Die Morgenstrahlen die sich im grau-blauen Dunst brachen. Das dunkle Holz der abgenutzten Barräume, das schon lange den Geruch von Alkohol in seine Fasern eingesogen hatte. Es war eine eigene Art von Romantik die dieser Platz ausstrahlte und den Besucher wie in eine andere Welt herüber zog, wenn er die dünne Tür mit der französischen Einfachbeglasung öffnete.
Schwere Cowboystiefel, mit abgeschnittenen Spitzen ließen die alten Bohlen am Eingang aufknarzen. Aus Dieners Augenwinkeln erkannte er nur eine Gestallt eingesäumt in rauchigen Sonnenstrahlen, in einem alten, grauen Lodermantel, der viel zu warm für diese Jahreszeit war. Der Kleine würdigte das Innere keines Blickes als er sich in langsamen Schritten einem Barhocker nährte, ohne den Mantel abzulegen auf diesem Platz nahm und die Hutkrempe mit einem Schnips in die Stirn beförderte.
Im vorbeigehen schlitterte Diener den Aschenbecher über die polierte Theke, so dass dieser wie von Geisterhand gehalten direkt vor dem Hutträger zum stehen kam:
„Bier?“, fragte er während er sich dem Fremden nährte und erhielt nur eine knappes Nicken als Antwort. Er hatte glasige Augen die über einem ungepflegten Dreitage-Bart herausstarrten, als ob sie immer in ein eigenes Traumbild blickten, was fern der Wirklichkeit um sie herum lag. Nicht ungewöhnlich für die Gäste dieses Etablissements. Keiner von ihnen war je ohne Narben gekommen. Keiner von ihnen ohne irgendeine Geschichte. Und Diener hatte sie alle gehört.
Er griff die Flasche aus dem Eis, öffnete sie und polierte den Hals mit einem weißen Handtuch. Der Fremde hatte gerade eine Packung Winfield unter dem Mantel herausgefuchtelt, den er gar nicht gedachte aufzuknöpfen, warf deren Zylophan-Packung mit einem kleinen gefalteten Papier in den Aschenbecher und entzündete eine Kippe mit einem silbernen Benzinfeuerzeug. Der ganze Kerl stank dermaßen nach Qualm, als ob er gerade einem Brand entkommen wäre, selbst sein Atem, der Diener entgegenwehte, als er knapp mit dem Kopf in Richtung von Träumchen deutete, dass sich in eine schattige Nische gedrängt hatte und in einen Buckel hob und fragte: „Was ist das?“
„Träumchen,“ entgegnete Diener und stellte die Flasche auf den Thresen: „Ist ein Questsrcipt.“
„Ein Questscript?,“ wiederholte der Fremde und nahm einen Schluck: „Hm. Questscripts sind das Unnützeste was auf diesem Planeten gibt. Vielleicht sogar noch unnützer als eine Global-Veränderung.“
„Das hab ich schon mal von jemanden gehört,“ sagte Diener und wischte lapidar den Staub von einigen Gläsern. Eine alte Angewohnheit, wenn man zu lange hinter einer Theke stand. Man brauchte immer was zu tun. Wollte immer beschäftigt sein.
„Muss ein kluger Kerl gewesen sein,“ sagte der Fremde und seine Augen fielen in ihrer eigenen Weise auf das Etikett.
„Na, das,“ Diener stutzte und zögerte einen Moment während er nachdachte: „Das ist bis heute nicht so ganz, klar gewesen.“
„Und das ist von Ihnen?“, jetzt deutete er auf das Blechschild von Marodan. Diener hatte es anfertigen lassen im Stil der alten 50er Jahre Messingschilder, so wie sie allesamt hier die Wand säumten. Warcry, Rafims Kreaturen, Growlfs HotClothes, Better Cities. Diener hatte sie alle gesammelt. Selbst Wozee’s Paintings und Jounks Stangenwaffen. Zwei Raritäten hingen hinten zum Ausgang des Hinterzimmers.
„Woher wissen Sie das?“ fragte Diener zurück.
„Wäre ja komisch wenn Sie in ihrer eigenen Bar, einen Mod von jemand anderes hinter die Bar hängen,“ erklärte der Fremde so überzeugend, als ob es einem jedem offensichtlich sein müsse. Nun, es stimmte auch, aber Diener hatte versucht es extra ein wenig Abseits zur Tür anzubringen und Rabenstolz daneben zu nehmen, um sich selbst nicht so in den Vordergrund zu stellen. Manchmal hing er sogar kleine Zettelchen daran, ob es ein wenig abzudecken.
„Und was hing dort?,“ der Fremde deutete auf den leeren Platz neben dem weiß-roten Kühlschrank. Die Blässe an der Wand verriet, dass ein paar Schilder fehlten. Diener kannte diesen Platz gut, dort rechts neben der Bar und schluckte: „Dort hing Blood&Mud, - Aber. Ich,“ kurz flackerten einige Erinnerungen aus alten Zeiten vor seinem inneren Auge auf bevor er fortfuhr: „Ich, bin noch nicht dazu gekommen, es wieder aufzuhängen.“
„Wäre schade,“ sagte der Fremde und nahm einen tiefen Schluck: „Ist gar kein so schlechter Mod.“
„Nein,“ entgegenete Diener mit einem leichten Grinsen: „Das ist er nicht. Noch ein Bier?“
„Nein,“ enttäuschte ihn der Fremde: „Ich muss weiter,“ und zog sich im Aufstehen wieder den Hut in die Stirn.
Diener kam dieser Kerl bekannt vor. Der Geruch, die Zigarettenmarke, die Statur, dieser Blick und der Mantel. All das hatte er schon einmal gesehen. Nur war dies nur noch ein Schatten von dem was ihm sein geistiges Augen malte. Er musste es wissen, er wollte es wissen. Es zumindestens versuchen:
„Ryan?“, fragte er in den Rücken des Fremden, der fast den Türknopf erreicht hatte und es kam ihm so vor, als ob dieser kurz zusammenzuckte, als er die Tür öffnete und das helle Licht ihn fast vollkommen verschluckte. Diener blinzelte. Dann fiel die Tür sacht in das Schloss und der Fremde war verschwunden.
Diener hob das gefaltete Papier-Zettelchen aus dem Aschenbecher, dass der Fremde zurückgelassen hatte. In krakliger Hand eines Linkshänders standen einige Namen, die er nicht als besonders empfand: Sandra, Björn, Wolfgang, Sandra W., doch der Überschrift packte seine gesamte Aufmerksamkeit: M. Syd jr.’s Tales of the Realm of Ruun - Cast. Diener wusste was das bedeutete und gab seinen Gedanken in Worten freien Lauf: „Dieser verdammte Hundesohn!“