Ayu irrte ein wenig planlos durch Tiefwassers Gassen, bevor sie einen Platz für die Nacht fand, an dem sie ruhen konnte ohne Gefahr zu laufen, gemeuchelt zu werden. Sie war irritiert und zuckte fast bei jedem Geräusch zusammen und rief sich innerlich jedes Mal harsch zur Ruhe. Was zum Donner hatte sie geritten, was war mit ihr los?
War sie doch zuvor noch nie so. Sie verbarg sich immer noch in den Schatten und starrte fast schon unbeholfen hinauf zu ihrem Schlafplatz. Es war das durchhängende Zeltdach eines Ablageplatzes neben einem Haus in einer unbedeutend verrottenden Gasse. Niemand war hier, sie war völlig alleine. Die zerbrochenen teilweise eingefallenen Kisten und vermoosten Fässer mit rostigen Fassringen zeugten davon. Niemand hier, außer ihr. Der Schlafplatz schien auch sicher genug, um sie zu halten – wog sie doch nicht viel. Und dennoch hatte sie keine Ruhe. Irgend etwas war da draußen.
Ayu war müde und fand doch keinen Schlaf, als sie sich endlich dazu durchgerungen hatte, es sich in ihrer provisorischen Hängematte für die Nacht bequem zu machen. Es war hier sogar angenehm still und die Nacht sternenklar. Der Mond schien hell herab und tauchte alles in silbriges Licht, wie sie es so liebte. Und wie Eilistraee es liebte. Doch Ayu vernahm einen Stich im Herzen, als sie so dachte und erinnerte sich unweigerlich an die Taverne und... an Eric. Was war das, was sie so sehr spürte, als sie ihn beobachtete?
In einem nachdenklichen Blick mit zusammengezogenen Augenbrauen und hinter dem Kopf verschränkten Armen, starrte sie gemütlich liegend den Mond an.
War er vielleicht sogar der ... Auslöser für ihre ganze bisherige Handlungsweise?
Sie verwarf den absurden Gedanken so schnell wieder wie er aufkam und stolperte dennoch noch einmal darüber. Denn jetzt wo es still war, hörte sie ihr Herz schlagen.
Sie wurde unruhig, ja fast nervös. Jetzt, wo sie alleine mit sich war, konnte sie spüren wie ihr Herzschlag war, ihr Atem. Ihr ganzes Bewusstsein. Und sie erschrak zutiefst, als sie merkte das alles, auf ... ihn ausgerichtet war – auf ... ihn allein.
Es war lange her, dass sie sich einem Männchen anbot, einfach nur weil es Macht demonstrierte. Doch damals war sie nicht so, wie heute. Heute würde sie nicht einfach mehr vor einem niederknien. Heute, ja heute weckte nur noch eines Ayus Interesse an einem Männchen. Das Spiel seiner Begehrlichkeiten. Das Spiel seiner Beherrschung. Ihr Spiel der Macht.
Ihr Spiel der machtvollen Jagd.
Ayu schloss die Augen und wollte nicht darüber nachdenken, ja, sie verbot es sich sogar. Doch sie konnte nicht aufhören an ihn zu denken.
Was war bloß passiert?
Ayu wollte sich nicht eingestehen, dass sie zum spielen geboren war, bereit im Feuer der Leidenschaft zu vergehen und sich auch gerne die Finger verbrannte, wenn die Flammen jenes Feuers sich dann anschickten sie zu mit Haut und Haar zu verschlingen und als Asche wieder auszuspeien, aus der sie dann als neuer Phoenix wiedergeboren werden würde.
Nein, das wollte sie nicht – und trotzdem tat sie es.
Hatte das Spiel nicht bei Sámur schon begonnen? Rhonin war da doch dann schon eher eine Herausforderung, doch Eric ihr...
Nein, das durfte nicht sein. Verbittert schloss sie die Augen. Er gehört Ria. Ria alleine. Und nur ihr. Sie war müde, wollte schlafen, doch ihre Gedanken ließen sie nicht ruhen. Ihr Herz raste immer noch und machte sie unruhig nervös, je eher sie schlafen wollte. Denn, was sich Ayu ve Nerva noch nicht eingestehen wollte, war:
Eric, war ihre größte Leidenschaft. Er war ihr mindestens ebenbürtig und das... prädestinierte ihn für sie und machte ihn sehr begehrenswert.
>NEIN!<,
brachte sie sich harsch gedanklich zur Vernunft! Doch Eric, war in der Lage gewesen, sie mit einem Griff zu stoppen und vielleicht reichte sogar ein Blick, um sie...
>NEIN AYU!!<
Erneut versuchte sie sich dagegen zu wehren. Doch es war so und auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, er hatte die Macht.
Oder etwa nicht?
Ayu zog eine Braue hoch und starrte erschrocken den Mond an, wenn sie hätte kreidebleich werden können, wäre sie es geworden. Weckte er in ihr einen uralten Trieb?
>Oh nein! Nein, nein, nein! Nein...<
Je länger sie darüber nachdachte, umso eindeutiger wurde es jedoch für sie. Es war gar nicht der Ärger über Gunnar und Rhonin der sie zu dieser Wut verleitete, obwohl sie sich wahrlich um Beherrschung bemüht hatte. Es war Eric gewesen!
Erneut rief sie sich ins Gedächtnis, das es lange her war, dass sie vor einem Männchen kniete, weil sie sich ihm anbot. Einfach nur weil er Macht demonstrierte.
Es war nur ein kurzer Moment gewesen, doch ganz genau dieser Moment, wo sich seine starke Hand festen Griffes um ihr Handgelenk unten im Schankraum legte, war ihr Verhängnis geworden. Ein Griff, der sie unten am Boden hinter dem Tisch hielt – vor ihm und auf den Knien. Sein Moment der Beherrschung über sie, in der er einem fremden Weibchen erlaubte sie sogar erniedrigend zu treten.
Ayu konnte es nicht mehr leugnen und sie erstarrte vor der Erkenntnis darüber.
Sie war sich nicht sicher was sie mehr ärgerte, sein fester Griff oder die Tatsache, das der Griff so fest war, das sie sich nicht wehren wollte. Und dann ging alles Schlag auf Schlag, sie ging nach oben und da war Ria, Eric betrat den Raum und sie verließ diesen wieder. Ihr war es nicht bewusst das er Macht über sie hatte, denn sie hatte es verdrängt, bis ...
bis zur verhängnisvollen Begegnung mit Sámur. Er hatte keine Chance. Sie forderte ihn unbewusst heraus und dieses primitive Männchen war zu ungeschickt sich gegen sie zu behaupten! War er nicht so unterwürfig, wie sie es erwartet hatte, als eine Drow?
Ayu schluckte hart. Und Rhonin? Wollte sie ihn nicht auf die gleiche Weise dominieren? Als reine Drow? Macht über ihn ausüben, so, wie bei Sámur? War sie nicht an Astrid nur so interessiert, weil sie in ihr Konkurrenz sah in diesem einen Augenblick? Hatte sie nicht gelogen - Rhonin eiskalt belogen - als sie ihm sagte, er legte sich mit der gröößten Familie Tiefwassers an, um ihn an sie zu binden – als kleines durch sie beherrschtes Männchen?
Ayu schluckte hart und Tränen liefen ihre Wangen hinab, als sie mit blutendem Herzen den Mond um Verzeihung anflehte und somit ihre Göttin. Sie hatte sich versündigt! In diesem schwachen Momenten vollkommen versagt! Es war die Tatsache, dass sie spürte, Eric hatte Macht über sie. Könne sie beherrschen, denn er hatte es ja schon getan. Sie war irritiert, ja sogar hilflos über diese Erkenntnis und sich nicht sicher, ob das was er in ihr ausgelöst hatte, gut war. Sie rang immer noch, auch jetzt noch wo schon alles vergebens war um Beherrschung und spürte immer noch den bebenden Herzschlag. Wie konnte das sein? Ihr wurde Beherrschung beigebracht, absolute Beherrschung und nun?
Nun war etwas in ihr, was verlangte bedingungslos anerkannt zu werden. Es brach einfach so durch, entkam aus uralter Gefangenschaft und zum ungünstigsten Zeitpunkt. Es war verboten und doch so zuckersüß verlockend, dass es sie fast um den Verstand brachte.
Was war mit ihr los?
Ihr Herz raste jetzt förmlich, es war kaum zum aushalten. Er krabbelte in ihr hoch, der uralter Trieb. Der, den sie lange unterdrücken konnte, doch jetzt... nein, das konnte doch gar nicht sein, das durfte nicht sein. Ihre Blicke aus den funkelnd roten Augen krallten sich förmlich hilflos in den Mond über ihr und sahen doch nur ein einziges Bild vor Augen. Begehrliches, Verbotenenes, Situationen von Dominanz und ... Schmerz geprägt.
Die Blicke einer wahren Drow!