Literatur-Diskussion Schreib-Tutorial

Welches Thema soll das erste Tutorial behandeln?

  • Charaktere

    Stimmen: 4 44,4%
  • Weltenbau

    Stimmen: 4 44,4%
  • Dialoge

    Stimmen: 3 33,3%
  • Handlung

    Stimmen: 3 33,3%

  • Umfrageteilnehmer
    9
  • Umfrage geschlossen .

Tohawk

Moderator
Teammitglied
Ich habe mich seit längerem mit Schreibtheorie beschäftigt und damit, was Geschichten eigentlich "gut" macht. Aber ich finde, dass (solches) Wissen allgemein verfügbar sein sollte.
Deswegen beabsichtige ich, Euch an diesem Wissen teilhaben zu lassen. Ich werde deshalb immer kurze Tutorial-Segmente hier posten.

Zunächst also einmal: Welches Thema soll ich zuerst bearbeiten?

Hier sind die Links zu den verschiedenen Teilen des Tutorials.

Die Einleitung

Charaktere
 
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Reaktionen: Lahmaf und Ladyfalk
Der Schreibstil. Mich würden Schreibstile interessieren. Wenn du dich schon damit beschäfitgst und dich eventuell auch damit auskennst?
Erst neulich hab ich in den Nachrichten Preisverleihungen gewisser Buchautoren mitverfolgt und ich fragte mich, was macht ein gutes Buch aus, um einen solchen Preis zu bekommen. Das Bücher verzaubern (können), ist ja allen bekannt. Dennoch gibts immer gravierende Unterschiede.
Da man Schreiben lernen kann, wie auch Sprachen, fragte ich mich immer, was sind die Techniken. :)
Wenn das am Thema vorbeigeht... tut's mir leid.
 
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Reaktionen: Lahmaf und Harvald
Ich glaube nicht an eine Schreibtheorie, es gibt eine Anzahl von Hinweisen, sie simpel klingen aber schwer umzusetzen sind.

Albert Einstein: „Alles sollte so einfach wie möglich sein – aber nicht einfacher.“

Der Leser wünscht sich erstaunt und unterhalten zu werden und das geschieht durch einen strukturierten Stil der die Geschichte stets im Fluss hält. Mal sehen was bei einem tutorial herausschaut.
 
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Reaktionen: Lahmaf
Um eine gute Geschichte oder Buch zu schreiben oder aber auch ein RPG braucht man vor allem Talent.
Vieles ist uns in die Wiege gelegt, manches kann man lernen.
Aber im Allgemeinen gilt. Mann hat es oder man hat es nicht.
Dann nützten auch keine Bücher über das schreiben.
Handwerker ist nicht gleich Handwerker, auch wenn er es gelernt hat.
Theorie ist wenn nichts klappt und jeder weiß warum. Praxis ist wenn alles klappt und keiner weiß warum.
Ich bin gespannt darauf, wie hier Theorie und Praxis vereint werden.

Bei einer Geschichte, Buch oder RPG fesselt mich zuerst die Handlung dann die Charaktere vor allem die Dialoge und zum Schluss der Weltenbau.
Dann erst kann man Welten Seele einhauchen.
 
Gut geschriebene Dialoge können einem Text sehr viel Lebendigkeit verleihen und erlauben dem Schreiber mehr sprachliche Freiheit. Das Thema würde mich am meisten interessieren.
 
Einleitung

Ich habe ein wenig über die Strukturierung der verschiedenen Teilbereiche nachgedacht und festgestellt, dass es viele überlappende Teilbereiche gibt, die z.B. sowohl Teil des Weltenbaus sind, sich aber grundlegend auf den Verlauf der Handlung auswirken. Das werde ich versuchen entsprechend zu kennzeichnen, wenn es so weit ist. Oder auch nicht, sollte ich finden, dass es offensichtlich genug ist.
Was ich aber zusätzlich festgestellt habe ist, dass ich zu Beginn eine Einleitung schreiben muss, um alle auf einen gewissen grundlegenden Stand zu bringen. Eine Basis, auf der wir aufbauen können.
Dazu kommt natürlich eine kleine Warnung: Ich bin (vermutlich) kein Gott. Das heißt ich bin weder allmächtig noch allwissend. Es kann also sein, dass es durchaus wichtige Aspekte gibt, von denen ich einfach nicht weiß. Außerdem ist jeder Schreiber anders. Was für einen funktioniert mag für einen anderen unnütz sein. Viel davon kann man aber verstehen, wenn man die zwei Stile kennt. Ich gebe hier also keine Regeln vor, sondern stelle Ansätze und Werkzeuge vor, die Euch helfen können besser zu schreiben.
Ich werde erst einmal die verschiedenen Arten präsentieren, wie man eine Geschichte darstellen kann.
Zweitens kommt eine Übersicht über den Aufbau und die Gliederung, die Geschichten haben können.
Als drittes werde ich die beiden Hauptformen des Schreibens, die zwei Stile, wie Autoren schreiben, vorstellen.

1. Darstellung

Es gibt (nach meiner Zählung) 5 Arten eine Geschichte darzustellen. Ich werde mich auf die erste Beschränken. Vor allem, weil ich von den anderen nicht so viel Ahnung habe. Ich bin mir dennoch sicher, dass sich viele Dinge auf diese übertragen lassen.

1.1 Der Text.

Das wofür ihr vermutlich alle das hier lest. Was uns, als Künstlern, aber bewusst werden sollte ist, dass es halt auch noch andere Künste gibt, die man in die Erstellung eine Geschichte einbeziehen kann.

Der Kern einer Erzählung aber bleibt: Wir brauchen Text, um eine Geschichte darzustellen. Das fußt auf einer Beobachtung die schon Lessing gemacht hat. Ein Text stellt seine Bestandteile aufeinander folgend (zeitlich) dar, während ein Bild seine Bestandteile nebeneinander (räumlich) darstellt, so dass alle gemeinsam aufgenommen werden. In diesen können also nur Momente, und keine Geschichten, die nun mal aus zeitlich aufeinander folgenden Handlungen bestehen, beschrieben werden. (Vgl. Lessing: Laokoon oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie)

1.2 Comics: Text und Bild

Die zweite Methode Geschichten zu schreiben. Ein Bild, ein Moment in der Handlung, begleitet von einem beschreibenden Text. Auch diese Kunst ist schon uralt, wie man an Statuen mit Inschriften sehen kann. Ein besonders schönes Beispiel ist der Tepich von Bayeux, der die Geschichte der Eroberung Englands duch William den Eroberer in Wort und Text wiedergibt. Eine etwas neuere Addition sind Sprechblasen, die das Gesagte direkt einem Charakter zuweisen.

1.3 Film: kein Text, nur Bild und Klang

Die logische Folge. Die Möglichkeit, Geschichten nur in Bildern darzustellen, indem Klang hinzugefügt wird. Eigentlich. Bis man merkt, dass ein Storyboard, die Grundlage auf der ein Film entsteht, eigentlich ein Comic ist und dessen Vorstufe, das Skript, nur ein Text.

1.4 Spiele

Was, wenn wir nun eine Komponente zu unserer Geschichte hinzufügen, auf die wir nur bedingten Einfluss haben? Ein Spieler. Alles Mögliche könnte passieren. Wir müssten vieleicht mehrere Enden zu unserer Geschichte verfassen, verzweigende Arme. So viel mehr Arbeit...

1.5 Lieder (und Gedichte)

Eine weitere Form der Darstellung, die der Struktur der Geschichtserzählung zusätzliches abverlangt. Wird heutzutage nicht mehr so oft genutzt, um eine lange Geschichte zu erzählen, aber es kommt noch vor.

2. Gliederung (und Aufbau)

Jetzt kommen wir zu den Aspekten des Aufbaus und der Gliederung. Nicht ganz das selbe aber verbunden, da sie sich gegenseitig beeinflussen. Aufbau meint hier den Spannungsbogen, den ein Werk hat und die Art, wie es geschrieben ist. Es geht im Grunde um die Grenzen, die mir die Art der Veröffentlichung aufzwingt, da diese die Gliederung bestimmt. Deshalb gebe ich nun hier die 4 Arten einer solchen Gliederung an.

2.1 Das Buch

Wie ist ein Buch aufgebaut? Eigentlich eine relativ einfache Frage. In Kapitel natürlich. Und manchmal innerhalb dieser in verschiedene Szenen. Diese Art der Gliederung gibt uns vermutlich die größte Freiheit bei der Erstellung einer Geschichte. Die anderen Gliederungen haben erheblich mehr Einschränkungen als diese. Wir können ein ganzes Kapitel oder mehr einem Schauplatz/Charakter widmen ohne uns groß um andere zu kümmern. Natürlich müssen wir dennoch diese miteinander ausbalancieren und einen guten Mittelweg finden. Aber dazu mehr in späteren Kapiteln.

2.2 Der Film

Auch der Film ist, wie das Buch, in verschiedene Szenen aufgeteilt. Aber hier haben wir keine Kapiteleinteilung, die verschiedene Szenen zusätzlich zusammen bindet. Hier wird eine Geschichte ohne große Einschnitte erzählt. Man schaut sie sich vom Anfang bis zum Ende an und ist fertig. Der Aufbau muss dies wiedergeben. Es gibt eine zeitliche Begrenzung, eine maximale Länge, die ein Skript haben kann. Das ist die Haupteinschränkung, die uns der Film bietet: Unsere Geschichte muss kompakt sein.

2.3 Die Serien

Mit dieser Überschrift meine ich alle Gliederungsformen, die ihre Geschichte über eine lange Zeit aufstückeln und immer nur ein „Kapitel“ am Stück zeigen. Fernsehserien, aber auch verschiede Comicserien (und andere) nutzen diese Art der Veröffentlichung. Das wichtige hier ist, das Publikum ständig unter Spannung zu setzen. Jede Folge muss für sich allein spannend sein. Nur lang laufende Serien mit einem festen Publikum können es sich erlauben dies außer Acht zu lassen.
Daraus ergibt sich leider, dass viele Autoren dieser Art Gliederung nicht wissen, wie lang ihr Werk werden kann. Ein Fernsehserie kann nach vier Episoden abgesetzt werden und man hat keine Zeit die Geschichte vernünftig zu beenden. Oder man hat ein gutes Ende gefunden und es wird beschlossen, dass die Serie verlängert wird. Man weiß einfach nicht, wann und ob man alle Spannungspunkte, die aufgebaut wurden, befriedigend auflösen kann. Das führt dazu, dass viele Autoren einfach nicht weiter als bis zur nächsten Folge planen. Das kann kann wirklich gute Folgen ergeben, aber später auch wirklich enttäuschen, wenn die Auflösung schlecht ist. Als Beispiel nenne ich mal den Eisbären in Lost.

2.4 Die Kurzgeschichte

Die Form, die sich mit diesen ganzen Punkten nicht herumschlagen muss ist die Kurzgeschichte. Eine Form, die durch das Fehlen einer Gliederung gegliedert ist. Der Vorteil liegt auf der Hand: Man muss keine arbiträren Punkte setzen, an denen man seine Geschichte unterbricht. Aber natürlich muss man auch das beim Aufbau bedenken.

3. Zwei Stile

Kommen wir nun zum „neuen“ Teil dieser Einleitung. Während Ihr das Vorhergehende schon kanntet und Euch vielleicht nur Einzelheiten in den daraus folgenden Konsequenzen nicht klar waren kommt nun etwas, das eigentlich genau so grundlegen ist, wie das andere, aber bei weitem nicht so bekannt. Viele veröffentlichte Autoren sind sich dieser Betrachtungsweise nicht bewusst, denn für einen einzelnen, der ein Buch schreibt und damit auch keine Probleme hat, ist sie nicht wichtig. Wer aber versucht dies zu lernen wird bei verschiedensten Stellen auf „Tipps zum Schreiben“ stoßen, die für ihn absolut keinen Sinn ergeben und auch nicht weiterhelfen.
Es gibt bei allem zwei Arten von Menschen: Hundemenschen und Katzenmenschen, Aktive und Anaktive, uvm. (s. 2Kindsofpeople.tumblr.com). Das gilt natürlich auch für Autoren. Nur zur Klarheit: das ist natürlich Schwachsinn, eigentlich setzen die beiden Begriffe jeweils nur die Grenzen eines Schiebers fest, auf dem man sich bewegen kann. Es gibt Mischformen für alles.
Wichtig ist, dass ein keinen richtigen Weg gibt eine Geschichte zu schreiben. Beide Arten sind vollkommen valide. Lasst Euch nichts anderes Erzählen. Obwohl es manchmal nützlich ist, beide Arten bewusst zu verknüpfen, um die Geschichte zu verbessern. Auf Verschiedene Wege genau das zu tun werde ich später noch eingehen.

Die beiden Grenzpunkte, die wir uns aber nun endlich ansehen sind die folgenden:

3.1 Der Entdecker

Der Entdecker, auch Gärtner, Erleber oder Abenteurer gennannt, ist (vermutlich) das von einigen angesprochene Genie. Derjenige, der es einfach im Blut hat zu schreiben. Diese Betrachtungsweise dieser Art Autor hat sich seit dem Sturm und Drang im 18. Jhd. in unseren Köpfen festgesetzt. Aber es ist nicht die eine Art zu schreiben.
Der Entdecker ist jemand, der einfach drauf los schreibt. Er entdeckt seine Geschichte während er sie schreibt. Er erlebt sie zusammen mit seinen Chakteren. Die Geschichte schreibt sich selbst, fließt aus der Hand des Schreiberlings, der sich manchmal nur wie ein Medium fühlt, mit dessen Hilfe die Geschichte sich erzählt. Die Autoren selbst werden angeregt durch die Geschichte und wie diese es schafft sie zu überraschen.
Die große Stärke dieser Art des Schreibens sind Charaktere. Sie leben und entstehen in der Geschichte, weil der Autor selbst, als quasi Teil der Geschichte, in einer Welt mit ihnen ist. Sie tendieren dazu lebensechter zu sein. Das liegt unter anderem daran, dass ein solcher Autor sich keine Limitationen auferlegt, da er nicht weiß, wo die Geschichte enden wird und wie sich die Charaktere dementsprechend verhalten sollten.
Das führt aber auch zur größten Schwäche dieser Art Autor. Die Geschichten sind nicht geplant und der Autor weiß nicht wie sie enden werden. Das Ergebnis ist oft ein sehr unbefriedigendes Ende, wie ich es oben schon bei den Serien erwähnt habe.

3.2 Der Architekt

Der Architekt, auch Planer oder Profiler genannt, benutzt die andere Methode zu schreiben. Die Geschichte ist bereits geplant, bevor das erste Kapitel geschrieben wird. An den richtigen Stellen werden Hinweise und Falsche Fährten verteilt. Der Autor arbeitet geplant die Geschichte ab. Er stellt klar das Gegenstück zum Entdecker dar. Deshalb hat er natürlich auch entsprechend gegensätzliche Stärken und Schwächen.
Die Stärke eines Architekten sind eben seine Handlungen, die dann auch zu entsprechend wirkungsvollen und befriedigenden Enden führen. Die ganze Geschichte war auf dieses Finale ausgelegt und es lässt nichts offen.
Als Schwäche zeigen sich hier halt die Charaktere, die manchmal wirken wie Puppen, die nur an Fäden bestimmte vorgesehene Handlungspunkte abarbeiten, damit das Ende erreicht werden kann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also, erst einmal möchte ich nicht, sondern muss "WOW" sagen.

Als Zweites mag ich DANKE für die Arbeit und das Aufschreiben sagen. Den informativen Text hab ich so in dem Umfang gar nicht erwartet und bin echt positiv überrascht worden. Wie vielseitig das ist und vor allem weit (kann ich das so sagen?) du ausholst. Und mit schönen Zitaten und tollen Beispielen verdeutlicht. Das hat mir echt gut gefallen. :)

Bei der Darstellung waren mir die Punkte Text, Comics, Film und Lieder bzw. Gedichte bewusst, aber komplett untergegangen sind die Spiele. Hier muss ich mal fragen: Was meinst du damit? Spiele wie Foren, bzw. Chat-RPGs, oder Pen&Paper Rollenspiele? Der Punkt ist mir nicht ganz klar. :)
Besonders hat mir der Satz: "So viel mehr Arbeit... " gefallen. :3

Dann die nächste Frage zu Gliederung und Aufbau:
Der Unterschied zwischen Film und Serien ist mir klar, doch ist eine Kurzgeschichte nicht auch ein Buch? Irgendwie verwirren mich gerade die Bezeichnungen stark... Du beziehst dich eher auf die Inhalte, dass ein Buch (ein Roman beispielsweise mit mehreren hundert Seiten) Kapitel hat, während die Kurzgeschichte nur aus einem in sich endendem und schlüssigem Text besteht und somit nur "Ein Kapitel" bildet, oder? Nur als Verständnisfrage formuliert.

Und ganz begeistert bin ich von Teil 3 - Zwei Stile.
DAS war mir beispielsweise absolut neu. Auch wenn man mir das kaum glauben mag, evt. Das mal so vor Augen geführt zu kriegen war wie 'nen Brett vom Kopf zu nehmen. Natürlich hab ich mich sofort in einem der beiden Stile wiedergefunden XD.

Ich freu' mich auf die anderen Artikel von dir :)
 
Bei der Darstellung waren mir die Punkte Text, Comics, Film und Lieder bzw. Gedichte bewusst, aber komplett untergegangen sind die Spiele. Hier muss ich mal fragen: Was meinst du damit? Spiele wie Foren, bzw. Chat-RPGs, oder Pen&Paper Rollenspiele? Der Punkt ist mir nicht ganz klar.
Die Spiele könnten natürlich Computerspiele sein oder auch andere Arten von RPGs. Wichtig hierbei ist, dass der Spieler eine Variable darstellt, die wir nicht beeinflussen können. Wenn wir eine gute Geschichte schreiben wollen, muss der Spieler sie gut finden. Er ist (meistens) der Protagonist und wenn er gezwungen wird Entscheidungen zu treffen, die er niemals treffen würde, dann ist die Geschichte "schlecht".

Dann die nächste Frage zu Gliederung und Aufbau:
Der Unterschied zwischen Film und Serien ist mir klar, doch ist eine Kurzgeschichte nicht auch ein Buch? Irgendwie verwirren mich gerade die Bezeichnungen stark... Du beziehst dich eher auf die Inhalte, dass ein Buch (ein Roman beispielsweise mit mehreren hundert Seiten) Kapitel hat, während die Kurzgeschichte nur aus einem in sich endendem und schlüssigem Text besteht und somit nur "Ein Kapitel" bildet, oder? Nur als Verständnisfrage formuliert.
Genau das meine ich. Ein längeres Buch hat, durch die Kapitel, eine andere Gliederung als eine Kurzgeschichte.
 
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Charaktere

Nachdem ich nun endlich wieder ein wenig Zeit erübrigen (oder meinem inneren Schweinehund abringen) kann, kommt nun endlich das erste richtige Kapitel dieses Tutorials.
Gute Charaktere sind vermutlich das Wichtigste an einer Geschichte. Ein interessanter Charakter hält meine Aufmerksamkeit, auch wenn die Geschichte an sich oder die Prämisse mich wenig interessieren. Also ist es nur wichtig und richtig, dass wir uns hier mit ihnen auseinandersetzen.
Bevor wir einen Charakter schreiben, sollten wir wissen, wer er (oder sie) ist. Wenn wir das nicht tun werden sie oft zwei-dimensional oder schlimmer: haben gar keine Persönlichkeit. Was wir ebenfalls vermeiden sollten ist, uns selbst in unsere Geschichten zu schreiben. Das kann zu allerlei Problemem führen, da per Definition kein objektives Bild von uns haben.
Ich werde Euch also einige Wege zeigen, von welcher Seite Charaktere betrachtet werden können und einige Methoden, die Euch helfen sollen sie dann auch zu schreiben. Übrigens auch eine gute Fähigkeit für alle Rollenspieler da draußen. Dazu werde ich einige Leitfragen stellen (und hoffentlich gut genug beantworten), die Euch helfen sollen die den Grund und Zweck der Methode zu begreifen und mehr über Eure Charaktere zu lernen. Außerdem werde ich unterscheiden in Methoden zur Charakter-Erschaffung und die zur Charakter-Vertiefung.

1. Charakter-Erschaffung

Das Handwerk der Charakter-Erschaffung und einige Methoden, wie man erzählenswerte Charaktere erschafft. Manche Entdeckungs-Schreiber (s. Einleitung) können hiermit unter Umständen nichts anfangen. Zumindest mit den Methoden. Allerdings eröffnen die Fragestellungen neue Winkel der Charakter-Betrachtung, die hoffentlich auch ihnen nutzen.

1.1 Menschen und der erste Eindruck


Charaktere in unseren Geschichten sollen menschlich sein und nicht wir ein zweidimensionales Stück Papier wirken. Sie sollen Gefühle haben und in uns erzeugen. Wie also schaffen wir es, diesen Konstrukten Volumen zu geben? Das machen wir sie, indem wir sie als real betrachten.
Das hört sich zunächt einmal einfach an, aber was bedeuted das? Es gibt viele dieser Fragen, auf die die meisten Leute meinen sie wüssten die Antwort, aber wenn man sie Fragt können sie es nicht erklären. Eine davon ist: Wie betrachten und verstehen wir Menschen, die wir nicht kennen?
Wir fokussieren uns auf herausstechende Merkmale und kategorisieren die Menschen. [Ich würde sagen wir bilden uns ein vorstehendes Urteil, wenn das Wort Vorurteil nicht so negativ belastet wäre. Das ist einfach wie unser Hirn funktioniert.]

1.1.1 Tropes

Ich finde einfach keine gute deutsche Übersetzung für diesen englischen Fachbegriff. Also werde ich versuchen ihn anhand einiger Beispiele zu erläutern. Ein Trope ist ein speziell auf Literatur und Film bezogenes Vorurteil. Es ist ein allgemein gebräuchliches Stilmittel, dass es uns erlaubt in Kürze, nur anhand weniger Merkmale, Charaktere vorzustellen. Nehmen wir mal ein paar Beispiele: der verrückte Professor, der sexy Vampir, der kalte Vorstand. In wenigen Worten konnte ich so bereits ein wirklich gutes Bild (in unseren Köpfen) erzeugen.
Das ist allerdings nur der erste Schritt. Wenn wir hier nicht weitermachen kommen wir nach Hollywood – im übertragenen Sinne. Ein Grund, warum viele Charaktere im Film sehr zwei-dimensional wirken ist, dass sie eben nur Tropes sind und sich nicht von allen anderen Charakteren mit diesem Trope unterscheiden.

1.1.2 Aber

Um das zu vermeiden können wir das Aber verwenden. Wir verwenden einen Trope und jeder kennt die Person sofort und dann zeigen wir sofort eine ungewöhnliche Eigenschaft, in der sie sich von den anderen abhebt. Ein Nerd, der perfekt breakdancen kann. Ein single Landarzt, der schwul ist. Ein einbeiniger Türsteher. Schon haben wir einen (nahezu) einzigartigen Charakter.

1.1.3 Trope 2

Anstelle des Abers können wir auch eine andere, verwandte Methode nutzen, um unsere Tropes abwechslungsreicher zu machen. Die ist „Trope Swapping“. Wir nehmen einen Charakter mit einem Trope und verpassen ihn aber in unserer Geschichte die Rolle eines anderen Trope. So wird der glücklich vor sich hin lebende Hobbit plötzlich als Meisterdieb angeheuert und der Zwergenschmied zum Auserwählten.


1.2 Normalo und Superman / Schieberegler


Kommen wir zu unserer zweiten Frage: Warum mögen wir bestimmte Charaktere und was mögen wir eigentlich an ihnen? Das machen wir jetzt sehr abstrakt und pauschal an drei Hauptgesichtspunkten fest. Wenn ihr selbst diese Methode anwendet könnt ihr natürlich noch weitere dazu setzen.

1.2.1 Wow ist der cool / Kompetenz

Der Coolness-Faktor ist einer dieser Punkte. Wenn ein Charakter eine extrem coole Fähigkeit hat, oder ansonsten einfach der beste in etwas ist, kann uns das durchaus auf ihre Seite ziehen. Das allein macht jemanden aber noch nicht zu einem guten Charakter. Wir müssen aufpassen, dass sie nicht perfekt sind. Jeder kann etwas besonders gut und niemand kann alles besonders gut. Hermione Granger ist zu Anfang von Harry Potter wirklich gut in Zauberei, hat aber geringe soziale Kompetenz. Wenn wir die Stärken und Schwächen nicht ausbalancieren haben wir „golden age“ Superman. Kann alles, wird mit allem fertig und hat jede erdenkliche Fähigkeit, wenner sie braucht. Ich glaube zu einem Zeitpunkt konnte er Mini-Versionen seiner selbst aus seinen Händen schießen.

1.2.2 das fühle ich auch so / Menschlichkeit / Sympathie

Unser zweiter Schieberegler ist die Menschlichkeit oder Sympathie. Wie nett ist diese Person und wie sehr können wir selbst deren Probleme nachvollziehen. Superman ist ein besserer Charakter, wenn er gerade einen Beziehungsstreit mit Louis Lane hat. Er wird dadurch menschlicher und wir können mit ihm mitfühlen.

1.2.3 mach doch endlich was / Proaktivität

Wir mögen Charaktere, die die Geschichte voranbringen. Niemand kann einen Charakter ausstehen, der die ganze Zeit nur auf seinem Hintern sitzt und nichts tut [ah, die Ironie der Welt]. Gute Charakter sind aktiv. Wir müssen aufpassen, dass unsere Protagonisten nicht schlechtere Charaktere werden als die Antagonisten. Die sind nämlich häufig diejenigen, die die Geschichte voran treiben. Was uns natürlich nicht davon abhalten sollte „gute“ Bösewichte zu schreiben. Viele Disney-Bösewichte sind deswegen wirklich gut. Nicht Sympathisch, aber wirklich Kompetent in dem, was sie tun und unglaublich proaktiv.

Und genau das ist, nach dieser Methode/Betrachtungsweise ein guter Charakter. Jemand, bei dem diese drei „Schieberegler“ eine gute Balance haben. Wenn ein Regler nach oben geht muss ein anderer hinunter. Zumindest in der Ausgangsposition. Eine normale Charakter-Entwicklungs-Geschichte wäre es, wenn ein Anfangs inkompetenter Charakter immer kompetenter wird in dem, was er tut oder seine Kompetenzen aus anderen Feldern auf das Hauptfeld anwendet.

1.3 Schwächen: Fehler und Behinderungen

„Interessanter als das, was jemand tun kann ist, was er nicht tun kann.“ Ich bin mir nicht mehr genau sicher, wer das gesagt hat, aber es passt. Ein Charakter wird besser durch seine Schwächen und die zeigen, wer dieser eigentlich ist. Deshalb also unsere Frage: „Was kann der Charakter nicht?“ Superman wäre zum Beispiel kein guter Charakter ohne sein Kryptonit. Ich habe es oben schon mal angesprochen, dass wir Stärken und Schwächen austarieren müssen, aber hier gehe ich auf verschiedene Arten von Schwächen ein.

1.3.1 Charakter-Fehler

Charakter-Fehler sind überkommbare Schwächen. All die Dinge, die sich mit ein wenig Arbeit und Aktivität beheben lassen. Wenn jemand Körperlich schwach ist, kann er trainieren. Wenn jemand arm ist, kann er daran arbeiten reich zu werden. Wenn er faul ist kann er dies vielleicht ablegen. Diese Art von Schwächen machen sich gut in der Charakter-Entwicklung, denn sie können im Laufe der Geschichte überwunden werden.

1.3.2 Behinderungen

Behinderungen, in diesem Kontext, sind diejenigen Schwächen, die nicht überwunden werden können und sollen. Dazu zählen natürlich Behinderungen im allgemeinen Sinne. Aber auch anderes, was man normalerweise nicht erwarten würde. Es sind Schwächen, mit denen der Charakter leben muss. Er kann versuchen, sie mit Stärken auszugleichen wie Daredevil oder er kann sie zu seinem Vorteil nutzen wie Monk. Es zählt alles dazu, was einen irgendwie in einer Situation behindern könnte. Wenn ein Superheld sich um seine kranke Freundin kümmert, dann ist das keine Schwäche, die überkommen werden muss.

1.4 Der schwächste bleibt

Eine Methode, die komplett darauf ausgelegt ist, Handlung voranzutreiben und gleichzeitig für diese gute Charaktere zu schaffen. Die wahrscheinlich schnellste aller Methoden. Deshalb bekommt sie auch keine Unterpunkte. Die Frage hier ist: Was ist die am schlechtesten geeignete Person für die vorliegende Situation? Und genau die wird genommen. Das führt zu vielen Konflikten – und eine Geschichte besteht aus Konflikten.

2. Charakter-Vertiefung

Manchmal hat man schon einen Charakter im Kopf, den man in seine Story einbringen möchte. Während die vorherigen Methoden dazu angelegt waren, neue Charaktere zu erschaffen nehmen wir nun eine, die einen teilweise vorhandenen verbessert/erweitert.
Es ist wichtig, sich vor dem Schreiben klar zu sein, wer der Charakter ist, den man da beschreibt. Und nicht nur oberflächlich, schließlich müssen wir sie so genau kennen, dass wir jede Reaktion vorhersagen können. Dies sind natürlich nur ein paar Möglichkeiten

2.1 Der ungewöhnliche Steckbrief / Das Dossier


Wir starten mit einem normalen Steckbrief: Alter und Geschlecht. Und dann fangen wir an ungewöhnlich zu werden. Was hat unsere Person für einen ungewöhnlichen Beruf? Was ist sein ungewöhnliches Geheimnis? An welchem ungewöhnlichen Ort wohnt sie? Natürlich kann jeder für sich die Fragen finden, die er für am besten hält. Diese Methode lässt sich auch gut mit 1.1.3 verbinden. Im laufe der Zeit sammelt so jeder seinen eigenen Fragenkatalog, sein Dossier, das er auf seine neuen Charaktere anwenden kann. Natürlich muss lange nicht jede Information zu unseren Charakteren ungewöhnlich sein.

2.2 Der gewöhnliche Steckbrief

Da ich gehört habe, dass es auch normale Leute geben soll, brauchen wir natürlich auch einen normalen Steckbrief. Ein Steckbrief, wie wir ihn alle aus Freunde-Büchern und von unseren Bewerbungen kennen. Er erfasst die wichtigsten Daten wie Alter, Beziehungsstand und die wichtigen Daten in der Verganenheit sowie was er mag und nicht mag. Und wie ist die Beziehung zu den anderen Personen.

2.3 Der Monolog

Bei dieser Methode schreibt man einen Monolog aus der Sicht der entsprechenden Person und lässt sie von sich erzählen. Wer sie ist, was sie macht, was sie ausmacht und etwas aus ihrer Vergangenheit. Es ist natürlich hilfreich die schon aus den Steckbriefen bekannten Fragen als grobe Richtlinie zu nehmen, aber es geht natürlich auch ohne. Dieser Monolog sollte, obwohl er in sich ein guter Text sein kann, nicht so im eigentlichen Buch landen. Es nimmt einiges der Überraschung und lässt uns nicht die Zeit den Charakter langsam kennen zu lernen. Außerdem sind lange Monologe bei vielen Textsorten nicht für den Lesefluss förderlich.

3. Das Schreiben

3.1 die Checkliste

Wir haben nun unsere wunderbar ausgearbeiteten Charaktere. Hier dann, bevor wir anfangen sie zu schreiben noch eine kurze Liste, was wir wirklich über sie wissen müssen:

3.1.1 Ihre Vergangenheit

Wer ist die Person? wie ist sie aufgewachsen? Welchen Bildungsstand hat sie? Welchen Beruf übt sie zu Beginn der Geschichte aus? Wo lebt sie? Wie genau wirkt sich das auf die Wahrnehmung aus (ein Schreiner wird einen Tisch anders betrachten als ein Holzwurm)?
eine möglichst genaue Zeitlinie ("Lebenslauf") des Charakters. Der kann gerne Lücken aufweisen, die später gefüllt werden können, aber die Lücken sollten eine feste, fehlende Zeit darstellen. In vielen länger laufenden Serien/Reihen ergibt sich nämlich irgendwann das Problem, dass die Charaktere durch immer neue Hintergrundgeschichten plötzlich mehr Lebenslauf als Leben haben. Um dann tatsächlich alles gemacht zu haben, was der Charakter dann alles gemacht hat, müsste er dann entweder doppelt so alt sein oder mit -10 Jahren eingeschult worden sein (wobei es in SciFi-Settings da ggf. durchaus Möglichkeiten dafür gibt ;)).

3.1.2 Ihre Beziehungen

Mit wem ist die Person verwandt, verschwägert, befreundet, verlobt, usw. ? Bei wem hat sie Schulden oder andere Verpflichtungen? Wie moralisch verhält sie sich? Hat sie vielleicht einen besonderen Moralkodex?

3.1.3 Motivation

Was motiviert unseren Charakter? Was sind seine geheimen Wünsche? Was möchte er mal werden, wenn er groß ist? Was möchte er jetzt demnächst machen?

3.2 Reaktionen

Das A und O des Charakter-Schreibens: Reaktionen. Wie in 2.3 beschrieben sind lange Monologe und Erklärungen für den Lesefluss hinderlich. Es bleibt also die Frage: Wie genau bringen wir dem Leser also unseren Charakter nahe? Wir wenden die vielleicht wichtigste Regel der Literatur an:

Show, don't tell. - Zeigen, nicht erzählen.

Diese Regel wird uns auch später noch wiederbegegnen. In diesem Fall heißt das, dass wir nicht erklären, dass unser Holzwurm gerne Holz frisst. Stattdessen zeigen wir seine Reaktion auf einen leckeren Holztisch. Ein Amazonas-Ureinwohner könnte sich über unsere Kleidung lustig machen. So offenbaren wir mehr von unseren Charakteren und halten gleichzeitig die Geschichte in gutem Fluss.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zu Tropen (das ganze ist ein ursprünglich altgriechisches Wort und im Deutschen gleich wie im Englischen, deswegen hast du keine Übersetzung gefunden ;)) kann ich nur die Seite tvtropes.org empfehlen (hat auch Filme, Bücher und Spiele). Dort kann man wirklich sehr viel darüber erfahren, wie klischeebehaftet (Klischee wäre meiner Meinung nach auch eine halbwegs passende Übersetzung) die meisten bekannten Werke sind.
Meiner Meinung nach stechen gerade die Charaktere heraus, die ein Trope auseinandernehmen. Um dein Beispiel von Hermine aufzugreifen: Sie wird im ersten Buch als überkorrekter Nerd eingeführt, aber am Ende des Buches zeigt sie, warum sie absolut zu Recht eine Gryffindor ist. Natürlich muss man beachten, dass auch das gezielte Brechen eines Tropes direkt wieder das nächste werden kann (so haben wir inzwischen zum Beispiel wahrlich genug scheinbar schwache Mädchen/Frauen, die letztlich allen in den Arsch treten ;)).


Zu deinen Schiebereglern finde ich es sehr wichtig zu beachten, in welchem Setting man schreibt. In der Realität sind wir alle ziemlich (langweilig) normal. Je weiter außen auch nur ein Schieberegler sitzt, umso unglaubwürdiger wird ein Charakter im Allgemeinen. Wenn man natürlich in einer Fantasy- oder Superheldenwelt ist, hat der Leser (oder Zuschauer) normalerweise einen ganz anderen "Suspension of Disbelief" (dazu finde ich keine gute Übersetzung ;), also die Bereitschaft unrealistische Szenarion als gegeben anzunehmen). Deswegen sollten meiner Meinung nach die Charaktere desto "normaler" sein, je realistischer das Setting der Handlung.
Das ist zum Beispiel etwas, das mich massiv an vielen der aktuellen Tatortteams stört. Die meisten haben solche ausgefallenen Probleme und konstruierten Hintergrundgeschichten, dass die einfach nicht zu einer eigentlich die Realität abbildende Krimireihe passen wollen.


Etwas, was mir bei der Charaktervertiefung noch eingefallen ist: eine möglichst genaue Zeitlinie ("Lebenslauf") des Charakters. Der kann gerne Lücken aufweisen, die später gefüllt werden können, aber die Lücken sollten eine feste, fehlende Zeit darstellen. In vielen länger laufenden Serien/Reihen ergibt sich nämlich irgendwann das Problem, dass die Charaktere durch immer neue Hintergrundgeschichten plötzlich mehr Lebenslauf als Leben haben. Um dann tatsächlich alles gemacht zu haben, was der Charakter dann alles gemacht hat, müsste er dann entweder doppelt so alt sein oder mit -10 Jahren eingeschult worden sein (wobei es in SciFi-Settings da ggf. durchaus Möglichkeiten dafür gibt ;)).
 
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Reaktionen: Tohawk und yanxxgeist
Danke für deine Kritik. Ich habe mal deinen Beitrag zum Lebenslauf an der entsprechenden Stelle eingefügt.
Über "Suspension of Disbelief", was ich als "Unterdrücken des Unglaubens" ans Deutsche annähern würde, werde ich noch relativ ausführlich im Kapitel zum Weltenbau und vermutlich noch mal
bei der Handlung schreiben. Und natürlich, wie man einen solchen Fehler vermeidet (Sandersons Laws).
 
Weltenbau

Nach einer „kleinen“ Pause (ist das echt schon wieder so lange her) kommen wir nun endlich zu unserem nächsten Kapitel. Dieses beschäftigt sich mit dem Weltenbau. Das heißt dem Hintergrund der Geschichte. In welcher Welt leben unsere zuvor erstellten Charaktere und wie interagieren sie mit ihr? Dieses Kapitel widmet sich dem Weltenbau (roll credits), also dem Setting, dass ich hier klar vom Genre abgrenze. In einem Fantasy-Setting kann man auch Krimis (Drakenfeld), Liebesromane (Twilight) oder Mystery (Harry Potter) schreiben. Um es mit den Worten von Brandon Sanderson zu sagen: „Fantasy kann alles, was die anderen auch können und Drachen.“
Dies hier ist auch keine Schritt für Schritt Anleitung, sondern zeigt Euch einige Grundlegende Tipps, die Ihr beim Bau Eurer Welt beachten solltet. Für eine solche Anleitung kann ich Euch den YouTuber Artifexian empfehlen oder das Weltenbastler-Forum.

1. Eine glaubhafte Welt

1.1 Das Problem

Das Ziel des Weltenbauens ist es eine glaubhafte Welt zu erschaffen. An dieser Stelle würden Leute mit weniger Fantasie einwenden, dass eine Fantasy- oder Sci-Fi-Welt ja ohnehin niemals glaubhaft sein kann.
Das ist so erst einmal richtig, aber natürlich gilt das so für fast jede fiktionale Geschichte. Wer würde schon glauben, dass die Abenteuer eines James Bond oder der Film Kleinohrhasen, die ja durchaus in „unserer Welt“ spielen so passiert sind? Das wichtige hierbei ist eigentlich nur, dass wir unbewusst den Unglauben (suspension of disbelief) unterdrücken können. Wir wollen glauben, dass es real ist. Probleme ergeben sich erst, wenn diese Realität nicht mehr in sich geschlossen ist. Wenn man für seine Geschichte Regeln aufstellt, dann muss man sich an diese halten. Wenn sich eine Geschichte selbst widerspricht, verliert man den Glauben. Genau so, wenn uns als Leser sofort eine Lösung für ein fundamentales Problem der Welt einfällt. Ein weiterer Grund nicht zu glauben, ergäbe sich, wenn die Welt als solches nur zu existieren scheint, um die Geschichte voran zu bringen und nur insofern relevant ist, als sie die Protagonisten betrifft. Eine Welt muss, um glaubhaft zu sein, tief genug sein (oder erscheinen), um ohne die Geschichte bestehen zu können. Wir als Autoren müssen also eine in sich geschlossene Welt erschaffen, die logisch, nach den von uns festgesetzten Regeln, wahr sein könnte. Nur so können wir den Unglauben unterdrücken.

1.2 Eine tiefe Welt


Einer der Gründe für den Unglauben der Leser ist, wie schon erwähnt, dass oft die Welt nur existiert, um die Geschichte zu stützen und ihr den Rahmen zu geben. Sie ist nur, wohin sich die Handlung begibt und erscheint Stück für Stück gemacht, wie es gerade erforderlich ist.
Das Bild, das sich für diese Vorstellung einer Welt in der Geschichte am besten eignet, ist ein Eisberg. Er schwimmt so im Meer herum und nur einen kleinen Teil kann man über der Oberfläche (in unserer Geschichte) sehen. Allerdings kann man unter dem Wasser eine gewaltige Masse erahnen. So muss es unserem Leser vorkommen. Wir müssen also den Leser überzeugen, dass mehr da ist, als nur die Geschichte. Dafür gibt es ein paar Methoden.

1.2.1 the hard way

Die erste Methode und vermutlich auch diejenige, die Euch als erstes in den Sinn gekommen ist, ist die eine Welt komplett zu erschaffen. Dies ist die Methode, die für Architekten am ehesten geeignet scheint. Eine vollkommene Welt, in der alle 10 neuen Kontinente, 235 Länder, 47 Rassen, Geographie, Kulturen, Botanik, Politik, Ökonomie, Sprachen, einfach alles, bedacht ist. Ihr seht bestimmt auch, wo das hinführt. Ihr werdet nicht fertig werden. Tolkien hat es nicht vollendet und Euch wird es auch nicht gelingen. Der Versuch, dies zu tun und dann das wirkliche Schreiben des Buchs aufzuschieben, bis die Welt mal 'fertig' ist, nennt man deshalb Weltenbastlerkrankheit. Es gibt natürlich auch Leute, die genau dies zu ihrem Hobby machen und das ist ja alles schön und gut, aber dafür ist das hier nicht das richtige Tutorial.
Man muss wissen, wann man aufhören muss. Setzt Euch ein Limit für den Weltenbau, bevor ihr mit dem wirklichen Schreiben anfangt. Das kann eine Zeitspanne sein, eine bestimmte Anzahl an geschriebenen Seiten oder etwas anderes. Wichtig ist, dass ihr auch anfangt zu schreiben!

1.2.2 the easy way


Wie bereits gesagt ist das Wichtige hier die Wahrnehmung des Lesers. Die zweite Methode beschäftigt sich also genau damit. Solange der Leser denkt, dass eine größere Welt existiert, reicht das aus. Wir können also dementsprechend auch einfach ein bisschen schummeln. Das machen wir, in dem wir uns ein paar Aspekte der Welt nehmen und nur die weit genug ausbauen. Das zeigen wir dann dem Leser und bauen so sein Vertrauen auf, dass der Eisberg eben nicht nur an einer Stelle tief ins Wasser reicht,(wie es ja dann der Fall ist,) sondern an allen.

1.2.3 erst schreiben

Kommen wir zur dritten Methode. Diese ist die Methode der Entdecker. Für einen solchen kann es unglaublich langweilig sein eine Welt erschaffen zu müssen, schließlich ist, was ihn interessiert, die Geschichte zu erzählen. Welchen Weg nehmen unsere geliebten Charaktere und wie werden sie mit den Hürden fertig, die sich ihnen auftun? Woher die kommen und ob der Weg schon vorher da war ist für einen Entdecker eher Nebensache. Was kann ein Entdecker also tun, um dem Leser dennoch eine Welt zu bieten, die es wert ist belesen zu werden? Das Gegenteil von dem, was ein Architekt macht. Wie der erst die Welt beschreibt und dann die Geschichte, schreibt der Entdecker erst die Geschichte und fügt dann später in diese Geschichte Kommentare, Sätze, Absätze, und Kapitel über die Welt ein, so wie sie nötig sind.

2. Eine interessante Welt

2.1 Die Theorie

Aber selbst, wenn wir damit fertig sind, eine vollständig glaubhafte Fantasy-Welt erschrieben haben, die von Orks und Elfen und Halblingen und Zwergen und Menschen und Baumwesen bevölkert wird, kommen wir an ein Problem. Allein schon das Lesen dieser Auflistung wird bei einigen von Euch bereits Langeweile ausgelöst haben. Es ist einfach eine 08/15 Fantasy-Welt, wie wir sie schon dutzende Male gesehen haben. Um aber die Fantasie unserer Leser anzuregen und ihr Interesse zu erwecken müssen wir etwas anderes auffahren. Etwas an dieser Welt muss neu sein. Eine neue Zeit, ein neuer Ort. Es muss noch nie (in dieser Art) dagewesen sein. Wir müssen die Neugierde der Leser erwecken.

2.2 Die Praxis

Wir erdenken uns also die Perfekte, neue interessante, wahnsinnige Welt und wollen sie unbedingt mit allen teilen. Und was passiert? Der Leser legt nach einer Seite das Buch beiseite, weil es mit einem Kapitel Exposition beginnt. Das ist der klassische Anfängerfehler. Weltbeschreibung im Buch ist eine Sünde für Autoren.

2.2.1 die Lernkurve

Um zu verbildlichen, was wir unseren Lesern aufbürden, verwenden wir ein wenig Mathematik. Wir können uns die Fakten unserer Welt in Abhängigkeit von der Länge des Textes als Kurve vorstellen. Das ist unsere Lernkurve, die uns anzeigt, wie schwer es ist die Welt zu lernen. Wir müssen uns entscheiden, wie steil die Kurve an welcher Stelle im Buch sein sollte. Der Anfang der Kurve sollte jedoch in nahezu allen Fällen relativ flach ausfallen (außer bei Fortsetzungen). Es ist für den Leser Arbeit, die Regeln einer Welt lernen zu müssen. Wir sollten ihn also erst überzeugen, dass es sich lohnt. Wenn wir den Leser unsere Charaktere lieben (oder hassen) gelehrt haben und er in unser Buch investiert ist dann können wir anfangen ihm die Fakten unserer Welt zu liefern.
Was man zur Lernkurve außerdem noch bedenken muss ist für wen man schreibt. Ein Kinderbuch sollte, logischerweise, eine relativ flache Lernkurve haben. Das mag aber für einen erwachsenen, erfahrenen Fantasy-Leser durchaus langweilig sein.

2.2.2 Wie und Wie nicht

Ich habe oben geschrieben, dass Weltbeschreibung eine Sünde ist. Aber wie genau soll man dann seine Welt beschreiben, wenn man seine Welt nicht darüber schreiben darf?
Nun, genau da liegt der Punkt. Beschreiben ist, was man machen sollte. Einen alten Magier über eine lange zurückliegende Schlacht oder die Geschichte der Welt reden lassen ist langweilig. Diese Schlacht in einem Rückblick zu zeigen ist spannend. Hier haben wir ein einfaches Beispiel von show, dont tell. Man muss zeigen, wie die Welt wirkt und nicht erklären. Wichtig hierbei ist immer im Hinterkopf zu behalten, was ein Charakter schon weiß. Wenn jemand für die Welt grundlegendes Wissen erklärt bekommen muss, nur weil der Leser es noch nicht weiß, dann reißt auch das einen Leser aus seinem Glauben. Eine oft genutzte Methode dies zu umgehen ist der Charakter des Außenseiters. Jemand, der eben nicht mit den Regeln der Welt vertraut ist. Jemand wie Frodo, Harry Potter, Eragon oder Luke Skywalker.

3. Weltenbau

Kommen wir nun (endlich) zum eigentlichen Thema dieses Kapitels, dem Weltenbau. Hier bestimmen wir das Setting unseres Buches. Weltenbau kann man grob in zwei Kategorien aufteilen. Natur und Kultur.

3.1 Natur

3.1.1 Normales

Ein Aspekt, auf den ich hier nicht all zu sehr eingehen möchte. Er bezieht sich darauf, was für Naturgesetze in Eurer Welt gelten. Ist die Schwerkraft vielleicht leichter als auf der Erde, sodass sich alle nur durch Hüpfen fortbewegen? Bestehen die Ozeane aus Kirschlikör? Dies sind die Grundlagen, auf denen die Kultur sich aufbaut.

3.1.2 Magie

Kommen wir nun zum anormalen. Dem, was Fantasy von SciFi unterscheidet: Magie. Die ist auch ein Teil der Natur einer Welt, basierend auf ihren Naturgesetzen. Hierbei unterteilen wir grob in harte und weiche Magie. Harte Magie ist klar definiert. Es gibt Regeln, nach denen sich die Magie richtet und die der Magier einhalten muss. Nur jemand mit reinem Herzen kann das Tor öffnen. Wenn du den Ring aufsteckst, dann wirst du unsichtbar. Auf der anderen Seite gibt es die weniger definierte weiche Magie. Dies ist Magie, die Wunder erzeugt, sowohl wörtlich als auch als Gefühl im Leser. Sie wird nicht erklärt, sondern wirkt einfach.
Magie muss auch nicht entweder hart oder weich sein, sondern kann sich auch in der Mitte bewegen (Gummi?). Eine Welt muss auch nicht unbedingt nur auf eine dieser Arten beschränkt sein. Der eine Ring hat klare Regeln, aber was Gandalf alles kann ist eher vage.
Ob ihr Eure Magie nun aber mit vielen oder wenigen Regeln aufbaut gibt es dennoch einige Gesetze, wie man sie am besten in die Geschichte einbinden sollte. Dies sind Sandersons Gesetze der Magie nach dem amerikanischen Autor Brandon Sanderson.

Das erste Gesetz

Die Möglichkeit des Autors ein Problem in der Handlung mit Magie zu lösen ist direkt proportional zum Verständnis, das der Leser von der Magie hat.

Zu Eurem Verständnis mal ein Beispiel: Es ist extrem unbefriedigend, wenn am Ende der Geschichte der Held gegen den Bösen Lord gewinnt, weil der vollkommen unerwartet und ohne vorige Andeutung von einem Gott niedergestreckt wird. Am Anfang kann Deus ex Machina in der Form von unerwarteter magischer Hilfe noch staunen auslösen so ist es aber je weiter man im Buch kommt nur noch unverdient. Ein Protagonist muss schon was für den Erfolg tun.

Das zweite Gesetz

Beschränkungen sind interessanter als Fähigkeiten.

Ein Held, der mit Magie allmächtig ist, ist auch langweilig. Es ist viel besser, wenn es Schwächen gibt, Beschränkungen, die es erfordern kreative Lösungen zu finden als mit dem Kopf durch die Wand. Dies ist der Grund dafür, dass Batman besser ist als Superman und die einzigen guten Superman-Geschichten mit Kryptonit zu tun haben. Allmacht ist uncool.
Deswegen sollte man seiner Magie Grenzen, Schwächen und Kosten mitgeben.
Eine Grenze der Magie zeigt, was Magie nicht kann. Ein Magier kann andere Leute mit Magie in die Luft heben, aber niemals sich selbst.
Eine Schwäche habe ich mit Kryptonit oben bereits genannt. Eine weitere wäre der Bann des Eisens aus DSA. Je mehr Metall ein Magier am Körper trägt desto schwächer wird seine Magie.
Kosten der Magie können einfach eine Menge an Mana oder Ausdauer sein. In D&D hat man eine bestimmte Menge an Zaubern pro Tag zur Verfügung. Kosten können aber auch Ausmaße von Flüchen annehmen. Magie, die fast alles kann, aber wenn man sie benutzt, dann stirbt jemand, den man liebt.


Das dritte Gesetz


Erweitere, was du hast, bevor etwas neues zu machen.

Ein gutes Magiesystem hat wenige Funktionsweisen, die dann aber auf viele Arten angewendet werden. Wie weiter oben schon gesagt, ist es oft besser in die Tiefe zu gehen, als in die Breite. (OT: Es ist auch generell nicht von Vorteil zu sehr in die Breite zu gehen. :p) Macht Euch Gedanken, welche Auswirkungen Magie auf alle Bereiche des Lebens hat. Wie kann sie verwendet werden, um einfache Handlungen noch einfacher und effizienter zu machen. Wie beeinflusst es Handel, Politik und Krieg? Was passiert, wenn ich verschiedene Kräfte zusammen benutze? Versucht außerdem Eure verschiedenen Magischen Kräfte aufeinander abzustimmen, so dass sie ein gutes, eben stimmiges Ganzes ergeben. Eine Auflistung der Magischen Kräfte sollte kein Spiel von „welches passt nicht zu den anderen“ werden.

Das nullte Gesetz

Mach, was cool ist.

Nach dem Vorbild von anderen solchen Gesetzen, wie Asimovs, hat auch Sanderson ein grundlegendes Gesetz eingefügt. Die allgegenwärtige rule of cool. Es ist, vor allem anderen, wichtig, dass Eure Magie interessant und cool ist. Alles andere kann man dann noch zurecht biegen.

3.2 Kultur

Hier stellen wir uns die Frage: Wie wirken sich die Naturgesetze, die wie festgelegt haben auf die kulturschaffenden Rassen der Welt aus. Wie ist ihre Kultur aufgebaut. Ähnelt sie einer irdischen?
Ihr solltet dabei ein wenig aufpassen. Es ist häufig extrem anmaßend eine menschliche Kultur zu beschreiben, die man nicht genau kennt. Deswegen versucht bekanntes zu verändern und gebt Euch Mühe nicht nur eine Seite der Medaille zu zeigen. Keine Kultur ist einseitig.
Wenn es um bestimmte Einzelheiten, Berufe, Beschäftigungen geht, die ihr nicht selbst kennt, dann versucht etwas über sie zu lernen. Ihr müsst jetzt keine zwei Jahre zur See fahren, bevor ihr übers Segeln schreiben könnt, aber ihr solltet durchaus Backbord von Steuerbord unterscheiden können und wissen was ein Besan- und was ein Fockmast ist. Am besten versucht Ihr so weit wie möglich selbst zu lernen und lasst dann einen Experten mal drüber schauen.
 
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Reaktionen: Killfetzer
Danke für deinen ausführlichen Beitrag. :)

Wer würde schon glauben, dass die Abenteuer eines James Bond oder der Film Kleinohrhasen, die ja durchaus in „unserer Welt“ spielen so passiert sind? Das wichtige hierbei ist eigentlich nur, dass wir unbewusst den Unglauben (suspension of disbelief) unterdrücken können. Wir wollen glauben, dass es real ist.

Ja, das sehe ich auch als einen der wichtigsten Punkte überhaupt an. Wobei Genre und Setting hier durchaus unterschiedliche Level für suspension of disbelief setzen. Um mal bei deinen Beispielen zu bleiben, James Bond lässt man eine ganze Menge durchgehen, weil unrealistische Gimmicks und überzeichnete Bösewichte einfach zum Setting dazu gehören. In Keinohrhasen hingegen würde kaum ein Zuschauer Erfindungen von Q tolerieren (einfach weil es in einem fiktionalen Universum spielt, dass technisch identisch zu unserem ist). James Bond liefert auch ein wunderbares Beispiel, dass man es zu weit treiben kann. Selbst den engsten Bond Fans dürfte Moonraker mit geheimen Raumstationen und US Space Marines mit Laserwaffen zu weit gegangen sein. Um es so zu sagen, je näher das Erzähluniversum am realen ist, umso geringer ist meiner Ansicht nach der allgemeine Level des suspension of disbelief.

Probleme ergeben sich erst, wenn diese Realität nicht mehr in sich geschlossen ist. Wenn man für seine Geschichte Regeln aufstellt, dann muss man sich an diese halten. Wenn sich eine Geschichte selbst widerspricht, verliert man den Glauben. Genau so, wenn uns als Leser sofort eine Lösung für ein fundamentales Problem der Welt einfällt

Ja, das sind zwei große Probleme, die auch immer wieder in bekannten und großen Universen auftaucht. Dieses Problem skaliert natürlich exponentiell mit der Größe des Universums. Wenn man genügend Geschichten erzählt hat, hat man auch als Autor nicht mehr alle Regeln oder möglichen Interaktionen zwischen ihnen im Kopf. Ganz besonders, wenn man in einem Universum unterwegs ist, an dem mehrere Autoren arbeiten, die bekannte Regeln unterschiedlich interpretieren und sich widersprechende Schlupflöcher einbauen wollen.
Gesteigert wird das Problem meiner Meinung (gerade in Serien) durch Cliffhanger. Um Spannung zu erzeugen, schickt man seine Helden in schainbar ausweglose Situationen. Viel zu oft ergibt sich dann aber tatsächlich eine ausweglose Situationen. Die Auflösung ist dann normalerweise ein Deus Ex Machina (wozu du ja auch weiter unten etwas geschrieben hast), das letztendlich oft die bisherigen Regeln verletzt (und in Zukunft dann gerne für immer vergessen wird...)

.Ein weiterer Grund nicht zu glauben, ergäbe sich, wenn die Welt als solches nur zu existieren scheint, um die Geschichte voran zu bringen und nur insofern relevant ist, als sie die Protagonisten betrifft. Eine Welt muss, um glaubhaft zu sein, tief genug sein (oder erscheinen), um ohne die Geschichte bestehen zu können.

Ein schönes Beispiel hierzu finde ich die Effekt-Serie, die ich mal bei den Büchervorstellungen hatte: eine mysteriöse Energiewelle hat die USA ausgelöscht. Die Energiewelle ist vollkommen irrelevant für den Plot und wird niemals aufgelöst, was dahinter steckte. Es ging nur darum, einen Aufhänger für die Geschichte zu erzeugen.

Wie bereits gesagt ist das Wichtige hier die Wahrnehmung des Lesers. Die zweite Methode beschäftigt sich also genau damit. Solange der Leser denkt, dass eine größere Welt existiert, reicht das aus. Wir können also dementsprechend auch einfach ein bisschen schummeln. Das machen wir, in dem wir uns ein paar Aspekte der Welt nehmen und nur die weit genug ausbauen. Das zeigen wir dann dem Leser und bauen so sein Vertrauen auf, dass der Eisberg eben nicht nur an einer Stelle tief ins Wasser reicht,(wie es ja dann der Fall ist,) sondern an allen.

1.2.3 erst schreiben

Kommen wir zur dritten Methode. Diese ist die Methode der Entdecker. Für einen solchen kann es unglaublich langweilig sein eine Welt erschaffen zu müssen, schließlich ist, was ihn interessiert, die Geschichte zu erzählen. Welchen Weg nehmen unsere geliebten Charaktere und wie werden sie mit den Hürden fertig, die sich ihnen auftun? Woher die kommen und ob der Weg schon vorher da war ist für einen Entdecker eher Nebensache. Was kann ein Entdecker also tun, um dem Leser dennoch eine Welt zu bieten, die es wert ist belesen zu werden? Das Gegenteil von dem, was ein Architekt macht. Wie der erst die Welt beschreibt und dann die Geschichte, schreibt der Entdecker erst die Geschichte und fügt dann später in diese Geschichte Kommentare, Sätze, Absätze, und Kapitel über die Welt ein, so wie sie nötig sind.

Die Gefahr, die ich bei beiden Varianten sehe, besteht darin, dass entweder die Welt direkt aufgesetzt wirkt (im zweiten Fall) oder es schwierig werden kann, sie später zu erweitern. Wenn ich im zweiten Fall zum Beispiel viel Zeit darauf verwende, das Leben der Zwerge zu beschreiben, mir aber keine Gedanken über Elfen mache, merke ich vielleicht erst später, dass ich im mir ersten Teil über die Zwerge wichtige Anschlussstellen für die Interaktion mit den Elfen verbaut habe, da sie zu dieser Zeit noch nicht existiert haben.

Ich denke deswegen, dass man an einem gewissen Grad "hard way" nicht vorbei kommt. Man sollte zumindest die groben Umrisse seines Universums kennen (und sich ggf. auch bewusst sein, wo man Erweiterungen anbauen kann). Beispiel: Die Helden treffen den isolierten Stamm A und bekommen erzählt, dass sie seit 200 Jahren keine anderen Menschen gesehen haben. Dann kann man eben später nicht einen Krieg mit Stamm B verwenden ohne sich selbst zu widersprechen.

Wir erdenken uns also die Perfekte, neue interessante, wahnsinnige Welt und wollen sie unbedingt mit allen teilen. Und was passiert? Der Leser legt nach einer Seite das Buch beiseite, weil es mit einem Kapitel Exposition beginnt. Das ist der klassische Anfängerfehler. Weltbeschreibung im Buch ist eine Sünde für Autoren.

Ich weiß, dass Exposition, gerade am Anfang, als schlecht gewertet wird. Allerdings bin ich der Meinung, dass es sehr auf die Art, Umfang und Ziel ankommt. Mir fallen da durchaus einige gut gemachte Beispiele ein:
  • Invasion: dieses Buch beginnt mehr oder weniger mit etwa 50 Seiten Exposition und setzt diese meiner Meinung nach sehr gut um. Verwendet wird hier die Rückblickmethode, die du auch nennst. Die Protagonistin ist dabei einen Schützengraben auszuheben, in Erwartung der gegnerischen Invasion. Dabei bleibt ihr Blick an verschiedenen Dingen der Umgebung hängen, die Erinnerungen heraufbeschwören. So wird nach und nach ein grobes Bild des Kriegsverlaufs seit ihrer Kindheit gezeichnet.
  • Die Eröffnung von Battlestar Galactica. Einige wenige kurze Sätze liefern hier das Worldbuilding und erzeugen gleichzeitig ein Geheimnis. Es gibt einen Grund, warum der Satz "Und sie haben einen Plan." ein Meme geworden ist.
  • Die Geschichte beginnt in media res mit einem Briefing (Einsatzbesprechung, Reisevortrag, ...), was letzten Endes auch nichts anderes als Exposition ist. Wobei man hier wieder darauf achten muss suspension of disbelief zu brechen. Es ist unrealistisch, dass die tapferen Reiter, die seit Jahren gegen Orks kämpfen, plötzlich eine Einführung brauchen, was Orks sind.
Eine oft genutzte Methode dies zu umgehen ist der Charakter des Außenseiters. Jemand, der eben nicht mit den Regeln der Welt vertraut ist. Jemand wie Frodo, Harry Potter, Eragon oder Luke Skywalker.

Diese sehr gern genutzte Methode hat natürlich das Problem, dass der Außenseiter nicht nur deswegen in der Geschichte sein sollte, weil man einen Außenseiter für das World Building braucht.

Dem, was Fantasy von SciFi unterscheidet: Magie.

Jede weit genug fortgeschrittene Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden. (Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.) - Arthur C. Clarke ;)

Das nullte Gesetz
Mach, was cool ist.

Aber dabei bitte den suspension of disbelief beachten ;)[/quote][/quote]