verharrte er stocksteif. Langsam fiel er hinten über, bevor er aufschlug, die Augen vor panischem Entsetzen geweitet. Ohne ein Wort zu verlieren, band sie das Seil an seine Füße und wickelte es dann um ihre Taille. Sie drückte sich an den Boden und folgte dem Gang Stück für Stück. Als sie die Falle hinter sich gelassen hatte, zog sie am Seil den gelähmten Alvan zu sich. Tienius half ihr, während sich Varon entgeistert auf den Boden sinken ließ. Als sie es geschafft hatten, musste auch Carana sich setzen. Erst nach einiger Zeit – ihr kam es vor wie mehrere Stunden – konnte sie sich wieder erheben. Sie spürte, dass die Kraft nur langsam zurückkehrte.
„Ihr habt sehr schnell und tapfer reagiert, Carana.“ Tienius lächelte. „Ohne Euren Einfall hätte Alvan sich sicher noch selbst getötet.“
„Ich habe nicht nachgedacht. Ich hätte die Wache zuvor mit einem Zauber schützen müssen. Die Rüstung leitet, wieso habe ich sie die Wache tragen lassen? Und wofür haben wir die Lederschürze, wenn sie niemand trägt?“ Tienius wollte etwas erwidern, doch ihm fiel anscheinend nichts Tröstendes ein, sodass er den Mund wieder schloss.
„Wir müssen weiter,“ warf Varon ein. Seit langer Zeit war es das erste, das er sprach, sodass seine Stimme noch rauer klang. Die nächste Falle ist ein Hindernis, welches wir selbst noch nicht überwinden konnten. Ich kann nicht sagen, ob noch viele danach kommen, aber ich glaube es nicht.
„Wenn wir den Auslöser dieser Fallen kennen, gelangen wir auch herüber. Sucht nach irgendetwas, das euch seltsam erscheint und sei es noch so klein,“ erklärte Carana. „So konnten wir auch die anderen Fallen entschärfen.“ Die drei suchten den Boden und die Wände sorgfältig ab. Varon sprach sogar den Schildzauber und wagte sich mit der Lederschürze nah an die Dwemerapparate heran.
Nach einer halben Stunde – Carana wollte den Mut schon fast verlieren – machte Tienius sie auf etwas aufmerksam: „Seht an die Decke. Dort ist eine Art Metallbügel. Ich schätze, man muss sich entlang hangeln, um auf die andere Seite zu gelangen. Und seht, dort unten ist ein kleines Licht. Wenn man in den Strahl tritt, wird wahrscheinlich die Falle ausgelöst.“
„Er hat recht,“ meinte Carana aufgeregt. „Aber der Bügel liegt so weit oben. Wie sollen wir uns dort festhalten? Wir sind keine Khajiit.“
„Mit dem Seil,“ Tienius zeigte auf den bewusstlosen Alvan, an dem das Seil noch immer hing. Ich binde es oben fest und wir ziehen uns daran herüber. Er begann seine Worte in die Tat umzusetzen. Ohne lange zu fackeln stieß er sich ab, sprang an das Seil und zog sich mit ruckartigen Bewegen auf die andere Seite. Die Falle wurde nicht ausgelöst. Mit einem Sprung landete er sicher auf dem Boden und stieß das Seil mit Schwung zurück, sodass Varon es zu sich herüber ziehen konnte.
„Was machen wir mit ihm?“ fragte Carana und zeigte auf Alvan. „Unsere Ausrüstung können wir auch nicht mitnehmen.“
„Herrin, wenn Ihr erlaubt, bleibe ich hier und werde auf Eure Rückkehr warten.“
„Danke, Varon. Wenn Alvan aufwacht, geht nachsichtig mit ihm um,“ sie empfand Mitgefühl für den armen Tropf.
Bald gelang auch sie unbeschadet auf die andere Seite, wo Tienius ungeduldig auf sie wartete. Gemeinsam bogen sie um die nächste Ecke des Ganges. „Varon hatte Recht, dies scheint das Ende der Fallen zu sein,“ bemerkte Carana. Gemeinsam betrachteten sie die unterirdische Höhle. Der See in der Mitte tauchte den Raum in magisches Licht. Die Wellen reflektierten sich an den Wänden und leise rauschendes Wasser gab ihm einen mystischen Klang. Von oben drang ein wenig Licht herein, gerade so viel, dass einige Pflanzen hier wachsen konnten. „Es ist wunderschön,“ sprach Carana und Tienius nickte zustimmend. In der Mitte des Sees befand sich eine kleine Insel, auf der ein hölzerner Unterstand Schutz bot. Tienius watete durch das Wasser, welches nur kniehoch stand. Carana folgte ihm. Sie war bezaubert von der Schönheit dieses Ortes. „Seht Ihr? Dieser Platz ist ein Schatz, aber keiner, den Euer König abbauen kann.“
„Ich fürchte, Ihr habt recht. So sehr es mir hier auch gefällt, König Helseth bietet dieser Ort keinen nutzen. Lasst uns gehen. Erklärt mir wenigstens alles über die Dwemerfallen und ihre Energie.“
Carana ging vor, Tienius folgte ihr. Gemeinsam erreichten sie die schwere Falle. „Das Seil! Es ist weg,“ fiel ihr plötzlich auf.
„Ganz recht,“ hörte sie die Stimme von Alvan. „Ihr werdet Golena und mir die Lagune nicht stehlen!“ Sein Gesicht war wutverzehrt. Auf dem Boden lag eine reglose Gestalt.
„Was habt Ihr mit Varon gemacht?“ schrie sie.
„Auch er wollte die Lagune besitzen. Doch das können wir nicht zulassen. Golena und ich werden hier leben, bis an das Ende von Nirn.
„Golena Sadri ist tot. Ihr seid genauso wahnsinnig, wie Golena es war. Sheogorath hat auch Euren Verstand geraubt,“ rief sie hasserfüllt.
„Das ist egal. Ich habe das Seil. Ihr seid hier gefangen. In wenigen Tagen werdet Ihr verhungert sein und Golena und ich können wieder in unsere Heimat zurückkehren. Bis dahin werde ich mich verabschieden. Achja, wo Ihr schon von Sheogorath sprecht: Er liebt den Wahnsinn. Hunger macht wahnsinnig. Ich glaube, es wird ihn besonders freuen, wenn ihr Euch vor lauter Gier selbst verspeist. Guten Appetit.“ Er legte sich das Seil um die Schultern und zückte eine der Spruchrollen Göttliche Intervention.
Bevor er den Zauber sprechen konnte, hörte sie ein metallisches Surren. Mit einem Male spuckte Alvan Blut. Dann kippte er vorne über und erhob sie nie mehr. Carana drehte sich um. Dort stand Tienius und hielt eine kleine Armbrust. Er hatte einen Bolzen auf Alvan geschossen, einen einzigen, und ihn ins Herz getroffen. Carana war erstaunt. „Wo hattet Ihr die versteckt?“
Während er die Waffe um seine Brust schnürte, sprach er zu ihr: „Ich will ehrlich sein. Ihr seid Ratsherrin der Dres. König Helseth traut Euch nicht und ich tat es ebenfalls nicht. Daher habe ich einige Schutzmaßnahmen getroffen.“
„Wisst Ihr auch, wie wir hier wieder heraus kommen?“
„Ich weiß, wie
ich hier wieder heraus komme.“ Er zog eine Spruchrolle Göttliche Intervention. „Ich habe nur eine. Aber nun traue ich Euch. Ich werde euch die Spruchrolle geben. Dann warte ich hier unten auf Euch. Wenn Ihr mir auch vertrauen könnt, so hoffe ich, dass Ihr zurückkehrt und mich befreit. Wenn nicht...“ Wortlos überreichte er ihr die Rolle. Sie blickte ihm in die Augen und wendete sie an. Dann verschwand sie. Übrig blieb nicht einmal eine Staubwolke.
Fünf Stunden später hörte Tienius Delitian Geräusche aus dem Gang vor ihm. Alsbald sah er eine Gruppe königlicher Truppen, angeführt von einer Frau aus Andrethi.