hmmm... ich muss gestehen, an dieser Stelle einen großen Fehler gemacht zu haben, der mir erst jetzt selbst wieder auffällt. Nämlich das ich Marx gleichgesetzt habe mit dem idealen Kommunismus selbst. Marx unterscheidet ja selbst noch zwischen einer Art wissenschaftlichem Kommunismus und dem frühkommunistischen Ideal. Ersteres hält er für die realistischere und daher wohl eher umsetzbare Variante, während er letzteres eher noch ablehnt. Was man heutzutage als marxistisch-leninistisch bezeichnet, ist dabei eher noch das letztere.
tsts, die Jugend
Das ist suggestiv geschrieben, das ist noch schlimmer, als wenn Du geschrieben hättest "Marx ist...".
Das Kernproblem ist, dass der gebräuchliche Begriff "Kommunismus" nicht einzig auf den Schriften Marx und Engels basierend definiert wird. Es gibt da einige Verlagerungen in der Deutung und Schwerpunktsetzung.
Durch Suggestivität halte ich mir das argumentative Hintertürchen offen, anstatt das ich mich selbst auf feste Überzeugungen versteife
. Ansonsten
siehe oben.
hmnun - nein. Marx begründet die sozio-ökonomische Bedingtheit des Menschen und liefert die fundamentale Kritik des Kapitalismus, aber kein abgeschlossenes Weltbild. Er selbst sagte: "ich bin kein Marxist". Er hat keine Ideolgie, sondern eine Analyse geliefert.
Ich kritisiere nicht die Kritik am Kapitalismus. Ich nehme dies als begründet und erwiesen hin, und aus diesem Grund gehe ich auch gar nicht näher darauf ein. Was ich kritisiere, ist der abgeleitete idealistische Kommunismus, der, wie ich oben nun selbst sagte, nicht dem entspricht, was Marx erläutert.
Ich kann nachvollziehen, wie Du auf diese Gedanken kommst, aber aus Marx Schriften geht das nicht hervor. "Ideologie"? "Bevorzugung der Arbeiter"? Marx beschreibt sehr abstrakt Mechanismen und Phänome des Kapitalismus, wie die Verselbständigung der Warentauschbeziehung, ein "Staatssozialismus" leitet sich ebenfalls nicht daraus ab. Insgesamt ist Marx Werk, um es mit Klitschko zu sagen, "schwääre Kost". Das Menschenbild ist für das Verständnis davon ziemlich egal. Leute mit schlechtem Menschenbild ziehen andere Schlüsse daraus, als Leute mit positivem Menschenbild.
Für das Verständnis schon, nicht aber für die abschließende Deutung. Da ich nicht an Egalität und dergleichen glaube, weil sie aus meiner Sicht schlichtweg unmöglich sind,
Was sagt das über den Kommunismus aus? Eher nichts, das ist einfach so und gilt für jegliche Ideologie, Idee oder Struktur. Aber weiter unten erläuterst Du ja, warum Du diese Ansicht hast...
Unterschied: Scheitern des kommunistischen Ideals <-> Scheitern der Umsetzung des Kommunismus. Ersteres scheitert an der Menschheit an sich, letzteres am umsetzenden Machtmenschen.
Das Wort "Utopie" kommt von gr. u(-)topos, nicht-Ort. Das ist die Definition von "Utopie".
Sorry, aber dafür ein großes LoL von meiner Seite, bitte nimm das nicht allzu persönlich, aber das MUSS ich einfach mal richtigstellen. Das ist auch nicht als Herabwürdigung deiner Meinung oder als Überheblichkeit meinerseits zu verstehen.
Das ist keinesfalls eine Definition, dass ist bestenfalls eine grobe Umreißung der Wortherkunft. Eine Definition sieht anders aus. Du kannst nicht einfach von früheren Bedeutungen ausgehen. Für Definitionen gibt es philosophische Lexika, Wörterbücher und den Brockhaus. Da die aber leider nicht in einer kostenfreien Onlineversion gibt, ist es zwingend notwendig, Wikipedia um Rat zu fragen, obwohl ich persönlich mich gerade im philosophischen Bereich da schwer tue:
Wikipedia
Eine Utopie (griechisch ουτοπία, outopía, „die Nicht-Örtlichkeit“; aus ου-, ou-, „nicht-“ und τόπος, tópos, „Ort“; vergleiche auch Ektopie und Atopie) ist eine Wunsch-Vorstellung, die sich dadurch auszeichnet, dass sie zwar denkbar und in vielen Fällen wünschenswert, vor dem jeweiligen historisch-kulturellen Hintergrund jedoch (noch) nicht oder nicht mehr realisierbar ist. Sie ist die Beschreibung einer Welt, eines Ortes, an dem derartige Vorstellungen verwirklicht sind. Damit ist die Utopie im Hinblick auf ihre Denkbarkeit eng mit Wahrheitsansprüchen, hinsichtlich dem Anspruch ihrer Realisierbarkeit eng mit dem Irrtum und der Lüge verbunden. Im Sprachgebrauch wird Utopie auch als Synonym für einen von der jeweils vorherrschenden Gesellschaft vorwiegend als unausführbar betrachteten Plan, Konzept und Vision, benutzt. Ein ähnlicher, in diesem Kontext oft verwendeter Begriff: Wunschtraum. Es handelt sich um eine Welt, die bisher keinen Ort hat und nur als Gedanke und Idee existiert.
Die Kritik des Kapitalismus ist keine Utopie, sondern sehr fundiert und unsere heutige Welt bestätigt das. Kommunismus ist ein mehr oder weniger utopisches Wirtschaftssystem als Alternative zu einem blind evolvierenden, utopischen Kapitalismus.
Unterschied: Kritik am Kapitalismus <-> Kommunistische Utopie.
Wie ich oben sagte. Die Kritik am Kapitalismus ist begründet und hat sich als richtig erwiesen. Daher stelle ich das nicht in Frage. Was ich in Frage stelle, ist die kommunistische Utopie.
Nein. Dein Satz ist schlicht nihilistisch, egal auf welche Utopie er bezogen ist. Um es taoistisch auszudrücken: der Weg ist das Ziel. Selbstverständlich kann eine Utopie nicht erreicht werden, aber sie gibt eine Richtung vor, ein Ideal. Bsp.: wären die alle Menschen Christen, bräuchten wir keine Kirche (vgl. Offb. 21,22).
hä? Dadurch gibst du mir ja gerade recht, deswegen verstehe ich deine Nein-Äußerung in diesem Kontext nicht ganz. Ich glaube an Fortschritt (und das vor allem im nietzscheanischen Sinne), allerdings glaube ich nicht an ein "Endziel" der Menschheit oder die Möglichkeit, alle tatsächlich unter einen Hut zu packen, wie du es mit dem Christenbeispiel meinst.
ähm...naja...worum geht es denn in der Philosophie?
Ich persönlich unterscheide zwischen analytischer Philosophie und idealistischer Philosophie. Die Kritik des Kapitalismus gehört zum ersteren, obwohl das eigentlich über Philosophie hinausgeht, während das kommunistische Ideal definitiv zum letzteren gehört.
Dein persönliches Defizit, insbesondere wenn man sich die Geschichte seit 1848 mal vor Augen hält und beobachtet, wie Globalisierung funktioniert und welche Phänomene es i.d.Z. gibt.
Persönliche Bewertung, über die man jetzt ewig streiten könnte, was jedoch auf Dauer zu nichts führt. Marx hat die Entwicklung des Kapitalismus richtig erkannt, aber wie ich weiter oben schon sagte, dass geht für mich über Philosophie hinaus. Der wissenschaftliche wie auch der idealistische Kommunismus ist aber eine ideale Modellvorstellung unter vielen. Wenn man zynisch sein wollte, könnte man meinen, der Nationalsozialismus sei ebenso bedeutend (bedeutend hier im Sinne für die Tragweite in der Weltgeschichte, nicht als positivistische Meinungsäußerung. Könnte man auch gar nicht so werten, NS ist geradeste Weg in die Selbstzerstörung. Wer darüber diskutieren will, kann das gern per PN machen.)
Um noch ein bisschen Zitate zu dreschen: aus Erich Frieds "Karl Marx":
Und wie könnte sein Wort veralten
daß » die freie Entwicklung eines jeden
die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist?"
(Das sollten sich vielleicht vor allem Anhänger Nietzsches hinter die Löffel schreiben.)
*sich das schon lange hinter die Ohren geschrieben hat, weil es eine grundlegende Wahrheit ist* - Das Problem sind aber nicht die Anhänger Nietzsches, sondern jene, die sich zugunsten von Stabilität, finanzieller Sicherheit und persönlichem Glück in evolutionärer und intellektueller Stagnation ergiessen und versuchen, jeden Ansatz von Veränderung entweder zu behindern oder zu ihren Gunsten umzuschreiben, ums mal hart und dreckig auszudrücken. Und ehrlich gesagt, warum soll ich auf Leute Rücksicht nehmen, die sich nicht genötigt fühlen, auf mich Rücksicht zu nehmen? Alles andere wäre fast schon wieder christliche Nächstenliebe, die genauso utopistisch ist.
Nietzsche ist leichter (miß)verständlich (hat der nicht was über Machiavelli geschrieben?) , insgesamt weniger tief und Machiavelli ziemlich übersichtlich, aber etwas angestaubt. Vor allem kommen beide Deinem *persönlichen* schlechten Menschenbild entgegen.
Ich halte eine Theorie, die *ohne* spezifisches Menschenbild auskommt, für stärker.
Fröhliches Suchen. Definitiv jeder Philosoph geht von einem gewissen Menschenbild bei seiner Philosophie aus, entweder als grundlegender Basis oder aber als Extrem, mit der er die Möglichkeiten seiner Philosophie zugrunde legt. Eine Philosophie, die nicht von einem Menschenbild ausgeht, ist schlicht und ergreifend nicht für den Menschen gemacht oder auf ihn anwendbar. Und kein noch so freier Geist kann sich mit Philosophie beschäftigen, die sich nicht mit Philosophie beschäftigen. Es wäre definitionsgemäß keine Philosophie mehr, sondern Metaphysik.
Nietzsche ist leicht mißzuverstehen, weil es schwer ist, zu verstehen, was er eigentlich meint. Der Mann geht "seine" Philosophie aus verschiedenen Richtungen an, mal als Denker, mal als Künstler, mal als Wissenschaftler. Ich hab mich auch geärgert, als ich den Zarathustra zum ersten Mal gelesen habe, weil ich nichts verstanden habe. Was meinst du mit weniger tief? Das Werk gehört mit zu den komplexesten überhaupt.
Machiavelli geht ebenfalls von einem gewissen Menschenbild aus, wie könnte er auch anders. Angestaubt ist er in der Tat, aber es werden Zeiten kommen, da wird er wieder sehr aktuell werden. Ich glaube eigentlich sogar, dass diese schon wieder gekommen sind. Beispiel Präsident Bush, der sich eigentlich mal eine Scheibe von Machiavelli abschneiden sollte, wenn er sich schon so aufführt, wie er sich aufführt. Momentan widerspricht seine Handlungsweise nämlich jedem "Ideal" des monarchistischen Herrschers (und technisch gesehen ist genau das Bush mit all den Vollmachten, die er als Präsident besitzt), wie Machiavelli es als funktionierend ansieht.
- Das Volk ist gegen ihn (während Machiavelli meint, die Taten des Monarchen müssen klugerweise dahin führen, dass es für ihn ist)
- Er begeht eine Menge Graumsamkeiten, ohne jedoch seinem Volk etwas Gutes zu tun, was den Anti-Effekt verstärkt.
- Er erobert, obwohl er nicht die militärische Macht besitzt, zu erobern und zu festigen. (Machiavelli: Eroberungen mit entsprechender Macht werden durch den Erfolg legitimiert. Wäre Bush im Irak siegreich, dann würde es keinen kümmern, was er angerichtet hat. Eroberungen ohne entsprechende Macht sind töricht, weil die Legitimation durch den Erfolg fehlt.)
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Aber vielleicht mal etwas anderes: Du hast oben von einem utopischen Kapitalismus gesprochen. Inwiefern betrachtest du den Kapitalismus als utopisch?
Die einzige Idealvorstellung das Kapitalismus müsste es doch sein, dass die Firmenbosse den größten Gewinn bei maximaler Produktion, minimaler Produktions- und Lohnkosten und dem größtmöglichen Konsum der Bevölkerung machen. Oder wie dürfte man sich das vorstellen? Oo