Weltenbau
Nach einer „kleinen“ Pause (ist das echt schon wieder so lange her) kommen wir nun endlich zu unserem nächsten Kapitel. Dieses beschäftigt sich mit dem Weltenbau. Das heißt dem Hintergrund der Geschichte. In welcher Welt leben unsere zuvor erstellten Charaktere und wie interagieren sie mit ihr? Dieses Kapitel widmet sich dem Weltenbau (roll credits), also dem Setting, dass ich hier klar vom Genre abgrenze. In einem Fantasy-Setting kann man auch Krimis (Drakenfeld), Liebesromane (Twilight) oder Mystery (Harry Potter) schreiben. Um es mit den Worten von Brandon Sanderson zu sagen: „Fantasy kann alles, was die anderen auch können
und Drachen.“
Dies hier ist auch keine Schritt für Schritt Anleitung, sondern zeigt Euch einige Grundlegende Tipps, die Ihr beim Bau Eurer Welt beachten solltet. Für eine solche Anleitung kann ich Euch den YouTuber
Artifexian empfehlen oder das
Weltenbastler-Forum.
1. Eine glaubhafte Welt
1.1 Das Problem
Das Ziel des Weltenbauens ist es eine glaubhafte Welt zu erschaffen. An dieser Stelle würden Leute mit weniger Fantasie einwenden, dass eine Fantasy- oder Sci-Fi-Welt ja ohnehin niemals glaubhaft sein kann.
Das ist so erst einmal richtig, aber natürlich gilt das so für fast jede fiktionale Geschichte. Wer würde schon glauben, dass die Abenteuer eines James Bond oder der Film Kleinohrhasen, die ja durchaus in „unserer Welt“ spielen so passiert sind? Das wichtige hierbei ist eigentlich nur, dass wir unbewusst den Unglauben (suspension of disbelief) unterdrücken können. Wir wollen glauben, dass es real ist. Probleme ergeben sich erst, wenn diese Realität nicht mehr in sich geschlossen ist. Wenn man für seine Geschichte Regeln aufstellt, dann muss man sich an diese halten. Wenn sich eine Geschichte selbst widerspricht, verliert man den Glauben. Genau so, wenn uns als Leser sofort eine Lösung für ein fundamentales Problem der Welt einfällt. Ein weiterer Grund nicht zu glauben, ergäbe sich, wenn die Welt als solches nur zu existieren scheint, um die Geschichte voran zu bringen und nur insofern relevant ist, als sie die Protagonisten betrifft. Eine Welt muss, um glaubhaft zu sein, tief genug sein (oder erscheinen), um ohne die Geschichte bestehen zu können. Wir als Autoren müssen also eine in sich geschlossene Welt erschaffen, die logisch, nach den von uns festgesetzten Regeln, wahr sein könnte. Nur so können wir den Unglauben unterdrücken.
1.2 Eine tiefe Welt
Einer der Gründe für den Unglauben der Leser ist, wie schon erwähnt, dass oft die Welt nur existiert, um die Geschichte zu stützen und ihr den Rahmen zu geben. Sie ist nur, wohin sich die Handlung begibt und erscheint Stück für Stück gemacht, wie es gerade erforderlich ist.
Das Bild, das sich für diese Vorstellung einer Welt in der Geschichte am besten eignet, ist ein Eisberg. Er schwimmt so im Meer herum und nur einen kleinen Teil kann man über der Oberfläche (in unserer Geschichte) sehen. Allerdings kann man unter dem Wasser eine gewaltige Masse erahnen. So muss es unserem Leser vorkommen. Wir müssen also den Leser überzeugen, dass mehr da ist, als nur die Geschichte. Dafür gibt es ein paar Methoden.
1.2.1 the hard way
Die erste Methode und vermutlich auch diejenige, die Euch als erstes in den Sinn gekommen ist, ist die eine Welt komplett zu erschaffen. Dies ist die Methode, die für Architekten am ehesten geeignet scheint. Eine vollkommene Welt, in der alle 10 neuen Kontinente, 235 Länder, 47 Rassen, Geographie, Kulturen, Botanik, Politik, Ökonomie, Sprachen, einfach alles, bedacht ist. Ihr seht bestimmt auch, wo das hinführt. Ihr werdet nicht fertig werden. Tolkien hat es nicht vollendet und Euch wird es auch nicht gelingen. Der Versuch, dies zu tun und dann das wirkliche Schreiben des Buchs aufzuschieben, bis die Welt mal 'fertig' ist, nennt man deshalb Weltenbastlerkrankheit. Es gibt natürlich auch Leute, die genau dies zu ihrem Hobby machen und das ist ja alles schön und gut, aber dafür ist das hier nicht das richtige Tutorial.
Man muss wissen, wann man aufhören muss. Setzt Euch ein Limit für den Weltenbau, bevor ihr mit dem wirklichen Schreiben anfangt. Das kann eine Zeitspanne sein, eine bestimmte Anzahl an geschriebenen Seiten oder etwas anderes. Wichtig ist, dass ihr auch anfangt zu schreiben!
1.2.2 the easy way
Wie bereits gesagt ist das Wichtige hier die Wahrnehmung des Lesers. Die zweite Methode beschäftigt sich also genau damit. Solange der Leser denkt, dass eine größere Welt existiert, reicht das aus. Wir können also dementsprechend auch einfach ein bisschen schummeln. Das machen wir, in dem wir uns ein paar Aspekte der Welt nehmen und nur die weit genug ausbauen. Das zeigen wir dann dem Leser und bauen so sein Vertrauen auf, dass der Eisberg eben nicht nur an einer Stelle tief ins Wasser reicht,(wie es ja dann der Fall ist,) sondern an allen.
1.2.3 erst schreiben
Kommen wir zur dritten Methode. Diese ist die Methode der Entdecker. Für einen solchen kann es unglaublich langweilig sein eine Welt erschaffen zu müssen, schließlich ist, was ihn interessiert, die Geschichte zu erzählen. Welchen Weg nehmen unsere geliebten Charaktere und wie werden sie mit den Hürden fertig, die sich ihnen auftun? Woher die kommen und ob der Weg schon vorher da war ist für einen Entdecker eher Nebensache. Was kann ein Entdecker also tun, um dem Leser dennoch eine Welt zu bieten, die es wert ist belesen zu werden? Das Gegenteil von dem, was ein Architekt macht. Wie der erst die Welt beschreibt und dann die Geschichte, schreibt der Entdecker erst die Geschichte und fügt dann später in diese Geschichte Kommentare, Sätze, Absätze, und Kapitel über die Welt ein, so wie sie nötig sind.
2. Eine interessante Welt
2.1 Die Theorie
Aber selbst, wenn wir damit fertig sind, eine vollständig glaubhafte Fantasy-Welt erschrieben haben, die von Orks und Elfen und Halblingen und Zwergen und Menschen und Baumwesen bevölkert wird, kommen wir an ein Problem. Allein schon das Lesen dieser Auflistung wird bei einigen von Euch bereits Langeweile ausgelöst haben. Es ist einfach eine 08/15 Fantasy-Welt, wie wir sie schon dutzende Male gesehen haben. Um aber die Fantasie unserer Leser anzuregen und ihr Interesse zu erwecken müssen wir etwas anderes auffahren. Etwas an dieser Welt muss neu sein. Eine neue Zeit, ein neuer Ort. Es muss noch nie (in dieser Art) dagewesen sein. Wir müssen die Neugierde der Leser erwecken.
2.2 Die Praxis
Wir erdenken uns also die Perfekte, neue interessante, wahnsinnige Welt und wollen sie unbedingt mit allen teilen. Und was passiert? Der Leser legt nach einer Seite das Buch beiseite, weil es mit einem Kapitel Exposition beginnt. Das ist der klassische Anfängerfehler. Weltbeschreibung im Buch ist eine Sünde für Autoren.
2.2.1 die Lernkurve
Um zu verbildlichen, was wir unseren Lesern aufbürden, verwenden wir ein wenig Mathematik. Wir können uns die Fakten unserer Welt in Abhängigkeit von der Länge des Textes als Kurve vorstellen. Das ist unsere Lernkurve, die uns anzeigt, wie schwer es ist die Welt zu lernen. Wir müssen uns entscheiden, wie steil die Kurve an welcher Stelle im Buch sein sollte. Der Anfang der Kurve sollte jedoch in nahezu allen Fällen relativ flach ausfallen (außer bei Fortsetzungen). Es ist für den Leser Arbeit, die Regeln einer Welt lernen zu müssen. Wir sollten ihn also erst überzeugen, dass es sich lohnt. Wenn wir den Leser unsere Charaktere lieben (oder hassen) gelehrt haben und er in unser Buch investiert ist dann können wir anfangen ihm die Fakten unserer Welt zu liefern.
Was man zur Lernkurve außerdem noch bedenken muss ist für wen man schreibt. Ein Kinderbuch sollte, logischerweise, eine relativ flache Lernkurve haben. Das mag aber für einen erwachsenen, erfahrenen Fantasy-Leser durchaus langweilig sein.
2.2.2 Wie und Wie nicht
Ich habe oben geschrieben, dass Weltbeschreibung eine Sünde ist. Aber wie genau soll man dann seine Welt beschreiben, wenn man seine Welt nicht darüber schreiben darf?
Nun, genau da liegt der Punkt. Beschreiben ist, was man machen sollte. Einen alten Magier über eine lange zurückliegende Schlacht oder die Geschichte der Welt reden lassen ist langweilig. Diese Schlacht in einem Rückblick zu zeigen ist spannend. Hier haben wir ein einfaches Beispiel von
show, dont tell. Man muss zeigen, wie die Welt wirkt und nicht erklären. Wichtig hierbei ist immer im Hinterkopf zu behalten, was ein Charakter schon weiß. Wenn jemand für die Welt grundlegendes Wissen erklärt bekommen muss, nur weil der Leser es noch nicht weiß, dann reißt auch das einen Leser aus seinem Glauben. Eine oft genutzte Methode dies zu umgehen ist der Charakter des Außenseiters. Jemand, der eben nicht mit den Regeln der Welt vertraut ist. Jemand wie Frodo, Harry Potter, Eragon oder Luke Skywalker.
3. Weltenbau
Kommen wir nun (endlich) zum eigentlichen Thema dieses Kapitels, dem Weltenbau. Hier bestimmen wir das Setting unseres Buches. Weltenbau kann man grob in zwei Kategorien aufteilen. Natur und Kultur.
3.1 Natur
3.1.1 Normales
Ein Aspekt, auf den ich hier nicht all zu sehr eingehen möchte. Er bezieht sich darauf, was für Naturgesetze in Eurer Welt gelten. Ist die Schwerkraft vielleicht leichter als auf der Erde, sodass sich alle nur durch Hüpfen fortbewegen? Bestehen die Ozeane aus Kirschlikör? Dies sind die Grundlagen, auf denen die Kultur sich aufbaut.
3.1.2 Magie
Kommen wir nun zum anormalen. Dem, was Fantasy von SciFi unterscheidet: Magie. Die ist auch ein Teil der Natur einer Welt, basierend auf ihren Naturgesetzen. Hierbei unterteilen wir grob in harte und weiche Magie. Harte Magie ist klar definiert. Es gibt Regeln, nach denen sich die Magie richtet und die der Magier einhalten muss. Nur jemand mit reinem Herzen kann das Tor öffnen. Wenn du den Ring aufsteckst, dann wirst du unsichtbar. Auf der anderen Seite gibt es die weniger definierte weiche Magie. Dies ist Magie, die Wunder erzeugt, sowohl wörtlich als auch als Gefühl im Leser. Sie wird nicht erklärt, sondern wirkt einfach.
Magie muss auch nicht entweder hart oder weich sein, sondern kann sich auch in der Mitte bewegen (Gummi?). Eine Welt muss auch nicht unbedingt nur auf eine dieser Arten beschränkt sein. Der eine Ring hat klare Regeln, aber was Gandalf alles kann ist eher vage.
Ob ihr Eure Magie nun aber mit vielen oder wenigen Regeln aufbaut gibt es dennoch einige Gesetze, wie man sie am besten in die Geschichte einbinden sollte. Dies sind
Sandersons Gesetze der Magie nach dem amerikanischen Autor Brandon Sanderson.
Das erste Gesetz
Die Möglichkeit des Autors ein Problem in der Handlung mit Magie zu lösen ist direkt proportional zum Verständnis, das der Leser von der Magie hat.
Zu
Eurem Verständnis mal ein Beispiel: Es ist extrem unbefriedigend, wenn am Ende der Geschichte der Held gegen den Bösen Lord gewinnt, weil der vollkommen unerwartet und ohne vorige Andeutung von einem Gott niedergestreckt wird. Am Anfang kann Deus ex Machina in der Form von unerwarteter magischer Hilfe noch staunen auslösen so ist es aber je weiter man im Buch kommt nur noch unverdient. Ein Protagonist muss schon was für den Erfolg tun.
Das zweite Gesetz
Beschränkungen sind interessanter als Fähigkeiten.
Ein Held, der mit Magie allmächtig ist, ist auch langweilig. Es ist viel besser, wenn es Schwächen gibt, Beschränkungen, die es erfordern kreative Lösungen zu finden als mit dem Kopf durch die Wand. Dies ist der Grund dafür, dass Batman besser ist als Superman und die einzigen guten Superman-Geschichten mit Kryptonit zu tun haben. Allmacht ist uncool.
Deswegen sollte man seiner Magie
Grenzen,
Schwächen und
Kosten mitgeben.
Eine Grenze der Magie zeigt, was Magie nicht kann. Ein Magier kann andere Leute mit Magie in die Luft heben, aber niemals sich selbst.
Eine Schwäche habe ich mit Kryptonit oben bereits genannt. Eine weitere wäre der Bann des Eisens aus DSA. Je mehr Metall ein Magier am Körper trägt desto schwächer wird seine Magie.
Kosten der Magie können einfach eine Menge an Mana oder Ausdauer sein. In D&D hat man eine bestimmte Menge an Zaubern pro Tag zur Verfügung. Kosten können aber auch Ausmaße von Flüchen annehmen. Magie, die fast alles kann, aber wenn man sie benutzt, dann stirbt jemand, den man liebt.
Das dritte Gesetz
Erweitere, was du hast, bevor etwas neues zu machen.
Ein gutes Magiesystem hat wenige Funktionsweisen, die dann aber auf viele Arten angewendet werden. Wie weiter oben schon gesagt, ist es oft besser in die Tiefe zu gehen, als in die Breite. (OT: Es ist auch generell nicht von Vorteil zu sehr in die Breite zu gehen.
) Macht Euch Gedanken, welche Auswirkungen Magie auf alle Bereiche des Lebens hat. Wie kann sie verwendet werden, um einfache Handlungen noch einfacher und effizienter zu machen. Wie beeinflusst es Handel, Politik und Krieg? Was passiert, wenn ich verschiedene Kräfte zusammen benutze? Versucht außerdem Eure verschiedenen Magischen Kräfte aufeinander abzustimmen, so dass sie ein gutes, eben stimmiges Ganzes ergeben. Eine Auflistung der Magischen Kräfte sollte kein Spiel von „welches passt nicht zu den anderen“ werden.
Das nullte Gesetz
Mach, was cool ist.
Nach dem Vorbild von anderen solchen Gesetzen, wie Asimovs, hat auch Sanderson ein grundlegendes Gesetz eingefügt. Die allgegenwärtige
rule of cool. Es ist, vor allem anderen, wichtig, dass Eure Magie interessant und cool ist. Alles andere kann man dann noch zurecht biegen.
3.2 Kultur
Hier stellen wir uns die Frage: Wie wirken sich die Naturgesetze, die wie festgelegt haben auf die kulturschaffenden Rassen der Welt aus. Wie ist ihre Kultur aufgebaut. Ähnelt sie einer irdischen?
Ihr solltet dabei ein wenig aufpassen. Es ist häufig extrem anmaßend eine menschliche Kultur zu beschreiben, die man nicht genau kennt. Deswegen versucht bekanntes zu verändern und gebt Euch Mühe nicht nur eine Seite der Medaille zu zeigen. Keine Kultur ist einseitig.
Wenn es um bestimmte Einzelheiten, Berufe, Beschäftigungen geht, die ihr nicht selbst kennt, dann versucht etwas über sie zu lernen. Ihr müsst jetzt keine zwei Jahre zur See fahren, bevor ihr übers Segeln schreiben könnt, aber ihr solltet durchaus Backbord von Steuerbord unterscheiden können und wissen was ein Besan- und was ein Fockmast ist. Am besten versucht Ihr so weit wie möglich selbst zu lernen und lasst dann einen Experten mal drüber schauen.