Ja, es gab einen Krieg in der Ära der Dämmerung. Vermutlich den gewaltigsten, den Mundus je gesehen hat, er hat die Landschaften zerbrochen und die heutigen Kontinente geschaffen, wie die meisten Schöpfungsmythen zu erzählen wissen. Er ist unter verschiedenen Namen bekannt. Aber fangen wir vorne an:
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Der Titel
Shor, Sohn des Shor. Zunächst, wer ist Shor? Sehen wir in Verschiedene Arten des Glaubens nach:
Shor (Gott der Unterwelt): Nordische Version des Lorkhan. Shor wechselte nach der Schöpfung der Menschen auf deren Seite. Fremdländische Götter (z. B. elfische) verschworen sich gegen ihn, besiegten ihn und verbannten ihn in die Unterwelt. Atmoranische Mythen beschreiben ihn als einen blutrünstigen König des Krieges, der die Nord wieder und wieder zum Sieg gegen ihre aldmerischen Unterdrücker führt. Vor seinem Untergang war Shor das Oberhaupt der Götter. Manchmal nennt man ihn auch den Gott der Kinder (siehe oben, Orkey).
Das ist die beste Grundlage, die wir haben. Der nordische Lorkhan also, ein Kriegerkönig, der für die Menschen gegen die Elfengötter kämpft und dabei untergeht. Soweit so gut. Nehmen wir uns den Text vor. Er beginnt mit einem Ende -
„Und wieder endete der furchtbare Kampf“ - und endet mit einem Anfang:
„Und wieder begann der furchtbare Kampf“. Die Formulierung ist natürlich direkt aufeinander bezogen und allgemein fällt auf, dass der Text mit vielen strukturellen Wiederholungen arbeitet. Was ist damit gemeint? Die Antwort steht auch schon in VAdG:
Alduin (Weltenfresser): Alduin ist die nordische Variante Akatoshs und ähnelt seinem Gegenstück bei den Neun Göttern nur oberflächlich. So entspringt zum Beispiel sein Spitzname Weltenfresser aus den Mythen, die ihn als den grausamen und verheerenden Feuersturm beschreiben, der die letzte Welt zerstörte, bevor die gegenwärtige erschaffen wurde. Die Nord sehen im Gott der Zeit deshalb sowohl den Schöpfer, als auch den Vorboten der Apokalypse. Er ist nicht das Oberhaupt des nordischen Pantheons (tatsächlich hat dieses Pantheon kein Oberhaupt, siehe Shor), wohl aber der tragende Gott - sei er auch noch so grauenvoll und angsteinflössend.
Die Nord glauben also, dass der Weltenfresser die letzte Welt zerstört, bevor die gegenwärtige beginnt. Ein Kreislauf aus Schöpfung und Zerstörung, so etwas findet sich auch in der yokudanischen Mythologie (z.B. ihrem Schöpfungsmythos "Satakal die Weltenhaut"). MK hat der Veröffentlichung der ersten Fassung von Shor einen nützlichen
Tipp vorangestellt (Da ich nur die zweite, ausführlichere Fassung des Shor-Textes übersetz habe, ist dieser kleine Abschnitt irgendwie entwischt. Aber ich sammle diese Fragmente und stelle sie dann alle zusammen ein):
"The Dawn Era was the End of the Previous Kalpa. The new Kalpa begins with the first day of the Merethic Era." Then put on your lore-hats and start looking hard at the ramifications of that“
Also beginnt das Kalpa mit der Zusammenkunft und endet mit dem Erwachen des Weltenfressers. Wenn wir nun in den anderen Nordtexten suchen, werden wir schnell fündig, was die Kalpa-Struktur angeht:
„Wir kamen aus Himmelsrand seit dem Ende des Anbeginns des letzten Endes ... und so weiter, wie es die Ysgrimskalden der Welt singen“ - Das Fehlen nordischer Schöpfungsmythen
Das Grundmuster von Anfang der Wiederkehr bis zum Ende des Kalpas kann man auch in den "Fünfhundert mächtigen Gefährten" ausmachen. Der Text, rezitiert zum Totenfest im Windhelm, ist sicher eine eigene Interpretation wert, hier nur zur Vollständigkeit der nordischen Überlieferungen:
[Am Textanfang] Der Erste von Ysgramors Fünfhundert mächtigen Gefährten bestand eigentlich aus zweien, die Aschen-Amalgamation seiner Söhne, die Sarthaal überlebt hatten, nur um in den Frostregen der Rückkehr zu sterben, zu ihren Lebzeiten Tsunaltir und Stuhnalmir genannt...
[Am Textende] Als die Morag gebrochen und in den östlichen Schmutz geschickt war, erblickten endlich Schneekehle und wussten, dass sich unsere Reise wieder einmal ihrem Ende näherte. Es war die Weltenfressers Erwachen, welche zuerst die Ufer durchbrach, während sie unserem Sieg und Verhängnis schrie, deren Bootsthane Ysmaalithax, der Drache des Nordens, und seine Erstgelegesöhne Tsuunalinfaxtir und St’unuhaslifafnal waren ...
Man könnte das Kalpa-Konzept noch außerhalb der Nordkultur verfolgen:
(Bald darauf zeigte sich) der Halbelf gebadet in (Meridias Licht)*… und er führte seinen Stammbaum auf Ayleïdisch auf und sprach von seinem Vater, einem Gott des Weltflusses [des vorherigen Kalpas], und er fand großes Vergnügen am mühsamen Atem Pelinals, der endlich Blut verloren hatte*… - Das Lied von Pelinal
… oder ganz einfach zur Wortherkunft RL-Mythologie hinzunehmen. Ein
Kalpa ist im Hinduismus/Buddhismus eine sehr lange, kosmische Epoche.
Wenn diese Kalpa-Struktur in den nordischen Weltanschauungen einmal klar ist, fällt das Verständnis der Textstruktur mit ihren Wiederholungsmotiven von Anfang und Ende leichter. Es erklärt auch den Titel: Shor ist der Sohn des Shor aus dem vorherigen Kalpa.
Gehen wir weiter:
„Kynes Schrei brachte unseren Stamm zur Bergspitze des Hrothgar zurück“ . Um noch einmal Bruder Karkuxor zu zitieren:
Kyne (Kuss zum Schluss): Nordische Göttin des Sturms. Sie ist die Witwe von Shor und die Lieblingsgöttin der Krieger. Oft bezeichnet man sie auch als die Mutter der Männer. Ihre Töchter waren es, die den ersten Nord den Gebrauch der Thu´um, der Sturmstimme, beibrachten.
Mutter der Männer, Witwe von Shor. Warum nun auf der Bergspitze des Hrothgar? Die Nord glauben, dass sie dort ihren Anfang genommen haben. Den „Kindern des Himmels“ zufolge hat Kyne – die Himmelsgöttin – hier auf das Land ausgeatmet und sie erschaffen:
Die Nord halten sich für die Kinder des Himmels. Sie nennen Himmelsrand den Hals der Welt, denn dort hatte der Himmel auf das Land ausgeatmet und sie geschaffen. Sie fühlen sich als ewige Außenseiter und Eroberer, und selbst wenn sie andere Völker besiegt haben und regieren, fühlen sie keinerlei Verwandtschaft mit ihnen. - Die Kinder des HImmels
Es war schon klar, dass der Erzähler von „Shor, Sohn des Shor“ aus der Perspektive eines Stammesmitglieds des nordischen Pantheons erzählt, zusammen dem Verweis auf den höchsten Berg der Welt und dem aldmerischen Schöpfungsmythos -
Lorkhan machte aus den schwächsten Seelen Heere und nannte sie Menschen, sie brachten Sithis in jeden Winkel. - Monomythos, Herz der Welt
- wird klar, dass es sich also um die Menschen handelt. Aber Ysgramor und die Fünfhundert sind doch erst in der späten Merethischen Ära in Tamriel gelandet? Sicher, aber es heißt nicht nur deshalb Wiederkehr, weil sie nach Saarthal und der Nacht der Tränen zurückgekommen sind, sondern auch, weil Himmelsrand schon immer ihre Heimat war, es liegt eine doppelte Bedeutungsebene vor. Die Nord werden, wie oben beschrieben, auf dem Gipfel des Hrothgar ins Dasein geatmet, irgendwann im
"Krieg des Zwielichts", den Altmern zufolge die zu Lorkhans Heeren gemachten Seelen. Bei den Altmern heißt es weiter:
Auri-El konnte Altmora, den Älteren Wald, nicht retten, und so ging er an die Menschen verloren. Sie wurden gen Süden und Osten nach Alt-Ehlnofey gejagt, und Lorkhan war dicht hinter ihnen. Er zerschmetterte dieses Land in viele Teile. Schließlich schlug Trinimac, Auriels größter Ritter, Lorkhan vor seinem Heer nieder und griff mit mehr als Händen in ihn, um sein Herz zu nehmen. Er war gefallen. Die Menschen schleiften Lorkhans Körper fort und schworen den Erben von Auri-El für alle Zeit Blutrache. - Monomythos, Herz der Welt
Die Menschen erobern A[l]tmora, dann wird Lorkhan von Trinimac besiegt, der Krieg hat das ganze Land zerschmettert und die Nord sind sozusagen im Norden gestrandet. Ysgramor führt sie später zurück, die Atmoraner sind wieder in Himmelsrand, bis sie am Kalpaende erneut zuerst gefressen werden. Aber zurück zum Text:
Shor ist nun über den Rückzug im
„Krieg des Zwielichts“ wütend, über die Niederlage, die ihm die Verschwörung der
„Häuptlinge der anderen Stämme“ beigebracht hat. Wie kann man diesen Krieg nun einordnen? Gerade wurde schon die ganze altmerische Variante dieser Auseinandersetzung in der Ära der Dämmerung zitiert. Dämmerung und Zwielicht liegen auch als Begriffe sehr nahe beieinander, man könnte daher auch vom Krieg der Dämmerung sprechen. Um einige relevante Ereignisse dieses "Zeitraums" kurz zu rekapitulieren (ja, das ist ein irreführender Begriff, wenn es noch keine linear-chronologische Zeit gibt, aber aus den Mythen lässt sich trotzdem eine Reihenfolge ableiten, wie man es erzählen kann, vgl. die sehr nützliche Genesis-Zusammenstellung der
Imperial Library:
1. Mundus wird erschaffen, in elfischer Interpretation betrügt Lorkhan die Götter, den Menschen zufolge helfen sie ihm freiwillig.
2. Auf Mundus, der sterblichen Ebene, beginnen die Götter ebenfalls zu sterben oder sich zu transformieren.
3. Sterbliche werden von den schwindenden Göttern geschaffen/erzeugt.
4. Ein Krieg zwischen den einzelnen Götterfraktionen mitsamt ihren Gefolgen, aus elfischer Sicht geführt, um Lorkhan für seinen Betrug zu strafen, zerschmettert die Welt in viele Kontinente. [in "Shor, Sohn des Shor" wird eine nordisch-atmoranische Version dieser Ereignisse erzählt]
5. Eine Zusammenkunft der Götter soll das Schicksal von Mundus entscheiden. Sehr viele weitreichende Konsequenzen. Lorkhan verliert sein Herz, den Elfen zufolge zur Bestrafung von Trinimac herausgerissen. Die Merethische Ära beginnt.
Jetzt ist auch klar, worum es bei dem "Krieg des Zwielichts" geht, dessen Ausgang (am Adamantturm) und erneuten, kalpischen Anfang wir im Text lesen. Es gibt sehr viele Berichte über diesen Krieg und die Zusammenkunft bei Ada-Mantia. Fal Droon schreibt:
Ich will nicht näher auf die unterschiedlichen Berichte über die Geschehnisse am Adamant-Turm und den Krieg der Manifestierten Metaphern eingehen. Diesen Geschichten fehlt es meiner Empfindung nach an den Qualitäten, die sie "erzählbar" machen. - [Der lunare Lorkhan/The Lunar Lorkhan]
Er formuliert das ganze wiederum relativ abstrakt, der Krieg des Zwielichts aus „Shor, Sohn des Shor“ ist hier ein der Krieg der Manifestierten Metaphern und für ihn kaum erzählbar. Nun, die Nord schaffen es trotzdem, diese Geschichte ziemlich plastisch zu erzählen. „Über das Fehlen nordischer Schöpfungsmythen“ behandelt btw einige Besonderheiten nordischer Erzählkultur, aber das würde jetzt noch weiter abschweifen. Weiter im Text:
Jhunal erinert den wütenden Shor daran, dass die Feinde
"acht zu eins überlegen" waren. Die Zahlen sind natürlich nicht zufällig gewählt, sondern beziehen sich auf die verschiedene Pantheons, gegen die Shor und die seinen kämpfen. 8 zu 1 sind in der ES-Numerologie sehr wichtige Zahlenverhältnisse. Man denkt vielleicht zuerst an Talos und die Acht Göttlichen, das ist dieselbe Struktur. In den späten Texten wie dem „Prophet des Landfalls“ werden „Einundachtzig Throne“ genannt und so fort. Das Muster ist klar, denke ich.
Shor nimmt nun die
"Gestalt seines Totems an.“ Das ist vergleichsweise einfach herzuleiten. Nordische Totems haben wir alle schon dutzendfach auf den
Rätselsteinen und Drachenklauen in den Hügelgräbern gesehen und seit Skyrim-Release ist der Community auch ihre Herleitung gelungen: beispielsweise ist Alduin natürlich der Drache, Ysmir der Fuchs (Aicantar von Shimmerene, Von den Menschenaltern: „Außerdem wanderte im späten Merethischen Zeitalter der legendäre unsterbliche Held, Krieger, Hexenmeister und König durch Tamriel, den man unter anderem als Pelinal Weißplanke, Harrald Haarhose, Ysmir oder Hans den Fuchs kannte." oder Morihaus in der "Adabal-a" zu Pelinal: "Ihr seid Blut-das-Ruhm-erlangt-hat, Onkel, und Ihr werdet wiederkehren, als Fuchs oder als Licht."), Kyne der Adler, Tsun der Wal (Walknochenbrücken-Wächter in Sovngarde) und Shor die Schlange. Es wurde bei den Kalpa-Zyklen schon deutlich, wie sehr sich nordische und yokudanische Mythen ähneln – hier haben wir eine weitere Parallele, weil beide Lorkhan-Variationen, Sep in Yokuda und Shors Totem in Atmora/Himmelsrand mit der Schlange dargestellt werden. Das Symbol kann man bis zum kosmologischen Sternbild der Schlange verfolgen oder auch der Schlange in den Talos-Statuen von Himmelsrand (Talos wird den fehlenden Gott später "übermanteln", als aus den Acht die Neun werden, aber das ist Taloskunde). Im Text lesen wir kurz darauf
„Shor schüttelte seine geschuppte Mähne.“ . Ich habe zunächst noch vermutet, dass "Mähne" eine Anspielung auf die Khajiitgestalt und damit den dritten Mond ist und unter anderem deswegen einmal einen englischen
Thread darüber erstellt, MK hat dort darauf hingewiesen, dass der Text nichts mit der Mähne zu tun hat, was genauer betrachtet auch tatsächlich keinen Sinn ergibt. Stattdessen ein anderer interessanter Aspekt, der in der Übersetzung nicht nachzuahmen war: "scale" kann sich auch auf den Maßstab beziehen, also Shor ist also "scaled down", ein Subgradient seiner selbst. Symbolisch ist die Schlange eher mit dem Trickster-Aspekt Lorkhans als seinem Aspekt als kriegerischer Rebell verbunden. Shor weiß aber nun, dass die Menschen diesen Krieg überhaupt
"nicht gewinnen konnten", also verlegt er sich von offensivem, kriegerischen Vorgehen auf das heimlichere, gerissene Vorgehen einer listigen Schlange. Was er eigentlich erreichen möchte ist die große Frage nach dem Zweck von Mundus als Lorkhans Schöpfung, die viel weiter reicht als dieser Text. Im folgenden betritt Shor in seiner Totemgestalt zunächst wieder einmal die Höhle (seines eigenen Herzens, das er verloren hat.)
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So viel erstmal nur zu den ersten beiden Abschnitten, aber ich kann den Text beizeiten noch weiter durchgehen.
Mein größtes und einziges Verständnis Problem ist dass ich nicht weiß was für,ein Ereignis dort beschrieben wird. Wann genau findet es statt? Ist es eine wirkliche Schlacht ( eine Schlacht widmen da öfter erwähnt).
Es ist also ein atmoranisch-nordischer Mythos, der den Krieg der Dämmerzeit (anderswo der Ehlnofey-Krieg) berührt, eine wirkliche Schlacht von Shors Stammesheer gegen die Elfengötter mit Schwertern, Speerlinien, Thu'ums und allem, was dazugehört und zugleich ein "Krieg der Manifestierten Metaphern" in genau diesem Sinne, wortwörtlich und metaphorisch zugleich, wie das bei Mythen von tatsächlicher Relevanz nun einmal so ist.