Wieso er nicht einfach schreibt "Himmelsrand zur Zeit Ysgramors" werde ich wohl nie verstehen
Weil er Künstler genug ist und ES-Literatur schreibt, keine trivialen Informationsblättchen oder verkleideten Gameplay-Anleitungen. Ein Kunstwort wie
Ysgramorim (EV) ist um einiges besser als das schon bekannte
Himmelsrand. Darin hallt eine mehrfache Bedeutung wieder, es sieht neu aus, überrascht und wirft vielleicht Fragen und erfreuliche Rätsel auf.
Das ist natürlich nichts Genre-spezifisches. Ein Beispiel, das mir gerade einfällt, wäre James Joyces
Finnegan's Wake, der große experimentelle Roman, in den sein Werk mündet und der, wie Borges richtig bemerkt, auf konventionelle Weise auch praktisch nicht mehr gelesen werden kann. Ich nehme das als Beispiel, weil Joyce diese Portmanteus (auch Schachtel- oder Kofferworte), wie MKs „Ysgramorim“ eines ist, wirklich auf die Spitze getrieben hat. Selbst die Sprache des Romans kann man kaum mehr Englisch nennen, insofern sich Einschübe aus über 40 Sprachen in den neuen Wortgefüge nachweisen lassen - „this is nat language at any sinse of the world“, also Nicht-Sprache, Nachtsprache (des Unbewussten), Nuts Sprache (altägypt. Mythologie) etc etc. Solche Worte schließen oft eine gewaltige Bedeutungsvielfalt in sich ein. Um kurz den Anfang zu zitieren:
"riverrun, past Eve and Adam's, from swerve of shore to bend of bay, brings us by a commodius vicus of recirculation back to Howth Castle and Environs. Sir Tristram, violer d'amores, fr'over the short sea, had passen-core rearrived from North Armorica on this side the scraggy isthmus of Europe Minor to wielderfight his penisolate war ..."
Eve and Adam's ist hier sowohl das Paar aus der Genesis als auch eine bestimmte Kirche in Dublin,
commodius meint angenehm/komfortabel + den römischen Kaiser Commodus,
vicus ist lateinisch Dorf + der barocke Gelehrte Giambattista Vico und seine Geschichtstheorie + „vicious circle“, der Zirkelschluss oder Teufelskreis.
Sir Tristram meint sowohl den Helden aus "Tristan und Isolde" als auch einen der normannischen Eroberer Irlands und
North Armorica ist North America + Armorica als alter Name der Bretagne, grob gesagt.
MK weiß, wie man solche literarischen Techniken anwendet und genau darum schreibt er
Ysgramorim statt
Skyrim 101. Ich denke, aus dem Kontext, den KINMUNE bietet, kann man es sich noch ganz gut erschließen. Allein aus den Spielen weißt du, was
Skyrim und wer
Ysgramor ist und aus nichts anderem besteht das Wort letzten Endes. Noch ein gutes Portmanteu findet sich übrigens gleich im ersten Satz der Fünfhundert Gefährten: der Grit-Prince
Tstunal ist sogar wortwörtlich die Aschenamalgamierung von Ysgramors Söhnen
Tsunaltir und
Stuhnalmir, deren Namen zu einem verschmelzen wie ihre Asche vermischt wird. Unabhängig von aller Lore über nordische Aschekrieger oder mythische Beziehungen erschließt sich das schon durch aufmerksames Lesen. Nur ganz wenige Texte sind so undurchsichtig, dass es dazu bis jetzt immer noch keine richtigen Ansätze dazu gibt, darunter der Tsaesci-Schöpfungsmythos und sicher auch das thalmorische Prismatextrakt (wiederum mit ganz vielen Portmanteus) das wir bald hier einstellen. Aber selbst dann entwerfen diese Texte ein bestimmtes Bild unverständlicher, zutiefst fremdartiger Kommunikation und Kultur und erzielen auf diese Weise ihren Effekt.
Btw fänd ich es ja ziemlich gut wenn man jeden der derzeit übersetzten texte irgendwie "Faktisch" zusammenfasst. Also ne stichpunktartige auflistung der "neuen" infos die man aus deinen tollen übersetzungne erhält. Oft sind die Texte ja sehr schwer zu verstehen.
Wenn ordentlich durchgesehene Schriften als inoffizielle Texte (nach den gerade entwickelten Vorlagen, also KINMUNE in der Ayrenn-C0da-Version gar nicht betreffend) in den Almanach kommen, würde eine Listenseite irgendwann dazu auch ganz knappe Beschreibungen ähnlich denen
hier enthalten. Hin und wieder stehen ja auch schon Anmerkungen dabei, etwa in dem SI-Interview. Aber ich werde sicher keine heruntergebrochene „Faktensammlung“ aufmachen, dazu fehlen mit Zeit, mitunter auch das Verständnis und vor allem die Lust auf Verdikte. Außerdem ist es immer am besten, sich Texte erstmal selbst zu erschließen, das Vergnügen möchte ich auch keinem nehmen. Ich habe zufällig gesehen, dass du einen Wikia-Artikel zur Königin von Alinor mit KINMUNE-Infos editiert hast oder noch im Begriff bist. Aber du nimmst darin nur die beiden Namen auf, die ich oben erwähnt hatte –
Regenbogen-Orakel und
Verhängnis des tumben alten Riesen (sogar in dieser Kleinschreibung, die in der aktuellen DV noch anders ist) - und lässt wie im Post oben den dritten Namen außer Acht, die
Hexe von Seil und Strang. Und genau das ist das Problem bei Zusammenfassungen: irgendwann liest man dann nur noch leichter verständliche Aufbereitungen statt des Originals, nur noch irgendwelche vermeintlichen Lektüreschlüssel statt der Texte selbst und übernimmt die einfach, ohne weiterzulesen, wenn man noch schnell einen Artikel editiert oder irgendwo kommentiert.
Zu KINMUNE aber noch ein Nachtrag: die aktuelle Übersetzung, ich habe sie gestern abend nochmal durchgelesen, ist in Teilen wirklich ungünstig. Vedam und ich überholen gerade die bereits veröffentlichten Texte plus ein paar weitere und kommen auch gut voran, aber es wird noch etwas dauern, bis alle auf dem neusten Stand sind. Und speziell bei KINMUNE gibt es zwei Versionen, einmal die Erstfassung auf IL und dann die zweite, illustrierte Ayrenn-Version von C0DA.es. Letztere ist meinem Eindruck nach eher eine Demonstration, was man aus relativ klischeehafter und einfallsloser ESO-Lore (ich bin Ayrenn ingame noch nicht begegnet, aber die Vorab-Informationen waren grauenhaft, was MK seinerzeit denn auch so kommentiert hat: "Queen Aryenn, stepping out of an airport bookstore near you.") noch machen kann. Die Übersetzung hier im Thread bezieht sich auf diese zweite Fassung, in der ersten ist von Ayrenn keine Rede. Manche geben auch der ersten Variante den Vorzug und haben nicht viel für den neuen Twist übrig. Und das ist auch alles überhaupt kein Problem, wenn man bei diesen Fiktionen nicht ständig danach fragen würde, ob's auch wahr, richtig und gültig ist ... wir sollten den Akzent imo ohnehin stärker von objektiven Fakten und Tatsachen zu subjektiven Darstellungen und Quellen verschieben. In der Erstfassung besucht KINMUNE nach Saarthal das Kuhlekainianische Cyrod, also in der späten Zweiten Ära unter Cuhlecain (die Namensveränderung ist hier ein knappes Hut-Antippen von MK in Richtung Kurt Kuhlmann). In der Ayrenn-Version besucht sie Cyrod ein paar Jahrhunderte früher, im Allianzkrieg. Diese Version sagt nichts darüber, wie genau sie Königin von Alinor wurde. Les es, wie du möchtest – als interessanten, technisch irrelevanten Konzeptbeweis oder die Wahrheit über Königin Ayrenn, von der du nie zu träumen wagtest. Jedenfalls ist KINMUNE das beste Beispiel für die Probleme kurzgefasster, unumstößlicher Faktensammlungen, etwas Kontext ist hier imo wesentlich nützlicher.