Eigenes Werk Tales of Maradar

E

Ehemaliger Benutzer 4807

Gast
Hallo liebe ESP-Community,

einige von euch kennen mich vielleicht schon und meine rege Beteiligung im Foren-RPG-Bereich des Forums. Dort halte ich mich vor allem auf und erschaffe mit meinen Mitstreitern Geschichten, Welten und alles was dazu gehört. Ein großes Foren-RPG ist dabei das Endless Travellers (ET). Seit vielen Jahren bin ich mit einer kleinen Pause Mitglied dieser Runde in dem wir in der fiktiven Welt Maradar unser kleines Reich geschaffen haben. Schon länger krankt es jedoch sehr an Aktivität und Muse und ich konnte nie meinen Elan dort ausleben wie ich es gern möchte. Vor allem hätte ich gern viel mehr von Maradar gezeigt und beschrieben zu dem es aber aus vielen Gründen nie kam.
Nun endlich traue ich mich dieser Leidenschaft neues Futter zu geben in diesem kleinen feinen Solo-Projekt. Ich werde hier basierend auf der Welt Maradar Kurzgeschichten, möchte sagen Episoden, in mehreren Posts verfassen. Ich beziehe mich dabei immer auf den Kanon des Lexikon, welches verfasst wurde. Eventuell werde ich diesen auch noch ausbauen, was jedoch keinesfalls Vorrang haben soll. Hier soll eindeutig der Spaß am kreativen Schreiben und die Lust die Fantasy-Welt Maradar zu beschreiben im Fokus stehen. Über Feedback freue ich mich natürlich. Auch Nachfragen zu den Geschichten können gern gestellt werden. Eine exakte Postrate bzw. Zyklus wird es nicht geben, ich denke aber, dass ich gerade zu Beginn gut vorankommen werde und bemühe mich das ungefähr zu halten. Am Wochenende wird die erste Geschichte beginnen an der ich schon einige Tage tüftele. Leider habe ich aus Erfahrungen gemerkt, dass es notwendig ist darauf hinzuweisen: Alle hier verfassen Texte sind mein Eigentum. Sie dürften ohne Meine Zustimmung weder in Teilen oder komplett woanders veröffentlicht werden, oder anderweitig genutzt werden, egal ob privat oder kommerziell. Ich hoffe sehr, das dies das einzige Mal bleibt, dass ich darauf hinweisen werde und gehe nun zum schönen Teil über!

Nun wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen!
 
Der weiße Bujal - Teil 1



Glaubt man den Geschichten, so sind Bujal so alt, dass sie schon bei der Erschaffung der Gebirgsketten von Reusun dabei gewesen waren. Es gibt viele Meinungen und auch die Historiker der Yaral sind sich nicht einig darüber. Jedoch gibt es für jede Theorie Belege und auch Widersprüche. Heute werden Bujals als Lastentier bei den Yaral eingesetzt, ein zwergisches Volk ohne jedweden Haarwuchs. Man möchte glaube, dass es sich hier um einen Witz der Natur handeln sollte, stimmen doch ansonsten alle Eigenschaften mit dem bekannten Bild von Zwergen überein: kleinwüchsig, stämmig, mutig und direkt. Besonders die letzten beiden Eigenschaften münden manchmal in Wagemut. Dazu haben Yaral einen derart schroffes Wesen, dass es so manchen frommen Mensch die Schamesröte ins Gesicht treibt. Und doch die klischeehaften Äußerlichkeiten, wie Bart, verzierte Zöpfe, oder buschige Augenbrauen sucht man vergebens. Noch mehr Verwunderung flammt auf, wenn man bedenkt wie Reusun klimatisch gestellt ist. Hier ist es kalt, gebirgig, und bewaldet. Schnee kennt jeder Yaral in sämtlichen Formen und der Sommer ist so kurz, dass die Yaral zu jedem dritten Tag in der warmen Jahreszeit einen Feiertag eingeführt haben in dem statt des Tagewerks Feste gefeiert werden, um der Wärme und langen Tage zu huldigen. In dieser Umgebung behauptet sich seit tausenden Jahren das Volk der kahlen Zwerge, mit dem Schürfen nach Bodenschätzen, der Schmiedekunst und nicht zuletzt dem Handel. Reusunische Händler sind ein Garant für Qualitätswaren und teure Preise, wie ebenfalls für Handelsgeschick und Abenteuerlust. Man trifft sie auf den großen Märkten und Handelsplätzen Maradars in aller Herren Länder. Immer reisen sie in ihren großen Handelswagen aus Stahl und Leder die wie kleine Festungen über die Handelsrouten wandern. Diese kleinen Bollwerke mit allerlei Schätzen in ihrem Bauch, die 'Taig' genannt werden, zieht stets ein Quadriga Bujal, welche eine Mischung aus Ochsen, Elefant und Nashorn zu sein scheint. Ein ausgewachsenes Exemplar übertritt mit der bulligen Erscheinung einen Menschen um Längen, so dass es für Strickleitern braucht um auf die massiven Sattelkonstrukte aufzusteigen. Kopf und Beine sind wie der Rumpf sehr mächtig. Bujal besitzen zwei kleine Augen und eine breite Schnauze. Die Nase endet in einem kurzes breiten Rüssel, welcher über dem Maul baumelt. Aus dessen Seiten wachsen in einem Bogen Stoßzähne, welche sich jedoch im Laufe der Jahre nach oben schlängeln und am Schädel entlang bis zur Stirn schieben wo sie jeweils eine breite Platte ausbilden. Diese mächtigen Konstrukte sind das charakteristischste Merkmal für einen Bujal. Die großen Zähne oder auch 'Stoßzahnhörner' sind teilweise Hilfsmittel für die Brunft, denn nur Männchen mit den prächtigsten Stoßzahnhörnern beeindrucken die Weibchen, als auch Verteidigungsmittel. So stürmen die Bujal mit gesenktem Kopf auf einen Angreifer zu. Wer sich nicht schon von der heranstürmenden Masse abschrecken lässt, bekommt die Härte dieser Stoßzähne zu spüren um im Zuge von den großen Hufen einfacher überrannt und zermalmt zu werden. Vor Kälte und Frost schützt die Bujal ein langes, zottiges Fell um auch am Ende der langen Winter in Reusun noch bei Kräften sein zu können. Ebenso gern sieht man die im Grunde gemütlichen Tiere bei ihrer Lieblingsbeschäftigung: dem Fressen. Mehre Kilogramm Grünzeug aller Art vertilgt ein Bujal pro Tag, was die Pflanzenfresser auch an die Wälder Reusuns bindet, welche sich durch die großen Täler bis in die engsten Schluchten winden. Es ist also nicht verwunderlich, dass bei so vielen Gemeinsamkeiten Bujal und Yaral schon immer einander sympathisch fanden und zusammenlebten. Wie lange diese Symbiose besteht ist ebenso wenig bekannt, wie der Zeitpunkt an dem die Tiere zum ersten Mal in Reusun auftauchten, oder wo sie eigentlich herkamen.

Eine der Geschichten handelt von einer Art Ur-Bujal, welches im Vergleich zu dem gemeinen Exemplar nicht braun, sondern schneeweiß ist. Es soll die sonst schon sehr großen Tiere noch um eine ganzes Stück überragen und sämtliche Knochen, Zähne, Hufe oder andere Skelettteile seien so tiefschwarz wie die Steinkohle die von den Yaral aus der Erde gefördert werden. Dieser weiße Bujal sei der erste seine Art und ist schon fast mystisch mit Reusun verbunden. Niemand hat jemals einen Beweis für den weißen Bujal gefunden. Jedoch gibt es viele Spuren die von ihm stammen sollen, über die Äonen hinweg verewigt an heute gesonderten Plätzen, die teilweise Altare beheimaten und Pilgerstätte geworden sind. Andere wiederum können derlei Hirngespinsten nichts abgewinnen. Es ist für Außenstehenden auch nicht einfach zu begreifen warum die Yaral so viel Aufhebens um diesen weißen Bujal machen, wird dem Tier teilweise schon besondere Kräfte zugeschrieben. Zudem soll er nicht nur wirklich existiert haben, sondern gar heute noch leben. Auch hierzu fehlen sämtliche Belege, aber die Bujal genießen einen so hohen Stellenwert bei den Yaral, dass sie einfach daran glauben. Natürlich sind Yaral nicht ausschließlich so demütig den Bujals und ihrer Geschichte gegenüber. Ebenso verbreitet wie die Taigs sind die Jagdtrupps der Yaral, welche die Bujal aufspüren und einfangen. Denn züchten lassen sich Bujal nicht. Sie leben schon immer wild in Reusun und müssen gefangen, gezähmt und für ihre Arbeiten trainiert werden. Angesichts der Kräfte von mehren Tonnen die ein Bujal bewegen kann ist dies keinesfalls eine ungefährliche Arbeit und hat ebenso Tradition wie der Bergbau, das Bauwesen und der Handel bei den Yaral. Von Zeit zu seit treibt es auch Jäger anderer Völker nach Reusun um die Bujaljagt zu erlernen. Diese bringt den ausländischen Jägern nicht nur Ansehen bei den Yaral, sondern hält dazu eine sehr gründliche Ausbildung mit vielerlei Techniken bereit, ist es doch oberstes Gebot, dass die wertvollen Tiere unverletzt, und möglichst mit wenig Stress gefangen werden. Eine Art zu jagen. die auch anderenorts sehr gewinnbringend sein kann in besonderen Auftragsarbeiten. Nicht selten sind es sogar Kopfgeldjäger die bei den Yaral in die Lehre gehen. Dies alles ist bei dem Zwergenvolk vertretbar und angesehen. Denn neben dem schroffen Wesen eines klischeehaften Zwergs ist das Erlangen von Reichtum ein zentrales Ziel eines jeden Yaral, auf welchem Wege ist meist zweitrangig und mit allen persönlichen Eingenschaften die damit einher gehen. So verwundert es nicht, dass ein berühmter Kopfgeldjäger der in vielen Landen Maradars bekannt wurde, von den Yaral stammt: Grimmbold Knochenzahn, der auch unter dem Namen, 'der knirschende Reiter' bekannt ist. Er hatte die Bujaljagt ebenso gelernt wie sein Vater, sein Großvater und dessen Väter und Großväter. Auch er hatte schon nach dem weißen Bujal gesucht, aber nichts gefunden. Es gab viele die es vor ihm versucht haben, und noch mehr die es nach ihm versucht haben. Ihre Ergebnisse unterschieden sich nicht von denen der anderen. Sie stolperten manchmal sogar halberfroren an eines der große Festungstore der Yaral mit der Bitte um Einlass, sofern sie die Kraft dazu hatten.

So geschah es auch an einem rauen Wintertag, an dem der Wind besonders laut heulte und die Schneeverwehungen wie ein Ozean aus Eis und Frost durch die Wälder tanzte. Simbald Ferdlung hatte gerade eine langweilige Torwache hinter sich und wartete nun nur noch auf seine Wachablösung um endlich ein großes Stück Braten und ein zünftiges Bier in seinen Magen zu füllen. Stundenlang hatte er dem Wind hinter den dicken Mauern von Ramin'tar zugeschaut und lediglich darin Ablenkung vom Müßiggang gefunden, wenn mal ein andere Wache auf ihrer Patrouilliere an seinem Posten am Stadttor vorbei kam, oder sich ein Tier bei diesem Wetter in die Nähe der Stadt verirrte. Doch zugegeben das passierte heute selten. Es wunderte Simbald nicht, hätte er doch ebenfalls so gehandelt und bei dieser Kälte keinen Fuß vor die Tore getan, wenn.. ja wenn da nicht plötzlich ein dunkler, kleiner Schemen im Schnee auftauchte der schnurstracks auf die Stadt zuhielt. Erst dachte der Wachmann an ein weiteres Tier, welches im Sturm die Orientierung verloren hatte, ein Wildschwein vielleicht, oder ein Tissett. Doch dieses Tier legte ein ungewöhnliches Verhalten an den Tag. Es schluderte wild hin und her, stapfte mit Mühe durch den hohen Schnee und schwankte. Jedoch hielt es bei alle diesem Verhalten stets auf die Tore von Ramin'tar zu. Simbalds Aufmerksamkeit war geweckt und er trat näher an die Zinnen heran um besser erkennen zu können was sich dort näherte. Die Sonne kam kaum genug durch den feinen Nebel aus Schneeflocken um erfassen zu können um was er sich handelte. Doch schließlich war sich der Yaral sicher, dass es sich dort nicht um ein Tier, sondern ein humanoides Wesen handeln musste, vielleicht ein Mensch, oder gar ein Yaral? Er war auf jeden Fall mutterseelenallein in diesem Sturm und wankte bei jedem Schritt bedrohlicher als beim Vorhergehenden. Inzwischen war er dicht genug um sichergehen zu können, dass es kein Tier war, trotz der großzügigen Felle in die der Fremde eingewickelt war. Simbald überlege was er wohl tun sollte. War es ein Hilfebedürftiger, der sich hier mit letzter Kraft an die Tore seiner Heimatstadt geschleppt hatte, oder ein hinterhältiger Trick einen Überfall auf die Stadt zu beginnen. Yaral sind bei solchen Fragen immer sehr skeptisch. Die großen Mauern von fast 50 Metern stehen nicht nur wegen der wilden Tiere um die Stadt. Tatsächlich haben die Yaral von Überfallversuchen bis ausgewachsenen Kriegen schon alles abwehren müssen und sich daher eine gesunde Portion Übervorsicht angeeignet. Simbald zögerte. Er wollte einem Banditen nicht die Tore öffnen aber auch keinem Erfrierenden sterben lassen, schon gar nicht, wenn es vielleicht sogar ein Stadtbruder war. Ihm blieb keine Wahl. Er musste ein Warnsignal ausstoßen. Hastig eilte er zum Torhaus und dort zum Mundstück eines Felsenhorn, gewaltige Hörner aus Stein und Metall, die in die Festungsmauer gearbeitet wurden und seit jeher als Signalgeber für verschiedene Ereignisse waren. Simbald holte tief Luft und pustet mit aller Kraft einen, einzelnen langen Ton in das Mundstück. Der dröhnende Ton ließ nicht lange auf sich warten. Das ganze Torhaus schien aufgrund des Horns zu vibrieren. Sein Ruf blieb nicht ungehört. Sofort waren andere Wachen zu Stelle. Der Ton, den Simbald dem Felsenhorn entlockt hatte, bedeutet keine akute Gefahr, sondern lediglich eine Warnung aufgrund eines ungewöhnlichen Ereignisses. Es wurde mit am häufigsten genutzt und jeder der es ausstieß konnte sich sicher sein, dass sofort einige Soldaten ankommen würden und die Blicke über die Mauer verstärkt worden.

"Was ist los Simbald? Warum hast du das Felsenhorn benutzt? Müsstest du nicht längst Wachablösung gehabt haben?" Ach ja, die Wachablösung... Damit konnte sich der Yaral jetzt nicht befassen. "Jemand hat das Tor erreicht. Er sieht nicht so aus, als ob er noch lange dem Schneesturm etwas entgegen zusetzen hätte." Er zeigte Richtung Wildnis. Die anderen Wachleute traten an die Mauer heran und schaute hinüber. Da befand sich tatsächlich jemand. "Niemand sonst zu sehen Hauptmann." Dieser brummte. Hauptmann Yolgor Glimmzeug gehörte selbst unter den Yaral zu den skeptischen Vertretern und war alles andere als gewillt dem trügerischen Bild im Sturm zu trauen. "Zwei Feuereisenspucker ans Tor - volle Bemannung. Der Rest stellt sich als Pikenier in der Mitte auf. Bewegt euch!" Sofort brach wuseliges Treiben aus. Die Yaral öffneten zwei kleine Eisentore im Torhof hinter welches sich große Aperturen auf einem Gerüst aus Holz und Eisen befand. Feuereisenspucker waren ein gutes Stück Yaraltechnologie. Der Zweck bestand darin ein Gemisch aus flüssigem Metallen in weitem Bogen auf Feinde zu schleudern. Da die Kessel erst auf entsprechende Temperaturen geheizt werden müssen, werden die Gerätschaften in Bereitschaft ständig beheizt. Jedes Torhaus und jeder Militärstützpunkt besitzt immer mindestens vier Feuereisenspucker in Bereitschaft und bis zu zehn in Reserve. Das Gerät kann sowohl auf Rädern, als auch auf Kufen bewegt werden und wird im Einsatz geschoben. Es sieht aus wie das große Maul einer exotischen Bestie welche diagonal zum Himmel schaut. Dahinter befindet sich der kugelförmige Kessel, in welches die Metallbarren eingefüllt werden. Unter diesem wird in einem separaten Teil das Feuer entfacht und gepflegt. Das ganze Konstrukte ist neig- und drehbar und wird in voller Besetzung von drei Yaral bedient: ein Schütze neben dem Maul, ein Feuerwart und ein Eisengießer. Feuereisenspucker sind sehr effektiv bei der Verteidigung der Festungsstädte, da sie sowohl klein genug sind um in viele Nischen zu passen und durch die unterirdischen Gänge rollen zu können, aber genügend Feuerkraft besitzen um unter Dauerfeuer große Bereiche abzudecken und vielerlei Rüstungen und Schutzvorrichtungen zu durchbrechen bzw. zu umspülen. Da das Metall flüssig ist, dringt es wie Wasser in kleinste Ritzen. Auch die Taigs haben oben ein Feuereisenspucker als Turm, aus dem sich das Gerät komplett und rasch ausladen lässt, um mobil um den Taig zum Einsatz kommen zu können.

Die Wachleute beeilten sich die Feuerspucker zum großen Tor zu schieben und auf den Flanken Stellung zu beziehen. Die restlichen 24 Mann waren mit langen Piken bewaffnet als Phalanx in der Mitte in Bereitschaft. Yolgor gab das Signal das Tor zu öffnen. So wurden zwei Bujal je Torhälfte in die Ketten eingespannt um auf ihren Plateaus um die schweren Gelenke des Tormechanismus zu laufen und dabei über großen Ketten ihre Hälfte des Eisentors aufzuziehen. Die Wachmannschaft rückte vor. Eisiger Wind, welcher bisher nur gegen die Mauern peitschte drang sofort in die Torflucht ein und blies in eisigem Tanz den Yaral entgegen. Auch Simbald war unter den Pikenieren und kniff die Augen zusammen als der Frost ihm um die Nase wehte. Er musste an den Fremden vor den Toren denken. Wie konnte man nur einige Kilometer durch diesen Sturm laufen? Selbst wenn man die wahnwitzige Absicht hätte eine Festungsstadt überfallen zu wollen, würde das keine Räubertruppe bei diesem Wetter versuchen. Yolgor schien ähnlich zu denken, befahl er doch lediglich erst mal den Pikenieren ihm zu folgen und den Feuereisenspuckern zurückzubleiben. Der kleine Trupp Yaral stapfte hinaus in die Kälte dem Wesen entgegen. Dieses lag mittlerweile regungslos im Schnee einige Meter vor der Stadt. Es hatte den ganzen Tag über geschneit und entsprechend verweht war der sonst pfleglich gehaltene Zugang zur Stadt. Es würde schwer werden hier großartige Kampfhandlungen auszutragen. Simbald sah sich nach möglichen Angreifern um, die hinter Bäumen und verschneiten Büschen hervorspringen könnten. Aber nichts dergleichen geschah. Schließlich kamen Yolgor und sein Wachtrupp bei dem Fremden an. Er zog eine Augenbraue hoch. "Ein Mensch? Was macht ein Mensch hier bei diesem Wetter?" Simbald sah sich um. "Noch dazu ganz allein." Yolgor drehte sich zum Kommentargeber um "Wo ist der hergekommen?" Der Wachmann stand beim harschen Ton seines Hauptmann stramm. "Tauchte einfach aus dem Schneesturm auf der Handelsstraße auf. Mehr konnte ich nicht sehen." Diese Antwort genügte dem Hauptmann nicht. Er brummte missmutig und schaute auf den Fremden, welcher bewusstlos im Schnee lag. Auf den ersten Blick schien er recht gut genährt. Doch schnell stellte sich heraus, dass er nur mehre Lagen Felle und Kleidung übereinander trug und ziemlich hager war. Als Yaral erkannten die Wachleute rasch, dass die Ausrüstung von ihrem Volk stammte. Damit war klar, dass es sich hier entweder jemand handelte der länger in Reusun lebte, oder einen Dieb. "Durchsucht ihn! Ich will einen Hinweis auf seine Herkunft oder was er hier will bevor wir ihn in die Stadt schleifen", brummte Yolgor. Simbald und ein anderer Yaral machte sich sogleich darin den Bewusstlosen zu durchsuchen. Unter mehren Lagen Fell machte Simbald eine Umhängetasche aus Stoff aus. Er griff hinein und erfühlte nicht viel Inhalt: einen Kanten Brot schon ziemlich hart, einen Wasserbeutel, fast leer und... etwas Weiches in ein kleines Tuch eingeschlagen. Simbald zog das Tuch vorsichtig heraus. "Was hast du da?", brummte der Hauptmann. Der Wachmann übergab sein Fundstück. "Das hatte er neben etwas altem Proviant in einer Tasche." Yolgor nahm das Tuch entgegen und öffnete es vorsichtig, umringt von seinen Männern. Was sie sahen ließ ihnen die Spucke weg. "Das... das ist unmöglich!", stammelte Yolgor. " Doch es schien ganz eindeutig zu sein. Im Tuch befand sich ein Büschel weißes Bujalfell und ein schwarzer Zahn des Tieres. Dabei war es deutlich, dass dieser Zahn nicht etwa verfault war, sondern schlichtweg von Natur aus schwarzgefärbt. "Wie in den Geschichten.." meinte jemand tuschelnd. "Unfug! Das hier muss ein Schwindel sein, oder es ist diese grässliche Magie im Spiel!" Yolgor weigerte sich strickt die Beweise als echt anzuerkennen. "Hauptmann, der Sturm nimmt zu!", bemerkte Simbald. "Wenn wir Antworten von dem Menschen bekommen wollen, sollten wir zusehen ihn in die Nähe eines Feuers zu kriegen." Der Kriegerführer setze eine grimmig Miene auf und musterte das Männlein im Schnee. Er atmete kaum noch, war ganz blass und seine Lippen vollkommen blau. Yolgor quetschte das Tuch samt Inhalt zusammen. "Also gut. Schleift ihn rein! Wir bringen ihn zu Drombart, der wird vielleicht schlau aus dem Zeug hier! Die Feuereisenspucker wieder zurück in die Nischen und ich will, dass immer zwei bis drei Wachen bei dem Menschen bleiben. Wenn er aufwacht, bin ich sofort zu rufen. Er warf noch einen Blick auf das weiße Bujalfell und den schwarzen Zahn. "Ich habe einige Fragen an ihn!"
 
Ich feile noch an den Details. Die Fortsetzung wird vermutlich gegen Freitag kommen. :)
 
Der weiße Bujal - Teil 2



"Das hier ist ein Phantom mein guter Simbald!", Drombard kniff die Augen etwas zusammen um auch letzte Details durch das Vergrößerungsglas zu erkennen. Der Yaral war deutlich in die Jahre gekommen. Seine knitterige Haut war wettergegerbt und er trug einen breiten Ring durch den linken Nasenflügel, welcher mit feinen Gravuren übersät war. Immer wenn es etwas gab, was in Ramin'tar auftauchte und dort eigentlich nichts verloren hatte, oder aber es nicht klar war um was es sich handelte, holte man den alten Kauz. Er war unter den Yaral eine Koryphäe auf dem Gebieten der Alchemie und Mechanik, sowie ein Garant für irrwitzige Ideen, zumindest soweit es die kahlen Zwerge betraf. Unter ihnen war man sehr traditionsbewusst und hielt mehr von den alten Bauwerken und Mechaniken, als von neuen Dingen. Besonders die Hauptstadt Isur'tar pflegte Werte wie Tradition und starrköpfiges Denken in den Himmel. Eine Diskussion mit einem Yaral über neue Errungenschaften, Änderungen alt bewehrter Strukturen, oder gar dem Abschaffen einer Tradition zugunsten von neunen Gepflogenheit, stößt im Besten Fall auf Unverständnis und einem groben Grunzen, im schlimmsten Fall endet es in einer Schlägerei… zumindest wenn der Yaral seine Axt weit genug weg gelegt hatte.

Drombard war in dieser Hinsicht anders und musste sich diesen Lebensstil hart erkämpfen. Doch irgendwann erkannte man die Nützlichkeit von seine Neugier und Wissenshunger und ließ ihn mehr oder weniger gewähren. Inzwischen gehört er zu Ramin'tar wie das Glitzern in den Augen eines Yaral beim Anblick einer gefüllten Schatztruhe. Der alte Alchemist drehte den schwarzen Zahn mit der Zange unter der Vergrößerungsapparatur hin und her. "Es ist kein Bujalzahn?", Simbald war verwirrt. Er hätte draußen vor den Toren schwören können, dass es sich um einen Solchen handelte. Drombards leicht hin und her schüttelnder Kopf gab ihm nicht die Antwort die sich der Wachmann erhofft hatte. "Es ist schwer zu sagen, da noch niemand einen gesehen hat. Das Material ist eindeutig das, aus dem die Stoßzahngeweihe der Bujals sind, aber diese Färbung… es wirkt fast so, als ob er mit Kohle versetzt wurde." Der alte Mann ließ seinen wurstigen Zeigefinger über das schwarze Objekt schleifen und tatsächlich bildeten sich kleine dunkle Farbpigmente heraus. "Das ist interessant. Derartige Struktur habe ich noch nie gesehen, bedenkt man jedoch, dass es sich hier vielleicht um einen sehr alten Zahn handelt, wäre es durchaus vorstellbar, dass sich Knochenmehl vom Zahn ablöst." Er ließ ihn in eine kleine Glasschale plumpsen und legte die Zange beiseite. "Genaueres werde ich erst nach dem Gespräch mit dem Menschen sagen können."

Er drehte sich zu einer Pritsche auf dem von zwei schwerbewaffneten Yaral-Wachleuten der noch immer benommene Mensch lag. Man hatte ihn aus den dicken Fellen geschält und mit dünnen, hellen Leinentüchern zugedeckt. Darunter ein einfaches Kissen aus Stroh und Stoff. Drombard hatte ihn natürlich zuvor eingehend untersucht, einerseits nach Hinweisen zu seiner Herkunft wie auch Absicht, andererseits nach Verletzungen. Er hatte zu beidem nicht viel gefunden. Verletzungen hatte der Mann nicht, abgesehen von kleineren Erfrierungserscheinungen, aber die hielten sich alle im Rahmen. Der Alchemist fand einiges an Erde und Hölzern an seiner Kleidung und unter den Nägeln. Das sagte nicht viel aus in einer Stadt die von Wald und Gebirge umgeben war. Simbald sah ihn ebenfalls an. "Sorg nur dafür, dass du nach Yolgor schicken lässt. Du weiß wie sauer er wird, wenn man ihn übergeht. " Der Alte winkte ab, als würde er Fliegen verscheuchen. "Ja, ja… nur keine Hektik. Es werden alle informiert." Simbald machte sich zwar Sorgen, dass der störrische Drombard ihn nicht wirklich ernst nahm, aber andererseits kannten sich Yolgor und Drombard länger als er auf der Welt war. Es ist angesichts der beiden Sturböcke bestimmt schon häufiger zu ähnlichen Situationen gekommen. Wenn auf etwas verlass war, dann die Sturheit der Yaral und das beruhigte den jungen Wachmann genug, dass er Drombards Haus verlassen konnte.

Simbald nahm die kleine Treppe hinauf auf die kleine Straße, welche die Gebäude auf dieser Seite des Bezirks mit den großen Handelsstraßen der Stadt verband. Ramin'tar war beschäftigt wie eh und je. Es gab keine Stunde in der die Stadt komplett schlief. Immer waren entweder Marktplätze, Schmieden, Gießereien oder andere Handwerker damit beschäftigt ihrem Tagewerk nachzugehen. Er mochte besonders die Nachtwachen auf den Mauern des inneren Ring, welche die zentralen Gebäude vom Rest der Stadt wie Wohnhäuser und kleine Handwerker trennte. Patrouillierte man bei Mondschein dort oben über der Stadt, konnte man die heißen Feuer aus dem großen Mienenturm gut erkennen und die Loren, welche stätig allerhand Schätze aus dem Erdinneren zu Tage förderten, funkelten wie ein Sternenmeer am Boden. Es war inmitten der einzelnen Rauschschwaden und Fackellichter wie eine andere Welt. Simbald konnte Stunden lang dort oben stehen und auf seine Heimat hinunterblicken. Aus den vielen kleinen Gesprächen die er schon mit anderen Wachleuten und Soldaten geführt hatte, wusste er dass es ihm nicht alleine so ging. Diese Schätze zu beschützen und die Yaral die sie mit viel Schweiß dem Gestein abtrotzen ist ein einfacher Motivationsgrund Mauern und Umland mit dem Leben zu schützen. Es war unbestreitbar dass der junge Wachmann seine Arbeit aus Leidenschaft tat und in ihr seine Berufung gefunden hatte. Er geriet oft ins Träumen bei dem Gedanken an diesen Anblick. Leider manchmal zu oft und an unpassenden Orten und besonders wenn Yolgor in der Nähe war, gab es nur falsche Augenblicke dafür. Durch diese unschönen Erfahrungen und der Unbelehrbarkeit seiner Heimatliebe kannte er die Polierkammern der Quartiermeister genauso gut wie den Blick über diese großartige Stadt.

Gerade noch als er daran dachte, bemannte sich ein großer, grunzender Schatten Seiner und Simbald konnte gerade noch zur Seite hechten, bevor ihn eine Quadriga Bujal inklusive Taig überrollt hätte. Er bekam nur ungläubige Blicke von oben zugeworfen, währen die Zugtiere ohne Ablenkung ihrer Arbeit nachgingen. Sie haben den kleinen Yaral vermutlich nicht mal bemerkt und er hätte vor Scham im Boden versinken können. Hoffentlich erfuhr Yolgor nicht davon. Er hatte noch vom letzten Strafpolieren Schwielen an den Händen. Simbald begab sich in seine Kaserne. Er musste dringend etwas Essen. Seine Wache war seltsam zu Ende gegangen und nach der Begegnung mit dem Schneesturm war ihm inzwischen mehr nach heißem Met als nach frischem Bier. Überall in den Straßen taten die Wachleute ihr Werk und dem jungen Yaral kam es so vor, als hätte sein Hauptmann nach Ankunft des Menschen die Wachen verdoppelt, als ob es hier nie Besucher gäbe. Täglich kamen viele Reisende an die Tore und nicht immer wurden sie abgewiesen, obwohl das im Grunde häufiger war, als eine Einwilligung zum Zutritt. Trotzdem gab es relativ große Marktplätze welche jedoch mehr das eigene Volk mit ausländischen Waren versorgte als umgekehrt. Yaral kamen nicht unbedingt oft rum, wenn sie nicht zur Zunft der Händler gehörten. Die Versorgung fand daher innerhalb der eigenen Mauern statt. Handel florierte und solange die Erz- und Edelsteinadern nicht versiegten, gab es deutlich andere Dinge um die sich die Yaral sorgten als um Münzen. Bald schon erreiche Simbald seine Kaserne. Ein angenehmer Duft von Braten und Alkohol stieg ihm in die Knollnase und der Gesang derber Lieder drang an sein Ohr. Hier würde er bekommen was er suchte: Nahrung und eine Mütze Schlaf.


Dumpf nahm er noch halb benommen laute Kommandos war, welche durch die Tür drangen. Der Mond stand mittlerweile hoch am Himmel. Es war Nacht geworden über Reusun. Dennoch schien die Stadt nicht soweit zur Ruhe zu kommen wie sie es sonst tat, abgesehen von den Schmiedehämmern und Flaschenzügen der Miene. Irgendetwas schien die Leute in hellen Aufruhr zu versetzen. Simbald versuchte die Schläfrigkeit aus seinem Kopf zu vertreiben, was nur von mäßigem Erfolg gekrönt war. Doch spätestens als ein anderer Wachmann ohne Vorwarnung die Tür zu seiner Kemenate aufriss und "ANTRETEN VOR DROMBARDS HAUS, BEFEHL VOM HAUPTMANN!" schrie, klingelten ihm die Ohren so sehr, dass sämtlicher Restschlummer fluchtartig das Weite suchte. Rasch angelte der Wachmann nach seinen Stiefeln, die irgendwo unter seinem Bett lagen. Seine Rüstung hatte Simbald nicht mal großartig ausgezogen, zu sehr dröhnte ihm der Kopf nach dem Gelage. Jetzt war er froh darüber. So nahm er nur Axt und Helm und zurrte beides an seinen Leib. Dann beeilte er sich zu den anderen Wachmännern aufzuschließen, die im schnellen Schritt auf die Straße eilten. Vor der Kaserne wurde Simbald erst das Ausmaß richtig gewahr. Yolgor muss die halbe Garnison geweckt haben wegen etwas was bei Drombards Haus passiert sein musste und da sich der junge Yaral trotz Kopfschmerzen erinnerte wen er da erst vor wenigen Stunden in Begleitung zwei anderer Wachleute abgeliefert hatte, konnte sich Simbald denken um was es ging. Fackeln erhellten überall die Straßen, mehr noch als sonst. Aller paar Meter standen zwei Wachen mit große Hellebarden, oder anderen Stangenwaffen als Wachposten bereit und bewachten die Straße. Was dem Yaral ebenfalls auffiel war, dass außer Wachen niemand draußen war. Ob Yolgor gar eine Ausgangssperre verhängt hatte? Was war nur geschehen? Simbald beschleunigte seine kurzen Schritte noch mal durch die Straßen. Selbst wenn er nicht gewusst hätte wo Drombard Haus läge, wäre er dennoch zielgenau angekommen. Der Spalier aus Fackeln, Wachleuten und anderen Soldaten die beidem folgten waren unübersehbare Hinweise wo er hinmusste. Kaum angekommen, wurde er auch sofort von einem Wachmann neben der Tür erkannt. "Simbald! Da bist du ja. Schnell, herein mit dir! Yolgor…" "WO BLEIBT DIESER FLAULPELZ NUR!?", schallte es von drinnen. Der Wachmann räusperte sich und verzog mitleidig das Gesicht. " Er, ähm… sucht nach dir." Simbald schluckte. Sollte er wirklich da rein gehen? Er hatte kaum eine Wahl.

Vorsichtig betrat er das Haus des Alchemisten und setze jeden Schritt so bedächtig, als würde er in eine Bärenhöhle hineinschleichen, deren Boden mit Fangfallen übersät wäre. Die tobende Stimme des Hauptmanns führte ihn in das Zimmer wo er den Menschen und Drombard zuletzt gesehen hatte. Tatsächlich ereilte ihn ein unerwarteter Anblick. Sowohl der Mensch als auch Drombard waren spurlos verschwunden. Nur einige zerwühlte Bettlagen erinnerten daran, dass hier noch jemand gelegen hatte. Die beiden Wachen hingegen lagen regungslos daneben auf dem Fußboden. Kameraden kümmerten sich um sie. Neben ihnen lief ein schäumender Yolgor Glimmzeug auf und ab. "WENN DER TAUGENICHTS NICHT BALD HIER AUFTAUCHT, DANN…!", just in diesem Moment erspähten die beiden wütenden Flammen oberhalb der Nase den gesucht und verfluchten Wachmann. "Endlich! Was für ein Pflichtbewusstsein hast du eigentlich Ferdlung!?" Simbald verstand nicht was damit gemeint war, wagte aber nicht beim aktuellen Gemütszustand zu sprechen. Es würde ohnehin gleich aus dem Hauptmann heraussprudeln. "Ich schicke zwei frische Wachen gerade zur Wachablösung, als ich kurz darauf im Eiltempo wieder aufgesucht wurde mit der Bemerkung, dass unsere Männer am Boden liegen und von Drombard und dem Menschen jede Spur fehlt! Du hattest die ausdrücklichen Befehle dafür zu sorgen, dass beide hier sind und ich gerufen werde, wenn der Mensch erwacht und nicht einfach zuzulassen, dass der Großtreter stiften geht und Drombard mitnimmt... oder entführt oder Schlimmeres!" Simbald wollte etwas sagen, wirklich. Er hatte sogar einiges was er vorbringen konnte, aber irgendwie wollte ihm nicht einfallen wie er es am besten Yolgor beibrachte. Zu seiner Erleichterung kamen in diesem Moment die beiden Wachmänner wieder zu sich. Immerhin waren sie nicht tot. Doch der Hauptmann kannte kein Mitleid. "SCHÖN, DASS DIE HERREN AUSGERUHT SIND. VIELLIECHT KÖNNT IHR MIR SAGEN WAS HIER PASSIERT IST! FERDLUNG HAT SEINE ZUNGE VERSCHLUNGT!" Er tippt ungeduldig mit der Fußspitze au den Steinboden während er mit verschränkten Armen auf die beiden Wachleute starrte. "Seht Hr. Hauptmann, das haben wir eben gefunden. Sie lagen darauf." Yolgor schnappte nach einer kleinen zerbrochenen Phiole. Einige Tropfen einer grünlichen Flüssigkeit waren noch darin, die bei genauerer Betrachtung irisierte und muffig stank. Yolgor sog skeptisch eine Brise davon in seine Nase und musste sofort davon Husten. "Irgendein Gebräu von Drombard, kein Zweifel. Der alte Bastard hat also wirklich seine Finger im Spiel. Ich werde ihn eigenhändig nackt bei Mittwinter vor die Tore festketten auf das ihm seine verschrumpelten Eier abfaulen mögen!" Er knurrte und warf die Reste der Phiole gegen die Wand. Simbald war währenddessen schon dabei nach Hinweisen zu einem Aufenthaltsort der beiden zu suchen. Irgendetwas, ein Schnipsel oder so, der seine angeknacksten Ruf zumindest etwas wieder herstellte. Das Glück war mit den Bedürftigen. Er fand auf dem Tisch mit Vergrößerungsglas und Bujalzahn ein aufgeschlagenes Buch. Das für sich war noch nichts zielführendes, da ständig irgendwelche Bücher mit Abhandlungen, Berichten, oder anderen wissenschaftlichen Einträgen bei Drombard aufgeschlagen herumlagen. Doch dieses hier war ein Fabelbuch und es war die Fabel von 'Trugroll dem Einbeinigen' aufgeschlagen. Diese Fabel kannte Simbald. Seine Großmutter hatte sie ihm öfter erzählt.

In der Fabel ging es um einen alten Kriegsveteranen der Yaral der alles Verloren hatte und mit leeren Händen vor den Scherben seines Hauses stand. Über dem was der Krieg ihm hinterließ war er so traurig, dass er fest aufstampfte und die Götter verfluchte. Dadurch erschien ihm ein Berggeist. Der Geist bat ihm an alle Wünsche zu erfüllen die er wollte, wenn er ihm etwas vergleichsweise ähnlich Bedeutendes dafür gab. Trugroll hatte durch den Krieg natürlich nicht viel und so gab er was er geben konnte: Die Trümmer seines Hauses für Goldmünzen, Seine Kleidung und seine Waffe für ein teures Gewand und sein alten Bujal für eine prächtige Kutsche. Dies alles erfüllte ihm der Geist. Trugoll war zum ersten Mal seit dem Krieg glücklich und fuhr davon. Doch soweit er auch fuhr so viel Gold er den Leuten auch anbot, er fand niemanden der ihn aufnehmen wollte, oder etwas zu essen geben konnte. Die anderen Leute hatten ebenso wie Trugoll durch den Krieg alles verloren und das wenige was sie hatten, behielten sie für sich um irgendwie über die Runden zu kommen. So fühlte sich Trugoll erneut betrogen und stampfte wieder auf und stieß wieder einen Fluch gegen die Götter aus. Der Berggeist erschien wieder und frage was nicht in Ordnung sei. Immerhin habe er alles bekommen was er wollte. Auch der Geist war sehr zufrieden mit den Gaben. Aus den Trümmern habe er eine schöne kleine Hütte bauen und aus der Rüstung Werkzeug und ein Gespann für den Bujal herstellen können. Er konnte damit die Felder bestellen, und würde bald die ersten Feldfrüchte ernten können. Es war ein bescheidenes Leben, aber er war dankbar dafür. Bujal forderte den Geist auf alle Sachen zurückzugeben und dafür die Dinge wieder anzunehmen, die er ihm geschenkt habe. Der Geist willigte ein und fragte was er für die Erfüllung des Wunsches bekommen würde. Da Trugoll nichts mehr sonst hatte stampfte und fluchte er wild geworden umher. So sagte der Geist, dass er Trugolls Bein wollte, damit er ihn in Zukunft in Frieden lassen und ihn nicht mehr rufen könne. Blind vor Habgier und Zorn, nahm Trugoll die Bedingungen an und der Berggeist trennte ihm augenblicklich das Bein von den Hüften. Als Trugoll wieder aus der Ohnmacht erwachte fand er sich vor den Trümmern seines Hauses wieder. Sein Bujal stand daneben und er hatte seine alte Rüstung an. Da erkannte er, dass der Berggeist ihn angelogen hatte und alles war wie zuvor, nur dass er aus Habgier sein Bein geopfert hatte und so nun weniger hatte als zuvor. Die Moral der Fabel war, das Habgier stets ein schlechter Begleiter war und man mit dem was man hat seine Wünsche erfüllen konnte, wenn man nur selbst anpackte, statt nichts zu tun und die Schuld anderen zuzuschieben.

Die Fabel hatte einen wahren Kern, weil es Trugoll den Einbeinigen wirklich gegeben haben soll. Er soll sein Haus nahe des 'Felsenstachels' gehabt haben ein hoher Berg nicht weit von Ramin'tar entfernt. Darunter hatte Drombard etwas mit Handschrift geschrieben: 'Es war ein weißer Bujal!' Simbalds Augen wurden groß. Ihm wurde schlagartig bewusst wo er den Menschen finden würde und hoffentlich auch Drombard. Irgendwie musste Drombard rausbekommen haben, dass der Bujal von Trugoll ein weißer Bujal gewesen sein sollte, vielleicht waren Fell und Zahn sogar aus dem angeblichen Grab von Trugoll gewesen, oder wurden in der Nähe gefunden und jetzt sind sie dorthin unterwegs. Doch warum allein? Warum so überstürzt mitten in der Nacht und wie sind sie durch das Tor gekommen? Eines war sicher. Sie mussten Drombard schnellstmöglich finden. Egal in was der alte Kauz da hineingeraten ist. Reusunische Winter waren nichts was man auf die leichte Schulternehmen durfte. Selbst bei milden Temperaturen gab es hier genügend Gefahren außerhalb der Mauern für einen Yaral, noch dazu nachts wo die Raubtiere jagten und die Winde kälter heulten. Das beunruhigteste für Simbald war jedoch, dass Drombard all diese Dinge wusste. Immerhin gehörte er zu den schlauesten und erfahrensten Yaral überhaupt, und trotzdem ist er gegangen.
 
  • Like
Reaktionen: Asteria
Der weiße Bujal - Teil 3


Der Felsenstachel war alles was Simbald in dem Schnee erkennen konnte. Auch an diesem Morgen gab es keine Besserung des Wetters. Yolgor hatte schon in der Nacht alles für eine Rettungsmission Drombards vorbereitet. Freiwillige gab es genügend. So musste der Hauptmann niemanden bestimmen. Das hatte mehrere Gründe. Einerseits weil es ein kurzer Ausbruch aus dem meist recht trögen Alltag einer Stadtwache war und andererseits weil viele Drombard kannten und schätzen. Zudem sprachen sich Gerüchte herum es wäre möglich einen weißen Bujal zu Gesicht zu bekommen und die damit verbundenen Legenden überprüfen zu können war für jeden Yaral nochmal extra Ansporn. Es wurden zwei Bujals mit allerhand Ausrüstung und Proviant beladen und entschieden, dass mit den ersten Sonnenstrahlen die Mission starten würde. Die Männer wurden danach zwar wieder ins Bett geschickt, aber viele konnten wegen der Vorfreude und Anspannung nur wenig Schlaf finden. Auch Simbald erging es so. Draußen hörte er den Winterwind heulen und hoffe dieser würde nachlassen wenn die Sonne wieder die beiden Monde ablöste. Doch als es Zeit war sich für die Mission bereit zu machen begrüßte den jungen Wachmann noch immer das Frostheulen und die Sonne sah wie in Watte gepackt aus. Daraufhin entschied der Yaral kurzfristig sich lieber mit zwei Lagen Unterkleidung unter der Rüstung einzupacken. Wer weiß wie lange sie durch den Schnee stapfen würden? Nun taten Sie das schon seit Stunden und außer dem Schemen der Felsennadel war nichts über den Baumwipfeln zu erkennen. Die Bujalreiter wechselten sich gegenseitig ab den Weg frei zu schaufeln, so dass der Trupp von insgesamt 20 Mann beim Marsch durch den Schnee Kräfte sparen konnte. Dabei hatte jeder Reiter ein feines Gespür wann es Zeit war seinen tierischen Koloss aus Muskeln und Fell zurückzuziehen. Auch wenn Bujals wie unzerstörbare, massige Tiere wirkten, die nichts in die Knie zu zwingen vermochte, war dem ganz und gar nicht so und ein langer Marsch durch hohen Schnee bei pfeifenden, frostigen Winden war eines der Dinge die jedes Tier irgendwann fällen würden. Aus diesem Grund achteten die Reiter immer sehr genau auf die Körpersprache und die Laute ihres Tieres. Die intensive Bindung zwischen Reittier und Reiter war eine Grundvoraussetzung dafür. Es war nicht verwunderlich, dass die Bujaljäger sehr oft auch gute Bujalreiter waren. Hatte sich eine Verbindung zwischen Tier und Yaral erstmal zaghaft aufgebaut, blieben beide bis zum Lebensende zusammen. Dabei war es wesentlich einfacher, dass der Reiter sich an ein neues Tier gewöhnte, als umgekehrt. Oft gelang es niemals wieder bei einem zurückgebliebenen Bujal eine richtige Akzeptanz zu einem anderen Reiter aufbauen zu können und nicht selten wurden Tiere, die ihren Reiter verloren haben zu einfachen Herdenarbeiten wie das Ziehen von großen Konstrukten, oder Taigs abgestellt.

Ein berittener Bujal war zu viel mehr und komplexeren Aufgaben fähig als ein unberittener. So war er neben einigen seltenen Kriegsakten vor allem für die Arbeiten in den unterirdischen Teilen der Festungsstätte von Bedeutung. Daneben war die Jagt eines der Hauptfelder für einen Bujalreiter. Sie wurden überall eingesetzt wo sie gebraucht wurden, so eben zum Beispiel auch als Lastentier und Schneeflug zum Felsenstachel. Simbald war sehr froh darüber und in der Nähe der großen Tiere pfiff sogar der Wind nicht so stark wie ein paar Schritte von ihnen entfernt. Yolgor hatte es sich nicht nehmen lassen die Mission selbst anzuführen. Er hatte fähige Vertreter dafür, aber das hier schien was Persönliches zu sein. So übergab er die Stadtwache für die Zeit seiner Abwesenheit an seine Stellvertreter und ging mit dem Rettungstrupp hinaus in den Schnee. Seine Präsenz hatte deutlichen Einfluss auf die Männer. Sie waren beruhigter, disziplinierter und mit mehr Konzentration bei der Sache. Auch Simbald ging es so. Die Yaral kamen gut voran und nach einem halben Tag kamen sie am Fuße des Felsenstachels. Immer wieder ließ Yolgor nach Hinweisen zu Drombard und dem Menschen suchen. Doch nichts dergleichen kreuzte ihren Weg. Sie schienen wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Nun könnte ein immer wütender Schneesturm in den letzten Stunden der Nacht durchaus Fußspuren und provisorische Rastplätze zunichte gemacht haben. Daher nagte es nicht so sehr an dem Hauptmann, dass sie scheinbar die ersten waren, die diesen Weg genommen hatten. Der erfahrene Wachmann hoffte zumindest, dass die beiden überhaupt bis zum Felsenstachel gekommen sind und nicht unterwegs Opfer von Frost und wilden Tieren geworden sind. Doch nach wie vor ließ ihm keine Ruhe wie sie an dem Stadttor vorbei gekommen sind. Dieses war rund um die Uhr bewacht worden, wie zu jeder Stunde, und es bauchte zwei Bujals um eine Torhälfte öffnen zu können. Andere Wege aus der Stadt gab es nicht. Überall hielten die hohen Mauern Flüchtigen zurück, welche nicht minder bewacht wurden. Er würde Drombard fragen, wenn er ihn fand, gleich nachdem er ihm die Zähne ausgeschlagen hatte! Yolgor ballte bei dem Gedanken seine Finger zur Faust und gab so dem kurzzeitigen Aufflackern seiner Wut freien Raum. Ein vorausgeschickter Späher ließ ihm die aggressiven Gedanken verwerfen, da dieser offensichtlich etwas gefunden hatte. "Hr. Hauptmann, melde mich zurück." Yolgor brummte. "Ich seh's Vogglar… Dein Bericht!" Der Yaral stellte sich so gerade und stramm hin wie es ihm bei den widrigen Umständen möglich war. "Den Pfad hinauf sind ebenfalls keine Fußspuren auszumachen, jedoch habe ich Fackellicht am Eingang einer kleinen Höhle entdeckt. Sie ist schwer zu erreichen, auf dem normalen Pfad nicht sichtbar und den Aufstieg ist sehr unsicher, besonders bei diesem Wetter." Yolgor kämmte sich mit den Fingerspitzen durch den imaginären Bart. "Mit den Bujal kommen wir da also nicht hoch." Er bemerkte dass in diesem Moment alle Augen auf ihm lagen. "Also gut. Schlag hier ein kleines Lager aus, bringt Tier und Mann aus dem Wind und entfacht ein Feuer. Ich werde mit Ferdlung und Vogglar den Pfad erklimmen und nachsehen was es mit dem Fackellicht auf sich hat.", er zeigte auf den jungen Wachmann und den Späher. "Wenn wir in einer Stunde nicht wieder da sind, kommt ihr nach, aber mit Vorsicht! Ich will keine unliebsamen Überraschungen erleben." Man merkte Yolgor Glimmzeug deutlich an, dass ihm die Situation nicht schmeckte, das oder er hat eine Schneeböe in seine Kleidung bekommen. Simbald war sich nicht sicher, stellte diese Frage jedoch für den Moment zurück. Jetzt hieß es Augen auf und bedächtigen Schrittes zur Höhle hinauf.

Der Pfad erwies sich mehr als zufällige Felsenformation statt als wirklicher Pfad. Hier liefen normalerweise höchstens mal ein paar Bergziegen entlang und auch nur, wenn die Sonne schien und nicht unbändige Winde gegen die Felsen brandeten wie eine niemals enden wollende Armee des Winters. Vogglar, Yolgor und Simbald drückten sich soweit an den Felsen wie sie konnten. Ihre Kleinwüchsigkeit war den Yaral hier echt von Vorteil, benötigten sie doch nur den Bruchteil der Fläche eines Menschen, Elfen, oder noch größeren Gesellen, wie Ogern oder Kai'shak. Gerade als das Fackellicht stark genug in Reichweite kam um dem heulenden Winter zu trotzen und eine kleine Flamme der versprochenen Geborgenheit aussandte, wehte ein besonders schneereicher Wind heran, als wollte er jedweden Gedanken an Erfolg der drei im Keim ersticken. Der ohnehin flüchtige Untergrund wandelte sich augenblicklich in eine Rutschbahn. Simbald, der als Letzter ging, konnte sich gerade noch am Felsen festklammern um einem Sturz zu entgegen. Vogglar und Yolgor hatten weniger Glück. Beide verloren den Halt und fielen unsanft zu Boden. Der Späher an der Spitze des kleinen Trupps war dabei doppelt vom Pech verfolgt, offenbarte sich sein vermeintlicher Fußtritt nur als Brocken gefrorenen Schnees, welcher durch die spontane Wucht aus Bö und niedergehendem Yaral abbrach und in die Tiefe stürzte. In einem letzten Schrei unter Todesangst fiel Vogglar hinterher und wurde regelrecht vom Schneesturm verschluckt. Für einen Moment schien es als würde das Heulen um Simbald dumpf und schwach. Er konnte nicht aufhören auf die Stelle zu starren, wo eben noch Vogglar lag. Seine Knie gaben plötzlich nach und Simbald rutschte an der Felswand hinab in den Kutschersitz. "Ferdlung!", es wirkte wie durch fünf Meter Watte gerufen. Erst langsam erkannte das Gehirn des jungen Wachmanns Yolgors Stimme. "Ferdlung!... Simbald, komm steh auf mein Junge!" Eine Yaralhand in einem Lederhandschuhe schob sich von oben in sein Sichtfeld und zwangen ihn sich der neuen Information anzunehmen. Seine Aufmerksamkeit konnte sich jedoch nach wie vor nur schwer von der Absturzstelle lösen. Er begriff nicht, dass hier gerade ein Kamerad in den Tod gestützt war. Yolgor patschte mit der hingehaltenen Hand gegen Simbalds Schulter. "Jetzt komm! Hier können wir nichts mehr tun. Wir müssen sehen, dass wir aus dem Sturm rauskommen. " Der Yaral in Simbald hätte gern einen Moment länger verweilt, um mit seiner langsam aber sicher aufkommenden Trauer fertig zu werden, aber der Soldat in ihm folgte stumpf dem Befehl und der Soldat gewann die Oberhand in dieser schrecklichen Situation. Er funktionierte einfach. Mit festem Griff umschloss er die Hand seines Hauptmanns und ließ sich nach oben ziehen. Mit einem einfachen derben Klopfer, befreite ihn Yolgor vom gröbsten Schnee. Dann wandte er sich um und suchte vorsichtig festen Halt um die Abbruchstelle herum. Simbald folgte schweigend, aber sein Herz schrie ob des Verlusts lauter als jeder gnadenloser Wintersturm heulen könnte. Als das leicht feuchte, windgeschützte Klima der Höhle den jungen Wachmann umfing fanden seine Gedanken etwas Frieden. Ihm fiel zum ersten Mal auf, dass er eine gewissen Ruhe und Wohlgefallen empfand wenn er unter die Erde ging und dieses Geborgenheitsgefühl breitete sich immer in ihm aus, wo er so drüber nachdachte. Ob das allen Yaral so ging, oder nur ihm? Wieder so eine Frage auf die Simbald gern eine Antwort hätte, aber keine bekommen würde. Vielleicht brachte er das mal am nächsten Tavernentisch zur Sprache. Er würde viel zu erzählen haben, wenn er diese Mission überstehen sollte. Simbald atmete einmal tief durch und fokussierte seine Gedanken. Dann folgte er dem Hauptmann endgültig unter die Erde.

Der Stollen führte wahrlich tief in den Berg. Überall waren fein säuberlich Fackeln aufgestellt um den Gang gut auszuleuchten. "Ist das eine alte Miene?", flüsterte Simbald. Yolgor schüttelte den Kopf. Mir ist keine Miene in dem Felsenstachel bekannt. Hier gibt es keine Erze. Falls doch muss es sehr lange her sein. Aber eins ist sicher…" er zog eine Fackel aus der Halterung und leuchtete über sich die Stützbalken aus. "Das hier ist die Arbeit eines Yaral. Ein vernünftiges Stück yaralische Baukunst. Das bekommen weder Menschen noch Goblins hin. Ich würde meinen, nicht mal die Goddarianer kennen die Stollenbaukunst und unsere Brüder aus Ragrym würden so etwas niemals aus Holz bauen." Simbald überlegte ob es wirklich keinen Stollen aus Holz bei den Amagan gibt. Doch Yolgor war schon einen Schritt weiter mit seinen Gedanken und Simbald bemühte sich nicht den Anschluss zu verlieren. "Ich wüsste nur gern welcher Yaral dafür verantwortlich wäre. Das hier ist die Arbeit von Monaten, wenn nicht sogar Jahren. " Tatsächlich ging der Stollen immer weiter in den Berg. Simbald fragte sich wie lange sie schon voran gingen. Das garstige Wetter draußen hatte er schon fast vergessen und hören konnte er den Wind ebenfalls nicht mehr. Das Fackellicht wurde auch immer spärlicher, als wäre dem Erbauer des Stollens irgendwann entweder egal gewesen ob er hier noch was sah, oder ihm gingen die Fackelhalter aus. Teilweise konnte man gar nicht mehr sehen wohin man trat. Gerade als Simbald in den Sinn kam, dass die Dunkelheit vielleicht sogar Absicht sein könnte, um Fallen besser zu verbergen, hörte er etwas klicken unter seinem Fuß. "Verdammt!" Yolgor fuhr herum. "Beweg dich nicht. Du stehst auf einem Auslös..." Doch es war schon zu spät. Simbald hatte nur kurz den Fuß entlasten wollen und das genügte der Falle um zu zuschnappen. Im nächsten Moment flogen irgendwelche kleinen Gegenstände durch den Stollen und am Zerbrechen war schnell klar, dass es Glas sein musste. Sie warfen sich beide zu Boden um davon nicht getroffen zu werden. In der Dunkelheit bekam Yolgor einen Rest des Glasgegenstandes zu fassen. Das ist eine Phiole. Genau solche wie sie in Drombards Haus… Haus… zu … zu fin…den." Er wurde schlagartig sehr schläfrig. "Gas… irgendein… Yolgor wir müssen…" Weiter kam er nicht. Simbald hörte nur noch wie sein Hauptmann bewusstlos zu Boden fiel. Dann umfing ihn ebenfalls ein tiefer Schlaf.
 
  • Like
Reaktionen: Asteria
Der weiße Bujal - Teil 4



Simbald Ferdlung flog durch Raum und Zeit. Er blickte in alle Richtungen, aber sah nur Sternenlicht. Überall war es – oben, unten, vor und hinter ihm. Er fühlte sich schwerelos und trieb wie ein Holzstück auf einem reißenden Strom dahin. Wo war er? Wie ist er hier hergekommen? "Du hast nichts gelernt Ferdlung!", donnerte es plötzlich neben ihm. Erschrocken drehte Simbald den Kopf. Im ersten Moment erschrak er heftig, aber dann wurde ihm gewahr, dass es sich bei der grässlichen Gestalt um seinen Hauptmann Yolgor Glimmzeug handelte den er da erblickte. Er war halb verwest und bot einen grausamen Anblick. Irgendetwas hatte seinen Kopf angefressen und das Gehirn schaute halb heraus. Überall waren blaue Flecken und Blutergüsse zu sehen. Ihm fehlten einige Zähne. Seine Haut war ganz grau und seine Nägel gelb, wie auch seine Zähne. Auch seine Rüstung war total zerschlissen und hing in Fetzen von seinem schwebenden Leib. "Yolgor was ist passiert? Bin ich tot?" Der untote Yaral grunzte und lachte herzerfrischend. "Ein Trottel wie er im Buche steht! Was glaubst du wohl? Würde ein normaler Yaral ohne Ziel durch die Dimensionen fliegen und Met schlürfen?" der junge Wachmann war verwirrt. "Met? Ich trinke kein…" Schlagartig änderte sich die Szene und er saß daheim in seiner Kaserne am Tisch mit anderen Wachleuten und hielt einen großen Humpen Met in der Hand. Es wurde derb geschwatzt und gelacht. "Simbald was meinst du dazu?", knuffte ihn ein Wachmann an. Der junge Yaral kannte ihn. Es war Gundar Olfson. Er hatte kurz vor ihm den Wachdienst begonnen und war immer für einen Scherz unter der Gürtellinie und derbe Ausdrucksweise bekannt. Der Knuffer wirkte nicht echt, ob es wohl ein Traum war? "Simbald! Na los, was ist deine Meinung zu Garda Teuboom?" Er wusste nicht was er sagen sollte. Was war hier los? Gundar sah ihn geifernd an und formte eine mächtige Oberweite mit seinen Händen vor der Brust "Garda TeuBOOM." Ihm lief etwas Speichel aus dem Mundwinkel und alle lachten lauthals. " Simbalds Kopf begann zu schmerzen. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. "Was ist los?", hörte er eine knarzende Stimme zu seiner anderen Seite. Er blickte erneut in die aufgequollenen Augen des untoten Yolgor. "Hast du eine auf den Schädel bekommen Ferdlung?" Irgendjemand grölte im Lachen man müsse ihm nur eine Zweite verpassen und schon sei er wieder der Alte. Yolgor setzte den Metkrug ab, dessen Inhalt er sich bis geradeeben noch in den Schlund goss und der aus seinem aufgerissenen Körper herauslief, rülpste über drei Tische, dass die Wucht des Magenwind sämtliche Stühle samt Yaralkrieger verrückte und sprach: "Wollen wir es versuchen!" Simbald überlegte sich noch immer fieberhaft warum all diese verwirrenden Dinge passierten und jeder hier das als Selbstverständlichkeit erachtete, als er nur noch einen Humpen rasant näherkommen sah. Im nächsten Moment dröhnte sein Kopf so sehr, dass er dachte er würde gleich explodieren. Schwärze umfing ihn und es kostete Kraft die Augen wieder zu öffnen. Diesmal war der Schmerz echt.

Das Erste was er bemerkte war, dass die Kaserne und die wahnsinnigen Yaral verschwunden waren. Auch flog er nicht ziellos durch Raum und Zeit. Er saß, oder fläzte viel mehr, in einem kleinen Käfig in einer Höhle. Irgendwo tropfte Wasser langsam von der Decke. Es war nur dämmriges Licht vorhanden. Der Wachmann blickte mit halbgeöffneten Augen starr an die Decke. Seine Kopfschmerzen waren überwältigend. Er versuchte sich zubewegen. Ein stechender Schmerz im Nacken bestrafte diesen Versuch. Langsam gewöhnten sich seine Pupillen an das schummrige Licht. Er erkannte vielerlei Mobiliar, Abstelltische und Arbeitstische. Hier und da blubberte irgendetwas in Glaskolben über kleinem Feuer. Spärlich gesäte Fackeln und Kerzen an Wänden und auf Tischen erhellten den sonst stockdunklen Raum Untertage. Simbald unternahm einen zweiten Versuch sich in seinem Käfig aufzusetzen. Dieses Mal war er auf Schmerzen vorbereitet. Unter Ächzen gelang es sich in eine erholsamere Sitzposition zu bewegen. Der Yaral streckte die Beine aus und legte die Hände in den Schoß. Das Geblubber und das Flackern taten ihm irgendwie nicht gut. Er schloss die Augen und versuchte nur auf den stetigen Tropfstein zu hören. Gerade als er einen entspannenden Gedanken fassen konnte, sprach ihn jemand von der Seite an: "Hallo. Du hast lange geschlafen. Du hast ordentlich von dem Bitterdampf eingeatmet, bei dem Zeug das du gebrabbelt hast" Simbalds sich gerade beruhigender Puls schoss sofort wieder in die Höhe. Er drehte den Kopf, so rasch er trotz Nackenschmerzen konnte, zur Seite. Da saß ein Mensch in einem Käfig gleicher Bauart wie er: Einfache Gitterstäbe die rundherum als Würfel geformt waren. Groß genug um als Yaral ausgestreckt zu sitzen, aber zu klein um zu stehen. Es war eben jener Mann der gestern vor den Toren Ramin'tars aufgetaucht war. Für den Menschen reichte es nicht ganz um die Beine auszustrecken und schon gar nicht um aufzustehen. "Du..." Simbald streckte den Finger aus und merkte wie sehr seine Muskeln dabei zitterten. "Du bist der Mensch…" Der hagere Mann lächelte ihn freundlich an. "In der Tat. Das bin ich. Gusco Xandan mein Name, Abenteurer, Glückrichter und Verfasser von Schrift und Gesang." Simbald sackte resignierend etwas zusammen und seufzte. "Ein Barde… der hat mir gerade noch gefehlt." Er überlegte ob dies eine Art Folter sein sollte. "Mögt Ihr keine Barden mein Herr Yaral?" Der Wachmann kniff sich in den Nasenrücken und atmete lange aus… sehr lange! "Es gibt keine Barden unter meinem Volk und das nicht ohne Grund. Wir sind eher auf Reichtum und Traditionen aus, als auf Lyrik und Gesang." - "Oh… wie bedauerlich." - "Nicht wirklich." Es war unbestritten das die Yaral dem Geklimper und verdrehen von Worten in blumigen Versen nicht viel abgewinnen vermochten. Yaralische Gesangskunst ging kaum über ein besoffenes Grölen in Tavernen hinaus und die Musikstücke des zwergischen Volkes waren gänzliche ohne Text und dienten höchsten zur Untermalung von Gelangen, oder besonderen Anlässen. Tatsächlich gab es im Grunde nie Barden die eine Festungsstadt der Yaral jemals von innen gesehen hätte, geschweige denn den unterirdischen Teil. Simbald versuchte sich auf die aktuelle Situation zu konzentrieren. "Wo sind wir hier? Warum seid Ihr hier und wo beim großen Brocken habt Ihr das Fell und den Zahn des weißen Bujal her!?" Der junge Wachmann war froh, dass ihm die eigentlichen Gründe für dieses ganze Brimborium noch nicht entfallen waren. "Holla, das sind aber viele Fragen. Doch keine Sorge", Gusco hob beschwichtigend die Hände, "Ihr werden freilich eine Antwort auf alles bekommen."

Der Barde räusperte sich und schaute nachdenklich in das Licht einer Kerze. "Es war gar nicht lange her, da hörte ich in der Taverne 'Zum glücklichen Reisenden', übrigens ein sehr positiver Name für ein Gasthaus wie ich finde, so dass ich es nicht säumte dort hineinzuschauen.. Jedenfalls hörte ich dort, als ich gerade eines meiner leichteren Stücke zum Besten gab um mir ein Mahl zu erspielen… ich hörte da von einer fantastischen Möglichkeit reich werden zu können..." Simbalds Kopf tat das Geplapper des redseligen Menschen nicht gut. "Wartet! Können wir das abkürzen?" Er schob seine Handflächen bis auf wenige Zentimeter zusammen. "Eine Kurzform mit den wichtigsten Dingen genügt mir." Der Barde war offensichtlich damit nicht vertraut. Er druckste etwas rum und sprach schließlich. "Aber mein Herr Yaral...", "Simbald, mein Name ist Simbald Ferdlung, spart Euch das 'Herr'." Guscos Augen leuchteten kurz. "Sehr erfreut mein Herr Ferdlung." Er schaute in mürrische Yaralaugen und ertappte sich im Fettnäpfchen. "Simbald… natürlich, sehr erfreut Simbald." Dieser nickte. "Also die Kurzform." Der Barde überlegte. Es fiel ihm wirklich schwer nackte Tatsachen ohne irgendwelche Ausschmückungen und Hintergrundinformationen zu berichten. "In einem Gasthaus hörte ich von einem Yaral, der über Mittelsmänner für Botengänge gutes Geld zahlte und die eine oder andere Reise durch Reusun wollte ich ohnehin machen. So verband ich Nützliches mit Praktischem und suchte einen Mittelsmann auf. Ich gebe zu, ich wusste nicht viel über dieses wilde Land mit den Wäldern und schroffen Felshängen, was an einigen Orten so ursprünglich wirkte, als hätte es noch heute das Antlitz wie zu Zeiten der Götter.." - "Guscoooo…!" Der Barde zuckte zusammen und merkte, dass er sich wieder in Rage geredet hatte. "Oh verzeiht." Er lächelte beschwichtigend. "Ähm.. richtig… nur Fakten." Der Mann schluckte seinen Elan herunter und setzte wieder an. "Ich wusste also wenig über Volk und Land und nahm etwas blauäugig diese Mission an. Ich tat einige Wochen wie mir geheißen und lieferte hier einige Dinge aus und dort wieder andere. Dabei reiste ich auf wohl allen Routen durch Reusun und lernte die Yaral und die beeindruckenden Mauern der Städte kennen. Leider war ich nie in solch einem Wunder der Baukunst. Den Yaral selbst lernte ich dabei nie kennen." Simbald ahnte, dass er ihn jedoch sehr wohl kannte, die Frage war nur warum und was dahinter steckte? "Schließlich erhielt ich mit dem letzten Auftrag vor einigen Tagen einen Brief. Ich sei sehr zuverlässig und meine Arbeit werde geschätzt und daher soll ich etwas ganz Spezielles für ihn liefern und er würde sich dafür selbst mit mir treffen an einem Berg den man 'Felsenstachel' nannte." Jetzt wurde es interessant. Simbalds spitzte die Ohren. "Doch bevor ich meinen Auftraggeber der letzten Wochen erblicken konnte, umfing mich in meinem Lager am Fuße des Berges ein seltsamer Schlaf. Ich erkannte irgendwelche grünlichen Nebenschwaden aus meinem Lagerfeuer aufsteigen. Was ich träumte war nicht zu beschreiben…." Simbald brummte kurz. Es ist wohl eine Wirkung dieses Betäubungsgases, dass man wirres Zeug träumte. So erging es wohl auch den Wachen in Drombards Haus und Yolgor vorhin. Oh je.. wo war Yolgor eigentlich? Der Yaral schaute sich um. Auf seiner anderen Seite befand sich ebenfalls so ein kleiner Würfelkäfig, jedoch war er leer. Ob sein Hauptmann hier drin war? Vielleicht konnte er sich befreien und holte Hilfe. Doch so wie er den sturen Krieger einschätzte wäre er niemals ohne ihn gegangen, selbst wenn es klüger gewesen wäre abzuhauen und später mit Verstärkung vom Fuß des Berges zurückzukommen. "Als ich erwachte befand ich mich in diesem Käfig und seit dem bin ich hier." Simbald stutzte. "Moment. Ihr habt keine Erinnerungen an eine Reise nach Ramin'tar bei Schneesturm? Weißes Bujalfell und einen schwarzen Zahn?" Gusco schüttelte den Kopf. "Nein mein guter Simbald. Ich bin seit längerer Zeit hier. Mein Gefühl für die Sonnenwenden habe ich inzwischen verloren, aber eine Woche sollte es wohl bestimmt sein."

Dieses Detail verblüffte Simbald. Dabei war es eindeutig der Barde, welchen Sie vor den Toren gefunden haben. "Hast du den Kerkermeister jemals gesehen?" - "Ja, obwohl er selten hier war." - "Wie sah er aus?" Gusco zog die Brauen zusammen und überlegte. "Nun, es war eben ein Yaral wie man sie kannte: klein, stämmig, kahl, mit typischer Kleidung. Er war schon recht alt, was an den Falten zu erkennen war. Die wurden im spärlichen Licht dieses Ortes besonders deutlich sichtbar... oh und er hatte einen breiten Nasenring in der Nase… ich glaube… ja links." - "Drombard!", Simbald hatte es die ganze Zeit geahnt und jetzt hatte er Gewissheit. Es war in der Tat der alte Alchemist und Tüftler. Er konnte es nicht fassen. Dann gehörte all das ihm. Dieser Ort, diese Fallen, Das Gift, Bitterdampf hatte es Gusco genannt. "Seinen Namen hat er mir nie gesagt", bedauerte der Barde. Dabei war er wohl mehr unzufrieden darüber, dass ihm bisher ein Detail seiner neuen Geschichte fehlte, als die Erkenntnis wer ihn hier festhielt. In Simbald rumorte er. Er hatte so viele Fragen. Was hatte Drombard vor? Warum dieses doppelte Spiel? Welche Rolle spielte der Barde darin? Und was hatte das alles mit dem legendären weißen Bujal zu tun? Kampfgeist erwachte in dem Soldaten. "Wir müssen hier raus!" Er schaute sich nach Schlössern, Scharnieren oder anderen Schwachstellen seines Käfigs um. Tatsächlich fand er etwas auf dem Boden. Simbald fiel erst jetzt auf, dass die Gitter auch dort verliefen. Dieser Würfel schien wahrlich ein ganzer Würfel zu sein und der Käfig war nicht im Boden verankert. Ob man ihn daher einfach drehen konnte? "Gusco, hast du gesehen wie Drombard mich hier reingesteckt hatte?" Der Barde verzog das Gesicht. "Ja, obwohl ich das lieber nicht gesehen hätte. Du und dein Freund habt wirres Zeug geplappert und komische Zuckungen gehabt. Der Yaral.. Drombard, richtig? Er hat euch in die beiden Käfige gesteckt und abgeschlossen. Den Schlüssel hat er bei sich und dann hat er… den ganzen Käfig gedreht. Warum auch immer. Ihr seid habt dabei wild herumgepurzelt. Das war…", er schauderte, "ich hab versucht nicht so genau hinzusehen. Später hat er deinen Freund wieder abgeholt. Seit dem war er nicht mehr hier." Simbald atmete durch. Yolgor lebte also noch. Allerdings ist er nicht entkommen wie er gehofft hatte, sondern wurden mitgenommen. Doch es gab ein Hoffnungsschimmer. Die Käfige waren wirklich drehbar und ein alter, schwächlicher Yaral konnte sie drehen. Da wird es ein junger Krieger der im Saft steht ja wohl auch schaffen. "Gleich wird's etwas lauter. Hoffen wir, das Drombard uns nicht bemerkt.", warnte er den Barden vor. Dieser drückte sich an die Gitterstäbe neben dem Yaral. "Was hast du den vor Simbald?" Dieser stellte sich auf die Füße. In der Hocke ging das für den Wachmann gut. "Würfeln… mir mir…" Damit holte er Schwung und warf sich mit aller Kraft gegen die überliegende Seite seines Käfigs. Doch dieser kippte nur leicht und viel wieder in seine Ausgangsposition zurück. Simbald ignorierte das ihm alle Knochen davon wehtaten. Sein Kopf schmerzte noch immer höllisch. Er unternahm einen zweiten und dritten Versuch. Doch so schaffte er es einfach nicht. Er war zu leicht, oder hatte zu wenig Schwung auf die kurze Distanz. Gusco schaute gespannt zu. "Du schaffst es! Los weiter!" Er war voller Vorfreude und wippte aufgeregt mit dem Fuß um die Anspannung irgendwo hinableiten zu können. Doch der Wachmann rutsche an den Stäben hinab und seufzte. "Es hat keinen Zweck. Ich schaffe es nicht." Das ließ der Barde nicht gelten. "Na klar schaffst das! Der Käfig hat sich doch schon deutlich bewegt." Der Wachmann resignierte. "Du kannst es gern selbst versuchen, statt mir nur gut zuzureden und mit dem Fuß hin und her zu wippen!"

Simbald bekam einen Geistesblitz. "Wippen!" Er sah sich um "Natürlich! Gusco du hast mir schon geholfen." Er musste den Würfel hin und her schaukeln, so konnte er mehr Kraft aufbauen. Er hatte das schon bei den Steinmetzten in Ramin'tar beobachtet, wenn sie große Brocken auf einen Transportschlitten hieven mussten. Der Krieger fokussierte sich. Dann warf er sich gegen die gegenüberliegende Seite. Gerade als der Käfig kippte, warf er sich wieder zurück an den Ausgangspunkt im Käfig. Dieser schaukelte zurück, dieses Mal höher und Simbald wusste, dass sein Gefängnis kippen würde, wenn er sich nun ein zweites Mal in die gegenüberliegende Seite werfen würde. Gesagt getan und mit einem dumpfen, metallenen Laut kippte der Käfig samt Yaral auf die Seite. "Großartig!" Gusco applaudierte während sich Simbald erstmal orientieren musste und wieder aufrappelte. "Sei leise!", zischte er. "Soll Drombard uns entdecken?" Das leuchtete dem Barden ein, woraufhin er seine Geräusche anstandslos einstellte. Die Tür war nun an der Seite und könnte geöffnet werden, wenn sie nur nicht verschlossen wäre. Der Wachmann machte einige Anstalten an Schloss und Scharnieren zu drücken und zu zerren, aber wie er schon vermutet hatte rührte sich nichts. "Yaralische Bauweise, natürlich. Manchmal kann sie wirklich lästig sein." Seltsamer Weise erfüllte ihn das solide Handwerk des Käfigs irgendwo unterschwellig auch mit Stolz. Wenn es nur irgendwie eine Möglichkeit gäbe an den Schlüssel oder einen Dietrich zu kommen. Nicht dass der Yaral irgendetwas vom Schlösserknacken verstand, aber Not mache ja bekanntlich erfinderisch. Doch außer den blubbernden Flüssigkeiten und Kerzen gab es nicht viel in diesem Raum. Vielleicht könnte eine dieser Teufelslösungen den Käfig öffnen. Wenn der Alchemist etwas hatte, was Leute außer Gefecht setzte warum nicht etwas, was Metall bersten ließ? Unglücklicher Weise standen alle Tische und Apparaturen zu weit entfernt als dass Simbald sie erreichen könnte. Er müsste sich irgendwie bewegen können. Leider hinderte der Käfig ihn daran, ein Teufelskreislauf. "Kommst du an eine der Tische heran Gusco?" Der Barde stutzte. "Natürlich nicht. Ich bin zwar schlank, aber durch die Stäbe passe ich nicht. Außerdem werde ich mich hüten eines dieser Fläschchen oder Kolben zu berühren. Am Ende fliegt hier noch alles in die Luft." Der Yaral bereute die Frage. Was hatte er auch erwartet? Sein Kopf dröhnte wieder etwas mehr. "Würfel du dich doch zu einem Tisch und probiere es aus!", grummelte Gusco. "Mich zu einem Tisch…?" Warum war er da nicht eher drauf gekommen? So weit war es nicht zur nächsten Tischplatte und durch das Kippen war der Gitterwürfel ein deutliches Stück verrückt. "Ich werde meine Schultern nicht mehr spüren wenn ich hier rauskomme…", seufzte Simbald. Damit begann er sich wieder gegen die Wände des Käfigs zu werfen. Er kam relativ gut voran, war sogar fast da, als er plötzlich inne hielt und die Augen aufriss. Er hörte Schritte die näher kamen und das ziemlich rasch.
 
  • Like
Reaktionen: Asteria
Der weiße Bujal - Teil 5



Der Schall der Stiefel war wie ein Taktgeber des Verderbens für Simbald. Mit jedem Schritt, jeden weiteren Ton der von dem kalten Felsen reflektiert wurde und in die Ohren des Wachmanns drang, kroch das Unbehagen etwas mehr seinen Nacken hinauf und bohrte sich wie die unausweichliche Gewissheit, dass er entdeckt und für seinen Fluchtversuch mit dem Leben bezahlen würde, in den kahlen Schädel. Gusco klammerte sich in seinem Käfig an die Gitterstäbe und würde sich sämtliche Fingernägel abkauen, wenn er das nicht schon längst getan hätte. Simbald beeilte sich. Er musste hier raus! Im Käfig war er geliefert. Erneut warf er sich mit der inzwischen tauben Schulter gegen die gegenüberliegende Wand seines kleinen Kerkers. Es war längst über den Schmerz hinaus. Sein Puls pochte. Der Yaral merkte es in seine Halsschlagader. Er merkte es in seiner Schulter. Das Adrenalin verstärkte diesen Effekt nur noch und er war sich sicher, dass sein ganzer Arm inzwischen schon Blau war von den vielen Stößen gegen die Gitterwand. Da! Endlich war der Käfig gegen einen der Tische gestoßen. Die aufgebaute Apparatur wackelte klingend bedrohlich ob des Stoßes. Die Schritte waren nun ganz nah. Simbald bildete sich sogar ein, dass sie schneller geworden waren je näher sie kamen, aber vielleicht spielten ihm seine Sinne einen Streich. Er verdrängte den Gedanken. Es galt sich zu konzentrieren, wenn er überleben wollte. Für den Barden war die Spannung fast nicht mehr auszuhalten. Er fühlte sich so hilflos in seinem Käfig. Weder konnte er irgendetwas tun um seinem Kerkergenossen zu helfen, noch um sich zu beruhigen. Er war bar seinen Gedanken und Emotionen ausgeliefert und fühlte sich wie ein verletztes, blutendes Schwein, welches vor einer ausgehungerten Meute von Wölfen davonzukommen versuchte.

Simbald streckte seine Arme zwischen die Gitter. Sie passten zwar durch, aber aufgrund seiner Größe war seine Reichweite ziemlich begrenzt. Es fehlten nur wenige Zentimeter zur rettenden Flüssigkeit. In diesem Moment war es Simbald auch völlig egal ob das Zeug was da gelblich vor sich hin blubberte wirklich nützlich war. Es musste einfach Metall brechen können. Er hatte nur diese eine Chance! Doch so sehr er sich einfach streckte. Bis auf die verheißungsvolle Wärme des kleinen Feuers unter dem Glaskolben spürten seine Fingerspitzen nichts. Es kam einfach nicht ran. "SOSO! Da haben wir wohl einen ungezogenen Gast, was!" Es war aus! Simbald war sich sicher. Die raue Stimme, welche durch den Raum gerufen wurde, ließ den jungen Wachmann derart zusammenzucken, dass er sich böse am Metall des Käfigs stieß. Er merkte wie er am ganzen Leib zitterte. Die Schritte kamen näher. Sie waren hinter ihm, doch der Gefangene wagte nicht sich umzudrehen. Auch von dem Barden hörte er keinen Laut mehr. Ob er ebenfalls vor Angst gelähmt war? Es war egal. Er konnte ihm nicht helfen. Niemand konnte ihm jetzt noch helfen. Drombard würde ihm einfach einen Speer in den Leib rammen, oder mit irgendeiner sein Lösungen übergießen und zusehen wie er bei lebendigem Leibe verbrannte, oder schmolz, oder irgendwie anders sein Ende unter grausamen Schmerzen fand. Die Schritte waren langsam und überlegen. Simbald sah ihn nicht, aber konnte sich vorstellen wie selbstgefällig der Mistkerl grinsen musste. Er ging langsam zu ihm herüber. Jetzt war er so nah, dass er ihn in seinem Nacken sogar atmen hören konnte. Doch Simbald rührte sich nicht. Er wagte es nicht. Er konnte nicht. Sein Körper war wie gelähmt. Langsam schob sich die Hand eines Yaral in sein Blickfeld und griff nach der Lösung die er selbst eben noch erreichen wollte. So würde es also ausgehen, wie er schon dachte. Übergossen und verätzt oder Schlimmeres. Der Yaral wollte es nicht mit ansehen. Er schloss langsam die Augen, verdunkelte seinen Blick vor der Welt, mit der er abgeschlossen hatte. Dann hörte er es nur noch zischen und erwartete jeden Moment unsäglichen Schmerz. Es dauerte. Es dauerte sehr lang. Offensichtlich brauchte es einige Zeit bis sich die Lösung durch seine Rüstung fressen konnte. Noch immer trat das erwartete Brennen auf der Haut nicht ein. Dann schließlich hörte er wie etwas Metallenes zu Boden fiel und sich quietschend seine Tür öffnete. Moment? Wieso die Tür?

Der Yaral fuhr herum. Tatsächlich seine Tür war offen. Und in ihr stand... stand… "Yolgor!" Simbald konnte es nicht fassen. Es war tatsächlich sein Hauptmann der mit dem Rest der Lösung in der Hand schief grinste. "Du verfluchter Kieselkauer! Du hast mir eine Heidenangst eingejagt!", fauchte der junge Wachmann. Doch es war klar, dass er noch nie so erleichtert war. Yolgor reichte ihm eine Hand. "Du hast Glück, dass ich im Moment auf sämtliche Formen scheiße Ferdlung. Wir müssen hier raus und dann schwöre ich dir werden wir diesen Ort dem Erdbodengleich machen!" Er zog seinen Soldaten aus dem Käfig. Simbald konnte nicht umhin Yolgor spontan zu umarmen und fest auf den Rücken zu klopfen. Ein plötzlicher Hustenanfall des Hauptmanns ließ Simbald jedoch rasch von ihm ablassen. "Alles in Ordnung?", der junge Wachmann war besorgt. Erst jetzt nahm er Yolgor genauer in Augenschein. Überall hatte er blutende Wunden. Seine Rüstung war hier und da zerfetzt und sein linkes Auge war blutig und geschlossen. Er sah übel mitgenommen aus. "Was hat er mit dir gemacht? Wurdest du gefoltert?" Yolgor winkte ab. "Später Jungsporn. Wir müssen hier weg. Es ist anders als du denkst, anders als wir alle dachten." Seine Stimme verstummte wegen eines neuen Hustenanfalls. Der Hauptmann spuckte blutigen Speichel aus. "Los folge mir." Er wurde von Simbald zurückgehalten. "Warte! Wir müssen ihn ebenfalls befreien." Yolgor drehte sich um und entdeckte Gusco im Käfig der überraschend ruhig gewesen war die letzten Minuten. "Wer beim großen Brocken ist das?" Er gaffte skeptisch auf den dürren Kerl. "Das ist der Mensch!" Yolgor ging ein Licht auf. "Der verfluchte Mensch, der uns das hier alles eingebrockt hatte!" Simbald legte ihm beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. "Er ist ein Gefangener wie wir Yolgor. Er wurde reingelegt… wie wir. Drombard hat uns alle getäuscht!" Etwas Zorn brodelte in Simbald auf. Der Hauptmann grunzte. "Bei einem Menschen wundert mich das nicht." Etwas von der Lösung war noch im Kolben. Dies wurde mehr spontan als wirklich gewollt über das Schloss von Guscos Käfig gegossen. "Allerdings taten wir Drombard Unrecht." Simbald zog die Brauen zusammen. Er verstand nicht. Ein Donnergrollen kam von jenseits des Ganges auf die drei, während Gusco aus dem Käfig krabbelte. "Was war das denn?" Yolgor grunzte wieder. "Wir müssen wirklich hier weg." Er lief zum Ausgang. "Los jetzt!" Barde und Wachmann sahen sich an. Blieb ihnen eine Wahl? So beeilten sie sich Yolgor zu folgen.

Die Gänge im Felsenstachel waren verzweigt und weitläufig. Simbald hätte niemals gedacht, dass hier unten so ein Tunnelsystem gebaut worden war. "Yolgor.. wo laufen wir hin?" Schritte. Der Hauptmann drückte sich an die Wand und Simbald mit ausgestrecktem Arm ebenfalls. "Es gibt hier jemanden der mit uns spielt." Yolgor schaute in Richtung der Schritte. Doch es war noch nichts zu sehen. "Ein kranker Geist. Wahnsinnig! Natürlich ein Magier…" Yolgor bekam Magengeschwüre bei dem Gedanken daran. "Er vermag seine Gestalt beliebig zu wechseln und jede andere anzunehmen." Simbald glaubte der Hauptmann sprach wirr. Von so einem Magier hatte er noch nie gehört. Yolgor drehte sich zu dem jungen Wachmann um. "Das Schlimmste dabei ist. Der Magier ist ein Yaral!" Simbald war immer unsicherer ob alles in Ordnung war mit Yolgor. Der Mann schien wahrlich Wahnvorstellungen zu haben. Simbalds Skepsis verstand man nur, wenn man wie ein Yaral dachte. Es gab keine großartigen Magier unter den Yaral. Magie wurde zwar bei Begegnungen toleriert, jedoch nur mit Argwohn. Es konnte nicht Gutes dabei rauskommen, wenn man Steine durch Hokuspokus verrückte, statt mit dem Kraft der eigenen Arme, oder eines Bujal. Jetzt behauptete ein Krieger mit Rang und Namen es gäbe hier einen Yaral der nicht nur Magie praktiziere, sondern dies auch gegen sein Volk einsetzte und dann noch auf sehr ungewöhnliche, intrigante Weise. Für jeden Yaral war das blanker Hohn. Widersprach es doch allem für das die Yaral standen. Die Schritte kamen näher und Yolgor hielt regelrecht die Luft an. "Sieh Simbald…", flüsterte er. Der junge Wachmann traute seinen Augen nicht. Dort spazierte Drombard um die Ecke als wäre es ein schöner Frühlingstag. Dabei jedoch hatte er einen langen Kapuzenmantel aus Bujalfell umgehängt… weißem Bujalfell! Im nächsten Moment jedoch wandelte sich die Gestalt zu einem jüngeren Yaral. Er hatte eine rote Tätowierung im Gesicht, welche die Augen überdeckte und in Kringeln über die Wangen lief. Auf der Stirn hatte er einen nach oben geöffneten Halbkreis tätowiert. Es war unglaublich und um ein Haar wäre aus Simbalds weit offen stehendem Mund ein überraschter Ton entflohen, der sie mit Sicherheit verraten hätte. "Dieser Magier kann irgendwie jede Gestalt annehmen.", flüsterte Yolgor weiterhin. "Drombard.. der echte Drombard muss hier irgendwo sein. Seine Opfer müssen am Leben sein, soviel hat er mir in seiner Arroganz verraten." - "Daher auch unsere Gefangennahme und nicht unseren tot." - "Richtig Ferdlung". Er versicherte sich ob der Magier wirklich fort war und trat erst dann wieder in den Gang. "Wir müssen uns ranhalten. Der Kerl hat meine Befreiung noch nicht bemerkt, aber dorthin wo er verschwunden ist geht es zu dem Raum wo ich zuletzt angekettet war. Drombard muss gefunden sein bevor der Zauberfuchtler dort ankommt." Sie beeilten sich voranzukommen.

Wie lange sie hier unten herumirrten war nicht zu benennen. Es vermochte wohl nur Minuten zu sein, aber Simbald kam es wie Tage vor. Er fühlte sich erschöpft, unendlich erschöpft und seine Kopfschmerzen waren nach wie vor präsent. Gusco hielt sich vornehm zurück. Dieser Ort schien ihm mehr Unbehagen zu bereiten als den Yaral, die unterirdische Gänge gewohnt waren. Plötzlich hörten sie eine Stimme. Sie war kratzig und irgendwie unwirsch. Langsam und bedächtig folgten sie den Lauten. Es musste hier irgendwo sein. Inzwischen konnten sie Wortfetzen verstehen und was sie hörten war gar nicht gut. So beeilten sie sich die Quelle zu erreichen. "… Yaralfreunde … Todesurteil … als sie … Frevel .. Leiden alter Ma... Ich werde mich nicht …. Herrschaft über alle Yaral .. Macht des weißen Bujal wird wieder … spüren sein!" Da war er. Im Schein mehrere Fackeln einer kleinen Kammer, die in den Felsen gehauen wurde und offenkundig nur dazu diente Gefangene zu brechen, war Drombard auf eine diagonalstehende Holzplatte gekettet. Seine Arme waren nach oben ausgestreckt. Seine Füße berührten nicht den Boden. Blut tropfte von der Platte und hin und wieder kam ein leises Stöhnen vom alten Mann. "Er ist schlimm zugerichtet… wir müssen uns beeilen." Simbald schüttelte lautlos den Kopf. Er konnte es nicht fassen. Yolgor hatte mir allem Recht. Wer war der Wahnsinnige, was tat er hier? Und wie sollten sie den guten Drombard ohne Waffen vor einem Magier retten? Fragen über Fragen. Doch wenn ihnen nicht schnell etwas einfiel, dann würde alle Hilfe für Drombard zu spät kommen. Die geschwächte Stimme des Alchemisten riss sie aus ihren Gedanken. "Du.. wirst niemals die Herrschaft über Reusun erlangen. Als Yaral müsstest du wissen, dass es noch nie eine Eroberung der großen Festungsstädte gegeben hat. Yaral lassen sich nicht so leicht besiegen, besonders nicht von einem Magier mit Taschenspielertricks." Er nahm alle Kraft zusammen und rotzte ihm voller Abscheu Speichel und Blut entgegen. Der Magier war über so viel Widerstand einen Moment fassungslos vor Zorn. "Du wagst es mir derlei Erniedrigungen an den Kopf zu werfen! Wurm! Köter! Für die Yaral wird es kein Morgen geben, wenn ich mit Ihnen fertig bin. Sklaven ihrer Regeln und Engstirnigkeit sind sie und Sklaven sollen sie sein… mein Sklaven! Meine Diener auf ewig!" Er sprach sich derartig in Rage, dass er nicht bemerkte wie sich Simbald und Yolgor so leise es ging an den Magier herangeschlichen haben. Drombard bemerkte sie, versuchte aber sich nichts anmerken zu lassen.

Das Schleichen war jedoch keinem Zwerg in die Wiege gelegt und besonders Soldaten der Yaral nicht. So war es nicht verwunderlich, dass sie ertappt wurden. Mit einer beschwörenden Handbewegung fuhr der Magier herum "Habt ihr Würmer geglaubt mich überlisten zu können!?" Er hob seine Handfläche in einer fließenden Bewegung und wie von Geisterhand verloren Yolgor und Simbald den Boden unter den Füßen. Hilflos zappelten sie wie ein Käfer im Wasser mit Armen und Beinen hin und her. "Nichts als Scherereien hat man mit eurem Volk. Man sollte glauben Yaral seien klug genug Überlegenheit einzusehen!" Simbald brach in Gelächter aus. "Klug? Klug?? Man hat uns schon viel nachgesagt, aber Einsehen haben wir noch nie gehabt. Wir sind Yaral. Wir – sind stur!" Der Magier drehte seine Hand und ließ Simbald in der Luft um die eigene Achse rotieren, so dass er auf dem Kopf in der Luft hing. "Du bist ein interessanter Bursche. Kräftig und gewitzt. Ich sollte vielleicht dein Gesicht tragen, was meinst du?" In der nächsten Sekunde wandelte sich das Antlitz des Magiers als würde er einen Seidenmantel überwerfen und vor ihnen stand Simbald wie er leibt und lebt. "Hokuspokus!" spie Yolgor hinaus, sichtlich unbehaglich mit seiner Position. Der Magier lachte. "Du hast keine Vorstellung wie Recht du damit hast kleiner Wachmann." Der falsche Simbald lächelte diabolisch. Schon bald wird meine Sammlung hunderte Gesichter beherbergen und mit ihrer Hilfe kann ich Reusun indoktrinieren. Unbeschreibbare Schätze und Macht warten auf mich." Simbald gewöhnte sich langsam an das langsame Schweben. "Das Einzige was auf dich wartet ist die Axt des Scharfrichters! Er ist ein ganz guter Freund von mir. Hat noch jeden Kopf von den Schultern getrennt. Ein paar Schwätzer waren auch darunter." Offensichtlich war es Simbald nicht möglich klein beizugeben, was das Ego des Magiers nur noch mehr erzürnte. "Würde er bei einem Freund verdachte schöpfen?", er strich mit den Händen an seiner Kleidung herab. "Schwätzer erkennt er!" Der Magier wurde zornig. "Die magischen Ketten werden euch zur Vernunft bringen Dummkopf!" Er vollführte eine beschwörende Handbewegung, welche große Ketten zum Simbald und Yolgor entstehen ließ. Sie waren teilweise durchsichtig und in ein geisterhaftes Blau gehalten. Die Ketten hatten weder Anfang noch Ende und zogen sich langsam immer mehr zu. Die beiden Yaral schrien vor Schmerzen. Doch dem Magier entlockte es nur ein zufriedenes Grinsen. "Kommt und bleibt noch etwas. Dann kann euch der Tatargreis beim Sterben zusehen, oder ihr ihm – je nachdem wer zuerst den Löffel abgibt!" Unter lautem Gelächter stiefelte er aus der kleinen Kammer und überlies die drei Yaral ihrem Schicksal. "Jetzt gilt es die anderen Dummköpfe auszumerzen. Ihr guter Freund und Weggefährte wird ihnen den Todesstoß versetzen und das obwohl er selbst bald sterben wird!", schallte es noch durch die Gänge, bis schließlich erneutes Gelächter jede Akustik verstummen ließ.

Die Ketten saßen mehr als fest. Keiner der beiden konnte sich befreien. "Drombard." Simbald atmete ganz flach ob der Schmerzen. Drombard… wer ist der Kerl?" Der Alchemist war kaum bei Bewusstsein. In murmelndem Ton sprach er: "Er nennt sich Casilius. Ein einfacher Junge aus Borec'tar glaube ich. Er hat diese Stadt auf zumindest besonders oft verflucht. Er ist irgendwie an ein altes Artefakt gekommen, aus welchem er seine Macht zieht." Drombard musste husten und schien wegnicken zu wollen. Vielleicht war es auch einfach nur die pure Erschöpfung. Immerhin waren diese Torturen nur schwer auszuhalten. Bedachte man das Alter von Drombard und dass er nie zum Kriegerausgebildet wurde, sondern Tüftler und Gelehrter war, musste man ihm wahrlich zugutehalten, dass er solange durchhielt. "Hey, alter Mann. Woher weißt du das alles?", durchbrach Yolgors Stimme denn Dämmerzustand des Alchemisten. Es funktionierte. Drombard erwachte wieder etwas mehr. "Er scheint mich für keine Bedrohung zu halten. Außerdem bin ich schon sehr lange hier… " Simbald ahnte es zwar, fragte aber dennoch. "Wie lange? Tage? Wochen?" Der alte Yaral schüttelte müde den Kopf. "Ich weiß es nicht Junge. Es müssen Wochen sein, vielleicht sogar Monate. Irgendwann verliert man untertage das Zeitgefühl. "Er kam immer mal um sich an meinem Zustand zu weiden und mir zu erzählen, dass niemand in Ramin'tar seine wahre Identität bemerkt hatte. Es ging ihm definitiv darum anzugeben." - "Dann war all das sein Werk. Die Aufträge an Gusco, das Betäubungsmittel.. aber warum schickt er sich selbst Fell des weißen Bujal?" Drombard begann leicht zu lachen, wurde aber von einem Husten gestoppt. "Oh die weißen Bujal sind kein Mythos wie man meinen möchte. Er hat sich ausführlich über sie ausgelassen. Sie sind eine eigene Bujalart die von den braunhaarigen Bujal lebte. Casilius hat einige Schriften indem die Wirkung einer Formel mit Bujalfell des weißen Bujal und ein paar Haaren der Person, in die man sich wandeln möchte, beschrieben stand. Das Artefakte bringt die nötige magische Energie hinzu und schon kann man sich in jede Person wandeln die man will." Simbald verstand. Dieses mysteriöse Artefakt war es, was sie vernichten mussten um dem Magier seiner Macht zu berauben. Vermutlich hat er Gusco deshalb auch Bujalfell nach Ramin'tar schicken lassen. Er musste irgendwie aus der Stadt verschwinden, oder es ging ihm aus und er brauchte Neues. Und jetzt hat er sich seiner selbst bemächtigt. Er wird hinabsteigen zu seinen Kameraden am Fuße des Felsstachels und sie alle in seinen Bann schlagen. Da sie annehmen werden, dass er Simbald ist werden sie keinen Verdacht schöpfe… und sie hängen hier rum und werden von magischen Ketten langsam zerquetsch. Simbald konnte es nicht fassen. Wie war er nur in so eine Bredouille gelangt?

"Ist er fort?", schallte es mit ängstlichem Stimmchen von draußen herein. "Wer ist da?", Drombard hatte nicht die Kraft den Kopf zu heben. Simbald wusste jedoch genau wer dort rief. "Gusco! Verdammt! Du wurdest nicht geschnappt?" Das hagere Menschlein trat vorsichtig hinein. "Oh, ich hatte mich versteckt wie Ihr es mir gesagt habt Herr Yaral… Simbald. Doch irgendwann hörte ich nichts mehr und Ihr habt gesagt Ihr holt mich. Als Euer Antlitz ausblieb wurde ich irgendwann ungeduldig…" Simbald hätte nicht gedacht, dass er über das Erscheinen des Barden mal froh sein würde. Hier war er wirklich ihre letzte Rettung. "Drombard das Artefakt, weißt du wo es ist?" Der Alchemist ist schon wieder weggedämmert. "DROMBARD! DAS IST WICHTIG!" Der Angebrüllte schreckte auf. "Was.. wie… Artefakt… ja, ja. Er trägt es um den Hals. Ein kleiner dunkelblauer Stein an einem Lederband. Sieht fast aus wie ein Amethyst." Das genügte Simbald. "Gusco lauf hinaus zu den Anderen. Sie müssen erfahren, dass ich nicht ich bin… also der Simbald der bei ihnen ist bin nicht ich. Sag ihnen, dass sie ihm den Stein um den Hals wegnehmen müssen. Los, beeil dich!" Der Barde nickte heftig und rannte was das Zeug hielt. "Hältst du das für klug, Ferdlung? Unser aller Schicksal dem Menschen anzuvertrauen?" Der junge Wachmann sah Gusco hinterher. "Wir haben kaum eine Wahl."
Am Fuße des Berges war der falsche Simbald bereits angekommen und machte sich lieb Kind mit den anderen Wachleuten, welche in Sorge waren so lange nichts von ihm und Yolgor zu hören. Mittlerweile war der nächste Tag angebrochen. Sie hatten versucht die Höhle aufzusuchen, aber ein Bergrutsch machte den Weg unpassierbar. Casilius spielte seine Rolle perfekt und täuschte eine wilde Geschichte vor. Er machte dies jedoch so gut, dass alle ihm glaubten. Da stolperte der Barde auf den Plan und rief wild gestikulierend, dass Simbald nicht Simbald sei. Das Schmuckstück um seinen Hals sollte man ihm abnehmen. Es stellte sich dabei jedoch so trottelig an, dass es ein Leichtes war ihn unglaubwürdig erscheinen zu lassen und so lenkte Casilius viel mehr den Verdacht auf Gusco. Die Wachen glaubten dem angeblichen Eidgenossen auf Anhieb und gingen auf den armen Barden los. "Was tut ihr? Dort ist der Feind. Dies ist die falsche Schlange... Nicht!" Der Barde sah schon seinem Ende vor sich – etwas was er in letzter Zeit sehr häufig tat als – die beiden Bujal plötzlich unruhig wurden. Die Bujalreiter hatten Mühe sie unter Kontrolle zu halten. Ein seltsames Blöken durchbrach die Wintersonne, welche an diesem Morgen in ganzer Pracht schien. Der Schneesturm hatte sich in der Nacht gelegt. Die Yaralsoldaten wurden unruhig. Etwas was zwei Bujal nervös machte, konnte nichts Gutes sein und im nächsten Moment sollten sie die Ursache dafür erfahren. Da war er. Wie aus dem Nichts trampelte ein riesiger weißer Bujal aus dem Dickicht hervor und mitten durch das Lager der Yaral. Er überragte die beiden anderen Bujal um ein ordentliches Stück und zog eine Schneise der Verwüstung hinter sich her. Mit einem tosenden Lärm donnerte er direkt auf Casilius zu, welcher sich nicht zu helfen wusste als die Arme über den Kopf zusammen zuschlagen. Was dann folgte ließ einige Soldaten ihre letzte Mahlzeit ein zweites Mal schmecken. Es machte unappetitliche Geräusche und färbte den Schnee rot, wie auch das weiße Fell des Bujal. So schnell wie er gekommen war, war er auch wieder verschwunden. Gusco hatte sich nur zitternd hinter eines der Zelte gekauert von dem nichts mehr stand bis auf die eine Wand hinter der er hockte. Vorsichtig kamen Yaral und Barde aus ihren Verstecken hervor. Niemand konnte so recht glauben was gerade passiert war und einige konnte nicht mal glauben, dass es tatsächlich der weiße Bujal war. Einige der robusteren Krieger nährten sich dem roten Knochenmatsch welcher mal Casilius gewesen waren. Er war bis zur Unkenntlichkeit zertrampelt worden. Auch das Artefakt war zerbrochen. Mit einem letzten Aufglimmen erstarb jede Farbe in den Steinresten, welche sich tiefschwarz färbten. Es war offenkundig, dass der Mensch die Wahrheit gesagt haben musste. So legten sie allen Zwist bei und versorgten den ausgemergelten Menschen. Kurz darauf kamen auch Simbald, Yolgor und Drombard der von den beiden anderen gestützt wurden den Berg hinabgehumpelt. Die Wiedersehensfreue war groß. Gusco sprang sofort und lief ihnen entgegen. "Der Zauber war von jetzt auf gleich verschwunden und wir waren frei. Auch wenn der Sturz sehr schmerzhaft war", lachte Simbald. Er war froh sich nicht in Gusco getäuscht zu haben. Als dieser erzählte was tatsächlich passiert war, konnte keiner glauben was geschehen war. Auch die anderen Soldaten bestätigten die Geschichte. Doch man sah ihnen an, dass sie damit erstmal selbst fertig werden mussten. Langsam zogen sie ab. Der Magier war besiegt und die Yaral von Ramin'tar hatten ihren Frieden zurück. Die Verletzten wurden eingepackt und auf die Bujal geladen. Doch Yolgor weigerte sich das Kommando auf dem Rückweg abzugeben. So führte er sie wieder Heim in langsamen Tempo unter der Sonne Reusuns, fort vom Felsstachel wo sich Dinge ereignet haben die irgendwo zwischen Realität und Ausschmückungen befanden und jedes Mal wenn Gusco Xandan die Geschichte in den Tavernen Maradars erzählte wurde sie ein bisschen fantastischer.




Auf einem Berg beobachteten zwei Yaral komplett in die Felle weißer Yaral gekleidet den abziehenden Trupp um Yolgor und Simbald. Der Wind pfiff hier oben etwas stärker als unten im Tal. "Was wenn sie zurückkehren, oder weiter Fragen stellen werden?" Der andere Yaral schwieg. "Wir müssen etwas unternehmen. Casilius Verrat hat unseren Orden in Gefahr gebracht. Dieser Narr hätte niemals aufgenommen werden dürfen." Der andere Yaral schwieg noch immer. Er schaute einfach stumm auf die abziehenden Krieger herunter. "Er hat dafür bezahlt", brach er sein Schweigen. "Wir werden den Außenposten im Felsstachel vernichten und jeden Hinweis auf uns." Er drehte sich um und ging einige Schritte durch den Schnee um ein kleines Wäldchen herum. Dort zupften zwei weiße Yaral die jungen Triebe von den Bäumen. "Letztlich werden alle Fragen zu dem führen was bisher bekannt ist…" Er wusch mit etwas Schnee das Blut grob vom Fell seines Yaral. Dann stiegen beide auf ihre Reittiere. "… Gerüchte."



~ ENDE ~
 
Die erste Geschichte um die Yaral und ihre Eigenarten ist nun schon einige Tage zuende gegangen. Auf diesem Wege vielen Dank an jeden Leser für über 200 Klicks! Ich hoffe sie hat euch gefallen. Ich würde mich sehr über Feedback jeder Art freuen und gern auch über Präferenzen / Wünsche was die nächsten Geschichten angeht. Als Gedankenhilfe lege ich jedem gern nochmal das Lexikon und die Karte ans Herz.
Die zweite Geschichte wird bald starten und wenn ich nichts weiter hören wird es dieses Mal um die Menschen gehen. Wie und in welcher Art ist noch nicht fix. In Maradar gibt ja gleich mehrere Menschenvölker. :)
 
Hallo liebe Community,

ihr seid alle sehr schweigsam und ich weiß nicht recht ob ihr euch nicht traut, es euch egal ist, oder aber alles okay ist und so weiter gehen soll. Ich wäre auf jeden Fall froh über die eine oder andere Stimme. Inzwischen habe ich das Konstrukt einer möglichen zweiten Geschichte im Kasten. Es macht mir nichts aus, dass nochmal umzuwerfen, wenn sich jemand meldet, im Gegenteil. Ich würde mich darüber freuen Wünsche bzw. Interessen erfüllen zu können. Am Freitag wird die zweite Geschichte starten. Ich bin gespannt und freue mich darauf wie sie auf genommen werden wird und ob sie das Thema behält welches ich vorgesehen habe, oder nochmal wechselt. ;)
 
Die Färber von Wanderrast - Teil 1



Nördlich des Zentralsmeers, welches seinen Namen nicht ohne Grund bekam, liegt das Königreich Qarean. Ein auf den ersten Blick beschauliches Land mit viel Laubwald und dem pompösen Berg Horum in seiner Mitte, welcher wie ein stiller Wächter über die Landstriche zu wachen scheint, weshalb er auch ebenso genannt wird. In seinem Schatten liegt südlich am Ufer des Arkos, dem einzigen nennenswerten Strom, die Hauptstadt Wanderrast, Königssitz und Heimat der meisten Gilden im Lande. Qarean ist bekannt für seine Gilden, denn Handwerk und Qualität wird großgeschrieben. Es ist besonders für die Herstellung magischer Gegenstände bekannt, und wohl das einzige Land der Menschen, welches sich in dieser Disziplin mit anderen Völkern wie Elfen und Zwergen zu messen weiß. Dort in einem kleinen Gasthaus, welches mitten in Wanderrast liegt und von außen zwischen zwei großen Handwerkshäusern etwas eingepfercht wirkt, beginnt unsere Geschichte. Ein lauer Sommerwind wiegt das Schild "Zum bodenlosen Krug" leicht hin und her und lässt den geneigten Besucher über das Abbild des aufgemalten Humpens, aus dem Bier stetig zu fließen scheint, nachdenken. Das leise Quietschen des Schildes, hervorgerufen durch Wind und Wetter, wird von Betriebsamkeit übertüncht. Überall ist das Sägen, Hämmern, Bohren, Rattern, Knarzen und Krächzen der Handwerker zu hören. Hier und da zischt es zwischendurch. Als Verfechter von Fleiß und Ehrgeiz hätte man an diesem Ort seine wahre Freude. Doch die Gestalt, welche sich hier durch die Gassen bewegte, das Licht zu meiden versuchte und stets den Kopf gesenkt hielt, scheint nicht dazuzugehören. Auf den ersten Blick erscheint der Mann ungefähr Mitte 30 hat einen verschnörkelten Vollbart der zu sich zu allen Seiten leicht kräuselt und dichte Augenbrauen. Die blauen Augen sind wach, jedoch demütig. Seine Kleidung ist einfach in luftige Leinen gehalten. Zweit Gürtel halten seine unauffällige Hose, welche in einfachen Lederschuhen endet. Ein kleiner Dolch ist an der Seite befestigt, gleich neben einem kleinen Geldsäckel. Oberkörper und Arme bedeckt ein Hemd und auf dem Kopf ein einfaches Tuch unter dem sich, farblich passend zur anderen Körperbehaarung, rotbraune, leicht lockige Haare hervordrängen. Die Finger sind von der Arbeit schroff und die Haut rau. Farbe an den Fingern und an einigen Flecken auf der Kleidung geben ihn schnell als Färber aus, einer jener Tagelöhner, welche für einen Hungerlohn Stoffe in die prächtigsten Farben tauchten und durch ihre Arbeit jedem Adligen und gutbetuchten Bürger des Landes ein famoses Auftreten ermöglichten, oder Räume durch gefärbte Stoffe an Fenstern, auf Tischen und Betten mehr Glanz verliehen. Es ist mitten am Tag und man möchte meinen der Mann geht seiner Pause nach. Doch es sind ganz andere Absichten die er verfolgte als er die Klinke zum 'bodenlosen Krug' herunterdrückt.

Zu dieser Zeit war relativ viel los in der Taverne. Es waren einige Gäste da, welche wohl wirklich ihrer Pause hier nachgehen: Handwerksmeister, Bessergestellte und Beamte zweifelsohne. Tagelöhner hatten selten das Geld für ein Mahl zur Mittagsstunde. Der Färber ging zielstrebig und ohne Aufsehens oder einen freundlichen Gruß an Gast oder Wirt durch die Raum und nahm in einer Ecke Platz. Ein kleiner Tisch mit fast heruntergebrannter Kerze schmückte den Teil des Gastraums. Dennoch gehörte er zu einem der dunkleren Teile der Taverne was wohl zur Wahl dieses Tisches beigetragen hatte. Ein zweiter Mann saß bereits dort und belegte einer der drei Stühle am Tisch. Er war deutlich älter als der erste Mann, hat ein faltiges Gesicht und ein glattrasiertes Kinn. Seine kurzen grauen Haare schmückte meistens ein Dreispitz, welcher jedoch im Moment über seinem dunkelbraunen Mantel an einem Haken an der Wand hing, gleich neben dem Ecktisch. Eine Brosche ist vorne rechts aufgebracht auf dem das Siegel der Färber zu sehen war. Es stellt einen Kessel mit verschiedenen Farben da, normalerweise angedeutet durch farbige Kreise, auf der Brosche jedoch nur durch die Ränder. Darüber sind zwei gekreuzte Kochlöffel, von denen jeweils das Wasser tropft, symbolisiert durch einen einzelnen Tropfen. Der Mann aß in aller Seelenruhe sein Mahl, bestehend aus etwas Käse, Brot und Trauben. Zugegeben ein teures Mahl, besonders die Trauben, aber es hatte nicht den Anschein als nagte der Ältere am Hungertuch. Als der Jüngere sich setzte schaute der andere Mann nicht auf. Man kannte sich offenbar und erwarte die Anwesenheit des Anderen an diesem Ort. Der Wirt kam nur kurz und stellte das gleiche Mahl vor dem jüngeren Mann ab und dazu einen Humpen Bier. Dies alles lief so reibungslos und still ab, dass er offensichtlich war, dass diese Prozedur nicht zum ersten Mal stattfand. Die Beiden kamen ohne Zweifel öfters an diesen Ort. Als der Wirt wieder verschwunden war eröffnete der Jüngere das Wort. "Die Vorbereitungen laufen planmäßig. Es gibt bisher keine Probleme." Schweigen. Einen Augenblick wartete der Bärtige noch, doch schließlich schien er diese stille Antwort als Zustimmung zu akzeptieren und begann ebenfalls mit dem Mahl. Als der Käse zur Hälfte gegessen war und das Brot deutlich an Masse verloren hatte, setzte der Ältere kurz den Humpen zu einem großen Schluck an. Mit dem Abstellen auf dem Tisch durchbrach er die stille Atmosphäre. "Was ist mit dem Wachmann? Hat er akzeptiert?" Der Jüngere nickte. "Weißt du das mit Gewissheit, oder ist das wieder eine deiner Vermutungen?" Der Bärtige schluckte das Brot herunter was er gerade kaute. "Ich war dabei als er es sagte." Ein leichtes Schmunzeln im faltigen Gesicht des Ergrauten, welches nicht deutlich machte ob es freundlich oder sarkastisch gemeint war. "Das du dir nach all den Jahren immer noch die Finger selbst schmutzig machst Derenburg ist erstaunlich. Ich weiß nicht ob ich es als Kontrollzwang eines Perfektionisten, oder Unfähigkeit zu Delegierung abtun soll." Er nahm einen weiteren Schluck.

Der Bärtige sagte nichts darauf. Er kaute weiter sein Brot und steckte sich eine Traube dazu in den Mund. "Wenn du endlich den Abläufen unserer Gilde folgen würdest, wärst du ebenfalls schon längst ein Mischer, aber so wie du dich immer wieder den Meistern präsentierst, kann es ja nichts werden." Diesen Vorwurf wollte Derenburg nicht auf sich sitzen lassen. "Rede nicht mit mir wie mit einem Wasserträger! Ich sagte dir das der Wachmann akzeptiert hat. Den Abläufen der Meister wird entsprochen. Ich sagte doch alles läuft nach Plan." Der Ältere grunzte abfällig in seinen Bierkrug. "Was ist mit deinem Part Norjan? Ich vermute es gibt viel zu tun für das Bankett, oder?" Der Ergraute ließ seine mattbraunen, fast grauen Augen lange auf dem Jüngeren Färber verweilen. Es lag eine gewisse Zurechtweisung darin ohne, dass er etwas sagen musste. Trotzdem setzte Norjan nochmal verbal nach. "Ronus Derenburg! Belehre mich nicht wie ich meine Arbeit zu erledigen habe! Du vergisst wohl allzu leicht, dass ich dich gefunden habe vor über 20 Jahren. Halb verhungert und verdreckt warst du, wie alle Ratten in der Stadt. Ich gab dir was zu essen, eine Unterkunft und schließlich eine Zukunft! Ich habe nicht ohne Grund den Rang eines Mischers! Ich weiß was zu beachten ist und worauf es ankommt. Deshalb ist es mir ja auch erlaubt, kleine verhungerte Ratten zu rekrutieren, wenn ich in ihnen ein Potenzial sehe." Er riss mit Wut im Bauch den Rest Brot auf seinem Teller in zwei Hälften. "Lass mich das nicht bereut haben!" Damit landete die eine Brothälfte in seinem Mund. Ronus schwieg dazu. Er wusste, dass Norjan Recht hatte. Als Straßenkind von Wanderrast hatte er keine hohe Lebenserwartung gehabt die Aufnahme bei den Färbern war wohl das Beste was ihm in seiner Lage passieren konnte. Wie sehr hatte er sich in die Gildenarbeit reingehängt und vom Wasserträger über den Kesselheizer zum Tuchner hochgearbeitet? 20 Jahre hatte das gedauert und nun wo er seit gut einem Jahr Tuchner war, wollte er hier nicht stehen bleiben. Ein Farbmischer zu werden wie Norjan, oder gar ein Aufseher wären sein größter Traum. Doch ob ihm das jemals vergönnt wäre war ungewiss. Es gab kein Erfolgsrezept und die freien Stellen ab einem Tuchner waren rar gesät. "Was ist mit dir Norjan? Wie lange bist du schon Farbmischer? Ich kenne dich nicht als etwas anderes. Warum wirst du nicht zum Aufseher ernannt?" Der Ältere zuckte mit den Achseln. "Das muss dich nicht interessieren Jungspund. Kümmere dich um deine Arbeit, diene der Gilde gut und du wirst schon bald ein Mischer sein. Dieser Auftrag könnte dir dazu verhelfen." Ronus sah etwas gedankenleer auf seinen halbleeren Teller. "Du hast Recht. Ich bin mir der Bedeutung sehr wohl bewusst, das kannst du mir glauben." Norjan pflückte die letzte Traube vom Strunk und nahm den letzten Schluck Bier. "Dann ist ja gut. Er stand auf und legte drei Silbermünzen auf den Tisch. "Wir sehen uns dann bei der Versammlung." Ronus nickte und aß weiter. Währenddessen nahm der Ergraute Mantel und Hut und machte sich zum Gehen bereit. "Kommt nicht zu spät! Denk dran: an die Abläufe halten." Er tippte ihm belehrend auf die Schulter. "Gewiss, ich werde da sein." Norjan warf einen Blick zurück auf die drei Münzen die im Kerzenschein leicht funkelten. "Das nächste Mahl geht auf dich. Ich hoffe es wird prächtiger, weil wir auf deine Beförderung anstoßen." Bei dem Gedanken musste Ronus so breit Grinsen, dass ihm fast der Käse aus dem Mund gefallen wäre. Der Mischer trat hinaus auf die Straßen von Wanderrast während der Tuchner zurückblieb und sein Mittagessen beendete.

Ihm gingen derweil viele Dinge durch den Kopf. Das Vorhaben war anders als die anderen Aufträge und egal ob Erfolg oder Misserfolg: es würde auffallen. Viele Menschen würden erfahren wozu die Färber von Wanderrast fähig waren. Es war selbstverständlich illegal. Dieses Schicksal teilten die Färber mit anderen 'dunklen Gilden' wie Meuchelmörderverbunde in Qarean genannt wurden. Doch wie so oft hing Gut und Böse, Recht und Unrecht immer vom Standpunkt ab und für Ronus war die Gilde nie etwas Böses. In seinen Augen hatten alle Ziele den Tod verdient und es war schwer für ihn dahinter etwas anderes zu sehen als die Verbesserung des Lebens ins seiner Heimat. Wie oft hat er das Elend als Straßenkind gesehen? Wie oft erkennen müssen, dass es niemals um Fairness im Leben ging. Es ging nur um Vorteile und Macht. Jeder der etwas anderes behauptete war in Ronus Augen entweder naiv oder ein Heuchler. So tat er was die Färber ihm auftrugen und schüttelte schnell anfängliche Skrupel ab. Als Tuchner war er ein geachtetes Mitglied einer Gemeinschaft die dem was man als Familie bezeichnete wohl am nächsten kam. Er hatte mal von Norjan gehört, dass die Färber ausschließlich Straßenkinder aufnehmen, weil sie nichts hatten was sie zurücklassen mussten und schnell die Geschenke annahmen die ihnen geboten worden. Trotzdem erschient es wohl von außen als falsch Leute umzubringen und dafür unschuldige Kinder zu verderben die ohnehin von Leid und Sorgen geschunden waren. In Ronus Augen jedoch war es anders. Für ihn war es eine Zukunft in einer Gemeinschaft Gleichdenkender. Sie alle verfolgten das höhere Ziel der Gilde welches nun wirklich gelingen konnte - der Grund warum die Gilde der Färber überhaupt gegründet wurde. Ronus bemerkte, dass er bei den ganzen Gedanken nebenbei Teller und Humpen geleert hatte. So erhob er sich und ging wie schon bei seinem Kommen ohne Blickkontakt stumm hinaus auf die Straßen. Es gab noch einiges zu tun. Man erfüllte ja nicht jeden Tag den höheren Zweck seiner Gilde und tötete den König.
 
Ich bin hier in letzter Zeit nicht aktiv gewesen. Das hatte zwei Gründe. Ersten war ich letzte Woche nicht da, weil ich Urlaub hatte und da nur immer sehr kurz ins Forum geschaute habe und zweitens kam es in dieser Zeit zur Umstrukturierung des RPG-Bereichs. Ich bin aktuell am überlegen ob es es sinnvoll ist die angefangene Geschichte weiter zuschreiben bzw. zu beenden, wenn der Bereich aufgelöst wird in dem der Hintergrund zu meinen Geschichten steht, andererseits scheint es mir nicht vergönnt zu sein von euch ein kleines Feedback zu bekommen wie dieses Projekt bei euch ankommt, was ich schon gerne hätte. Daher setzte ich das wohl wahrscheinlich erst einmal aus, bis die die Sache im Allgemeinen Bereich über den Tisch ist. Mal sehen wie sich das entwickelt. Offen stehen lassen möchte ich die Geschichte eigentlich nicht (Zu Ende schreiben werde ich es daher wohl). Aber ich bin mir im Moment nicht ganz im Klaren auf welche Gegenliebe dieses Projekt stößt. Vielleicht habe ich das falsch eingeschätzt. Ich bin also im Moment so zusagen in Lauerstellung und warte wohl mal auf Reaktionen: entweder von meinen geschätzten Lesern oder dem Team des Forums.
 
Da heute bekannt wurde, dass das Lexikon aus dem ET bestehen bleibt steht einer Fortführung der Geschichten nichts mehr im Wege. Ich werde mir also zeitnah Gedanken machen und den nächsten Teil der aktuellen Geschichte beisteuern. :)
 

Ähnliche Themen