RPG Die Narthexfeder

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»Silberuhr«, wiederholte Kyle nachdenklich. Zwar gab es viele Kleinstädte und Dörfer in der Umgebung von Oxford, deren Namen dem Studenten nicht bekannt waren, doch „Silberuhr“ klang definitiv nicht nach einem solchen Ort.
Sekundenbruchteile später schlug er innerlich die Hände über dem Kopf zusammen. Selbst wenn dieser Ort irgendwo in der Umgebung von Oxford wäre, war es noch Welten davon entfernt, auch nur in den verwinkelsten Gedanken einen Sinn zu ergeben. Wie hätte er – seien es nun nur wenige hundert Meter oder tausende von Kilometern – an diesen anderen Ort kommen sollen? Wieso strahlte mit einem Mal die Sonne am Himmel und warf ihre goldenen Strahlen wie ein Seidentuch auf die saftige Wiese, obwohl noch vor wenigen Minuten die Dunkelheit der Nacht die grauen Straßen und Gassen Oxfords beherrscht hatte? Und am wichtigsten: Warum hatte er urplötzlich den Körper eines alten Mannes, der außerdem noch einen außergewöhnlich schlechten Sinn für Mode hatte und obendrein wohl dauerunterkühlt war? Jedenfalls bemerkte Kyle gerade, dass er trotz der doch fast schon sommerlichen Temperaturen einen zwar bequemen, aber für seinen Geschmack viel zu warmen Mantel anhatte.
Interessante Gedankengänge, mein junger Freund.
Und da! Schon wieder diese Stimme! Das Gesicht der jungen Frau, mit der er sich unterhielt blieb unverändert. Wie es aussah, hatte sie nichts gehört. Doch das konnte eigentlich nicht sein, die Stimme des Alten war schließlich laut und deutlich hörbar, als stünde er direkt neben ihnen. »Haben Sie das gerade auch gehört?«
Die Frau auf dem Pferd antwortete nicht sofort, doch sie runzelte die Stirn. »Was meinen Sie?«, fragte sie etwas unsicher.
Das genügte Kyle als Antwort. Er wusste zwar nicht, wo er sich befand, doch dass man als einziger sonderbare Stimmen hörte, wurde fast nirgendwo als positiv gewertet. »Schon gut, ich hab mir nur eingebildet etwas gehört zu haben …«, versuchte er, das Thema in die Unwichtigkeit zu drängen und winkte ab. Der etwas skeptische Ausdruck auf ihrem Gesicht entging ihm zwar nicht, doch er befand es für klüger, darauf nicht weiter einzugehen.

Kyles Gedanken begannen kurz abzuschweifen und er begann unbewusst damit, mit dem Fuß im Takt des Liedes zu wippen, das noch wie ein Signalfeuer aus einem weit zurückliegenden Hafen leuchtete, den er zwar erst vor wenigen Minuten verlassen hatte, von dem ihn aber scheinbar trotzdem eine unüberwindlichen Entfernung trennte. Dabei fiel ihm auf, dass der Boden sich nicht verhielt, wie er sollte – wie sich ein Boden aus Erde, Schotter oder Teer verhalten könnte.
Mit gerunzelter – noch stärker als sonst gerunzelter – Stirn senkte Kyle seinen Kopf. Ihm klappte der Mund auf. Der Weg, auf dem er, auf dem sie alle gerade standen, bestand aus tausenden und abertausenden kleinen Uhren. Kleine silberne Taschenuhren, die sonderbarerweise unscheinbar tickten, sodass man sie nur wahrnahm, wenn man es bereits bemerkt hatte. Es schien paradox. Jede Uhr an sich war mehr oder weniger Rund, wenn man von den kleinen Rädchen und Ösen absah. Und trotzdem bildeten alle Uhren gemeinsam eine ebene Fläche, ohne Unterbrechungen, wie sie eigentlich auftreten müssten, wenn man runde Objekte anordnete.

Doch er schloss die Augen und schüttelte kaum merklich den Kopf. Im Augenblick gab es Wichtigeres. Andererseits, was konnte schon wichtiger sein als ein offensichtliches Paradoxon? >Das kommt später dran, erstmal muss ich herausfinden, was hier eigentlich los ist. Dann klärt sich dieser Uhrenweg hoffentlich auch auf.<
»Eine letzte Frage hätte ich noch. Haben Sie vielleicht ein Handy, das ich mir kurz ausleihen könnte, oder wissen Sie, ob ich irgendwo in diesem Dorf, von dem Sie gesprochen haben, telefonieren kann?«
 
Genauso simultan wie das Chamäleon und Rhea sich fragten was zum Knalldoktor ein Handy ist.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass der Knalldoktor, ein im Federreich sehr berühmter Erfinder ist der ständig neue Dinge, sinnvoll oder nicht auf dem Markt bringt. Daraus entstand die Floskel „Was zum Knalldoktor“, welche impliziert, dass man etwas nicht kennt. Wie eine neue Erfindung des Doktors.
Jedenfalls schauten sich auch Anna und Ephilias in diesem Moment fragend an. War es möglich, dass sie schneller als erdacht ein nächstes Opfer dieses bizarren Körpertausch Spieles gefunden hatten? Hatte Ephilias recht gehabt und es gab noch mehr von ihnen? Anna hoffte, dass es nicht so war. Vorallem aber, dass es nicht neun waren. Sie hatte keine Lust darauf eine Art abgedrehte und verrückte „Herr der Ringe“ Version zu werden. Diese Welt war bescheuert genug für ihren Geschmack.


„Kann es sein, dass du von der Erde bist, dich in diesem Körper wiedergefunden hast und keine Ahnung hast wo und er du bist?“. Es sprudelte einfach aus dem Hutmacher heraus. Er konnte nicht anders. Er musste es jetzt einfach wissen. Caruleus oder Kyle, oder wie er sich jetzt nennen mochte,
An dieser Stelle sei nochmal erwähnt, dass Ephilias ihm später vorschlug, sich Carukyl zu nennen, was dieser jedoch kategorisch ablehnte.
wich entsetzt einen Schritt zurück. Woher wusste dieser Fremde davon? War er vielleicht die Ursache dafür? Hatte er ihn hieher geholt? <Jetzt bleib mal auf dem Teppich> Wieder diese alte gemütliche Stimme. Langsam zweifelte er an seinem gesunden Verstand.


<Ich glaube er ist einfach nur so verrückt> kicherte Rhea.<Das Alter spielt einem leider oft gemeine Streiche. Er ist bestimmt einfach senil> Anna konnte ein leichtes Lächeln nicht verkneifen.
„Hab keine Angst. Wir sind auch in diesen anderen Körpern gefnagen. Ich bin Anna, aber wie du siehst stecke ich in dem Körper von Rhea d’Renouard , sollte dieser dir etwas sagen.“
<Natürlich sagt ihm der Name etwas, ich bin berühmt Anna, berühmt>


„Nie gehört“, sagte Kyle. Rhea verpasste ihm gedanklich einen Lanzenstoß.
„Mein Name ist Kyle und ich bin Student aus Oxford. Doch jetzt bin ich alt,faltig und meine Erinnerungen sagen mir das ich ein Zauberer namens Caruleus bin. Ich bin verwirrt.“
Anna und Ephilias sahen ihn an. Sie hatten recht gehabt. Er war ein weiteres Opfer.
„Willkommen im Club der Körperlosen“, grinste der Hutmacher, zog diesen und verbeugte sich.
„Ich bin Ephilias Hat, ehemals Simon Page, Autor aus Toronto. Mittlerweile bin ich aber derartig mit seinen alten Gedanken und Erinnerungen verschmolzen, dass ich nicht mehr sagen kann wer was ist. Unsere furchtlose Reiterin ist Anna, wie sie bereits sagte, und auch Autorin. Sagt mir, dass ihr auch Autor seid in eurem wahren Ich und langsam kriegen wir ein paar Puzzleteile zusammen“.
 
Seit seiner Ankunft hier war Kyle schon verwirrt, doch jetzt, nachdem er versucht hatte, etwas Licht in die ganze Sache zu bringen und zumindest die eine oder andere Frage zu klären, herrschte nur noch mehr Durcheinander in seinem Kopf. Es war nicht einmal nur die Tatsache, dass dieser komische Kauz wusste, was mit ihm passiert war, nein, es lag auch daran, dass das, was er eben gesagt hatte, wirklich zutraf. Er konnte nicht erklären warum er eben gesagt hatte, dass er ein Magier namens Caruleus sei. Wenn man es genau nahm, könnte er im Nachhinein nicht einmal sagen, dass er es wirklich selbst gesagt hatte, auch wenn es sein Mund war, der gesprochen hatte.
»Moment mal«, setzte Kyle an, die letzten paar Sätze des Mannes, der sich als Simon vorgestellt hatte erst einmal ignorierend. »Bedeutet das, dass diese Stimme, die ich dauernd höre dann dem eigentlichen Eigentümer von diesem … Faltenberg gehört?«
Sein Blick wanderte zwischen Rhea und Ephilias hin und her. Eigentlich brauchte er keine Antwort, die bloße Erkenntnis dessen hatte das für ihn eigentlich schon bestätigt.
»Und wegen deiner Frage: Ja, ich bin Autor … Aber wie es aussieht, hab’ ich das Buch etwas zu lebendig geschrieben«, fügte Kyle noch hinzu, um die Unordnung in seinem Kopf zumindest für den Augenblick zu überspielen. »Habt ihr vielleicht einen Plan, wie wir wieder wir selbst werden können?«, fragte er nach einer kurzen Pause. Er duzte Ephilias einfach mal, schließlich hatte dieser es ebenfalls getan, obwohl Kyle es nicht ausdrücklich angeboten hatte. Aber eigentlich war es ihm ohnehin lieber als diese distanziert höfliche Variante.

Der Hutmacher erzählte nun etwas über einen Frosch oder etwas in der Art. Die Zusammenhänge entzogen sich zwar Kyles Verstand, aber er erkannte auf jeden Fall, dass dieser Frosch, wenn er überhaupt existierte, irgendeine wichtige, wenn auch vermutlich vollkommen verrückte Rolle in diesem bizarren Rätsel spielte.
»Das heißt also, wir suchen diesen regenfesten Frosch oder was auch immer das für ein Ding ist, und hoffen, dass er uns helfen kann, diese Körper wieder zu verlassen? Dann auf geht’s, lasst euch von dem einundzwanzigjährigen alten Sack hinter euch nicht aufhalten.«

Ephilias und Rhea setzten den Weg, den sie eingeschlagen hatten, nämlich auf den Wald direkt vor ihnen zu, fort. Kyle würde sie begleiten, solange es nötig war, um den Körper und die Gesellschaft von Caruleus wieder loszuwerden. Immerhin erinnerte er sich inzwischen daran, wer dieser Kauz war … und seine Freude darüber, ausgerechnet in diesem Körper gelandet zu sein, hielt sich in Grenzen. In sehr engen Grenzen. Die mit Stacheldraht umzäunt waren …
»Meinen Master of Science kann ich dann wohl erstmal vergessen«, murmelte Kyle etwas missmutig und trottete ebenfalls los.
 
Sie versuchte sich auf die Person, die sie vorhin noch gesehen hatte, zu konzentrieren, aber sie war verschwunden. Ungläubig starrte sie noch auf die Stelle, dann fuhr sie sich mit den Händen durch ihre Haare. Und stieß dabei an die beiden Hörner.

Sie fühlten sich genauso an, wie Anira sich es immer vorgestellt hatte. So glatt und ebenmäßig, als wären sie Marmor. Plötzlich kam ihr eine Idee, wie sie vielleicht schneller vorankam. Sie bückte sich und legte ihre Nase an den Boden. Dann sog sie die Luft ein. In dieser Gestalt war ihre Nase zwar schwächer, aber sie nahm eindeutig den Geruch von einem Pferd. Sie war sich nur deshalb sicher, dass es ein Pferd war, weil der Jagdtrieb ihrer zweiten Gestalt anfing sich zu regen, also war es eindeutig ein Pferd.

Als sie dann auch noch Hufspuren entdeckte, war sie sich sicher. Dann legte sie die Ohren an den Boden und konzentrierte sich und tatsächlich, dort im Wald hörte sie die Tritte des Pferdes. Es war leise und sie hörte es kaum, aber die Schwingung der Erde war da. Zufrieden erhob sie sich und schlug zielstrebig die Richtung der Hufspuren ein. Mary folgte ihr etwas verwirrt, aber sie hatte schließlich keine andere Wahl.

Sie kamen dem Wald wieder näher. Schon verrückt, da sie doch eben gerade erst aus ihm gekommen waren, aber sie war sich sicher, dass sie bei dem Pferd auch die finden würde, die sie suchte.

„Wir sind bald da.“ Sagte sie fröhlich zu Mary und hörte Fialtera in ihrem Kopf lachen. „Bist du jemals schlecht gelaunt?“ fragte sie schmunzelnd.
>Nö.< antwortete ihr Anira und ging weiter.


Schon bald erreichten sie erneut den Waldrand und Anira konzentrierte sich. Dort in der Ferne glaubte sie, leise jemanden sprechen zu hören, ebenso wie das Trampeln eines Pferdes. Zügig ging sie einfach querfeldein durch den Wald auf die Stimmen zu, die immer lauter wurden. Den Bäumen wich sie geschickt aus und nicht einmal stolperte sie über etwas.

Es war als würde sie durch den Wald schweben. Oder als würde der Wald ihr ausweichen. Sie bezweifelte, dass es Mary genauso ging, aber sie nahm darauf im Moment keine Rücksicht. Zu sehr war sie auf die anderen gespannt zu groß war ihre Neugierde.

Irgendwann sah sie dann durch die Bäume hindurch das Blitzen eines Pferdes und ihr Jagdtrieb meldete sich. Sie ignorierte ihn schlicht und einfach und trat zwischen den Bäumen hervor.

„Komm her Mary, ich glaube ich habe sie gefunden.“ Sagte sie fröhlich, als sie die anderen mit ihren Augen musterte. Diese schauten sie verwirrt an.
 
Im Gegensatz zu allen anderen Gestaltwandlern waren die Werspinnen Insekten, und der Unterschied zwischen Insekten und Tieren ist ein gewaltiger. Damian konnte zwar riechen, aber nicht jagen wie sie, die Nase in den Wind recken und sich rasend auf seine Beute stürzen - was jetzt auch Luke bedauerte.
Ein Mittel besaß er allerdings. Seine acht nicht mit Hornhaut oder Fell bedeckten Beine waren sehr empfindlich für Erschütterungen, und er spürte - auf eine Art und Weise, die zu visualisieren der menschliche Verstand nicht ausgelegt ist, am ehesten mit einem Echolot vergleichbar - wie die Schritte von mindestens fünf Wesen Wellen im Boden schlugen. Sie waren nicht weit, bewegten sich aufeinander zu. Sein Verstand, ebenfalls zur Hälfte insektoid und von einer sehr menschlichen Angst vor dem Verhungern zu Höchstleistung angespornt, erbrachte mühelos eine Leistung, die für Luke vielleicht nicht gänzlich unmöglich gewesen wäre, aber vermutlich neben einem sehr empfindlichen Sensor noch einen Computer, eine Handvoll Formeln und einige Zeit erfordert hätte: Er ermittelte die Entfernung zu den fünf Wesen, wenn man davon ausging, dass es sich um Menschen handelte. Nur ungefähr, für genauere Information hätte er ein Netz gebraucht -
Zeit! Ich brauche mehr Zeit!
Was durchaus richtig war. Allerdings überstimmte der schiere Überlebenswille den Rest menschlicher Vernunft, den Damian noch besessen hatte, und Lukes Ekel bei der Vorstellung einen Menschen - ein denkendes Wesen, genau wie er selbst! - zu verspeisen, und obendrein auch noch roh, spielte in diesem panischen Zustand nur eine untergeordnete Rolle.
Er stürmte los. Acht Insektenbeine schlugen in rascher Folge auf den Waldboden, reflexhaft den kleinen Zweigen und Wurzeln ausweichend, die ihn verraten oder aufhalten konnten, und trugen den monströsen Spinnenkörper trommelnd durch das Unterholz.
Sechs große schwarze Augen fixierten die Gruppe mit liedlosem Blick.
Es waren fünf Menschen, einer davon auf einem Pferd. Ein Beweis dafür, dass er Vorbereitung brauchte, aber das war jetzt lange vom Tisch. Er hatte den Eindruck, dass es sich um eine Frau handelte, aber das war ebenfalls unwichtig. Sie trug eine Rüstung, und das machte uninteressant für den rasenden Hunger, der keinesfalls bereit war, es sich schwerer zu machen als nötig.
Zwei der Menschen erweckten seine Aufmerksamkeit: der eine war groß und wirkte zu hager, um ein Kämpfer zu sein, der andere war ein alter Mann.
Der Alte. Er würde sich am wenigsten wehren.
Damian sprang, und Luke sah zu.
 
"Da kommt wer..." bemerkte Ephilias plötzlich und deutete auf den Waldrand. Und tatsächlich traten einige Personen aus den Gebüsch. Was für ein Zufall.... kommentierte Rhea das Auftauchen eindeutig sarkastisch.

Es waren zwei Frauen. Jedenfalls soweit Anna das äußerlich erkennen konnte. Sie hatte ja ebreits am eigenen Leib erfahren, dass das Innerliche und Ääußerliche nicht das Selbe sein muss....
Plötzlich hörte Anna aus den Dickicht Geräusche. Immer schneller näherten sich viele Schritte, zu viele für einen Mensch doch zu gut koordiniert, als das es mehrere sein könnten.

Alles ging furchtbar schnell. Erst tauchte dieses Geflügelte Wesen auf und plötzlich stürzte sich aus dem Gebüsch ein weiteres Wesen. Skarto scheute, sodass Anna Mühe hatte ihn zu halten.
„Großer Gott!“ schrie Anna und riss entsetzt die Augen auf.
„Das ist...!“…EIN SPINNENDÄMON!
In aller Panik achteten weder Anna noch Rhea darauf, was die anderen taten. Anna wurde von Skarto abgeworfen und landete unsanft auf dem Boden.
Steh auf und Kämpfe! Befahl Rhea. Allerdings ohne Erfolg. Ängstlich hatte Anna die Arme über den Kopf verschlungen und starrte auf den Boden. Steh auf! rief Rhea. STEH AUF!
Plötzlich verschwamm Annas Blick bis er vollends schwarz wurde. Für einen kurzen Moment wurde ihr schwummrig doch dann riss sie die Augen auf. Wie von alleine lösten sich ihre Arme und mit einem Satz sprang sie auf. Was war nun los? Ihr Körper bewegte sich, doch sie hatte keinen Einfluss darauf. Entschlossen rannte sie auf diese Riesenspinne zu. Rannte sie wirklich?
Oder rannte vielmehr…
…Rhea?

Anna merkte, dass sie wieder Kontrolle über ihre Gesichtszüge, noch über den gesamten Körper hatte. Sie sah durch die Augen Rheas aber sie konnte nicht handeln. Wie auch immer das Geschehen konnte. Jedenfalls hatte nun Rhea wieder die Kontrolle über ihren Körper.

Die Geschwindigkeit, mit der sich Rhea der Spinne näherte wurde immer schneller. Man merkte, dass Rhea sportlich war. Anna selber, wäre nie auf eine solche Geschwindigkeit gekommen.
Der vermeintliche Spinnendämon hatte es wohl auf Kyle abgesehen. Er sprang auf den alten Mann zu, der natürlich körperlich nicht in der Lage sein würde, rechtzeitig auszuweichen.
Rhea tat einen letzen Satz und sprang zwischen Kyle und den Dämon.
Plötzlich, wie aus heiteren Himmel, durchzuckte ein Blitz die Spinne, wodurch sie zurück geworfen wurde. Nicht nur sie selber war davon verwirrt. Auch Anna wusste nicht, was gerade geschehen war.
Rhea stand zwischen dem alten Mann und der Spinne…Was war noch passiert? Im Grunde nichts, denn Rhea hatte nicht einmal die Hand gehoben.
In dem Moment rappelte sich das Vieh wieder auf und rannte erneut auf Kyle und Rhea zu. Innerlich kniff Anna die Augen zusammen und fand sich bereits damit ab, zu sterben. Rhea hingegen, verzog keine Miene.

Wieder! Die Spinne kam Rhea immer näher, bis etwa 2 oder 3 Meter. Und wieder blitze es! Wie eine Art Kugel, in deren Zentrum Rhea stand, leuchtete ein Schimmer auf und verpasste der Spinne einen Blitzschlag, sobald sie ihn berührt hatte. Was auch immer das war. Es war nichts Irdisches.
Ein zweites Mal würde Rhea die Spinne aber nicht angreifen lassen. Aus dem Stand sprintete sie los, zog aber nicht ihr Schwert. Der Blitz, ungewöhnlich hell, schien der Spinne mehr ausgemacht zu haben als nur eine leichte Brandblase. Jedenfalls lag sie auf den Boden und rührte sich nicht großartig.
< Das kann aber auch nur der Schock sein… > dachte Anna in der Hoffnung, Rhea würde daraufhin vorsichtiger sein.
Dem war nicht so.

Im Lauf zog Rhea ihr Schwert und setze zum Angriff an. Ihre Bewegungen waren eins. Die eine ging fließend in die nächste über. Rhea wusste was sie tat. Rhea wusste was sie tun wird.
Ein letztes Mal ließ sie das Schwert gekonnt in der rechten Hand . Dieses Vieh würde sie dahin schicken wo es hergekommen war. In die tiefsten Tiefen der Hölle.
„Au jamais de la vie revoir…“ sagte sie, holte aus,….


...ließ das Schwert auf den Boden fallen. Wie angewurzelt starrte Anna auf die Gestalt vor sich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es dauerte länger als bei den Anderen, bis Kyle die dumpfen Aufprallgeräusche hörte. Erst, als die Zeitabstände zwischen den einzelnen Geräuschen immer kürzer und die Lautstärke immer größer wurde, bemerkte er sie und drehte sich etwas schwerfällig um.
Der Schrecken lähmte ihm sämtliche Gliedmaßen, als Kyle mit weit aufgerissenen Augen zu der grauenvollen Kreatur blickte, die da auf ihn zu stürmte. Acht haarige Beine, jedes einzelne so dick wie sein eigener Oberschenkel, stampfen mit atemberaubender Geschwindigkeit durch das Unterholz.
Einen Augenblick sah er die scharfen, gierig aufgerissenen Scheren. Gierig darauf, sein Fleisch von den Knochen zu reißen. Gierig auf das warme Blut, das ihm in diesem Moment scheinbar in den Gefäßen gefror.

Mit der gesamten Willenskraft, die er aufbieten konnte, zwang Kyle sich, zurückzuweichen, wegzulaufen, egal, was, Hauptsache weg von diesem scheußlichen Biest! Doch sein Körper gehorchte ihm nicht länger. So sehr er sich auch bemühte, seine Beine weigerten sich, ihm Folge zu leisten.
Mit einem letzten Versuch, sein Gesicht zu schützen wollte er die Arme hochreißen, seinen Kopf darunter verbergen. Doch nicht einmal dazu war er noch imstande …

Stattdessen senkte sich sein Kopf gemächlich, die gigantische Spinne ignorierend. Sein Blick verschwamm leicht und sein Körper entspannte sich merklich. Doch auf all dies hatte Kyle nicht den geringsten Einfluss.
Mit einer mühelosen, flüssigen Bewegung hob sich sein Arm mit dem Stock und setzte diesen wieder etwas fester als üblich auf dem Boden auf. Die Luft um die verworrene, dicke Spitze schien sich zu verzerren und Kyle spürte, wie eine unsichtbare Macht durch den Stab pulsierte. Durch den Stab und die Hand, die gleichzeitig die Seine und die eines Anderen war.
In diesem Moment stürmte Rhea an ihm vorbei, bereit, sich mit dem Schwert in den Kampf mit der Kreatur zu stürzen. Doch dazu kam es gar nicht erst.
Ein Lächeln, das nicht von Kyle stammte, schlich sich auf sein Gesicht und das Wabern um den Stock erstarb.
Die Panik, die ihn eben noch angesichts der Riesenspinne erfüllt hatte, erstarb und Verwirrung trat mal wieder an deren statt. Gemächlich setzte sich der Körper in Bewegung und folgte Rhea, die die Spinne bereits zu Boden gezwungen hatte.
»Und wieder ist ein Netz im Haus frei von seinem Weber«, sprach Kyles Mund ohne dessen Zutun und er klopfte zweimal mit dem Stock gegen den Körper der Spinne, als wolle er prüfen, ob sie noch lebt.
Was zum Teufel …, flüsterte er bei sich.
 
Seit einigen Stunden nun lief Lenya durch den schier unendlichen Wald. Es war bereits Tag geworden, und sie vermutete, dass auch Keva und seine Gefährten längst wieder auf dem Weg zu den entfernten Städten waren. Oder Keva hielt sein Wort, und war gar nicht so weit von ihr entfernt, wie es schien.
Doch sie dachte nicht weiter an ihn. Es galt, nach Hause zu kommen oder zumindest irgendeinen vorläufigen Platz zu finden, an dem sie unterkommen konnte. Tatsächlich schien diese Umgebung komplett hängen geblieben zu sein. Kein Einfamilienhaus stand in diesem Wald, keine Spaziergänger waren unterwegs. Befand sie sich wirklich in einer anderen Welt, so wie es den Anschein hatte ?
Sie würde mehr erfahren, wenn sie die nächste Stadt erreicht hatte. Vielleicht war sie zivilisiert, und würde endgültig beweisen, dass Kevaram und seine Freunde diejenigen waren, die verrückt waren.
Innerlich freute Lenya sich bereits auf das Gefühl, ein Telefon in den Händen zu halten und ihre beste Freundin oder ihre Mutter anzurufen, die sie dann abholen würden.
Aber dennoch schien ihr diese Umgebung so seltsam vertraut, auch wenn sie Kevaram nicht kannte. Es schien ihr, als wäre sie schon dutzende Male durch diesen Wald geschritten, ohne es bemerkt zu haben - eine unmögliche Tatsache.

Nach einigen weiteren verstrichenen Minuten atmete Lenya erleichtert auf, als sie eine Wegbiegung erreichte, an der ein älterer Mann stand und leise ein Lied summte. Er trug einen weiten grünen Hut und ein braunes Lederwams. Auch er schien ihr vertraut, doch sie vermochte nicht zu sagen, woher dieses Gefühl stammte.
Fast fürchtend, er könnte sich jeden Augenblick in Luft auflösen, eilte Lenya zu ihm und sprach: ,,Entschuldigen Sie, können Sie mir sagen, wie ich zur nächsten Stadt komme ?"
Der Fremde wandte sich um, und Lenya betrachtete seinen weißen kurzen Bart und seine fast grauen Augen.
,,Die nächste Stadt ? Die ist weit entfernt... Wenn Ihr sie noch an diesem Tage betreten wollt, dann müsst Ihr euch beeilen, bevor sie abends die Tore schließen".
Lenya seufzte genervt auf. Ein ganzer Tagesmarsch stand ihr bevor... Doch sie beschloss, nicht weiter zu maulen. Wenn sie diese Stadt erst erreicht hatte, und schon von weitem die hohen Häuser und die vielen Lichter sah, dann würde sie sich daran erfreuen.
,,Vielen Dank", sprach sie hastig, und wandte sich um. Doch plötzlich fiel ihr auf, auf welche Weise der Fremde mit ihr gesprochen hatte. Er hatte die Anrede "Ihr" benutzt. ,,Das ist ja wie im Mittelalter", murmelte Lenya verdutzt und wandte sich noch einmal zu dem Mann um.
Doch er war verschwunden.
Vor ihr lag einzig und allein die Biegung des Weges, an der unzählige Streucher wuchsen.
Sie seufzte noch einmal und dann lief sie los, um rechtzeitig bei der Stadt zu sein. Sie erwartete nicht, dass sie dieses Tempo länger als einige Minuten durchhalten konnte, doch jeder Schritt schien sie ihrem Ziel näher zu bringen. Was war das überhaupt für eine komische Stadt, dass man sie mit Toren abriegeln musste ?
Gab es etwa so viele Überfälle ?
Einige Augenblicke dachte sie darüber nach und lief weiter, doch plötzlich blieb sie abrupt stehen, als sie viele Stimmen vernahm.
Sie verließ den Weg und versteckte sich vorerst hinter einem Busch.
Die Stimmen wurden lauter und lauter, und sie hatte das Gefühl, dass gleich eine Gruppe von Menschen an ihr vorbeikommen würde.
,,Keva ?", wagte sie leise zu fragen. Ein normaler Mensch hätte dieses Flüstern aus solcher Entfernung niemals hören können, doch schließlich war Kevaram auch kein normaler Mensch.
Als keine Antwort kam, war Lenya sich relativ sicher, dass er es nicht war. Schließlich hatte er sie auch bei ihrem ersten Zusammentreffen aus weiter Entfernung gehört.
Doch dann verstummten die Stimmen plötzlich, und Lenya erkannte mit großem Schrecken durch das Geäst des Busches, dass viele Personen vor ihr Halt gemacht hatten, die anscheinend den Wald durchquerten.
Doch Lenya konnte sehen, dass die Gruppe mit etwas beschäftigt schien.
Einen Moment würde sie noch warten, denn dies schien ein schlechter Zeitpunkt zu sein, um sich bei Reisenden vorzustellen.
Sie lugte abermals durch den Busch, und dann fuhr ihr ein eiskalter Wind über den Rücken.
Verärgert drehte sie sich um, doch ihr blieb die Luft weg.
Sie starrte in dutzende von Augenpaaren, gefolgt von lauter schwarzen Beinen, die sich gierig nach ihr ausstreckten.
Lenya schrie auf und stolperte aus dem Busch. Sie fiel über eine abstehende Baumwurzel und landete inmitten der fremden Gruppe.
Doch sie schenkte der fremden Gruppe vorerst keine Beachtung und versuchte, sich vor der Spinne zu retten, die langsam auf sie zu schlich.
Dann entflammte ein heftiger Kampf, und die junge Frau hoffte verzweifelt, dass man sie nicht töten würde.

Dies war keine Einbildung. Dies war kein Traum. Es war eine neue Realität, mit der sie nicht umzugehen wusste.
Und sie war nicht Lenya. Sie war Reanya. Dies war ihr Name in dieser Welt. Kevaram hatte nicht gelogen, er hatte die Wahrheit gesprochen.

Lenya, oder vielmehr Reanya, kauerte auf dem Boden und starrte entsetzt auf die kämpfende Gruppe, die sich mit der Spinne anlegte.
Man schien sie bis jetzt nicht bemerkt zu haben.
 
Sie hörte sie. Hörte das dumpfe Getrappel vieler Beine. Es waren mindestens 6. Und sie kamen näher. Sie kamen bedrohlich schnell näher und das gefiel Anira nicht. Sie ahnte, dass es nichts Gutes heißen konnte, überhaupt nichts Gutes.

>Fialtera was ist das?< fragte sie und sprang im nächsten Moment zur Seite – keine Sekunde später stürzte eine riesige Spinne aus dem Unterholz, eindeutig ein faszinierender Anblick wenn man ihre Größe einbezog und die Tatsache, dass die größte Spinne die Anira je gesehen hatte, auf ihre Handfläche gepasst hatte.

Unglaublich fasziniert über dieses riesige Vieh starrte sie ein par Sekunden einfach nur die Spinne an, bis Fialtera genervt knurrte und die Kontrolle übernahm. Sonnenblut lag bereits in ihren Händen, als die Spinne anfing sich zu winden und zu zucken.

>Oh Gott< dachte Anira.

„Eine Werspinne.“ Knurrte Fialtera etwas angeekelt, als sie mit einiger Genugtuung – eindeutig ungerecht wie Anira fand – die Gestalt vor ihr betrachtete.

>Was ist eine Werspinne, ein Dämon so wie du?< fragte Anira auch wenn sie sich die Antwort denken konnte.
„Ein Gestaltswandler, so wie ich es bin, aber Werspinnen sind….widerlich.“ murmelte Fialtera so leise, dass sie fast nur ihre Lippen bewegte. „Und soweit ich weiß sind sie keine Dämonen...dazu besitzen sie gar nicht die Grazie.“ Fügte sie hinzu.

>Ich find sie niedlich< beschwerte sich Anira in Fialteras Kopf.
„So lange bis sie dich auffrisst.“ Murmelte Fialtera sarkastisch. Anira sendete ihr eine Welle ihres Unmuts und Fialtera zuckte genervt mit den Schultern. Es war offensichtlich, dass keiner der beiden seine Meinung ändern würde.
>Warum ist sie so gezuckt?< fragte sie stattdessen, langsam fand sie es langweilig wie sehr sich Fialteras Augen auf die Werspinne fokussierten.

„Wir haben anscheinend die Kriegsherrin gefunden.“ Murmelte Fialtera.
„Und wie es aussieht ist sie eine Heilige.“ Fügte sie leise hinzu. In Aniras Augen ergab es keinen Sinn. Aber irgendwie kam ihr das bekannt vor…Heilig….Kriegsherrin…Gott, sie hatte es fast, aber es wollt ihr nicht einfallen.

Genervt lies sie es sein und konzentrierte sich lieber auf etwas anderes. Da keine Gefahr mehr von der Spinne ausging, tauschten sie die Rollen.
>Berühr sie nicht< warnte Fialtera sie und ein Bild von Rhea erschien in ihrem Kopf.

„Ich würd dir ja gerne die Hand schütteln und dir danken, aber meine bessere Hälfte meinte das wäre keine gute Idee.“ Sagte sie und lächelte Anna an, Fialtera verstand wie üblich nicht was eine "bessere Hälfte" eigentlich war.

„Mein Name ist Übrigends Anira…bzw. Fialtera, obwohl ich letzteren Namen hübscher finde.“ Sagte sie freundlich, ehe sie ihren Blick wieder auf die Gestalt warf. Dann wendete sie ihren Kopf abrupt als sie ein Knacken vernahm…und starrte direkt in ein ihr unbekanntes Gesicht, dass eben noch nicht da gewesen war. Fialtera in ihrem Inneren knurrte.

„Kein normaler Mensch.“ Flüsterte sie in Aniras Gedanken, auch wenn die in diesem Moment eher daran glaubte, dass Fialteras Nerven einfach überstrapaziert waren. Die Gute sollte mal eine Aromatherapie machen...
 
Es liegt etwas seltsam tröstliches in jeder Gewissheit, so grauenhaft sie auch sein mag. Ob nun der eigene, unmittelbar bevorstehende und unausweichliche Tod - oder auch das Bewusstsein, dass man gleich und unausweichlich töten würde.
Für Luke und Damian hatte es einen Moment den Anschein, als wäre sich das Schicksal nicht sicher, welche dieser beiden Gewissheiten es ihnen zugestehen sollte.
Gerade noch sprang die riesige Spinnengestalt auf den Alten herab, der vor Furcht wie gelähmt war, dann - ein blendender, sengend heißer Blitz, gemeinsam mit einer unsichtbaren Kraft, die ihn mit Macht zurückschleuderte. Ein ungläubiges und zorniges Zischen entwich dem Maul der Spinne, als ihre von weißem Licht geblendeten Augen den Urheber dieses Angriffs zu finden versuchten. Die Frau auf dem Pferd! Sie war herbeigerannt und kam jetzt schnell und entschlossen näher. Kein Vergleich zu dem in Furcht erstarrten alten Mann, den keines der sechs Augen eines Blickes würdigte, sie alle konzentrierten sich auf die Kriegerin, um einem zweiten dieser Angriffe vorauszukommen. Damain spannte seine Muskeln, indem er kaltes Insektenblut durch die hydraulischen Fasern pumpte, und schleuderte sich aus dem Stand nach vorn - nur, um ein weiteres Mal mit einem lauten Knistern wie von heftigen elektrischen Entladungen zurückgedrängt zu werden. Er zischte, als der Schmerz heftiger wurde und Frustration ihn ergriff. Er kam einfach nicht an sie heran! Als sie das Schwert zog, wich die Unzufriedenheit allerdings einem anderen Gefühl: Angst. Todesangst, als er feststellte, dass er zu langsam und zu schwach sein würde, um dem drohenden Ende zu entkommen. Ihm fehlte einfach die Kraft, schon wurde seine Gestalt instabil.. aber er würde vorher tot sein. Tot.
Mit einem klimpernden Geräusch fiel das Schwert zu Boden.
Was?
Dann spürte er einen leichten Schlag gegen die Vorderpartie.
Das war zuviel. Wie der sprichwörtliche Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen brachte, setzte Caruleus' Stoß mit dem Stab eine regelrechte Kettenreaktion in Gang, die zumindest Kyle ganz sicher nicht erwartet hatte.
Der Körper der Riesenspinne begann zu zucken, als stünde er unter Strom - es erinnerte ein wenig an Galvanis Experimente mit Froschschenkeln, nur heftiger - und eine fast spürbare Welle der Veränderung durchlief ihn. Beine verschwanden, Knochen bildeten sich, Blut wurde warm und rot statt blau und kalt und floss nun in geregelten Bahnen um ein völlig anderes System aus inneren Organen. Kurzum, er nahm wieder menschliche Form an.. auch, wenn der Prozess nicht ganz glatt verlief. Obwohl allgemein sehr schnell, kam es immer wieder zu sekundenlangen und eher unappetitlich anzusehenden Unterbrechungen in der Verwandlung. Als er sich schließlich wieder bewegte und das auf dem Boden liegende Gesicht furchtsam nach oben erhob, waren noch vereinzelte Streifen Chitin auf der Haut geblieben, und Kyle beobachtete schwarze Flecken an den Schläfen, die eigentlich nur übriggebliebene Augen sein konnten.. deren Blick ihm immer noch hungrig vorkam.
 
Das wirre, wissend anmutende Grinsen auf Caruleus’ Gesicht stand fest wie der Blick einer Wächterstatue, selbst als dem Stoß mit seinem Stab eine schier unglaubliche Verwandlung folgte. Als hätte er nichts anderes erwartet setzte er seinen Stock wieder neben sich auf dem Boden auf und beobachtete die ruckartig von Statten gehenden Übergänge der körperlichen Veränderung. Ein bizarres Schauspiel, das trotz der zum Teil unappetitlichen Darbietungen eine Fesselnde Wirkung auszuüben vermochte.

Auch Kyle, der in diesem Moment eine sonderbare Mischung aus Verwirrung und Angst empfand, konnte seine Konzentration nicht von Abläufen vor seinen Augen wenden. Erst, als sämtliche überflüssigen Gliedmaßen den gewöhnlichen, humanoiden Formen gewichen waren und nun ein vollständiger Mensch vor ihm lag, fiel diese gedankliche Starre von ihm ab und das Räderwerk seines Verstandes begann wieder, sich zu drehen.
Wer zum Teufel bist du?, fragte er den nunmehr still, fast ohnmächtig scheinenden Menschen vor sich. Es beruhigte ihn, dass er nun ausnahmsweise nicht die noch immer fremde Stimme seines neuen Körpers, sondern die Klänge seiner Gewohnheit hörte. Doch diese Stimme drang nicht durch die verworrene Gedankenwelt des Alten.
>Du solltest lernen, wann du der Herr im Hause bist<, antwortete Caruleus’ Stimme, doch Kyle spürte nicht, wie sich die Lippen bewegten. >Nur dann hören auch die Nachbarn deine Worte.<
Kyle würde nun eigentlich die Augenbrauen zusammenziehen, doch seine Kontrolle über den Körper war gleich null.

Allerdings war dies im Augenblick auch nicht nötig, denn Caruleus ergriff auch so die Initiative. Er wechselte die hand, mit der er sich auf den Stock stützte, um seine Rechte frei zu bekommen, beugte sich nach vorne, so weit es seine alten Knochen zuließen, und streckte dem Jüngling die nun freie Hand hin, um ihm aufzuhelfen. »Nun, da Ihr wieder über das lose Mundwerk eines jungen Mannes verfügt, sagt mir, mit welchem Namen man Euch zurechtweisen kann.«
Erneut überkam Kyle der beinahe schon reflexartige Reiz, seine Stirn in Falten zu legen. Diese Ausdrucksweise erschien ihm selbst in dieser Welt äußerst seltsam.
 
Was….was tust du? fragte Rhea entsetzt als sie nicht länger die Kontrolle über ihren Körper hatte und Anna das Schwert auf den Boden fallen ließ. Ich hatte es zu Boden gedrängt! Ein letzter Hieb und… Doch Rhea gab es auf. Anna war wirklich keine Kriegerin. Sie hatte nicht den Schneid zu töten, ihren Vorteil auszuspielen.
Du bist keine Kämpferin Anna…Du bist es wirklich nicht…
Anna selbst sagte dazu nichts. Was sollte sie auch sagen? Sie wusste dass sie nicht kämpfen konnte.
Sicher, dieses Tier hatte sie und die anderen angegriffen. Es war richtig das Rhea eingegriffen hat! Doch Anna plagten einfach die Zweifel and er Richtigkeit dieser Tat. Sicher würde sich das mit der Zeit legen. In manchen Situationen musste man sich einfach verteidigen.
Blieb nur die Frage ob Anna lang genug in Rheas Körper stecken würde.

Die Verwandlung dieses Insektentieres verfolgten sowohl Anna als auch Rhea mehr entsetzt als verwundert. Kein Spinnendämon, wie Rhea vermutete, ein Gestaltenwandler.
Von diesen Wesen hatte Anna bisher nur in Fantasyromanen gelesen. Auf eine gewisse Weise haben sie sie immer fasziniert, doch diese Begegnung hätte ihre erspart bleiben können.
Als sich die Spinne langsam in einen Menschen verwandelte, überkam Anna ein leichter Brechreiz. Es sah abartig aus wie sich die Augen zurückbildeten und sich der Rest des Spinnekörpers krüppelartig zusammenzog.
Eine Beleidigung gegen die Natur! sagte Rhea empört Dieses Wesen spottet der Schönheit ihrer…
So ungern Anna es auch tat. Sie musste Rhea, in ihrer doch so arroganten Art über diese Spinne zu reden, Recht geben.
< Ja…> sagte sie innerlich. <…es ist…nicht schön…>
Was Anna noch die ganze Zeit beschäftigte: Wie konnte Rhea wieder Gewalt über ihren Körper gewinnen? Anna konnte sich nur daran erinnern, wie ihr plötzlich schwummrig wurde und dann…
Ich weiß es selbst nicht, Anna…Doch wir sollten froh darüber sein.

Wortlos wendete sich Anna ab und holte Skarto zurück. Das Pferd hatte wegen der Spinne gescheut und war ausgebrochen. Zum Glück nicht so weit, dass Anna es nicht wieder finden konnte. Rhea hätte ihr wahrscheinlich den Kopf abgerissen, wenn ihr geliebtes Pferd verschwunden wäre.
Sie führte ihn an den Zügeln zurück zu Ephilias und Kyle, als ihr Blick auf das Gebüsch fiel.
< Rhea…> rief sie sie an <…da im Gebüsch…da ist doch wer…>
 
Wie surreal.
Er lag auf dem Boden in einem Körper, der nicht seiner war. Eben war er eine riesige, blutdurstige Spinne gewesen, aber das zählte nicht - es erschien ihm mehr wie ein Alptraum. Der bohrende Hunger in ihm war allerdings ausgesprochen wirklich, und es war durchaus auch Schwäche zuzuschreiben, dass er nur mit äußerster Vorsicht und sehr, sehr langsam nach der angebotenen Hand griff.
Hände.. diese hier war alt und knorrig, von langer Wanderung gebräunt und überraschend stark für einen Mann, der sich eben noch vor Furcht nicht hatte rühren können. Ihr entgegen streckte sich eine schmalere, blassere Hand, vernarbt und zitternd, bevor Caruleus Griff sich darum schloss und den Gestaltwandler auf die Füße zog. Er stolperte etwas, fing sich aber rasch. Er versuchte, in den Gesichtern um ihn herum zu lesen, hielt aber keinem Blick stand. In den meisten davon malte sich deutlicher Abscheu in verschiedenen Schattierungen, teilweise mit unterschwelligem Mitleid. Beides keine Gefühle, die man gerne auf sich bezog, sodass er schließlich auf die Schuhe des Alten starrte. Ziemlich dreckig, aber immer noch besser als seine Augen. Er hatte das Gefühl, von ihm bis ins Innerste durchleuchtet zu werden, und eine schwer zu fassende Drohung lag darin - oder bildete er sich das ein? Er fühlte sich wie Samweis, der sich vor Gandalf fürchtete. Nur, dass man ihn nicht wirklich in ein Monster verwandeln konnte.. er war doch schon eines.
Die Frage. Er sollte sie beantworten, sonst gab er diesen Leuten einen Anlass, ihrer Verachtung Luft zu machen. Solche Situationen kannte er zur Genüge..
"Ich.." seine Stimme war ungewohnt, wie ein unvertrautes Instrument. Er wusste, wie man sprach und was er sagen wollte - aber als es darauf ankam, bleiben ihm die Worte im Hals stecken, er musste hervorhusten und von vorne anfangen. "Mein Name ist..." Ja, welcher eigentlich? Er hatte jetzt zwei.. aber du bist Luke Allen, verstanden? Nur, dass dein Tag heute noch mieser ist als sonst.. "..Luke."
 
Es war Unsicherheit, die Kyle da aus diesem Gesicht entgegenblickte. Unsicherheit und Verwirrung, wie er selbst sie seit seinem letzten Blick in sein Notizbuch permanent verspürt hatte.
Nicht direkt die Erkenntnis traf ihn, doch zumindest eine Andeutung davon, eine begründete Ahnung, wenn es so genannt werden konnte. Die Versuchung, eine weitere Frage zu stellen war groß, aber er hatte verstanden, was der Alte ihm mit seinen kryptischen Worten hatte sagen wollte. Kannst du mich hören? Er versuchte, diese Worte laut auszusprechen, doch dieses Mal wusste er, dass es nur der Alte hören konnte.
Es waren keine Worte, die Kyle als Antwort wahrnahm, doch auf irgendeine Weise spürte er die Bestätigung. Irgendwie scheinen hier ja massenweise Leute in anderer Leute Körper herumzurennen. Und auf mich wirkt unser neuer Freund nicht unbedingt heimisch …
Was er eigentlich wollte sprach er zwar nicht aus, doch er hoffte, dass es dennoch klar wurde.

Und seine Hoffnung wurde erfüllt, denn der Alte begann wieder zu sprechen. »Luke also. Aber ist das die Bezeichnung für dich oder für den Körper, der sich so appetitlich winden und wandeln kann?«
Sag mal, kannst du nicht einfach normal sprechen, wie jeder andere Mensch auch? Die Frage platzte einfach aus Kyle heraus. Er hatte versucht, sich zurückzuhalten, aber diese Ausdrucksweise, die der Alte an den Tag legte, war einfach zu seltsam.

>Kann denn eine Schneeflocke in einem Feuer existieren?<
Kyle wollte irgendetwas antworten, doch diese Aussage verschlug ihm erst einmal die Sprache. Was … was zum Geier soll das denn jetzt schon wieder sagen?
Doch dieses Mal kam keine Reaktion mehr, der alte Mann lächelte nur innerlich in sich hinein und schien den Studenten schier zu verhöhnen.
 
Mit weit aufgerissenen Augen starrte Lenya auf die Gruppe, die vor ihr stand.
So merkwürdig diese auch aussahen, sie hatten ihr indirekt das Leben gerettet.
Diese Spinne hätte Lenya verspeist, ohne dass es ihr richtig bewusst geworden wäre.
Einige der Gruppenangehörigen warfen ihr einen abschätzenden Blick zu, unterhielten sich dann jedoch wieder miteinander. Lenya hörte kaum auf die Themen ihres Gesprächs, doch sie versuchte, einzelne Namen aufzuschnappen, was ihr teilweise sogar gelang.
Sie hörte Namen wie "Fialtera" und "Anira", wobei diese ein Doppelname oder etwas ähnliches zu sein schienen. Jedenfalls fühlte die Person sich mit beiden Namen angesprochen.
Sie war es, die Lenya zuerst einen kurzen Blick zuwarf, und sich doch sehr über ihr plötzliches erscheinen wunderte.
Lenya wusste, dass es an der Zeit war, sich zu erklären.
Ohne auf das außergewöhnliche Äußere einiger Gruppenmitglieder zu achten, sagte sie in unsicherem Ton: ,,Guten Tag, mein Name ist..."
Sie schwieg. Welchen Namen sollte sie sagen ? Lenya oder Reanya ? Sie entschied sich dafür, es dieser "Anira Fialtera" gleichzutun.
,,Mein Name ist Lenya Reanya".
Sie fand diesen Namen klanglich mehr als miserabel, doch vielleicht würde es sie aus manchen schwierigen Situationen herausführen, wenn jemand sie erneut als Reanya erkannte.
Einige Mitglieder der Gruppe schauten sie verdutzt an, und wunderten sich wahrscheinlich, wieso sie hier verweilte und ihren Namen nannte. Lenya war bewusst, dass sie ihr Auftauchen erklären musste.
,,Ich bin auf dem Weg in die nächste Stadt, und habe mich wohl ein wenig im Wald verlaufen. Dann sah ich diese Spinne, und nun... bin ich hier. Könnt ihr mir helfen ?"
Die, die Lenya als Fialtera in Erinnerung behalten hatte, sagte angespannt: ,,Die nächste Stadt ist sehr weit entfernt. Ich glaube kaum, dass du dein Ziel unter zwei Tagen erreichst".
Lenya riss die Augen auf. ,,Aber der alte Wanderer hat mir gesagt, dass ich es noch bis zum Abend schaffen könnte, wenn ich mich beeile !"
Es folgte keine Antwort, und Fialtera wandte sich ab.
Lenya musste an Kevarams Worte denken. ,,Ich bleibe so lange in deiner Nähe, bis du eine Gruppe gefunden hast, der du dich anschließen kannst".
Ob er wohl noch immer in der Nähe war ?
Lenya bezweifelte dies. Vielleicht hatte Kevaram sie eine Zeit lang begleitet, doch nun befand sie sich bei einer Gruppe. Wahrscheinlich war er längst verschwunden. Der Gedanke stimmte sie traurig, doch sie wusste, dass sie sich einer Gruppe anschließen musste, um in dieser Welt einen Platz zu finden.
,,Darf ich euch begleiten ?" fragte sie abrupt in die Runde.
Die anderen unterhielten sich erneut, doch niemand antwortete ihr.
>Naja, zumindest sagt niemand "Nein"<
Unsicher blieb sie erstmal am Rand der Gruppe stehen.
,,Fi... Fialtera ?", fragte sie leise, und Fialtera wandte sich wieder ihr zu.
,,Darf ich euch begleiten ?"
 
Plötzlich wusste Anna gar nicht mehr, was los war. Wie aus dem Nichts kamen plötzlich überall neue Leute hinzu. Was zum Teufel war nur hier los?
Anna verlor einfach den Überblick. Für sie war das alles einfach nur unlogisch. Leute kamen, irgendwelche Wesen kamen, keiner wusste wer der andere überhaupt war. Plötzlich war diese Frau dazu gekommen. Wo her auch immer. Das war eindeutig zu verwirrend für Anna. Auch Rhea schien nicht wirklich durchzublicken.
Ein seltsamer Haufen. sagte sie. Aber wir sollten uns nicht damit aufhalten Anna. Wir sind kein Wanderzirkus sondern wollen nach Lexikona!
Anna nickte. Genau wie Rhea wollte sie endlich wieder ihren eigenen Körper haben, zuhause sein und ihr Leben weiter führen.
Sie sah zu Ephilias herüber, der zu dem Gazen wohl nichts zu sagen hatte.
„Ephilias?“ sprach Anna ihn an. „Wir sollten weiter….“
Innerlich stimmte Rhea Anna voll zu. Was sollte sich Anna mit diesen Leuten abgeben? Immerhin war nichts, was sie dazu verbinden würde. Von Kyle und Ephilias selbst abgesehen. Schließlich waren die beiden auch in einem Körper gefangen, der nicht ihnen gehörte. Eingesperrt mit dem Geist des eigentlichen Besitzers und sicher genau so geplagt wie Anna auch.
Ephilias nickte zustimmend und Anna holte Skarto um aufzusatteln. „Kylel!“ rief sie um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass sie weiter wollten. Doch auch die anderen sahen plötzlich zu Anna herüber ohne dass sie dies eigentlich erreichen wollte.
Tja, was sollte sie nun tun? Sagen, dass die drei weiter wollten und die anderen sich kümmern sollten wo sie bleiben? Angesichts der Tatsache, dass sie ihr nichts getan hatten etwas zu unhöflich und barsch. Nicht, dass Anna skrupel davor hatte so zu handeln. In ihrem realen Leben war sie bekannt dafür anderen Menschen zu zeigen, wenn sie ihr egal waren.
Rhea seufzte.
Anna…soll ich mit ihnen reden? Richtig, Rhea war Kriegsherrin. Sie wusste wie man die Menschen motivierte oder anredete. < Würdest du das tun? Aber wie können wir die Plätze tauschen? > Für einen kurzen Moment herrschte Ruhe. Rhea dachte wohl nach, gab schlussendlich aber zu: Ich weiß es nicht…Vorhin wurde es wohl von etwas ausgelöst. Ob es deine Angst war? Ich habe keine Ahnung. Aber du kannst mir nachsprechen…

Anna zog an Skartos Zügeln damit er ruhig blieb.
Leute, hört zu…
„Leute, hört zu…“
Ich weiß nicht, wer ihr seid…
„Ich weiß nicht, wer ihr seid…“
oder wo ihr herkommt…
„oder wo ihr herkommt…“
Doch das ist irrelevant.
„Doch das ist irrelevant.“
Das Einzige was zählt….
„Das Einzige was zählt…“
…ist, dass wir Lexikona erreichen.
„…ist, dass wir Lexikona erreichen“
Deshalb folgt mir oder geht Eures Weges.
„Deshalb folgt mir oder geht Eures Weges.“
Ephilias hier wird uns den Weg weisen.
„Ephilias hier wird uns den Weg weisen“

Anna deutete auf den Mann neben Skarto.

Mein Name ist Anna Nebrokova..
„Mein Name ist“ sie stockte „ Rhea d’Renouard….“

Nun stockte auch Rhea einen Moment. Doch sie fasste sich schnell wieder.

.. folgt mir, oder lasst es bleiben. Niemand wird es wagen, sich uns in den Weg zu stellen!
< Rhea, das ist keine Armee die du vor dir hast…>
„... folgt mir, oder lasst es bleiben…. Es wird schon alles gut gehen.“

Damit setze sich Skarto in Bewegung und ritt langsam vorwärts.
Wieso hast du meinen Namen als deinen Ausgegeben? fragte Rhea etwas verwirrt.
< Das hier, ist dein Körper, dein Aussehen, deine Fähigkeiten und deine Vergangenheit, die an diesem Körper hängt. Ich bin nur Gast…>
In dem Moment war Rhea schon ein wenig von Anna beeindruckt. Ihre Begründung war durchaus berechtigt. Nung gut, dann willkommen in dieser Welt, Rhea d’Renouard
 
Völlig aus ihrem Gespräch mit Fialtera gerissen, sah sie die junge Frau erst einen Moment fassungslos an, während sie ihr Gedächtnis nachdem durchwühlte, was die Frau gesagt hatte. Sie durchforstete noch einen weiteren Moment ergebnislos ihr Gedächtnis, als Fialtera ihr mitteilte, was die Frau gesagt hatte.

Während ihr Fialtera das vermittelte betrachtete sie die Werspinne, die sich mittlerweile zurückverwandelt hatte. Es war ein verstörender, aber unglaublich faszinierender Vorgang gewesen. Sie warf „Luke“ wie der Alte ihn genannt hatte einen Blick zu. Sie hatte noch nie von Werspinnen gehört, aber hier war wohl alles möglich.

Als sie es realisierte und die Worte in ihre Gedanken sickerten, weckten sie sofort ihr Misstrauen. Sie kannte diese Frau ja schließlich nicht. Allerdings kannte sie die anderen genauso wenig, aber die Stimme hatte gesagt, dass sie wichtig wären und gutgläubig wie sie nun einmal war…glaubte Anira der Stimme. Aber dieser Frau traute sie nicht. Sie traute ihr nicht über den Weg und das nicht wegen Fialteras Bemerkung, sondern weil es einfach ihre eigene seltsame Art war.

„Mich brauchst du da nicht zu fragen.“ Sagte sie nur etwas distanziert und zuckte mit den Schultern.

Ehe die Frau antworten konnte, begann die Kriegsherrin zu sprechen. Und sofort wusste Anira warum sie eine Kriegsherrin war. Sie hatte eine durchdringende Stimme die sich wie ein Pfeil in einen bohrte einem jedes einzelne Wort so klar und deutlich zu trug, mit einer solchen Macht, dass Anira sie nur bewundert ansah.

„Also ich komme mit.“ Sagte sie fröhlich – ihr Misstrauen war zwar noch da, aber ihre Frohnatur war mächtiger – und tänzelte leichtfüßig wie eine Ballerina hinter dem Pferd, dem Hutmacher und dem alten Mann her. Sie wandte sich Rhea zu.

„Sag mal woher kannst du eigentlich so überzeugend reden? Ich persönlich kann mich nicht erinnern in meinem Leben je so einer Person begegnet zu sein und ich habe in meinem Leben schon so viele Orte gesehen, wie Paris, Madrid…aber nie habe ich so einen überzeugenden Redner gesehen.“ Plapperte sie munter drauf los und ging in einem sicheren Abstand neben dem Pferd her.

„Meinst du wirklich, dass das klug ist?“ fragte Fialtera etwas angesäuert.
>Alter Spielverderber< sagte Anira und streckte Fialtera innerlich die Zunge raus…
 
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Rhea gefiel es ganz und gar nicht, dass diese Frau sie und Anna sofort Duzte. Ein gewisses Maß an Anstand setze sie einfach voraus. Dazu gehörte auch die Verwendung von ‚Sie’ beziehungsweise das ‚Ihr’. Auch Anna fand es recht übereilt, dass man sie sofort mit ‚du’ anredete. Immerhin kannte sie nicht einmal den Namen der Person vor ihr.

Als Anna ihr trotzdem antworten wollte, kam ihr plötzlich etwas seltsam vor. Sie konnte sich an jede Kleinigkeit in Rheas Leben erinnern. Wo und Wann sie geboren wurde, ihre Geschwister, die Kriege, einfach alles. Und sie verinnerlichte dieses Wissen. Doch Rheas Gefühle und momentanen Gedanken schienen ihr verwehrt zu bleiben.
In den Grübeleien darüber merkte Anna gar nicht, wie sie eigentlich aufhörte über die Antwort der Frage nachzudenken. Erst nach einigen Momenten kam sie wieder zu sich.
„Ich habe in meinen Leben genug mit Menschen zu tun gehabt um zu Wissen, was sie hören wollen. Hauptsächlich ist es meine angeborene Gabe, die mir Gott geschenkt hat.“ Sagte Anna und bemerkte plötzlich leicht erschrocken, wie ihr Geist sich mit Rheas vermischte.
Nein… widersprach Rhea in dem Moment. …Nicht vermischt… Du gibst nur meine Gedanken wieder… Seltsam, da Anna doch gar keinen Einfluss auf diese hatte. Vielleicht standen die beiden Frauen sich doch näher als sie anfangs dachten. Wer weiß, was noch alles möglich war. Trotzdem merkte Anna wie sie sich immer mehr Rheas Leben annahm. Vielleicht musste sie es akzeptieren, dass sie nun indirekt eine Kriegsherrin geworden war.

„Ihr wart in Paris?“ fragte Anna. „…Wann? Vor den Krieg gegen die Engländer? Wart Ihr bei der Schlacht um Orléans dabei?“ War das nun Anna oder Rhea die fragte? Die beiden wussten es selber nicht… Doch war das angesichts ihrer Situation noch relevant? …
 
Luke blinzelte verwirrt. Die Frage des Alten brauchte nicht etwa so lange, um in seine Hirnwindungen zu gelangen, es war eher die Tatsache, dass er seine Lage hier so akkurat ausgesprochen fand, ohne dass er selbst daran beteiligt war - was sollte er darauf sagen? Vorsichtig und mit einer Spur Trotz erwiderte er: "Ich sage die Warheit. Das ist mein Name."
Ein nicht unbedingt vertrauensseliger Blick kündigte weitere, unfreundlicher formulierte Nachforschungen an, aber das Glück schien etwas dagegen zu haben. Es unterbrach sie in der Gestalt der Frau in Rüstung - wobei jedoch sämtliche grauen Zellen "Kriegsherrin" schrien, sobald sie den Mund aufmachte. Es verblüffte und erschreckte Luke immer wieder, wie leicht es doch war, Menschen mit den richtigen Worten zu beeinflussen, ihn selbst eingeschlossen.
Damian rührte sich auch, allerdings erst bei ihren letzten Worten. Selbst Luke konnte den Hunger immer noch spüren, und sein bestialischer Teil stimmte innerlichen Jubel an in der Hoffnung, dass sich ihnen jemand entgegenstellte ... Während dem Menschen langsam übel würde.
 
Langsam zog der Nebel dichtere Bahnen und legte sich über den ohnehin dunklen Wald. Schon vor einiger Zeit hatte die seltsame Gruppe die Windmoore hinter sich gelassen, angeführt von einem wandelnden Hut.
„Nun ich fasse noch einmal zusammen“, erklang seine Stimme. „ Wir alle sind Autoren aus der Anderswelt, die nun in unseren Körpern gefangen sind.“
Anna blickte ihn verwirrt an verwirrt an. Dann ging ihr auf ,dass er mittlerweile fast vollständig mit seinem Trägergeist verbunden war.
„Er meint das wir alle in einen anderen Körper übertragen wurden.“ Der Rest nickte.
Ephilias bliebt stehen und sah zu Anna auf. „Ja das meinte ich“. Er wirkte gelassen und fröhlich. Für ihn schien es mittlerweile wirklich nur noch eine Reise zu sein.
„Und dieser Frosch kann uns wirklich helfen?, fragte die Dämonin, Fialtera war ihr Name, glaubte er jedenfalls.
„Nun meine Liebe, er müsste uns zumindestens sagen können, wie wir die Sache lösen.“ Bei dem Ausdruck „meine Liebe“ fröstelte er innerlich. Über die Jahre hinweg hatte er die eine oder anderen schlechte Erfahrung mit Dämonen gemacht. Dennoch wollte er ihr gegenüber die Höflichkeit wahren.
„Welch illustere Runde wir doch sind“, lachte der alte Mann von weiter hinten.
„Eine Kriegsherrin, eine Dämonin, eine Werrspinne, eine Revolverheldin, ein seltsamer Hutmacher, mich einen alten Mann und eine Frau deren Talent wir noch nicht erleben durften. Vorallem auf letztere bin ich gespannt“.
„Auch meine Talente habt ihr noch nicht erlebt guter Zauberer“, lachte Ephilias.“Ich bin kein einfacher Reiseführer und Weltenbummler. Doch alles zu seiner Zeit nicht wahr?!“. Bleibt nun dichter beisammen, wir erreichen bald das Zentrum der Nebelwälder, und man weiß nie wirklich wer auf einen wartet oder schlimmer wen man zufällig trifft.“
 
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