Zunächst einmal, Ricardo, brauche ich keine offizielle Belehrung darüber, was der Almanach im Augenblick ist. Ich weiß es selbst, ich kenne den Grund, weshalb ich mich als Schreiber so nicht daran beteilige. Hingegen kann ich mir gut vorstellen, dass dieser kategorisch-offizielle Ton schon den ein oder anderen abgeschreckt haben könnte. Für meinen Teil ist das nicht nötig, wir alle mögen ElderScrolls, gebt euch daher vielleicht mal etwas lockerer, hm?
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Tja … ich habe dazwischen wenig mehr als einen Verweis auf den status quo des Almanachs und etwas über die Marke ElderScrolls gelesen. Beides hat mit einer inhaltlich angemessenen Kontextualisierung von Lektion 21 leider nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Möchte der Almanach einfach nur ein uninspiriertes Markenwiki sein, das versucht offizieller zu sein als Bethesda selbst? Es ist traurig, wenn sich die Wissenssammlung zu einer fiktiven Weltenschöpfung über ein Copyright-Zeichen und nicht über die Lore selbst zu definieren sucht. Paarthurnax erwähnt die Kalpa-Wende – man kann das nicht so umfassend darstellen, wie es konzipiert ist, ohne die
Seven Fights, die
Five Hundred Companions,
Shor Son of Shor und noch mindestens zwei weitere OOGs einzubeziehen. Stattdessen nun ein offizielles Markenkalpa und ein inoffizielles, das nicht in den Almanach gehört? Na bravo. :roll:
Dabei rät uns doch selbst das offizielle ESO (
Introduction to Aedric Studies):
"Outside reading and sedulous note-taking are necessary for full understanding of the lectures. All required outside texts referenced can be found in the fine library […]."
Wobei nicht schwer zu erraten sein dürfte, was mit
outside reading und der
fine library gemeint ist. Und ich garantiere dir bei dem bisschen, was ich von ElderScrolls-Lore verstehe, dass Kirkbrides OOGs für Kosmogonie, Mythen und Metaphysik und manches weitere nun einmal essentiell sind. Kein ernstzunehmender Gelehrter tamrielischer Lore sollte sie im Almanach ignorieren müssen.
Weshalb es für meine Begriffe auch lächerlich ist, wenn sich eine Aurbis-Darstellung (aus der Vedam wirklich, mein größer Respekt, das beste herausgeholt hat) nun auf ein Fragment der 36 Lektionen beruft und relevante Texte dazu ausklammern soll – diese Ironie, ausgerechnet die Lektionen, die selbst im Englischen unter willkommenem Einbezug der OOGs noch sehr schwierig zu greifen sind, im Deutschen hingegen vor unkorrigierten Übersetzungsfehlern wie der großartigen
Frau des Netch nur so überquellen und noch nie ansatzweise in ihrem ganzen Spektrum jenseits historischer Versatzstücke erfasst worden sind. Aber aus der Not heraus ausgerechnet diesen kompliziertesten aller möglichen ElderScrolls-Texte zitieren zu müssen, um ein Konzept zu illustrieren, das klar und deutlich in den eigenen Erklärungen des Verfassers zu diesen Aspekten ausgebreitet wird, ja auf das wir dort erst richtig aufmerksam geworden sind, ohne
Vehks Lehren dann auch zitieren zu dürfen, das nenne ich wirklich bemerkenswert absurd.
Und mit der Anregung, mal einen Blick über den Tellerrand zu werfen meine ich, dass sich auch der Almanach einmal ansehen könnte, wie die anderen großen ElderScrolls-Seiten und Bibliotheken die OOG-Texte handhaben und von ihnen profitieren. Die
Imperial Library – nicht umsonst von Greg Keyes, der die metaphysischen Türme aufgreift, in seinen Danksagungen benannt – hat eine eigene Sektion für Entwicklertexte, in die auch bei weitem nicht jeder Text aufgenommen wird. Die UESP erlaubt OOG-Referenzen in den Hauptartikeln, was etwa den hervorragenden
Eintrag über die Türme enorm bereichert. Die Verweise stehen unter den übrigen Referenzen und sind mit einer knappen Anmerkung versehen, ein sicher auch dort umstrittener, aber möglicher Kompromiss, mit dem sich zumindest arbeiten lässt. Die
Grande Bibliotheque de Tamriel hat mich zuletzt sehr beeindruckt. Sie hat nicht nur mehr Out-of-Game-Texte als selbst noch die IL in ihrer Schriftensammlung, sondern arbeitet diese Lore auch gleichwertig in ihre Artikel mit ein, manche basieren sogar ausschließlich auf OOGs. Das ElderScrolls-Universum wird hier ganz unabhängig von irgendwelchen Markenstempeln verstanden, kurzgefasst:
„La Grande Bibliothèque de Tamriel se base, sans discrimination, sur le contenu dit "officiel", tiré des jeux et livres édités par Bethesda, et sur l'univers étendu." (
längere Version).
Selbredend sollte der TA souverän genug sein, eine eigene Position zu finden. Wenn allerdings drei große Lore-Bibliotheken, die zwei maßgeblichen englischen und die französische, mit guten Gründen und inhaltlich bereichernd OOGs einbeziehen, warum kann das nicht auch der Almanach? Die Lore, um die es doch gehen sollte, ist jedenfalls keine andere.
Der Kanon-Begriff ist inzwischen so vergiftet, dass ich ihn am liebsten ganz meiden möchte. Er ist problematisch, weil er Allgemeingültigkeit beansprucht und doch ganz subjektiv wahrgenommen wird, weshalb sich diese nervtötenden Kanondebatten (die jeder an irgendeinem Punkt mal mitmachen sollte, um daraus zu lernen) auch stets im Kreis drehen (
„wie zwei Schwimmer ringend sich umklammern erdrückend ihre Kunst“, könnte man fast sagen), bis es jemand leid ist. Persönlich kann ich die Vorstellung offizieller Fiktion etwa nicht ernstnehmen, zumal ihr Zustandekommen oft nur die
profansten Gründe hat. Sebbl über mir setzt Lore und Kanon synonym und spricht von "offiziell wahr". Ich würde dir in allem widersprechen, aber das führt nur in endlosen Zirkelschluss statt inhaltlich konstruktiver Auseinandersetzung mit Texten. Mal ganz davon abgesehen, dass eine zentrale Anlaufstelle wie der Almanach die Community doch besser nicht durch strenge Eingrenzung auf eine „offizielle Marke ElderScrolls“ entzweien sollte, ist ES-Lore so wunderbar reich an Grauzonen, dass eine solche Unterteilung meines Erachtens nach auch ganz pragmatisch unsinnig ist:
Da sind z.B. die ganz offiziellen
ESO-Loremaster-Antworten aus deren Archiven. Wenn der gute Mann in seiner Antwort (Copyright Zenimax) von einer
„transmundanen Entität namens Mr_Flippers“ spricht – ein australischer Loremaster gleichen Nicknames hatte die Frage gestellt – ist diese
transmundane Entität dann nicht, offizieller Marken-Logik folgend, einen seriösen Lore-Eintrag wert? Letzte Woche hat mich MKs französische Übersetzerin aus der Grand Bibliotheque darauf aufmerksam gemacht, dass der französische Monomythos ein paar kleine Fragmente aufweist, die es weder in EV noch DV zu finden gibt, in einem Satz taucht das seltsame Wort „Ixtaxh-thtithil-meht“ auf, das in der „Höllenstadt“ wieder aufgegriffen wurde. Da ist auch noch ein französischer Text im offiziellen
Arena-Handbuch, der sich komplett von unserem und der EV unterscheidet, Uriel hat dort sogar eine Tochter. Überhaupt Arena, der erste Titel, der in vielem noch bestenfalls Proto-Lore zu nennen ist. Im Almanach steht sogar ein Text, der noch
vor Arena datiert. Und vergessen wir auch nicht, dass die ganze Serie nicht monolithisch zu verstehen ist, sondern aus
unzuverlässigem Erzählen eine Tugend gemacht hat und man besser keinen historischen Roman zitieren sollte um zu beweisen, dass Barenziah [
auf Befehl des Tempels zensiert]. Es gibt eine Menge Grauzonen in über 20 Jahren ES-Geschichte, die Liste lässt sich sehr weit fortsetzen. All das verlangt nach inhaltlichem Augenmaß statt radikalen Schnitten, die in diesem Dschungel genauso unmöglich sind wie eben im Dschungel Cyrodiils.
Deepfighter hat einmal im alten Bethforum nach dem König von Erstburg gefragt, der mal Reman und mal Karoodil genannt wird. Ted Peterson hat geantwortet, dass sie ein und derselbe seien, heraus kam der Almanachsartikel zu
Reman Karoodil entsprechend Uncle Sheos Antwort. Wenn nun MK, sogar noch In-Character, etwas zu Shor schreibt, den er erdacht hat, ist das meiner Meinung nach für einen Shor-Artikel nicht minder wichtig.
„Aber MK hat gar nichts mehr mit Bethesda zu tun!“ - erstens ist das in dieser Plakativität schlichtweg falsch, zweitens hat der aktuellen Arbeitsvertrag eines Devs ebenso wenig mit Lore-Inhalten zu tun wie die „Marke Elderscrolls“ allein Lektion 21 erklären kann. MK hat Bethesda noch vor Tribunal verlassen, ist Community und Reihe aber verbunden geblieben, schrieb für Oblivion und KotN und hatte auch in Skyrim seine Finger im Spiel, wie Kuhlmann bestätigt hat – diese Entwickler sind, wie mir scheint, weitaus lockerer und pragmatischer als ihre Fans und Wikimans. Überhaupt ist er mit Ted Peterson wohl der einflussreichste Schreiber der Reihe, maßgeblich verantwortlich für die Fremdartigkeit Morrowind und jenes facettenreiche, anspruchsvolle Geflecht aus Mythen und Metaphysik, das eine der größten Qualitäten von ES-Lore ausmacht. Ist doch wunderbar, wenn er dieses Gedankengebäude nachträglich noch weiter erklärt, verfeinert oder verrätselt. Gibt es wirklich keinen besseren Weg als MKs loremäßig relevanten, literarisch beeindruckenden Input prinzipiell zu ignorieren?
So ein Problem bei Obscure Lore ist doch wo man die Grenzen zieht.
Klar, natürlich muss der Almanach irgendwo seine Kriterien und Grenzen haben – der OpenSource-Ansatz von C0DA, den Tomorrowind verfolgt, ist für den Almanach wohl in der Tat keine Option. Aber diese ohnehin arbiträtren Grenzen lassen sich, wie die Beispiele oben zeigen, eben auch anders ziehen, unabhängig von abstrakten Markennamen, die nichts mit Lore zu tun haben.
Sinnvoll und bereichernd für den Almanach erscheint mir der Einbezug von Entwicklertexten –, -interviews und -zitaten nach den Kategorien der Imperial Library. Die Schriften müssen von Devs verfasst worden sein und sich mit Lore-Aspekten auseinandersetzen, also nicht Apocrypha (wie meine „
Über Seide“-Übersetzung), sondern Entwicklertexte. Ich könnte die Bibliothekarin dort nach den genauen Kategorien der IL fragen.
Machen wir es wie uesp, verwenden sie in Hauptartikeln und zitieren sie einfach mit gesonderten Fußnoten, denen ein entsprechende Anmerkung vorangestellt ist, wenn das hilft.
Keine Artikel, die nur auf OOGs beruhen, aber zulässiges Zitieren und Thematisieren in Hauptartikeln – Shor, Vivec, Kalpa, Aurbis etc – wo es angebracht ist. Ich sehe ja, dass die französische Variante vielleicht ein zu hoher Sprung wäre, aber konsequentes Ausklammern ist keine befriedigende Lösung. Unnötig zu sagen, dass ihr Überarbeitungen meiner paar Übersetzungen haben könnt und ich Feuer und Flamme wäre, die restlichen Texte abzuschließen und für den Almanach aufzubereiten. Seltene Bücher haben einer Bibliothek noch nie geschadet und kein Leser, Ricardo, ist meiner Meinung nach so unsouverän, dass er durch Exklusion vor irgendetwas „geschützt“ werden muss, worüber reden wir da eigentlich?? Gute Quellenangaben in bewährter Almanachsmanier und eine knappe, nicht wertende Anmerkung a la uesp müssten doch genügen, damit sich niemand in obskuren Dschungeln verirrt.
„Verdammt, Cyrodiil ist gar kein Dschungel!“ - „Aber der offizielle PGE1 sagt doch, dass es ein Dschungel ist!“ - „Und Cinnabar von Taneth behauptet, dass ...“ - „Und wissenschaftlich betrachtet ...“ - „Und Transkriptionsfehler einkalkuliert“ - „Augenblick, hat Heimskr in Weißlauf nicht auch etwas dazu gesagt?“ - „Ja, hat er ...
Ich atme nun, in königlicher Pracht, und gestalte dieses Land, das mir gehört. Dies tue ich für euch, Rote Legionen, denn ich liebe euch. Hm? Und was bedeutet das alles? Worum geht es da eigentlich? Wann hat Talos das gesagt? Welches Land gestaltet er, was ist so besonders daran? Was sind seine Roten Legionen, die er so sehr liebt? Und warum atmet er in königlicher Pracht?“- /////////// - „Also, da gibt es noch eine Überliefung, ein ganz kurzer Text, der so beginnt:
Und nachdem der Thron von Alinor endlich vor den Füßen der Menschen brach und Nachrichten davon zum Drachenkaiser von Cyrodiil kamen, versammelte er seine Hauptleute und sprach zu ihnen ... "
Als lore-interessierter Leser jedenfalls wünsche ich mir mehr als ein kleinmütiges Markenwiki, das wichtige Texte ignoriert und seinen Umgang mit Lore nur darum beschränkt, weil man sich einem erstarrten Offizialismus verpflichtet sieht. Das ist schade, denn damit bleibt dieser feine Almanach weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. :?