naja, ich weiß zwar nicht ganz genau worum es hier mit den Kirkbride-Dingern oder dem Obscuren geht
Das ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie immer neu.
Es geht um die Darstellung von ElderScrolls-Lore in ihrem Verhältnis zum offiziellen Kanon. Um es eingangs zusammenzufassen: Es gibt eben Bethesdas offizielle Veröffentlichungen und davon unabhängig herausgebrachte Texte ehemaliger Entwickler, besonders von Kirkbride. Mein Ansatz besteht darin, Lore-Relevanz weiter als nur Bethesda-Kanonität zu fassen, Killfetzer möchte lieber nicht darüber hinausgehen. Darüber diskutieren wir nun ganz entspannt, obwohl das Thema durchaus nervenaufreibend sein kann.
Ich habe hier einen diese Angelegenheit ganz gut zusammenfassenden Ausschnitt aus einem im offiziellen Bethesda-Forum angepinnten
Einführungsthread in die Lore einmal grob übersetzt:
Obskure Texte, oder: Was ist Kanon?
Obskure Texte ist ein Begriff der Imperial Library für In-Charakter-Informationen, die von Entwicklern mit der Absicht gepostet wurden, die Lore zu erweitern. Die Informationen variieren ihrem Wesen nach: einiges sollte ursprünglich eingefügt werden, wurde es dann aber aus irgendwelchen Gründen doch nicht, andere sind erweiterte Versionen von Texten, die sich bereits im Spiel befinden, wieder andere sind ganz neue Dokumente. Der Kontext ist ebenfalls verschieden: einige sind in erster Linie humoristich, andere sollten Diskussion und Theorien anregen, während noch andere Erklärungen für Inkonsistenzen innerhalb der Spiele bilden. [...] Diese Texte gehören im Studium der Lore zu den meistdiskutiertesten Problemen. Die Debatte läuft darauf hinaus, was Kanon ist. Wikipedia definiert Kanon als "Materialkorpus, der als originär/authentisch oder offiziell" gilt. Bei einer Serie, die 17 Jahre, 11 Spiele, 3 Erweiterungen, 6 DLCs, 4 Spielanleitungen, zwei Romane und zahlreiche Bonusmaterialien umfasst ist nicht ganz einfach zu entscheiden, was "offiziell" umfasst. Das Universum schreitet immer fort und verändert sich ständig. Obskure Texte werden von vielen für Kanon gehalten, da sie
1) von denselben Leuten geschrieben wurden, die die Spiele gemacht haben
2) Fehler und Auslassungen in Ingame-Material erklären
3) von Ingame-Informationen gestützt werden und
4) mehr Informationen zur Untersuchung bereitstellen.
Es ist nicht Intention dieser Einführung, über die Validität von Out-of-Game-Materialien zu streiten - die Definition von Kanon sei euch überlassen. Ich für meinen Teil benutze jedoch obskure Texte (insbesondere im Bereich zur Religion), weil die Untersuchung einiger Themen ohne sie nahezu unmöglich wird. (von LadyNerevar, 2010/11)
Das nur eine mögliche Darstellung obskurer Texte. Besonders wird die notwendig enge Verzahnung dieser Schriften mit eigentlichem Ingame-Material betont sowie, dass es sich um verschiedenste Arten von Ergänzungen einzelner Entwickler handelt, es hat dahingehend imo mitunter plausibleres Erklärungspotential als viele unserer nur auf die Spiele rekurrierenden Konstruktionen.
Ein Beispiel: Kirkbride hat etwa jeden einzelnen Schöpfungsmythos der tamrielischen Kulturen verfasst, die wir im Spiel nachlesen können, darüber hinaus im Bethesda-Forum noch einen für die Tsaesci sowie einen Text darüber, warum die Nord mit ihrer auf Kalpa-Zyklen (allein dieses Wort, das sonst nur im "Lied von Pelinal" auftaucht, bleibt ohne diese Erklärung im TES-Kontext unverständlich) basierenden Weltsicht keinen konventionell-monomythischen Ansatz haben. Für mich wäre es die logische Vervollständigung, so etwas als inoffiziell markiert in einem Artikel über Schöpfungsmythen zu lesen. Um genau solche in der Tat noch sehr unterrepräsentierten Inhalte geht es im Grunde auch nur.
Warum man es nicht wie andere Wikis lösen möchte, die ebenfalls unkanonische Inhalte einbinden (etwa der ganze "Legends"-Bereich in den StarsWars-Wikis, was früher mal "Erweitertes Universum" hieß und wogegen obskure Lore im Volumen lächerlich gering ist) und auch nicht mit zwei unterschiedlichen Kanonitätsstufen arbeiten möchte?
Und uns wird jetzt schon vorgeworfen zu kompliziert zu sein. Jetzt sollen wir auch noch Kanonitätsstufen einführen?
Das würde es nicht komplizierter machen (kompliziert ist z.B.
das hier, wenn auch nicht mehr gültig) - mit zwei Kanonitätsstufen arbeitet der Almanach doch jetzt schon, um besagte MK-Texte auszuschließen. Man könnte dem praktisch ganz einfach mit einem Kästchen a la "Der folgende Abschnitt basiert auf als inoffiziell/unkanonisch eingeordneten Quellen" vor entsprechenden Infos Rechnung tragen. Es geht eben nicht darum, die Grenze zu für den Almanach tatsächlich vollkommen irrelevanter Fanfiction aufzulösen. Die IL nimmt schließlich auch keine in der englischen Community
Apokrypha genannten Werke
wie die hier auf, sondern hat ebenfalls seine Kriterien für obskure Texte (siehe oben). Aber ES-Lore muss nicht "aus einem Kanon" sein - das genannte Beispiel aus dem StarWars-Bereich sollte nur zeigen, wie gut ein Fanwiki mit so etwas umgehen kann.
Wenn wir uns bei den anderen ES-Wikis umsehen, um mal den Blick über den Tellerrand schweifen zu lassen, haben die Franzosen aus Wiwilands
Grande Bibliothèque de Tamriel, ungefähr dem französischen Pendant zu Scharesoft und Tamriel-Almanach, viele obskure Texte in einer eigenen Kategorie ihrer
Schriftensammlung aufgenommen. UESP p hat sie nicht drin, erlaubt aber offenbar entsprechende Anmerkungen
unter Vorbehalt. Die IL ist natürlich eine Hauptquelle für seltene und einzigartige ES-Texte und hat darum auch viele Entwicklertexte integriert, eine Aufteilung zwischen IL und UESP, die sich in der Community eigentlich ziemlich bewährt hat. Wir haben eben keine deutsche IL, der Almanach möchte etwas eigenständiges sein und soll ja auch seinen eigenen Weg gehen (in Bezug auf genaue Quellenverweise ist das zugegebenermaßen wirklich nicht schlecht), aber in Bezug auf die sinnvolle Integration besagter Lore haben uns die anderen Seiten imho einfach etwas voraus.
Wie es ganz konkret bewerkstelligt werden soll, Lektion 21 ohne den dazugehörigen obskuren Text überzeugend zu interpretieren?
Muss alles es aufgeklärt werden? Manche Dinge, wie das Verschwinden der Dwemer, werden erst durch ihre Mysteriösität interessant. Ich finde, was ich beim konzentrierten Durchgehen ohne jegliche Kenntnis von Obscure Texts dort inzwischen rein interpretieren konnte, sehr erstaunlich (siehe meine Arbeitsseite).
Ja, aber unsere Federn sollten doch nicht aufhören, es mit Erklärungen zu versuchen,
Wo bleibt der neugierige Gelehrte und Forscher? Denn Sammeln und Erklären durch vernünftiges Kontextualisieren ist doch Aufgabe des Almanachs. Das großartige an TES ist ja, dass sie (besonders seit Morrowind) unzuverlässiges Erzählen par excellance verwendet haben. Es zwingt dich niemand, Lektion 21 mit "Vehks Lehren" auszulegen wie ich es tun würde oder im Umkehrschluss mich, deine eher (natur)wissenschaftliche, skeptische, rationale Perspektive zu teilen, so interessant und bereichernd ich sie auch finde. Aber aus Kanonitätsgründen auszuschließen, was für eine umfassende Kontextualisierung entscheidend wäre, kommt in bestimmten Lorebereichen dem bewussten Wegwerfen von Interpretationsschlüsseln zum Inhalt gleich.
Natürlich kann man die Lektionen auch ohne weiterführend obskures lesen und dabei einiges herausholen, sicher sogar z.B. auf historischer Ebene sehr viel interessantes. Aber sobald metaphysische Konzepte und Strukturen eine Rolle spielen, geht es kaum mehr ohne die Bedeutungszusammenhänge aller MK-Texte, weil der Verfasser die Relevanz der dargestellten Inhalte nie von kanonischer/unkanonischer Veröffentlichung abhängig gemacht hat. Das unbestimmte, rätselhafte Element gefällt mir übrigens auch, aber daran wird es in ES mit Sicherheit nie fehlen. Wenn du dich sorgst, dass sie zu viel aufklären könnten - alles, was obskure Lore enthüllt, wirft garantiert hunderte weitere, faszinierende Fragen auf.
Warum Kontextualisierung durch obskure Texte nicht als begrüßenswerte Kommentierung bestehender Lore betrachtet wird, eine einmalige Ergänzung von Ideen, Anmerkungen und Erläuterungen zur Lore, wie z.B. auch genug Filmregisseure noch nachträglich ihr Werk besprechen?
Ich sehe da einen deutlichen Unterschied zwischen Anmerkungen (Trivia: Das ist auch Thema in Obscure Text XY) und eigenständigen Inhalten (Artikel: Obscure Text XY).
Man könnte, wie auch von Vorpostern vorgeschlagen, auf eigene, umfassende Artikel verzichten. Trivia finde ich dazu aber allgemein noch recht vage, denn neben RL-Verweise, etwa dem biblischen Dagon oder Hermaeus Moras Lovecraft-Vorlage, würde ich etwa für Mythen/Metaphysik zentralen Content obskurer Lore nicht stellen. Allerdings sind derzeit auch viele Lore-Informationen unter Trivia gefasst. Sinnvoller erscheint mir ein eigener Punkt innerhalb des Artikels - sagen wir, "Morihaus in obskurer Lore", "Erweiterte Kosmologie-Darstellung" - versehen mit so einem inoffiziell/unkanonisch-Kästchen.
Ob es nicht bedauerlich wäre, etwa die nur wenigen, aber allein im Almanach stehenden Texte von zweifelhafter Kanonität - "Lektion 0" und den "Weg in die Arena" - mit aller Konsequenz restlos zu löschen, wenn man dahingehend schon rigoroser sein möchte als Bethesda selbst (so offen gesagt mein Eindruck)
Die Lektion 0 ist mir ein Dorn im Auge und wäre mit meiner Überarbeitung der 36 Lehren auch verschwunden. Die derzeitige Begründung, warum sie als einzige im Almanach steht, ist wohl, dass sie mal auf der offiziellen Elder Scrolls Seite verlinkt war. Dazu kann ich nichts sagen, das war vor meiner Zeit.
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Mir erschien sie dort immer am Besten aufgehoben, ihr Verlust wäre bedauerlich, aber ich verstehe, dass man eine Linie finden muss. Das besprechen wir hier schließlich. Interessant zur weiteren Aufschlüsselung der Lektionen, wie Schare auf der Diskussionsseite schreibt, oder als Kommentierung ist Douglas Goodalls Variante allemal (
Link). Verdeutlicht auch nochmal, dass es nicht nur (hauptsächlich, aber nicht ausschließlich) um Kirkbride-Texte gehen muss. In den offiziellen Foren (wir sprechen von Bethesda immer als gesichtsloser Organisation, aber tatsächlich sind diese Leute ja nichts anderes als aktuelle oder ehemalige Bethesda-Entwickler) gab es, das nur am Rand, auch schon Texte, Comments, RPs, Interviews von Rolston, Kuhlmann, Goodall, Noonan und Ted Peterson. Allein schon en masse kein Vergleich zu MK, aber das nur erwähnt, weil es auch hier um Fragen zu Lore/Kanon geht, die sich nicht nur an einer Person mit aufhängen sollten. Aber wenn Lektion 0 gelöscht wird, würde ich den "Weg in die Arena" auch entfernen. Wäre schade um die Übersetzung/Kommentierung von Deep und mir, aber diesen Text wirst du nach strengen Kriterien auch kaum kanonisch nennen können. Und was ist mit Concept Arts, die es nicht ins Spiel geschafft haben?
- Warum TES-Lore im Almanach nur mit "Offiziell-Stempel" statt als großer literarischer, intertextueller Narrativ verstanden wird, der auch unabhängig vom derzeitigen Arbeitsvertrag der Autoren oder strikter Spielbindung funktioniert?
Wenn wir nicht Bethesdas eigene Definition von Kanonität ("Taucht in den Spielen auf") verwenden, wo sollen wir die Grenze ziehen? Bei Kirkbride, weil er eine riesige Fanbasis hat? Bei jedem ehemaligen Mitarbeiter, der der Meinung ist, irgendwas zu schreiben? Bei jeder Fanfiction? (Weil genau genommen, sind die Obscure Texts nichts anderes. Texte mit weiterer Story von einem Fan (= kein Mitarbeiter) der Reihe)..
Solche notwendigen Eingrenzungen sind immer willkürlich, auch die von Bethesda. Der Almanach braucht eine Grenze, aber er kann sie auch hinter den Entwicklertexten setzen, wie es die Il macht, deren Kriterien oben aufgeführt sind. Definitiv nicht, weil Kirkbride-Texte in großen englischen Communitys gerne und ausführlich diskutiert werden. "Fanfiction"... nein. Mir gefällt nicht, was der Begriff im Netz leider zumeist abwertend assoziiert, aber auch wenn du ihn davon befreist und es "technisch" meinst, stimmt es imo nicht ganz, denn es geht um Texte von ehemaligen Entwicklern, also den Leuten, die das sich auch immer verändernde Bethesda einmal ausgemacht haben. Eine Grenze sollte diese Erweiterungen allein schon aufgrund ihrer Relevanz für oftmals von ihnen selbst entwickelten Bethesda-Kanon nicht kategorisch ausschließen.
- Und schließlich ob für die Lore-Aufbereitung insgesamt bereichernde Kompromisse möglich wären?
Über sinnvolle Kompromisse bin ich immer bereit zu reden.
Das ist gut und wir sollten es bei so einem Thema alle sein. Synthoras und Vedam haben ja auch schon ein paar sinnvolle Vorschläge gemacht, ich habe oben auch noch etwas zu praktischen Anwendungsmöglichkeiten geschrieben. Sehen wir mal, was sich für den Almanach daraus machen lässt.
PS: Bei allen kanonischen und unkanonischen Magne-Ge, ich habe wirklich noch nie so lange für einen Post hier gebraucht als gerade zu diesem Thema xD
Edit: Verzeiht bitte, wenn Ladyfalk mich unten geringfügig anders zitiert hat, ich habe gerade hier im Edit nur noch etwas präzisiert. Sinngemäß alles richtig, nur damit keine Verwirrung aufkommt