Der weiße Bujal - Teil 5
Der Schall der Stiefel war wie ein Taktgeber des Verderbens für Simbald. Mit jedem Schritt, jeden weiteren Ton der von dem kalten Felsen reflektiert wurde und in die Ohren des Wachmanns drang, kroch das Unbehagen etwas mehr seinen Nacken hinauf und bohrte sich wie die unausweichliche Gewissheit, dass er entdeckt und für seinen Fluchtversuch mit dem Leben bezahlen würde, in den kahlen Schädel. Gusco klammerte sich in seinem Käfig an die Gitterstäbe und würde sich sämtliche Fingernägel abkauen, wenn er das nicht schon längst getan hätte. Simbald beeilte sich. Er musste hier raus! Im Käfig war er geliefert. Erneut warf er sich mit der inzwischen tauben Schulter gegen die gegenüberliegende Wand seines kleinen Kerkers. Es war längst über den Schmerz hinaus. Sein Puls pochte. Der Yaral merkte es in seine Halsschlagader. Er merkte es in seiner Schulter. Das Adrenalin verstärkte diesen Effekt nur noch und er war sich sicher, dass sein ganzer Arm inzwischen schon Blau war von den vielen Stößen gegen die Gitterwand. Da! Endlich war der Käfig gegen einen der Tische gestoßen. Die aufgebaute Apparatur wackelte klingend bedrohlich ob des Stoßes. Die Schritte waren nun ganz nah. Simbald bildete sich sogar ein, dass sie schneller geworden waren je näher sie kamen, aber vielleicht spielten ihm seine Sinne einen Streich. Er verdrängte den Gedanken. Es galt sich zu konzentrieren, wenn er überleben wollte. Für den Barden war die Spannung fast nicht mehr auszuhalten. Er fühlte sich so hilflos in seinem Käfig. Weder konnte er irgendetwas tun um seinem Kerkergenossen zu helfen, noch um sich zu beruhigen. Er war bar seinen Gedanken und Emotionen ausgeliefert und fühlte sich wie ein verletztes, blutendes Schwein, welches vor einer ausgehungerten Meute von Wölfen davonzukommen versuchte.
Simbald streckte seine Arme zwischen die Gitter. Sie passten zwar durch, aber aufgrund seiner Größe war seine Reichweite ziemlich begrenzt. Es fehlten nur wenige Zentimeter zur rettenden Flüssigkeit. In diesem Moment war es Simbald auch völlig egal ob das Zeug was da gelblich vor sich hin blubberte wirklich nützlich war. Es musste einfach Metall brechen können. Er hatte nur diese eine Chance! Doch so sehr er sich einfach streckte. Bis auf die verheißungsvolle Wärme des kleinen Feuers unter dem Glaskolben spürten seine Fingerspitzen nichts. Es kam einfach nicht ran. "SOSO! Da haben wir wohl einen ungezogenen Gast, was!" Es war aus! Simbald war sich sicher. Die raue Stimme, welche durch den Raum gerufen wurde, ließ den jungen Wachmann derart zusammenzucken, dass er sich böse am Metall des Käfigs stieß. Er merkte wie er am ganzen Leib zitterte. Die Schritte kamen näher. Sie waren hinter ihm, doch der Gefangene wagte nicht sich umzudrehen. Auch von dem Barden hörte er keinen Laut mehr. Ob er ebenfalls vor Angst gelähmt war? Es war egal. Er konnte ihm nicht helfen. Niemand konnte ihm jetzt noch helfen. Drombard würde ihm einfach einen Speer in den Leib rammen, oder mit irgendeiner sein Lösungen übergießen und zusehen wie er bei lebendigem Leibe verbrannte, oder schmolz, oder irgendwie anders sein Ende unter grausamen Schmerzen fand. Die Schritte waren langsam und überlegen. Simbald sah ihn nicht, aber konnte sich vorstellen wie selbstgefällig der Mistkerl grinsen musste. Er ging langsam zu ihm herüber. Jetzt war er so nah, dass er ihn in seinem Nacken sogar atmen hören konnte. Doch Simbald rührte sich nicht. Er wagte es nicht. Er konnte nicht. Sein Körper war wie gelähmt. Langsam schob sich die Hand eines Yaral in sein Blickfeld und griff nach der Lösung die er selbst eben noch erreichen wollte. So würde es also ausgehen, wie er schon dachte. Übergossen und verätzt oder Schlimmeres. Der Yaral wollte es nicht mit ansehen. Er schloss langsam die Augen, verdunkelte seinen Blick vor der Welt, mit der er abgeschlossen hatte. Dann hörte er es nur noch zischen und erwartete jeden Moment unsäglichen Schmerz. Es dauerte. Es dauerte sehr lang. Offensichtlich brauchte es einige Zeit bis sich die Lösung durch seine Rüstung fressen konnte. Noch immer trat das erwartete Brennen auf der Haut nicht ein. Dann schließlich hörte er wie etwas Metallenes zu Boden fiel und sich quietschend seine Tür öffnete. Moment? Wieso die Tür?
Der Yaral fuhr herum. Tatsächlich seine Tür war offen. Und in ihr stand... stand… "Yolgor!" Simbald konnte es nicht fassen. Es war tatsächlich sein Hauptmann der mit dem Rest der Lösung in der Hand schief grinste. "Du verfluchter Kieselkauer! Du hast mir eine Heidenangst eingejagt!", fauchte der junge Wachmann. Doch es war klar, dass er noch nie so erleichtert war. Yolgor reichte ihm eine Hand. "Du hast Glück, dass ich im Moment auf sämtliche Formen scheiße Ferdlung. Wir müssen hier raus und dann schwöre ich dir werden wir diesen Ort dem Erdbodengleich machen!" Er zog seinen Soldaten aus dem Käfig. Simbald konnte nicht umhin Yolgor spontan zu umarmen und fest auf den Rücken zu klopfen. Ein plötzlicher Hustenanfall des Hauptmanns ließ Simbald jedoch rasch von ihm ablassen. "Alles in Ordnung?", der junge Wachmann war besorgt. Erst jetzt nahm er Yolgor genauer in Augenschein. Überall hatte er blutende Wunden. Seine Rüstung war hier und da zerfetzt und sein linkes Auge war blutig und geschlossen. Er sah übel mitgenommen aus. "Was hat er mit dir gemacht? Wurdest du gefoltert?" Yolgor winkte ab. "Später Jungsporn. Wir müssen hier weg. Es ist anders als du denkst, anders als wir alle dachten." Seine Stimme verstummte wegen eines neuen Hustenanfalls. Der Hauptmann spuckte blutigen Speichel aus. "Los folge mir." Er wurde von Simbald zurückgehalten. "Warte! Wir müssen ihn ebenfalls befreien." Yolgor drehte sich um und entdeckte Gusco im Käfig der überraschend ruhig gewesen war die letzten Minuten. "Wer beim großen Brocken ist das?" Er gaffte skeptisch auf den dürren Kerl. "Das ist der Mensch!" Yolgor ging ein Licht auf. "Der verfluchte Mensch, der uns das hier alles eingebrockt hatte!" Simbald legte ihm beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. "Er ist ein Gefangener wie wir Yolgor. Er wurde reingelegt… wie wir. Drombard hat uns alle getäuscht!" Etwas Zorn brodelte in Simbald auf. Der Hauptmann grunzte. "Bei einem Menschen wundert mich das nicht." Etwas von der Lösung war noch im Kolben. Dies wurde mehr spontan als wirklich gewollt über das Schloss von Guscos Käfig gegossen. "Allerdings taten wir Drombard Unrecht." Simbald zog die Brauen zusammen. Er verstand nicht. Ein Donnergrollen kam von jenseits des Ganges auf die drei, während Gusco aus dem Käfig krabbelte. "Was war das denn?" Yolgor grunzte wieder. "Wir müssen wirklich hier weg." Er lief zum Ausgang. "Los jetzt!" Barde und Wachmann sahen sich an. Blieb ihnen eine Wahl? So beeilten sie sich Yolgor zu folgen.
Die Gänge im Felsenstachel waren verzweigt und weitläufig. Simbald hätte niemals gedacht, dass hier unten so ein Tunnelsystem gebaut worden war. "Yolgor.. wo laufen wir hin?" Schritte. Der Hauptmann drückte sich an die Wand und Simbald mit ausgestrecktem Arm ebenfalls. "Es gibt hier jemanden der mit uns spielt." Yolgor schaute in Richtung der Schritte. Doch es war noch nichts zu sehen. "Ein kranker Geist. Wahnsinnig! Natürlich ein Magier…" Yolgor bekam Magengeschwüre bei dem Gedanken daran. "Er vermag seine Gestalt beliebig zu wechseln und jede andere anzunehmen." Simbald glaubte der Hauptmann sprach wirr. Von so einem Magier hatte er noch nie gehört. Yolgor drehte sich zu dem jungen Wachmann um. "Das Schlimmste dabei ist. Der Magier ist ein Yaral!" Simbald war immer unsicherer ob alles in Ordnung war mit Yolgor. Der Mann schien wahrlich Wahnvorstellungen zu haben. Simbalds Skepsis verstand man nur, wenn man wie ein Yaral dachte. Es gab keine großartigen Magier unter den Yaral. Magie wurde zwar bei Begegnungen toleriert, jedoch nur mit Argwohn. Es konnte nicht Gutes dabei rauskommen, wenn man Steine durch Hokuspokus verrückte, statt mit dem Kraft der eigenen Arme, oder eines Bujal. Jetzt behauptete ein Krieger mit Rang und Namen es gäbe hier einen Yaral der nicht nur Magie praktiziere, sondern dies auch gegen sein Volk einsetzte und dann noch auf sehr ungewöhnliche, intrigante Weise. Für jeden Yaral war das blanker Hohn. Widersprach es doch allem für das die Yaral standen. Die Schritte kamen näher und Yolgor hielt regelrecht die Luft an. "Sieh Simbald…", flüsterte er. Der junge Wachmann traute seinen Augen nicht. Dort spazierte Drombard um die Ecke als wäre es ein schöner Frühlingstag. Dabei jedoch hatte er einen langen Kapuzenmantel aus Bujalfell umgehängt… weißem Bujalfell! Im nächsten Moment jedoch wandelte sich die Gestalt zu einem jüngeren Yaral. Er hatte eine rote Tätowierung im Gesicht, welche die Augen überdeckte und in Kringeln über die Wangen lief. Auf der Stirn hatte er einen nach oben geöffneten Halbkreis tätowiert. Es war unglaublich und um ein Haar wäre aus Simbalds weit offen stehendem Mund ein überraschter Ton entflohen, der sie mit Sicherheit verraten hätte. "Dieser Magier kann irgendwie jede Gestalt annehmen.", flüsterte Yolgor weiterhin. "Drombard.. der echte Drombard muss hier irgendwo sein. Seine Opfer müssen am Leben sein, soviel hat er mir in seiner Arroganz verraten." - "Daher auch unsere Gefangennahme und nicht unseren tot." - "Richtig Ferdlung". Er versicherte sich ob der Magier wirklich fort war und trat erst dann wieder in den Gang. "Wir müssen uns ranhalten. Der Kerl hat meine Befreiung noch nicht bemerkt, aber dorthin wo er verschwunden ist geht es zu dem Raum wo ich zuletzt angekettet war. Drombard muss gefunden sein bevor der Zauberfuchtler dort ankommt." Sie beeilten sich voranzukommen.
Wie lange sie hier unten herumirrten war nicht zu benennen. Es vermochte wohl nur Minuten zu sein, aber Simbald kam es wie Tage vor. Er fühlte sich erschöpft, unendlich erschöpft und seine Kopfschmerzen waren nach wie vor präsent. Gusco hielt sich vornehm zurück. Dieser Ort schien ihm mehr Unbehagen zu bereiten als den Yaral, die unterirdische Gänge gewohnt waren. Plötzlich hörten sie eine Stimme. Sie war kratzig und irgendwie unwirsch. Langsam und bedächtig folgten sie den Lauten. Es musste hier irgendwo sein. Inzwischen konnten sie Wortfetzen verstehen und was sie hörten war gar nicht gut. So beeilten sie sich die Quelle zu erreichen. "… Yaralfreunde … Todesurteil … als sie … Frevel .. Leiden alter Ma... Ich werde mich nicht …. Herrschaft über alle Yaral .. Macht des weißen Bujal wird wieder … spüren sein!" Da war er. Im Schein mehrere Fackeln einer kleinen Kammer, die in den Felsen gehauen wurde und offenkundig nur dazu diente Gefangene zu brechen, war Drombard auf eine diagonalstehende Holzplatte gekettet. Seine Arme waren nach oben ausgestreckt. Seine Füße berührten nicht den Boden. Blut tropfte von der Platte und hin und wieder kam ein leises Stöhnen vom alten Mann. "Er ist schlimm zugerichtet… wir müssen uns beeilen." Simbald schüttelte lautlos den Kopf. Er konnte es nicht fassen. Yolgor hatte mir allem Recht. Wer war der Wahnsinnige, was tat er hier? Und wie sollten sie den guten Drombard ohne Waffen vor einem Magier retten? Fragen über Fragen. Doch wenn ihnen nicht schnell etwas einfiel, dann würde alle Hilfe für Drombard zu spät kommen. Die geschwächte Stimme des Alchemisten riss sie aus ihren Gedanken. "Du.. wirst niemals die Herrschaft über Reusun erlangen. Als Yaral müsstest du wissen, dass es noch nie eine Eroberung der großen Festungsstädte gegeben hat. Yaral lassen sich nicht so leicht besiegen, besonders nicht von einem Magier mit Taschenspielertricks." Er nahm alle Kraft zusammen und rotzte ihm voller Abscheu Speichel und Blut entgegen. Der Magier war über so viel Widerstand einen Moment fassungslos vor Zorn. "Du wagst es mir derlei Erniedrigungen an den Kopf zu werfen! Wurm! Köter! Für die Yaral wird es kein Morgen geben, wenn ich mit Ihnen fertig bin. Sklaven ihrer Regeln und Engstirnigkeit sind sie und Sklaven sollen sie sein… mein Sklaven! Meine Diener auf ewig!" Er sprach sich derartig in Rage, dass er nicht bemerkte wie sich Simbald und Yolgor so leise es ging an den Magier herangeschlichen haben. Drombard bemerkte sie, versuchte aber sich nichts anmerken zu lassen.
Das Schleichen war jedoch keinem Zwerg in die Wiege gelegt und besonders Soldaten der Yaral nicht. So war es nicht verwunderlich, dass sie ertappt wurden. Mit einer beschwörenden Handbewegung fuhr der Magier herum "Habt ihr Würmer geglaubt mich überlisten zu können!?" Er hob seine Handfläche in einer fließenden Bewegung und wie von Geisterhand verloren Yolgor und Simbald den Boden unter den Füßen. Hilflos zappelten sie wie ein Käfer im Wasser mit Armen und Beinen hin und her. "Nichts als Scherereien hat man mit eurem Volk. Man sollte glauben Yaral seien klug genug Überlegenheit einzusehen!" Simbald brach in Gelächter aus. "Klug? Klug?? Man hat uns schon viel nachgesagt, aber Einsehen haben wir noch nie gehabt. Wir sind Yaral. Wir – sind stur!" Der Magier drehte seine Hand und ließ Simbald in der Luft um die eigene Achse rotieren, so dass er auf dem Kopf in der Luft hing. "Du bist ein interessanter Bursche. Kräftig und gewitzt. Ich sollte vielleicht dein Gesicht tragen, was meinst du?" In der nächsten Sekunde wandelte sich das Antlitz des Magiers als würde er einen Seidenmantel überwerfen und vor ihnen stand Simbald wie er leibt und lebt. "Hokuspokus!" spie Yolgor hinaus, sichtlich unbehaglich mit seiner Position. Der Magier lachte. "Du hast keine Vorstellung wie Recht du damit hast kleiner Wachmann." Der falsche Simbald lächelte diabolisch. Schon bald wird meine Sammlung hunderte Gesichter beherbergen und mit ihrer Hilfe kann ich Reusun indoktrinieren. Unbeschreibbare Schätze und Macht warten auf mich." Simbald gewöhnte sich langsam an das langsame Schweben. "Das Einzige was auf dich wartet ist die Axt des Scharfrichters! Er ist ein ganz guter Freund von mir. Hat noch jeden Kopf von den Schultern getrennt. Ein paar Schwätzer waren auch darunter." Offensichtlich war es Simbald nicht möglich klein beizugeben, was das Ego des Magiers nur noch mehr erzürnte. "Würde er bei einem Freund verdachte schöpfen?", er strich mit den Händen an seiner Kleidung herab. "Schwätzer erkennt er!" Der Magier wurde zornig. "Die magischen Ketten werden euch zur Vernunft bringen Dummkopf!" Er vollführte eine beschwörende Handbewegung, welche große Ketten zum Simbald und Yolgor entstehen ließ. Sie waren teilweise durchsichtig und in ein geisterhaftes Blau gehalten. Die Ketten hatten weder Anfang noch Ende und zogen sich langsam immer mehr zu. Die beiden Yaral schrien vor Schmerzen. Doch dem Magier entlockte es nur ein zufriedenes Grinsen. "Kommt und bleibt noch etwas. Dann kann euch der Tatargreis beim Sterben zusehen, oder ihr ihm – je nachdem wer zuerst den Löffel abgibt!" Unter lautem Gelächter stiefelte er aus der kleinen Kammer und überlies die drei Yaral ihrem Schicksal. "Jetzt gilt es die anderen Dummköpfe auszumerzen. Ihr guter Freund und Weggefährte wird ihnen den Todesstoß versetzen und das obwohl er selbst bald sterben wird!", schallte es noch durch die Gänge, bis schließlich erneutes Gelächter jede Akustik verstummen ließ.
Die Ketten saßen mehr als fest. Keiner der beiden konnte sich befreien. "Drombard." Simbald atmete ganz flach ob der Schmerzen. Drombard… wer ist der Kerl?" Der Alchemist war kaum bei Bewusstsein. In murmelndem Ton sprach er: "Er nennt sich Casilius. Ein einfacher Junge aus Borec'tar glaube ich. Er hat diese Stadt auf zumindest besonders oft verflucht. Er ist irgendwie an ein altes Artefakt gekommen, aus welchem er seine Macht zieht." Drombard musste husten und schien wegnicken zu wollen. Vielleicht war es auch einfach nur die pure Erschöpfung. Immerhin waren diese Torturen nur schwer auszuhalten. Bedachte man das Alter von Drombard und dass er nie zum Kriegerausgebildet wurde, sondern Tüftler und Gelehrter war, musste man ihm wahrlich zugutehalten, dass er solange durchhielt. "Hey, alter Mann. Woher weißt du das alles?", durchbrach Yolgors Stimme denn Dämmerzustand des Alchemisten. Es funktionierte. Drombard erwachte wieder etwas mehr. "Er scheint mich für keine Bedrohung zu halten. Außerdem bin ich schon sehr lange hier… " Simbald ahnte es zwar, fragte aber dennoch. "Wie lange? Tage? Wochen?" Der alte Yaral schüttelte müde den Kopf. "Ich weiß es nicht Junge. Es müssen Wochen sein, vielleicht sogar Monate. Irgendwann verliert man untertage das Zeitgefühl. "Er kam immer mal um sich an meinem Zustand zu weiden und mir zu erzählen, dass niemand in Ramin'tar seine wahre Identität bemerkt hatte. Es ging ihm definitiv darum anzugeben." - "Dann war all das sein Werk. Die Aufträge an Gusco, das Betäubungsmittel.. aber warum schickt er sich selbst Fell des weißen Bujal?" Drombard begann leicht zu lachen, wurde aber von einem Husten gestoppt. "Oh die weißen Bujal sind kein Mythos wie man meinen möchte. Er hat sich ausführlich über sie ausgelassen. Sie sind eine eigene Bujalart die von den braunhaarigen Bujal lebte. Casilius hat einige Schriften indem die Wirkung einer Formel mit Bujalfell des weißen Bujal und ein paar Haaren der Person, in die man sich wandeln möchte, beschrieben stand. Das Artefakte bringt die nötige magische Energie hinzu und schon kann man sich in jede Person wandeln die man will." Simbald verstand. Dieses mysteriöse Artefakt war es, was sie vernichten mussten um dem Magier seiner Macht zu berauben. Vermutlich hat er Gusco deshalb auch Bujalfell nach Ramin'tar schicken lassen. Er musste irgendwie aus der Stadt verschwinden, oder es ging ihm aus und er brauchte Neues. Und jetzt hat er sich seiner selbst bemächtigt. Er wird hinabsteigen zu seinen Kameraden am Fuße des Felsstachels und sie alle in seinen Bann schlagen. Da sie annehmen werden, dass er Simbald ist werden sie keinen Verdacht schöpfe… und sie hängen hier rum und werden von magischen Ketten langsam zerquetsch. Simbald konnte es nicht fassen. Wie war er nur in so eine Bredouille gelangt?
"Ist er fort?", schallte es mit ängstlichem Stimmchen von draußen herein. "Wer ist da?", Drombard hatte nicht die Kraft den Kopf zu heben. Simbald wusste jedoch genau wer dort rief. "Gusco! Verdammt! Du wurdest nicht geschnappt?" Das hagere Menschlein trat vorsichtig hinein. "Oh, ich hatte mich versteckt wie Ihr es mir gesagt habt Herr Yaral… Simbald. Doch irgendwann hörte ich nichts mehr und Ihr habt gesagt Ihr holt mich. Als Euer Antlitz ausblieb wurde ich irgendwann ungeduldig…" Simbald hätte nicht gedacht, dass er über das Erscheinen des Barden mal froh sein würde. Hier war er wirklich ihre letzte Rettung. "Drombard das Artefakt, weißt du wo es ist?" Der Alchemist ist schon wieder weggedämmert. "DROMBARD! DAS IST WICHTIG!" Der Angebrüllte schreckte auf. "Was.. wie… Artefakt… ja, ja. Er trägt es um den Hals. Ein kleiner dunkelblauer Stein an einem Lederband. Sieht fast aus wie ein Amethyst." Das genügte Simbald. "Gusco lauf hinaus zu den Anderen. Sie müssen erfahren, dass ich nicht ich bin… also der Simbald der bei ihnen ist bin nicht ich. Sag ihnen, dass sie ihm den Stein um den Hals wegnehmen müssen. Los, beeil dich!" Der Barde nickte heftig und rannte was das Zeug hielt. "Hältst du das für klug, Ferdlung? Unser aller Schicksal dem Menschen anzuvertrauen?" Der junge Wachmann sah Gusco hinterher. "Wir haben kaum eine Wahl."
Am Fuße des Berges war der falsche Simbald bereits angekommen und machte sich lieb Kind mit den anderen Wachleuten, welche in Sorge waren so lange nichts von ihm und Yolgor zu hören. Mittlerweile war der nächste Tag angebrochen. Sie hatten versucht die Höhle aufzusuchen, aber ein Bergrutsch machte den Weg unpassierbar. Casilius spielte seine Rolle perfekt und täuschte eine wilde Geschichte vor. Er machte dies jedoch so gut, dass alle ihm glaubten. Da stolperte der Barde auf den Plan und rief wild gestikulierend, dass Simbald nicht Simbald sei. Das Schmuckstück um seinen Hals sollte man ihm abnehmen. Es stellte sich dabei jedoch so trottelig an, dass es ein Leichtes war ihn unglaubwürdig erscheinen zu lassen und so lenkte Casilius viel mehr den Verdacht auf Gusco. Die Wachen glaubten dem angeblichen Eidgenossen auf Anhieb und gingen auf den armen Barden los. "Was tut ihr? Dort ist der Feind. Dies ist die falsche Schlange... Nicht!" Der Barde sah schon seinem Ende vor sich – etwas was er in letzter Zeit sehr häufig tat als – die beiden Bujal plötzlich unruhig wurden. Die Bujalreiter hatten Mühe sie unter Kontrolle zu halten. Ein seltsames Blöken durchbrach die Wintersonne, welche an diesem Morgen in ganzer Pracht schien. Der Schneesturm hatte sich in der Nacht gelegt. Die Yaralsoldaten wurden unruhig. Etwas was zwei Bujal nervös machte, konnte nichts Gutes sein und im nächsten Moment sollten sie die Ursache dafür erfahren. Da war er. Wie aus dem Nichts trampelte ein riesiger weißer Bujal aus dem Dickicht hervor und mitten durch das Lager der Yaral. Er überragte die beiden anderen Bujal um ein ordentliches Stück und zog eine Schneise der Verwüstung hinter sich her. Mit einem tosenden Lärm donnerte er direkt auf Casilius zu, welcher sich nicht zu helfen wusste als die Arme über den Kopf zusammen zuschlagen. Was dann folgte ließ einige Soldaten ihre letzte Mahlzeit ein zweites Mal schmecken. Es machte unappetitliche Geräusche und färbte den Schnee rot, wie auch das weiße Fell des Bujal. So schnell wie er gekommen war, war er auch wieder verschwunden. Gusco hatte sich nur zitternd hinter eines der Zelte gekauert von dem nichts mehr stand bis auf die eine Wand hinter der er hockte. Vorsichtig kamen Yaral und Barde aus ihren Verstecken hervor. Niemand konnte so recht glauben was gerade passiert war und einige konnte nicht mal glauben, dass es tatsächlich der weiße Bujal war. Einige der robusteren Krieger nährten sich dem roten Knochenmatsch welcher mal Casilius gewesen waren. Er war bis zur Unkenntlichkeit zertrampelt worden. Auch das Artefakt war zerbrochen. Mit einem letzten Aufglimmen erstarb jede Farbe in den Steinresten, welche sich tiefschwarz färbten. Es war offenkundig, dass der Mensch die Wahrheit gesagt haben musste. So legten sie allen Zwist bei und versorgten den ausgemergelten Menschen. Kurz darauf kamen auch Simbald, Yolgor und Drombard der von den beiden anderen gestützt wurden den Berg hinabgehumpelt. Die Wiedersehensfreue war groß. Gusco sprang sofort und lief ihnen entgegen. "Der Zauber war von jetzt auf gleich verschwunden und wir waren frei. Auch wenn der Sturz sehr schmerzhaft war", lachte Simbald. Er war froh sich nicht in Gusco getäuscht zu haben. Als dieser erzählte was tatsächlich passiert war, konnte keiner glauben was geschehen war. Auch die anderen Soldaten bestätigten die Geschichte. Doch man sah ihnen an, dass sie damit erstmal selbst fertig werden mussten. Langsam zogen sie ab. Der Magier war besiegt und die Yaral von Ramin'tar hatten ihren Frieden zurück. Die Verletzten wurden eingepackt und auf die Bujal geladen. Doch Yolgor weigerte sich das Kommando auf dem Rückweg abzugeben. So führte er sie wieder Heim in langsamen Tempo unter der Sonne Reusuns, fort vom Felsstachel wo sich Dinge ereignet haben die irgendwo zwischen Realität und Ausschmückungen befanden und jedes Mal wenn Gusco Xandan die Geschichte in den Tavernen Maradars erzählte wurde sie ein bisschen fantastischer.
Auf einem Berg beobachteten zwei Yaral komplett in die Felle weißer Yaral gekleidet den abziehenden Trupp um Yolgor und Simbald. Der Wind pfiff hier oben etwas stärker als unten im Tal. "Was wenn sie zurückkehren, oder weiter Fragen stellen werden?" Der andere Yaral schwieg. "Wir müssen etwas unternehmen. Casilius Verrat hat unseren Orden in Gefahr gebracht. Dieser Narr hätte niemals aufgenommen werden dürfen." Der andere Yaral schwieg noch immer. Er schaute einfach stumm auf die abziehenden Krieger herunter. "Er hat dafür bezahlt", brach er sein Schweigen. "Wir werden den Außenposten im Felsstachel vernichten und jeden Hinweis auf uns." Er drehte sich um und ging einige Schritte durch den Schnee um ein kleines Wäldchen herum. Dort zupften zwei weiße Yaral die jungen Triebe von den Bäumen. "Letztlich werden alle Fragen zu dem führen was bisher bekannt ist…" Er wusch mit etwas Schnee das Blut grob vom Fell seines Yaral. Dann stiegen beide auf ihre Reittiere. "… Gerüchte."
~ ENDE ~