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Gast
Kapitel 1 - Familienbande
Regen und Blitze prägten an diesem Abend das Bild über Florum, einem kleinen Dorf unweit der großartigen Stadt Pax, Hauptstadt von Legendaria und der Sitz von König Panja II. Florum war nicht mehr als die Summe seiner Häuser. Es gab hier nicht viel. Die meisten Bewohner waren Bauern, Jäger, oder Fischer und lebten ihr unbeschwertes Leben im Schatten von Pax. An guten Tagen konnte man die Fahnen auf den Türmen des Schlosses sehen, wie sie im Wind wehten und ankündigten welchen Glanz ihr direkter Nachbar hatte. Einige Händlerrouten führten durch Florum, wenn die Straße passierbar war und die Karren nicht im schlammigen Untergrund der unbefestigten Wege steckenblieben. An diesem Abend schien jedoch das Leben eine Pause einzulegen und den kühlenden Regen zu genießen, welcher die Sommerhitze der vergangenen Stunden abschwächte. Es war ein typisches Sommergewitter wie sie dieser Tage immer mal wieder vorkamen. Die Bauern schauten immer mit Besorgnis auf diese Armeen aus Wolken, die mit Donnergrollen ihre kurzzeitige Eroberungen des Himmels ankündigten, bevor spätestens am nächsten Tag die Sonne wieder obsiegte. Sie mussten die Ernte einholen und je mehr Regen, oder gar ein unglücklicher Blitzschlag auf den Feldern niederging, desto mehr wurde von ihrer Ernte vernichtet. Fischer und Jäger hingegen mochten den Regen, hatten Sie doch fette Beute bei diesen Wetterlagen. So erhoben sie alle gemeinsam den Krug im Gasthaus 'Zum Fahnenblick', welches sich vor allem durch die Händler über Wasser hielt, oder hin und wieder einen Ausritt der Soldaten aus Pax. An diesem Abend bewegte sich niemand mehr über die Straßen. Sie leerten die Fässer des Wirts und fühlten seine Taschen mit Münzen. Die Händler und Bauern stießen auf ein baldiges Ende des Gewitters an, so dass sie ihres Weges ziehen konnten und die Felder das Wetter überstanden. Jäger und Fischer erhoben den Krug auf volle Netze und Fallen, die sie gemacht hatten und nun mit Fleisch und Fellen auf den Markt von Pax reisen konnten, um ihre Beute unter die Leute zu bringen.
Abseits des fröhlichen Treibens saß ein Gestalt alleine an einem Ecktisch unweit der Tür. Ihr Fell war vom Regen durchnässt und der Kapuzenumhang hing ihr im Gesicht. Auf dem Teller lag ein abgenagter Knochen und der Rest eines Brotkanten. Die pelzige Klaue war um einen Krug Bier geschlossen, der nicht mehr viel Inhalt zu bieten hatte. Aus der Kapuze ragte eine spitze Schnauze die Schwarz-Weiß gestreift war und an einer Pfeife mit langem Stiel sog. Der Qualm umnebelte das Wesen. Trotz des beendeten Mahls schien sich dieser Gast nicht auf den Weg zu machen. Vielleicht behagte ihm das Wetter noch nicht, oder aber er hatte noch was vor. Vielleicht wartete er auf jemanden. Ein Blitze zuckte an den Fenstern vorbei und erleuchtete das sonst nur von Kerzenschein erhellte Innere der Taverne. Niemand störte sich daran. Erst als quietschend die Tür aufging und das Trommeln der Regentropfen kurzzeitig lauter wurde, hielten einige inne. Eine durchnässte Eule tauchte auf. Die Federn waren zwar ein guter Schutz gegen den Regen und die Wolle gegen die Kühle des Abends. Doch die Stoffe aus denen der kleine Wams bestand tropfte noch immer den Dielenboden voll als das Tier sich tippelnd dem wohlig warmen Gasthaus nährte. Es schmiss die Tür wieder zu, um das garstige Wetter auszusperren. Um die Schulter hing dem Vogel ein Lederriemen der diagonal zur gegenüberliegenden Hüfte reichte. An dessen Ende baumelte eine Tasche aus ebensolchem Material. Das Leder war speziell mit Wachsen behandelt, damit der Inhalt bei solchen Schauern trocken blieb. Allgemein machte die Eule einen etwas heruntergekommenen Eindruck und wirkte nicht sehr anmutig, wie ihr Flug oft beschrieben wurde. Der Vogel hüpfte auf einen der Barhocker und lehnte sich mit den Flügeln etwas zum Wirt herüber. "Was darf'n sein? Wir ham 'nen exzellenten Troppen aus Maushofen. Der brennt Euch de Wärme schon widder gründlich innen Leib.", versuchte der Wirt, ein alter Hofhund mit Schnauzer und dreckiger Schürze einen neuen Gast zu gewinnen. "Danke, eine Auskunft reicht mir. Ich suche... 'Winnie den Dachs'..." beugte sich die Eule mit Flügel vor dem Schnabel zum Wirt herüber.
"Ach..", kommentierte der Schnauzer kurz die Bitte des Vogels. Er überlegte kurz, indem er den Krug in seinen Pfoten weiterpolierte, wie er es bis zum Eintreffen des komischen Kauz getan hatte. Doch schließlich erbarmte er sich der Bitte und nickte mit seinem Kopf knapp in Richtung des Ecktisch mit der Pfeife rauchenden Gestalt. "Vielen Dank der Herr." Damit hüpfte die Eule wieder auf den Boden und tippelte zu den Rauchschaden herüber, wo sie das Prozedere mit dem alten Holzstuhl wiederholte. "Winnie der Dachs?" Die Schwarz-Weiß gestreifte Schnauze nahm die Pfeife aus dem Mundwinkel. "Wer will das wissen?" Die Eule machte großen Augen, was wohl soviel wie Verwunderung ausdrücken sollte. "Ich habe die Ware und die Bezahlung. Ist Euer Ruf so gut wie ihm nachgesagt wird?" Der Dachs, welcher inzwischen wieder kurz dampfte, unterbrach das paffen erneut. "Besser." Der Vogel schien nicht überzeugt und musterte Winnie mit argwöhnischem Blick. "Hört zu Federvieh, ich werde nicht aufgesucht für einfache Botengänge. Ihr habt Euch an einen Spezialisten für 'besondere Dinge' gewandt. Wie ich allen meinen Kunden sage interessiert es mich genauso wenig was transportiert wird, wie die Hintergründe. Mir ist nur wichtig von wo nach wo und die Größe der Ware. Wenn Ihr die normalen Postreiter nehmen wollt, bitte." Damit paffte er weiter und ließ die Worte wirken. "Ist ja schon gut. Mein Herr wünscht eine präzise Lieferung nach genauen Vorgaben und es ist wichtig, dass Ihr Euch genau an den Plan haltet. "Natürlich!", stieß der Dachs mit einem Rauchschaden hervor, "wie bei allen Leuten mit denen ich zu tun habe." Das genügte der Eule. Sie öffnete die Tasche und legte ein gefülltes Münzensäckchen, sowie einen versiegelten Brief auf den Ecktisch. Beiden verschwand in Sekundenbruchteilen mit einem Wisch im Gewand von Winnie. "Ihr zählt gar nicht nach?", die Eule war etwas überrascht. "Hör mal ... Piepmatz! Ich bin gut in meinem Job, weil ich ihn mache, wie ich ihn mache." Er holte den Münzenbeutel wieder hervor und öffnete ihn um ohne zu schauen seine Tatze darin zu versenken. Es klimperte. "Ich sage schon Bescheid, wenn ich Nachhilfe brauche." Damit stand er auf und steckte sich die Pfeife wieder ins Maul. Im Vorbeigehen flogen fünf Münzen auf den Tresen des Wirts. Danach öffnete sich die Tür quietschend erneut und der Dachs wurde von der stürmischen Nacht verschlugt.
Wenige Tage später....
Thadeus war in heller Aufregung, die Musiker waren zu spät und das Bankett war noch immer nicht vollständig. Diese Schlamperei konnte der Hofmeister nicht dulden! Was sollten die Untertanen nur denken die hier geladen waren. Wenn sie Rückschlüsse vom Bankett auf die allgemeine Führung des Königshauses ziehen würden.. und diese Fehler dabei in Augenschein nehmen würden... ein Skandal! Das durfte nicht passieren. Er versuchte sich zu beruhigen indem er seinen Kragen zurechtrückte und einmal räusperte. Dabei kamen immer ziegenartige Laute aus seinem Maul, doch was sollte er tun? Der Bock konnte nun mal nicht aus seiner Haut. Thadeus schaute sich um als es hinter ihm klingelte, und schepperte. Eine Gruppe Pagen stolperte den Gang entlang, bepackt mit allerlei Musikinstrumenten, großen, kleinen, aus Blech oder Holz, es war eine bunte Mischung. "Passt gefälligst auf ihr Trampel! Diese Musikinstrumente sind ein wichtiger Bestandteil des Ambiente beim Empfang, wenn auch nur eines beschädigt oder verstimmt ist!" Er schlug ein paar Mal mit seinem Klemmbrett auf die Pagen, meist Gänse oder Schweine ein. "In den Thronsaal damit und wagt nicht mal das Bankett anzusehen, geschweige denn davon zu naschen! Wenn ich auch nur einen Abdruck von Schweineklauen, oder Schnäbeln finde, ziehe ich euch das Fell über die Ohren!" Eilig beeilten sich die Diener ihre kostbare Fracht in den großen Saal zu bringen. Der Hofmeister folgte sichtlich erleichtert, bedeuteten die Instrumente doch das ersehnte Eintreffen der Musiker. Als er den Saal betrat war geschäftiges Treiben zu erkennen. Hier wurde noch geputzt, dort noch auf großen Leitern schwere, meterlange Banner mit dem Wappen des Königs aufgehängt. Die Pagen bauten die Instrumente auf und Küchenpersonal brachte Speisen herbei. Allein drei Diener kümmerten sich darum die letzten Details am Thron fertig zu stellen. Alles musste blinken, alles musste perfekt sein. Das eintreffen des Bocks mit Argusaugen motivierte nochmal die Dienerschaft. Der blaue Teppich mit Silberfranzen war ausgerollt, der Thron aus Mahagoniholz und Weißgold funkelte. Langsam aber sicher waren die Vorbereitungen abgeschlossen und das Gesamtbild formte sich von Hirngespinst in Thadeus Kopf zu dem was er zu Gesicht bekam. Es war alles bereit. Die Gäste aus allen Herzogtümern Legendarias konnten kommen.