Die Phantasielosigkeit des Montgomery Burdon

Ragnar

Freund des Hauses
Brennend und ölig glitt der Alkohol seine Kehle hinab und entzündete ein inneres Feuer der subtilen und stillen Befriedigung. Sein Blick,nun zunehmend nebliger, schwankte förmlich durch den Raum und besah sich der anderen Gäste. Er erkannte zwei dieser Airway-Transportfahrer, raue ungemütliche Typen,die kaum etwas außerhalb ihrer schweren Lastschweber kannten, einen schmierigen Typen,der Marke Zuhälter oder Drogendealer,im schlimmsten Falle beides,der mit einer wohl möglich jungen Frau, deren Gesicht schon viel zu alt aussah,diskutierte und schließlich den Wirt Ben,der sich aufgebracht mir einem Lieferanten unterheilt. Insgesamt kein schöner Ort, an dem man sich an einem Mittwoch gegen 15.00 aufhalten sollte,vor allem wenn man eigentlich im Büro erwartet wurde. Die Augen wanderten hinab zu dem Glas, das sein letztes Geld enthielt. Seine letzten finanziellen Mittel,wie glänzten sie schön in diesem goldenen Braun, mit diesem kräftigen Aroma.


Sein Unglück hatte etwa 16 Monaten zuvor begonnen, an einem zum damaligen Zeitpunkt sehr viel versprechenden Tag. Es war ein Montag, so wie es schon viele gegeben hatte in seinem Leben,doch dieser war besonders. Er läutete eine neue Ära ein, zumindestens dachte er das.
Fred Scott war ein einfacher Büroangestellter in einer der großen Versicherungsgesellschaften,die dieses Land mittlerweile aus der Kriegsdepression herausgeholt hatten. Der Grund war simpel und einleuchtend. Nach dem Krieg,bei dem beinahe die gesamte Erde untergegangen wäre,hatten die Leute Angst, panische Angst,dass ähnliche Dinge noch einmal passieren könnten. Damals hatten sie aus dieser Angst in vielen Fällen alle ihre Ersparnisse und Besitztümer geplündert,nur um nach dem doch nicht so katastrophal Krieg,zu merken,dass es noch einen Wert gehabt hätte. Seitdem, versicherten sich die Menschen,gegen jede noch so unwahrscheinliche Situation und brachten den Versicherungsgesellschaften gigantische Summen ein. Das Spiel mit der Angst, war seit Jahrtausenden ein machtvoller wirtschaftlicher Aspekt und viele Wirtschaftsbosse hielten sich gerne an alte Traditionen und Werte.
Fred hatte nie viel übrig für diesen Job, seit Anfang hatte er ihn gehasst. Immer schon hatte er andere Pläne gehabt, andere Träume und Wünsche für seine Zukunft. Doch auch seine Eltern waren große Verfechter der,so nannte es Fred gerne,bürgerlichen Spießerhaftigkeit. Sie wollten einen anständigen Beruf mit Aufsteigsmöglichkeiten für ihren einzigen Sohn, eine persönliche Trophäe ihres elterlichen Erfolges. Genau das war er,eine Statue erbaut zu ihren Ehren. Doch wie seine Wünsche nie Geltung gefunden hatten,so wurde auch ihr Wunsch von einem perfekten Sprössling in den Abgrund der Gesellschaft geworfen. Karriereleitern waren rar geworden und nur allzu oft waren ihre Sprossen morsch oder wurden im Akkord von Konkurrenten angesägt. Fred,der diesen Beruf ohnehin verwünschte, sah darin ein unwirkliches Unterfangen und heilt sich folgend von jeglichen Leiter ähnlichen Dingen fern. Auch die predigenden Worte seiner Eltern änderten daran nichts und so starben sie schließlich ungerühmt und verbittert über die Inkompetenz ihres einzigen Sohnes.
Fred war an diesem Tag, sie starben beide durch einen Schweberunfall, nicht einmal traurig gewesen. Für ihn war es viel mehr,als verbrannte dort oben auf dem Airway 63, eine Tonnen schwere Last. Als zerfiel sie in viele kleine Wrack und Körperteile,verschlungen von einer großen Explosion;ein Puzzle,dass sich nicht wieder zusammen bauen ließe. Zum Glück.
Dennoch hatte sich seine Lebensweise dadurch nicht geändert, er havarierte noch immer in seinem persönlichen Nirwana zwischen dem rhythmischen Alltäglichen und den sehnsüchtigen Träumen, der finsteren Nacht. Häufig hatte er darüber nach gedacht einen Therapeuten aufzusuchen, der ihm dann vielelicht einige Komplexe oder Störungen diagnostizierte und in einweisen ließ. Vielleicht war dies die richtige Art von Flucht,immerhin,der Staat sorgte gut für seinen vielen Irren und Geschädigten.


Fred erwachte an diesem Montag voller Lebenslust und Vitalität, er war ein vollkommen anderer Mensch. Wie konnte es auch anders sein? Dies war sein Tag, seine Tür in eine anderen glücklichere Zukunft. Der Zeitpunkt an dem Träume wahr wurden;daraufhin hatte er all die Jahre hingearbeitet. Ein Leben in relativer Armut geführt, beinahe sein gesamtes Gehalt aufgespart.
Ein kurzer Besuch im Bad,dann sprang er auch schon in seinen Schweber und machte sich auf den Weg. Für Frühstück war er ohnehin zu aufgeregt, später würde er sich sicherlich ein fürstliches Mahl gönnen und alles gebührend feiern.
Trottend gliederte sich sein alter Schweber der Marke Skywaver III in den Morgen Verkehr ein;bald würde er sich sicher einen neuen Schweber leisten können. Vermutlich sogar einen dieser neuen Sportschweber. Vieles würde sich ändern. Vieles würde er sich endlich leisten können und das auch mit Genuss ausleben können.


Nach vier Stunden Flug, eineinhalb Stunden stand er im Stau, erreichte er sein Ziel im Mittelpunkt der Metropole. Ehrfürchtig stand er vor dem Kilometer hohen Gebäude und lächelnd las er das gigantische Schild an dessen Frontseite.
„Creative Mind Design“,kurz CMD.
Schon lange vor Freds Geburt,kurz nach dem Krieg etwa,hatte sich die Gesellschaft in aller ihrer Depression in eine Kunstkultur verwandelt. Der Mensch hatte sich schon seit Anbeginn seiner Geburt immer wieder nach dem Ursprung der Ideen und Kreativität gefragt. CMD hatte sie schließlich gefunden und versiegen lassen. Ein spezieller Reizstoff unterdrückte die betreffenden Teile des Gehirns und verhinderte,dass diese an Nachkommen überhaupt weiter gegeben werden konnten. Seit dem war die CMD ein Monopol für Ideenreichtum. Fort an konnte man sich bei der CMD einen Chip einpflanzen lassen und durch diesen bestimmte Ideen beziehen,vorrausgesetzet natürlich man hatte das nötige Kleingeld. Kreativität wurde in bestimmte Güteklassen gespalten und dadurch simultan in verschiedene Preisklassen. Anerkannter Künstler zu werden, bedurfte also einem ungeheuren Vermögen.
Fred hatte mittlerweile ein kleines Vermögen angespart und war wild entschlossen,sich einen Hauch Ideen zu kaufen. Das würde nicht nur einen neuen faszinierenden Menschen aus ihm machen, sondern ihm hoffentlich auch zu neuen Kreisen Eintritt verleihen und zu wesentlich mehr Geld.


Hastig schritt er in die große Halle, und stellte sich in die kleine Schlange vor dem Empfangschalter. Eine Junge Dame saß hinter dem Glas, und tippte mit einer kaum fassbaren Geschwindigkeit an ihrem Computer,während sie besonnen und ruhig über ihr Headset Telefonate führte. Fred vermutete,das ihre Fingerknochen eines dieser neuartigen Implantate enthielt.
Ob er sich so etwas auch leisten könnte? Mit Sicherheit grinste er innerlich und malte sich auf seiner Gedankenleinwand die schönsten Dinge aus.


„Mister...?“unterbrach ihn die angenehme süße Stimme.
„Ja entschuldigen sie. Scott, Fred Scott. Ich bin hier wegen einer Stufe Sieben Erweiterung.“
„Gut Mister Scott,dann melden sich am besten umgehend bei unserer Stufe Sieben Abteilung.“
„Die ich wo finde?“,lächelte er zurück.
„Im siebten Stockwerk natürlich“.
„Natürlich“,sagte er und ließ den Nächsten vortreten.


Neiderfüllt musterte er die anderen Liftpassagiere, die allesamt Ebenen vor ihm ausstiegen und somit definitiv eine höherrangige Erweiterung erhielten. Lediglich ein älter Mann,in einem dunklen Anzug mit Hut verblieb mit ihm.
„Könnte man fast beneiden mhm?“,sprach er den Mann an.
„Wie meinen?“,entgegnete sein Gegenüber.
„Ich sprach von den anderen,Sie bekommen Erweiterungen der Stufen drei oder vier,einer stieg sogar bereits bei eins aus. Ich erhalte nur eine Stufe sieben Behandlung,aber das ist ja besser als nichts“. Fred versuchte freundlich zu lächeln,aber etwas an diesem Mann macht ihn nervös.
„Ich halte nichts von diesen Erweiterungen“,grummelte der Mann.
„Aber was machen sie dann hier“,fragte Fred erstaunt.
„Ich?Nun ich bin einer der wenigen Menschen,der durch einen genetischen Fehler,noch eigenständig kreative Ideen produziert. Das so etwas aber,wie sie wissen ja auf äußerte verpönt wird,verkaufe ich meine Ideen an die CMD. Vielleicht spuke ich schon bald in ihrem Kopf.“Er lachte Herzhaft und verließ den Lift,auf Ebene sechs. Fred stand noch immer da,perplex und nicht fähig etwas zu erwidern.
Die CMD hatte nicht das eigenständige Denken zerstört,oder die Fähigkeit sich Gedanken zu machen oder zu träumen. Sie hatten nur gezielt die Gedanken herausgefiltert,oder besser gesagt blockiert die zu Kreativität führten,die künstlerischen Formen unter den Gedanken. Es gelang jedem Menschen sich etwas bildlich vorzustellen,aber die Rezeptoren, um es dann etwa auf eine Leinwand zu malen,die waren nicht vorhanden.
Doch bei einigen Menschen gab es diese noch,sie waren eine Art Mutant,fähig kreatives Denken auszuüben. Doch wie der Mann richtig gesagt hatte,sie waren verschmäht in der Gesellschaft.


Der Lift schwang seine Türen auf und Fred betrat den breiten Korridor. Alles erstrahlte in einem hellen Weiß,und eine angenehmer frischer Minzgeruch lag in der Luft. Er war keine drei Schritte hereingetreten,da näherte sich bereits eine wunderschöne,in ein enges weißes Kleid gehüllte Frau, die ihm mit großen Azurblauen Augen begrüßte.
„Mister Scott?“
„Öhm ja,der bin ich,woher wissen sie..?“
„Wir sind gut informiert Mister Scott,und kümmern uns um all unsere Kunden sehr intensiv und persönlich“,sie hatte ein bezauberndes Lächeln.
„Das merke ich,das merke ich.“
„Nun,dann folgen sie mir doch bitte,in Doktor Gutiras Büro. Er wird dann alles weitere mit ihnen besprechen und dann kann es auch schon losgehen. Sie sind bestimmt furchtbar aufgeregt nicht wahr?!“Und wie bezaubernd ihr Lächeln war.
„Ja ein wenig, Man lässt sich ja nicht alle Tage einen Chip ins Gehirn pflanzen.“,lachte er verlegen.
„Das stimmt,Aber sie brauchen keine Sorgen haben. Unsere Doktoren sind allesamt Sozialisten auf diesem Gebiet und verfügen über jahrelange Erfahrung.“
Sie klopfte an eine weiße,reich verzierte Holztür,und öffnete diese schließlich,als von drinnen ein „Ja bitte“ zu vernehmen war.
„Doktor Gutiras,das ist Mister Fred Scott.“.
„Ah Mister Scott,ich habe ihre Krankenakte bereits erhalten und genausten studiert. Es spricht alles für einen risikolosen Eingriff.“
„Das ist ja wunderbar Doktor“,entgegnete Fred freudig und schüttelte dankend die Hand des Arztes
„Ich werde ihnen noch einige Dinge über das genaue Prozedere erklären und dann können wir beginnen,wenn sie einverstanden sind.?!“
„Sicher,ich kann es kaum erwarten.“
„Nun dann nehmen wir doch Platz“.


Wenige Stunden später erwachte Fred aus der Narkose,und war trotz leichter Kopfschmerzen, erleichtert und über alle Maßen fröhlich. Er konnte ein neues Leben beginnen.
Nach einigen Abschlussuntersuchungen konnte er die CMD,bereits am Folgetag verlassen.
Berge von kreativen Ideen schossen ihm durch den Kopf, und Fred war überwältigt im Angesicht der unzähligen Möglichkeiten,die sich ihm offenbarten. Wie mochte es mit einer Stufe eins Erweiterung sein? Mann fühlte sich sicherlich wie ein gottgleiches Wesen! Doch alles zu seiner Zeit. Jetzt wollte erst einmal die Früchte seines neuen Ich auskosten.


Die Monate zogen ins Land,und Fred strebte innerhalb der Geselschaft schnell nach oben. Seinen alten Job, hatte er noch am Tage der Entlassung aus der CMD gekündigt. Er machte nun in abstrakte Kunst,und war damit sehr erfolgreich. Auch verschiedene andere Galerien gedeiten unter seiner Schirmherrschaft. Er war zu einem modernen Mäzene erblüht. Geld,Häuser,Frauen,er hatte einfach alles. Seine innerlichsten Wünsche waren in Erfüllung gegangen,mehr noch er hatte sie alle übertroffen. Er hatte mittlerweile eine Erweiterung der Stufe drei und hatte viele Freunde und Bekannte in den unteren Stufen;nur die obersten Kreise bleiben im weiter verschlossen. Eine Frage der Zeit befand er.
Vertieft in seine eigene gesellschaftliche Wiedergeburt, war er blind für die Ereignisse,die sich in in der eigentlichen Gesellschaft taten. Immer mehr Menschen verfielen den traumhaften Angeboten der CMD und allmählich,gab es kaum noch Menschen ohne Erweiterung. Man nährte sich ungewollt dem Stand vor dem Krieg an,bald würde wieder jeder Mensch fähig sein kreativ zu denken. Doch simultan erwuchs eine gänzlich andere Pflanze,in mitten der Gier nach Kreativität.
Ein einzelner Mann, wurde zunehmend auffälliger auf eine gewisse Art erlangte er sogar Berühmtheit. Binnen der letzten Monate steigerte sich sein Ruf ins unermessliche,und er wurde zum Gesprächsthema Nummer Eins. Fred trank gerade einen ausgezeichneten Rotwein aus einem kleinen französischen Bergdorf,als er diesen köstlichen Tropfen schließlich über die gesamte Holowand spuckte. Zum ersten Mal,hatte sich seine Blindheit gelöst und er hatte den Mann gesehen,der zu einer neuen Kultfigur geworden war. Es war der Mann,den er bei CMD im Lift getroffen hatte,der unsägliche Mutant. Diese Schande von einem defekten Menschen.


Nur drei Monate später ging die CMD pleite und riss viele ihrer Kunden mit sich in den Ruin,so auch Fred Scott.
Die wirklich Reichen zogen die Fäden,und diese hatten sich am Beispiel des Mannes,der ohne jegliche Kreativität durchs Leben zog,während alle um ihn herum nach Ideen gierend ihr letztes Geld gaben,beschlossen,das es an der Zeit war einen anderen Weg zu gehen.


Fred nahm den Whiskey,und damit sein letztes Geld in einem Schluck und schritt dann hinaus auf die Straße. Geblendet vom reflektierendem Licht blinzelte er auf das gigantische Werbeplakat.
„Genug von Kreativität?Seien sie phantasielos,Seien sie Montgomery Burdon“.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Ragnar:

Man merkt dass Du Übung im Schreiben hast, nicht schlecht.

Gibt's eigentlich von Dir ein größerse zusammenhängendes Werk, oder schreibst Du hauptsächlich Kurzgeschichten?:-D


TheDaywalker;)
 
:lol:Klick mal in meiner Signatur auf den Nostlagika Link;da ist das erste Kapitel meines Buches;ich bin noch am überlegen ob ich weitere Kapitel veröffentliche,da ich gute Aussichten habe,das Buch veröffentlichen zu können8)

Ich denke aber ja;ich werde wohl noch 2-3 Kapitel veröffentlichen;


Ansonsten befasse ich mich mit Kurzgeschichten und Gedichten;AUch um neben dem Buch andere Ideen abfließenzu lassen,damit ich wieder freien Kopf für das Buch habe.
 
Verdammt gut xD Wie immer, obwohl noch recht viele Schreibfehler drin sind. Teilweise hab ich auch das Gefühl, dass was fehlt...
Also wenn du da jemanden brauchst der Korrektur liest kann ich das gerne machen, hab während der Schulzeit ja wieder genug Zeit^^

mfg. Anton
 
Fehler ja okay:lol:die korrigiere ich generell immer so 4 Jahre später;)

Fehlen tut aber definitv nichts;was meinst du denn?