Name: ? / Telipinu (interne Bezeichnung bei Terra Biodynamics) / Equilibriani (Bezeichnung der Scriva) / Kompensatoren (Bezeichnung der Neius)
Alte Schriften der Scriva* erwähnen an der einen oder anderen Stelle die so genannten Equilibriani. Auch das ist nur ein Name, den Dritte ihnen gegeben haben, soll aber der Einfachheit halber hier verwendet werden. Ob jenes obskure und scheue Volk überhaupt eine Eigenbezeichnung hat, ist unbekannt, hat man doch noch selten mehr als einen von ihnen angetroffen.
Die aktuellste, wenn auch aus Unwissenheit geborene Bezeichnung ist Telipinu, nach dem gleichnamigen Planeten, auf dem der einzige zur Zeit bekannte Vertreter jener Spezies aufgefunden wurde.
* Eine nicht-humanoide Spezies, die sich der Wissenssammlung und –pflege verschrieben hat. Woher die augenscheinliche Nähe ihrer Sprache zum irdischen Latein kommt? Es darf spekuliert werden…
Erscheinungsbild:
Die meisten Equilibriani gleichen einander auf den ersten Blick sehr: sie sind von humanoider, menschenähnlicher Statur, haben gebräunte Haut, die ein wenig an Bronze erinnert, und weißes Haupthaar, dessen Schattierung sich jedoch von Individuum zu Individuum unterscheidet. Männliche oder weibliche Individuen lassen sich nicht unterscheiden, es mag aber vorkommen, dass der eine oder andere zumindest vage einem der beiden Geschlechter ähnelt.
Die ersten Equilibriani waren innerlich wie äußerlich noch absolut identisch und von vollendeter Symmetrie. Inzwischen tritt jedoch eine zunehmende Individualisierung auf, wenngleich sich diese weniger in Äußerlichkeiten als vielmehr im Innenleben der Equilibriani ausdrückt. Mit jeder Generation, mit jedem Individuum, das sich an ein neues Ökosystem anpasste, diversifizierte sich die Spezies genetisch, so dass sich über die Jahrtausende ein Genpool von außerordentlicher Vielfalt aufgebaut hat, der sich nun in den jüngeren Vertretern konzentriert und zu einer nahezu chaotisch wirkenden Ausprägung von Organen führt, die letztlich aber doch miteinander harmonieren.
Herkunft:
Lang bevor der erste Mensch lernte, Feuerstein zu bearbeiten, existierte in den Tiefen des Alls die hochentwickelte Kultur der Neius, einer den Menschen ähnlichen Spezies. Vermutlich zu ähnlich… Hätte der Mensch in einem späteren Stadium seiner Entwicklung Kontakt zu den Neius aufbauen können, wäre die Geschichte der Erde vielleicht ganz anders verlaufen. Oder auch nicht, denn Tragödien scheinen sich manchmal nahezu willkürlich zu wiederholen…
Am scheinbaren Gipfel ihrer Zivilisation angekommen, fanden sich die Neius auf einem ausgezehrten, sterbenden Planeten wieder, den alle fortschrittliche Technik nicht zu retten vermochte. Auf nichts schien die krankende Lebenswelt anzusprechen und so musste man schließlich feststellen, dass sich die Neius über die Jahrtausende wohl zu weit von ihrem eigenen Heim wegentwickelt hatten. Zu hoch waren sie aufgestiegen und fanden nun – bildlich gesprochen - nicht mehr auf den Boden zurück, der sie nährte.
Um diese scheinbar unüberwindbare Kluft zu schließen, gelang es nach vielfachen verzweifelten Versuchen, zehn hochsensible, biokinetisch begabte Wesen zu erschaffen, die in Resonanz mit der Frequenz des Planeten standen und das gestörte System ausgleichen sollten. Wenngleich das Experiment anfangs erfolgreich schien, war die Zeit für die Heimat der Neius aber doch abgelaufen. Selbst die „Kompensatoren“, wie man die Geschöpfe genannt hatte, konnten nichts mehr ausrichten und so setzten die Neius ihren letzten Plan um: sie, die nie einen anderen Planeten besiedelt hatten als den eigenen, ergriffen die Flucht. Die Kompensatoren erhielten die Anweisung zu bleiben, in der Hoffnung, sie würden als misslungene und potentiell gefährliche Not-Kreation mit dem Planeten untergehen. Ihren Schöpfern vertrauend – sie kannten das Konzept von Lüge und Verrat nicht – blieben die Vorfahren der Equilibriani. Erst als einer von ihnen bei einem der immer häufiger werdenden Erdbeben umkam, begriffen sie, was Tod bedeutete, und dass sie allesamt sterben würden, so sie nicht einen Weg fanden, ebenfalls zu fliehen. Verzweifelt durchsuchten sie die Hinterlassenschaften ihrer Schöpfer, doch alle großen Schiffe waren fort oder zerstört. Nur einige Shuttles, halbfertige Rettungskapseln und Ein-Mann-Raumfahrzeuge in ähnlich desolatem Zustand waren noch aufzufinden. Mit dem spärlichen Wissen, das sie zusammenkratzen konnten, versuchten die Equilibriani zu reparieren, was sie verstanden, und teilten sich schließlich auf, um in einem Sammelsurium nur halb funktionierender Technik den toten Planeten zu verlassen. So trennten sich ihre Wege und manche für immer. Nicht alle hatten das Glück, die Reise zu überleben. Der Rest verstreute sich in alle Winkel der Galaxie und fand auf den unterschiedlichsten Planeten Zuflucht.
Lebensweise:
Es muss wohl nicht mehr erwähnt werden, dass es sehr wenige Equilibrianer gibt – vielleicht ein-, zweihundert, von denen die meisten einander nicht kennen. Sie sind – wenn überhaupt - entweder einzeln oder in sehr kleinen Gruppen (selten mehr als drei Individuen) anzutreffen. In der Regel verlassen sie den Planeten, mit dem sie sich einmal verbunden haben, nicht mehr. Über die Fähigkeit der Astralreise halten sie losen Kontakt zu ihren weit entfernten Artgenossen, so sie überhaupt von ihnen wissen.
Obwohl sie dazu in der Lage wären, sind Equilibrianer nicht das, was gemeinhin als „kulturschaffend“ bezeichnet wird. Es hat den Anschein, dass sie einfach nur „sind“, was ihnen unter den wenigen, die von ihrer Existenz wissen, den Ruf kindhafter Naivität eingebracht hat. Denn auf besiedelten Planeten kommt es in seltenen Fällen doch vor, dass sie sich der dortigen Zivilisation anschließen. Auseinandersetzungen sind selten und enden in der Regel schnell und entweder mit Flucht oder Niederlage des Equilibrianers. Berichte über kriegerische oder feindselige Handlungen existieren nicht.
Fortpflanzung:
Ursprünglich waren die Equilibriani nicht dafür geschaffen, sich fortzupflanzen. Da sich aber so gut wie alle Spezies vermehren und die Equilibriani mit der Zeit die Eigenheiten der sie umgebenden Lebewesen annehmen, verstanden sie schließlich, dass sie doch Nachkommen zeugen konnten, wenn auch auf sehr ungewöhnliche Weise: zwei oder mehr von ihnen müssen zusammenkommen und ein Stück ihrer eigenen Biomasse bereitstellen – in der Regel sind dies kristalline Einlagerungen in Haut und Haaren, Blut oder Tränen. Die Beteiligten begeben sich gemeinsam in eine Trance, um mittels einer speziellen Form der Biokinese, die ausschließlich der Fortpflanzung dient, das Rohmaterial auf molekularer Ebene zu verschmelzen und zu verändern und eine befruchtete Keimzelle, ein Ei mit harter, kristalliner Schale, zu schaffen. Die Brutzeit variiert je nach Planet, grob kann man jedoch von ca. einem Standardjahr ausgehen.