Kapitel XXXII: Das Paradies (2/2)
In der Grotte angekommen erkannte Sarnek schnell, dass dieses sogenannte Paradies nichts weiter war als eine einzige Illusion. Erschien einem der Wilde Garten noch wie ein wahrgewordener Traum, spiegelte die Verbottene Grotte all das wieder, was man von dem kranken Hirn eines Symphatisanten des Prinzen der Zerstörung erwarten konnte.
Zu seinen Füßen erstreckte sich ein pechschwarzer Steg über einen breiten Lavasee. Links und rechts hingen Käfige von der Decke. Die Insassen - allesamt ehemalige Mitglieder der Mysthischen Morgenröte - waren entweder tot - verbrannt in den gewaltigen Lava-Fontänen, die regelmäßg genau unter den Käfigen hochspritzen, oder erstickt in den giftigen Dämpfen - oder standen kurz davor.
Und doch würden sie nie richtig sterben können, weil Mankar Camoran es schlichtweg nicht erlaubte. Sie würden einfach wiedergeboren werden, vielleicht in einem anderen Käfig, nur um kurz darauf wieder zu sterben. Ein einziger schmerzvoller Teufelskreis bis ans Ende aller Tage.
"Du verdammter Bastard!", zischte Sarnek zornig, "Du lässt deine eigenen Anhänger glauben, der Eintritt ins Paradies sei eine Belohnung, aber in Wirklichkeit ist es die Strafe für ihr Versagen - eine einzige endlose Strafe."
"Die Wahrheit ist weitaus grausamer, Sarnek vom Kaiserreich", hörte er hinter sich plötzlich eine weiche, fast wehmütige Stimme und drehte sich um. Hinter ihm stand ein abgemagerter Hochelf in der Kutte der Morgenröte und starrte ihn aus einem blassen eingefallenen, fast traurigen Gesicht an.
"Verdammt!", zischte Sarnek und wollte nach seiner Waffe greifen, als er erkannte, dass er überhaupt keine bei sich trug.
"Du brauchst keine Angst vor mir zu haben", entgegnete der Mann ruhig und hob beschwichtigend seine Hand, "Mein Name ist Eldamil, und ich möchte dir helfen."
Sarnek blickte ihn ungläubig an und fragte dann:
"Mir helfen? Warum solltest du mir helfen wollen?"
"Weil ich so bin wie du", antwortete der Eldamil.
Er nahm eine Fackel von der Wand und führte Sarnek durch die unzähligen Gänge dieser unterirdischen Folterkammer.
Und dann erzählte er seine Geschichte.
"Lange Zeit war ich Camorans Rechte Hand. Die Pläne zur Ermordung des Kaisers, sondern von mir. Ich war es auch, der das Große Portal vor Kvatch öffnete, damit die Dremora dort einmarschieren konnte. Stolz blickte ich auf all die Greueltaten hinab, die ich beging, weil ich an Camoran glaubte - an ihn und seine 'Göttliche Mission'. Und dann wurde ich gefasst.
Zusammen mit ein paar Leuten untersuchte ich die Trümmer der gefallenen Stadt nach Überlebenden und Wertsachen, als uns eine handvoll Soldaten erwischten und niederstreckten.
Wie alle Anhänger wurde auch ich im Paradies wiedergeboren. Die Belohnung für alle, die im Kampf für die Morgenröte den Tod fanden, so dachte ich. Doch dann erreichte ich die Grotte und erkannte die Wahrheit.
Männer und Frauen wurden geschlagen und zu Tode gefoltert. Nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder. Der grausame Preis der Unsterblichkeit.
Ich wollte Camoran zur Rede stellen, ihm erklären, dass er mit seinen Leuten so nicht umspringen kann. Doch er warf mir nur Wankelmut vor und enthob mich meines Postens. 'Wenn dir meine Methoden so wenig behagen', sagte er zu mir, 'dann wird es wohl das Beste sein, wenn du sie von nun an für alle Zeit vor Augen hast, auf dass du nie vergessen mögest, was dir blüht, wenn du mich noch ein einziges Mal infrage stellst.'
So wurde ich zum Aufseher in dieser Grotte."
Vor einer Biegung blieb der Altmer plötzlich stehen und hielt auch Sarnek zurück.
"Am Ende dieses Ganges befindet der Eingang zum Vorhof des Carac Agaialor", flüsterte er, "Sie wird von Orthe, meinem Vorgesetzten, bewacht."
"Und wie komm ich an ihnen vorbei?"
"Als mein Gefangener!", antwortete Eldamil trocken und holte ein paar Ketten hervor.
"Mit deiner Erlaubnis werde ich dir die hier jetzt anlegen. Sobald wir an den Wachen vorbei sind, befreie ich dich wieder. Versprochen!"
Nur widerwillig ließ sich Sarnek in Ketten legen, andererseits war es womöglich die einzige Chance, lebendig an den Dremora vorbei zu kommen. Im Kampf hätte er gegen sie keine Chance, schon gar nicht ohne Waffen und Rüstung. Im Gegensatz zu den ganzen Gefangenen hier war er selbst nicht unsterblich. Wenn Sarnek hier starb, dann endgültig.
Eldamil packte Sarnek am Arm und führte ihn den Gang entlang.
"Du musst mir jetzt unter allen Umständen vertrauen", raunte Eldamil an Sarneks Ohr, "dann wird alles gut!"
"Halt!", brüllte Orthe dem Hochelf entgegen, "Wohin willst du mit dem Gefangenen, Eldamil?"
"Dies ist der Fremde, Anaxes befreit hat, Herr. Ich soll ihn zu Medrike bringen."
"Der wird sich freuen, mal wieder einen Kameraden zum Spielen zu haben", entgegnete der Dremora höhnisch grinsend, "Hoffentlich hält der ein wenig mehr aus als der Letzte. Du kannst durchgehen!"
Orthe öffnete das Tor und ließ den Aufseher passieren. Kurz darauf verschloss er es wieder.
"Wer ist Medrike?", fragte Sarnek misstrauisch geworden, während Eldamil ihm die Fesseln abnahm.
"Anaxes' Cousin.", antwortete der, als hätte Sarnek ihn nur nach dem Wetter gefragt.
"Das klingt großartig. Noch ein Xivilai", spottete Sarnek und fügte etwas ernster hinzu: "Wird er uns Ärger machen?"
"Wird er!", bestätigte Eldamil nickend, "Er besitzt den Schlüssel zum Ausgang und wird ihn uns nicht freiwillig aushändigen."
Er griff unter seine Robe und holte ein Dremora-Schwert hervor.
"Die hier wirst du brauchen", sagte er und überreichte Sarnek die aus Dremora-Stahl gefertigte Klinge. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass er eine solche Waffe in Händen hielt. Sein Dolch wäre ihn lieber gewesen, aber er war nicht in der Lage, wählerisch zu sein.
"Medrike befindet sich hinter der nächsten Tür", riss Eldamil ihn aus den Gedanken, "Mach dich auf einen harten Kampf gefasst!"
Mit gezückten Waffen betraten Sarnek und sein Gefährte langsam die Höhle des Xivilais, eine kleine Insel umgeben von einem Ring aus kochender Lava, über den zwei Stege gespannt waren. Der Dämon stand in der Mitte und starrte die beiden Eindringlinge missmutig an.
"Was wollt ihr hier?", keuschte Medrike bedrohlisch, und der Altmer antwortete:
"Wir wollen durch die Tür hinter dir, und du hast den Schlüssel. Händige ihn uns aus."
"Wenn ihr den Schlüssel wollt, werdet ihr sie schon meiner Leiche abnehmen müssen."
"Ich habe befürchtet,dass du das sagen wirst!"
Mit diesen Worten entsand Eldamil einen Blitz in Medrikes Richtung, der diesem geschickt auswich.
"Nicht!", packte Sarnek den Hochelf am Arm, "Du kannst einen Xivilai mit Magie nicht besiegen. Das macht ihn nur stärker."
"Du hast Recht!", antwortete Eldamil sich seines Fehlers bewusst und griff nun ebenfalls nach seinem Schwert.
Während sie den Dämon von zwei Seiten gleichzeitig angriffen, setzte sich dieser mit mächtigen Feuerbällen zur Wehr. Zum Glück war der Xivilai zwar ein mächtiger Zauberer, allerdings zu langsam, als dass er sich um zwei Angreifer gleichzeitig kümmern konnte.
So gelang es Sarnek irgendwann, sich soweit zu nähern, dass er einige Treffer landen konnte, während Eldamil ihn mit Schutzzaubern in Schach hielt.
Der Panzer des Dämons war sehr robust, doch gegen eine Dremora-Klinge konnte selbst der nicht lange bestehen.
Wütend wand sich Medrike nun Sarnek zu und packte ihn. Doch ehe er ihn in die Lava schleudern konnte, stieß der Hochelf nun seine Klinge durch den geborstenen Panzer in den Rücken des Xivilai, der daraufhin Sarnek wieder fallen ließ. Der Schmerzensschrei des Dämons hallte durch die ganze Höhle, vielleicht sogar durch die ganze Verbotene Grotte.
Sarnek nutzte die Gelegenheit und packte den Schwertgriff noch fest. Mit Einer schnellen Drehung schlug er dem Biest den Kopf ab. Medrike war tot, und die beiden Helden schnauften erleichtert auf.
"Donnerwetter!", sagte Sarnek nach Luft ringend, "Das war mal wieder verdammt knapp." Etwas ernster fügte er hinzu: "Ich danke dir, mein Freund!"
"Es ist noch nicht vorbei", entgegnete Eldamil ernst, "Hinter dieser Tür erwartet dich der Carac Agaialor - und Mankar Camoran. Wenn du ihn tötest, wird diese Hölle hier verschwinden und mit ihm alle seine Bewohner."
"Auch du wirst sterben!", erkannte Sarnek besorgt, doch der Altmer lächelte nur und antwortete: "Gestorben bin ich bereits in Kvatch. Alle hier sind bereits tot, doch den Frieden finden wir erst, wenn du deine Aufgabe erfüllt hast."
Er umarmte Sarnek und sagte sanft: "Auf diesem Weg kann ich dich leider nicht begleiten, mein Freund. Aber ich wünsche dir viel Glück. Du wirst es brauche."
"Da fällt mir ein", fügte er hinzu, als er sich gerade umdrehen wollte, "Deine Bande der Auserwählten - gib sie mir. Du kannst die Grotte nicht verlassen, solange du sie trägst.
Sarnek überreichte Eldamil die Bande und öffnete die Tür nach draussen. Als er sich noch einmal umdrehte, um sich zu verabschieden, erkannte er, dass er allein in der Höhle war. So trat er wortlos ins Freie und erblickte aufs Neue dieses paradiesische Lügenbild, dass die Unsterblichen von der grausamen Wahrheit ablenken sollte.
"Mankar Camoran, ich komme!"
Ende Kapitel XXXII