Hehe, sehr schön. Ist echt eine Versuchung anzubeißen, werter Pluralissimus in Unum, aber Negation und Schisma gegen die All-Einheit starkzumachen will mir in-character kaum gelingen, zumal die metaphyischen Texte vom höchsten Begreifen der Aurbis wirklich in diese Richtung zu tendieren scheinen (Godhead etc.). Danke gleichwohl für den Drink, der ist bei so etwas stets willkommen, und ich stelle gleich mal eine Flasche alten Dagoth-Weinbrand auf den Tisch, selbstgestohlen, versteht sich ...
Die Bücher aus diesen Regalen auf unser Tamriel anzuwenden kann schon ziemlich ergiebig sein - nicht nur, um ES-Metaphysik besser zu verstehen, sondern auch umgekehrt, schließlich kann man gewisse Motive aus diesen Texten auch als Einladung zu einer Beschäftigung mit Philosophien, Religionen, Literaturen und dergleichen mehr nutzen. Könnte ein interessanter Ansatz sein, die Aurbis nicht nur als Endprodukt auf ihre ursprünglichen Einflüsse hin zu untersuchen, sondern, bei allen Unterschieden in Kontext, Zielsetzung, Bedeutung etc. auch einmal direkt mit diesen Gedankengebäuden zu vergleichen. Parmenides ist wirklich ein zu interessanter Fund.
Mit dem Sein steht es so nach Parmenides so, dass es nur in positiver Form, als bejahtes Sein, Sinn hat. Wenn man versucht, einen Sachverhalt zu leugnen und somit ein Sein zu negieren, so vernichtet man den gegenstand der Behauptung und macht überhaupt keine Aussage. Negative Aussagen kann es daher nicht geben. Auch solche Aussagen heben sich selber auf, die implizit eine Negation enthalten.
Parmenides Ausgangsbefund scheint er jedenfalls ganz mit Kagrenac zu teilen. Wie Baladas sagt: "I believe that generations of ritualistic 'anti-creations' resulted in their immediate, but foreseen removal from the Mundus. They retreated behind math, behind color, behind the active principle itself." Leugnende Aussagen, beständige, methodische Verneinung (auch sprachlich im Dwemeri-Kinderlied: it¡¦s, here¡¦s, you¡¦ve - stets die Negation inbegriffen) als Methode, letztlich der Selbstnegation des ganzen Dwemervolks in Numidium als Verkörperung bzw. kultureller Turm dieses "Gegenstrebens".
Aber interessant ist das Zitat auch dahingehend, wie Jubal in C0DA dieses Numidium besiegt: Er bringt es, bis dahin stets "(SPEECH BALLOON EMPTY)", schließlich dazu, "Maybe" zu sagen. Und das ist, wie MK auch irgendwo mal kommentiert hat, dann tatsächlich schon ein verhülltes Ja. Sobald Numidium einmal von der Negation abgebracht wurde, ist es bezwungen.
Die Behauptung zum Beispiel, dass etwas begonnen hat, schließt die negative Annahme mit ein, dass es vorher nicht bestand; und die Annahme, dass ein nicht vorhandener Gegenstand zu einer gegebenen Zeit anfing, ein Gegenstand zu sein, ist widersinnig und falsch. Das Gleiche gilt für Bewegung und überhaupt für jede Veränderung; denn auch hier wird angenommen, dass ein Sachverhalt zu einer Zeit besteht und zu einer andern Zeit noch nicht existiert oder nicht mehr.
Hm, wohingegen ich für die Aurbis-wie-sie-ist (von C0DAS Suggestion eines neuen, besseren, geheilten Träumens ohne Entzweiung abgesehen) tatsächlich eher mit Heraklit als Parmenides eine notwendige Dialektik statt ausschließlich positives Sein geltend machen würde, immerhin erweist sich auch Negation als eine Macht, die einen Effekt hat: Entzweiung - Spaltung, Schisma, Sithis, Verminderung, Subgradienten, die fortschreitende Entfremdung von einer angenommenen All-Einheit. Auch wenn die Aurbis selbst als "Grey Maybe" noch parmenidisch betrachtet positives Sein ist, hat sie sich durch Verminderung von einem angenommenen Ursprungszustand perfekter Einheit entfernt, dieses Ideal auf unterschiedlichen Wegen wiederzuerlangen ist ja das mythische Bestreben vieler Kulturen. Auf die eine oder andere Weise beweist dieser Effekt allerdings die paradoxe, aber wirkmächtige Existenz negierender Kräfte in der Aurbis.
Auch eine Vielheit von Gegenständen kann es nicht geben, denn sie setzt voraus, nicht das ist, oder nicht so ist, was und wie ein anderer Gegenstand ist. An Qualitäten kann es nur uneingeschränkt positive geben wie Ganz und All und Voll; die andern (wie zum Beispiel grün) schließen sich durch ihr negatives Zubehör (nicht rot oder blau) von selbst aus. An Dingen und Ereignissen gibt es nur das Sein, das ist dem Ein-Wort-Satz 'Ist' festgestellt werden kann, und an Zahlen nur die Eins; an Zeit nur das Immer, und an Raum nur das Überall. [/] Das Sein war, nach Parmenides, ein bewusstes Sein, und den einzigen, aber vollen, Inhalt seines Bewusstseins bildete die Tatsache der Existenz. Wir können ihn nicht anders beschreiben als: 'Ich bin, und ich bin das All-Eine, außer mir ist nichts.' Es bleibt also kein Raum für etwas Zweites, kein Raum für einen Jemand, der daneben steht und von diesem Sein Kenntnis nimmt. Vielmehr muss sich Parmenides, im Zustand der Erhebung, als identisch mit dem Sein erlebt haben: 'Ich bin das All-Eine.'
Allerdings erkennt Vivec (das Begreifen seines CHIM geht ja, wie du schreibst, genau in die Richtung) in seinen Lehren für den Hortator an, dass es noch ein anderes gibt: "The Sharmat is his double, and therefore you wonder if you rule nothing. Hortator and Sharmat, one and one, eleven, an inelegant number" Zwar muss der eine den anderen stürzen (monomythisch sind das wieder die beiden Brüder) und seinen Platz einnehmen, aber dafür muss das Andere erstmal gesetzt sein. Ein perfider Dualismus, ohne Verräter kein Verrat. Und das ist vermutlich der Unterschied von Vivecs "Chimurgie" (wie es eine Apocrypha nennt) zu Parmenides philosophischem Verstehen - denn bei Vivec scheint die Grundbedingung, um ein "ruling king" zu werden, ja tatsächlich zunächst die Auslöschung des anderen im Enantiomorph, um sich dann selbst, nach eigenem Willen, über ein ganzes Universum erstrecken zu können und ein Gott zu werden. Kein Erkennen von All-Einheit, sondern, viel aktiver, lorkhanisches Ergreifen als Selbstermächtigung. Ein paar Subgradienten später wird das - Wulfharth kann, in Tibers Geschichte, ein Lied davon singen - sehr wörtlich umgesetzt: "Remember the color of betrayal."
Dennoch wohnt diesen Figuren, Lorkhan mehr noch als Vivec, auch eine beträchtliche Ambivalenz inne. Auf der einen Seite steht die reine Machtgier, geradezu schwarze Magie mit dem Ziel, eine neue All-Einheit nach eigenem Willen zu erzwingen (eher königlich als philosophisch, sozusagen ...) aber auf der anderen Seite ist der inspirative Funke, die Totalität zu spalten, den Stillstand zu brechen auch Nu-mantia, also Freiheit, das Bedürfnis, einen Ausweg aus einem unentrinnbaren, vollkommenen Kreis bestehenden Seins zu finden. Ich habe dem Eindruck, dass das I AM ALL WE des Loveletter, dass parmenidische Erfahrungen der All-Einheit, dass gerade auch das Ende von MKs C0DA den Implikationen dieses starken Motivs nicht gerecht werden (können). Ein besserer Weltenwachtraum ersetzt einen traumatischen, aber vollendet realisiertes Nu-mantia, wie es Lorkhans unendlicher Rebellenaspekt versprach, würde sicher darüber hinausführen. Ein solches Bestreben würde, nehme ich an, im Gegensatz zu Parmenides auch stets das Andere benötigen. Vielleicht ist es daher für Lorkhan auch stets nur eine träumerische Falle gewesen.
"Ich bin das All-Eine" - was für eine mächtige Aussage, um wie viel mächtiger noch, wenn man sie nicht nur denkt, sondern begreift! Vielleicht ist dieses Begreifen CHIM. Das Wissen, dass man selbst das gesamte Wesen der Welt für immer ist. Wenn man das CHIM besitzt, besitzt man Macht über Aurbis, wie man Macht über seinen Körper besitzt.
Ja, das dürfte der Essenz dieses CHIM schon sehr nahe kommen. Vivec benutzt ja in der heiligen Schrift der Stadt-die-er-selbst-ist (25), gewissermaßen in zweifacher Metapher, auch ein Bild des Körpers für das ganze Sein unter seinem Willen.
Was können wir daraus ableiten? Beispielhaft ist die Aussage, dass es an Zahlen nur die I gibt, die gleichzeitig für den Turm, dass auf die Seite gestellte Rad und das Ich steht. Gleichzeitig ist es nur ein Strich, eine einzelne Grenze ohne Ausdehnung in der dritten Dimension. [/] Viele Gelehrte sind davon ausgegangen, dass sich die Zeit in Aurbis zyklisch verhält, also wie ein Rad. Aber warum steht das Rad auf der Seite? Die Eins (I) kann uns die Antwort geben: Der Zyklus verläuft nicht zeitlich in eine Richtung, sondern findet in einem einzigen Moment, einer Singularität statt. Die Zeitalter Tamriels wiederholen sich nicht, sie vergehen nur nie, weil sie ewig sind. Und da auch wir in dieser Ewigkeit sind, erleben wir sie immer wieder, für immer.
Interessanter Gedanke, wenn ich ihn richtig verstehe - diese Linie wäre fast eine Schriftrolle zu nennen, oder ein einziger Turm. Man hätte also an einzelnen zeitlichen Punkten - "Kalpapunkten", quasi - jeweils Ewigkeiten, die alle Möglichkeiten (also alle Variationen, Facetten, Schreibweisen etc) eines Moments einschließen? Aber wie ist es dann möglich, das man unterschiedliche Varianten, oder, um bei dem Schriftrollenvergleich zu bleiben, unterschiedliche Palimpsest-Ebenen dieses all-einen Moments erfährt? Was verhindert eine ständige Erfahrung der Dämmerung? Lediglich beschränkte Wahrnehmung? Auf jeden Fall gefällt mir der Ansatz, die Zyklen einmal mit der Linie / dem Turm übereinzubringen.