RPG Die Narthexfeder

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"Parallelwelten?", fragte er."Das ist ein gar seltsames Anliegen meine Holde."
Während Rhea abermals über Ephilias Ausdrucksweise lachte, fragte sich Anna ob er überhaupt verstanden hatte, was sie von ihm wollte.
"Ich falle vielleicht einfach mal mit dem Haus in die Tür", grinste er verlegen.
<Hab dir doch gesgat der hat einen Knall>lachte Rhea innerlich auf. Anna gebot ihr ruhig zu sein.
"Nur zu". Anna war gespannt was er sagen würde.
"Es gibt außer dieser Welt, noch die Anderswelt. Die ursprüngliche Heimat der mächtigen Autoren. Ich für meinen Teil bin Ephilias Hat, ein Wanderer und stetiger Reisender in dieser Welt, der viele Abenteuer erlebt hat. Abe rmein geist,meine Seele gehört jemandem aus der Anderswelt. Verrückt nicht wahr?"
Anna war wie vom Blitz getroffen. Konnte es möglich sein, dass sie nicht die einzige war, die sich plötzlich in dieser buzarren Welt wiedergefunden hatte?
"Mein richtiger Name ist Simon Page, Autor, wohnhaft in Toronto."
Ihr fiel ein gigantischer Stein vom Herzen und erfüllte sie mit neuer Hoffnung.
"Ich bin Anna, und ebenfalls Autorin."
"Mir scheint, dann kann es kein Zufall mehr sein, dass wir hier sind. Zwei Autoren, die sich in einer Welt der lebendigen Literatur wiederfinden. Noch dazu in einer die vielen alten Autoren als letzte Zuflucht dient."
"Woher wisst ihr das". Anna war neugierig geworden.
Ephilias klopfte sich an den Hut. "Mein neues Ich weiß es. Er ist, was ich an seinen Erinnerungen sehen kann, viel herum gekommen und kennt viele Orte und Wesen in diesem Reich. Eine Art Reiseleiter. Ihr meine Liebe scheint mir mehr die Kampferprobte zu sein."
 
Ein seltsamer Mann dass er einer wildfremden Frau ein solches….beklemmendes Geheimnis verrät. Pass auf Anna.
Anna zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. Irgendwie hatte Rhea Recht. Es war sicher nicht gerade klug, so offen mit dieser Situation umzugehen. Was, wenn dieser … Ephilias… Feinde hatte, die diese Situation ausnutzen wollten? Deine Überlegungen sind berechtigt… sagte Rhea kurz darauf. Viele sind vielleicht der Meinung, dass er so schwächer ist…insofern er das nicht so oder so schon war.
< Aber deine Feinde würden mich auch angreifen wenn sie mich sehen…>
Ja, das ist richtig. Aber wenn ich angegriffen …. Beziehungsweise du angegriffen wirst… Genau wie Anna konnte Rhea sich noch nicht an den Gedanken gewöhnen, dass sie jetzt zu zweit in einem Körper waren. …hast du immer noch meine Fähigkeiten, dich zu verteidigen. Anders als dieser…Mann da unten.
Es war wohl besser, dass Anna nichts zu Rheas herabgelassenem Kommentar sagte. Ein innerer Streit wäre in dieser Situation das Letzte was sie brauchen konnte. Stattdessen antwortete Anna einfach auf Ephilias’ …. Oder Simons….wessen Frage auch immer. Anna antwortete einfach.
„Ich? Nein. Ich kann nicht kämpfen. Ich kann auch nicht reiten. Aber die Besitzerin dieses Körpers konnte …“ KANN! „… kann es. Ich bediene mich lediglich ihrer Fähigkeiten und ihres Körpers. Unsere Geister sind noch immer getrennt.“

Was auch ganz gut so ist…. warf Rhea dazwischen.
< Warum?>
Sieh ihn dir doch an. Seine Art scheint mit der des Hutmachers verschmolzen zu sein. Er ist nicht mehr Ephilias oder Simon…Er ist eine Verschmelzung wie es scheint.
< …Sein Charakter geht verloren….> Anna Gesichtsausdruck nahm einen leicht bedrückten Ausdruck an.
Exakt. Und aus deinen Erinnerungen und Gefühlen schließe ich, dass du Wert auf Individualität und Natürlichkeit legst. Ehrenhafte Tugenden wenn ich bemerken darf.
Mit einem leichten, beinahe nicht wahrzunehmenden Kopfschütteln versuchte Anna sich wieder dem Menschen vor ihr zu widmen. Skarto begann bereits unruhig auf der Stelle zu traben.
„Aber im Grunde haben Sie Recht. Ich kann in diesem Zustand sehr gut kämpfen. So gut wie Rhea d’Renouard persönlich.“ In dem Moment scheute Skarto leicht, weswegen Anna fest an seinen Zügel zog und er leicht zur Seite rückte.
„Und sie …oder besser gesagt Ephilias war Reiseleiter? Wäre es dann vielleicht möglich einen Weg hier weg zu finden? Ich würde wirklich liebend gern nachhause….“
 
Das bizarre Schauspiel das sich vor Marys Augen abspielte, fesselte sie ängstlich an den Boden. Wie als wäre ihr ganzer Körper von einem Gift ergriffen verwehrten ihre Muskeln ihren Dienst und ausnahmslos alles war mit voller Aufmerksamkeit auf den gewaltigen Tornado gerichtet, der zunehmend intensiver rot aufleuchtete und breiter im Umfang wurde. Ein schwacher schwarzer Umriss setzte sich in dem schaurigen Farbenspiel ab und lies nur erahnen, was dort auf die beiden zu kam. Mary trieb es erste Tränen in die Augen, als der Wind nicht aufhörte über ihre Augen zu fegen. Gerade als sie dachte, sich bewegen zu können, als der Schockmoment überwunden war, überwältige sie der nächste umso mehr. Mit einem letzten gewaltigen Windstoß zerriss die Windhose mit einem heulenden Schrei und lies die Sicht frei auf den schwarzen Umriss.

Mary lies langsam Ihren Ellenbogen wieder an ihrem Körper herunter, den sie zum Schutz vor ihre Augen gerissen hatte und erschrocken weiteten sich ihre Augen. Vor ihr, genau an dem Fleck an dem das kleine Mädchen gestanden hatte erhob sich so eben ein humanoides, jedoch völlig unmenschliches und monströses Wesen. Noch nie hatte sie so etwas gesehen, sich hätte nicht einmal gewagt über so etwas nachzudenken. Der ganze Körper des Wesens war mit roten wulsten und Sehnen überzogen, die wie übertriebene, hutlose Muskeln wirkten. Die einzige Unterbrechung in dem Wirr war aus Muskeln, Knorpeln und Sehnen bildeten deplatzierte Mäuler die bepackt mit Zähnen bizarr aufgerissen waren. Auf dem Rücken des Wesens wimmelten zwei Tentakeln wie überdimensionierte Spinnenbeine an deren Ende lange stumpfe Mäuler auf Beute warteten. Auf dem Hals, der mindestens genauso lang wie ein menschlicher Arm war, posierten drei Köpfe die eine hundähnliche Form aufwiesen. Die bizarre Gestalt war scheinbar komplett von einem durchscheinenden Glanz überzogen, der wie ein Panzer wirkte.

Jeder der bizarren Münder kläffte und schrie wild in einem anderen Ton und ließ schier jedes Trommelfell in Reichweite vor Grausamkeit der Töne zerplatzen. Anira, deren Frohmut zunehmend Besorgnis und Ekel wich, stand fast ebenso erstaunt da wie Mary und konnte sich kaum rühren. Erst als Fialtera reflexartig die Schwerter griff, erwachte sie wieder zum Leben. Mary machte schockiert einen Schritt nach hinten, bis sie wie ein heftiger Schlag ins Gesicht von einer verschlingenden Müdigkeit ergriffen wurde und das Bewusstsein verlor. Der Körper kippte auf sein Knie. Ein Zucken in den Augen. Ein Schuss.

Fox stand auf, ihre Waffe war noch immer auf das Wesen gerichtet, dass unbeeindruckt von der Kugel weiter ächzte und schrie und blickte konzentriert auf die wilden Bewegungen der Kreatur. Sie konnte nicht einmal einen Kratzer auf der Brust erkennen, dort wo nun in Loch klaffen sollte. Nichts. Fox Geist, war zwar neben einem anderem in ihrem Körper gefangen, doch konnte sie gerade eben wie in einem verschwommenen Film alles mit ansehen und hören. Sie hatte es realisiert, jedoch nicht verarbeitet. Sie schluckte. Es war nicht der Zeitpunkt über sich über die seltsame Magie die hier im Gange war Gedanken zu machen. Ihr Herz raste. Es galt das Leben dieses Körpers zu retten. Ihre Augen fixierten die Kreatur. Das Hier und Jetzt zählte.

Und im selben Moment verstummte das Monster für einen kurzen Moment und lies mit einer rasenden Geschwindigkeit die Tentakeln wachsend in die Richtung von Fox schießen. Diese fokussierte einer der Tentakel und drückte ab. Mehrmals. Unter spritzendem Blut und einem seltsamen, grünen Sekret zerplatze dieser und ließ einen stumpfen Rest übrig. Der andere raste jedoch ungehindert auf die Schönheit zu und als ihr Körper dies bemerkte, war es auch fast zu spät. Fast. In letzter Sekunde raste Sonnenblut mit tödlicher Eleganz durch die rote Missgeburt eines Arms und zertrennte diese sauber.

Für einen kurzen Moment, blieben sie still liegen und ließen die beiden Frauen für einen Moment auf atmen. Gerade als Fox ein Wort der Dankbarkeit sprechen wollte, zuckten sie jedoch kurz verdächtig. Beide machten reflexartig einige Schritte zurück. Dann, ohne große Vorwarnung mutierten die toten Enden erneut, schneller und heftiger als zuvor. Und wo vorher ein Tentakel war, waren nun zwei. Mit einem gewaltigen Schrei des Monstrums wurden beide Körper erneut zu einem Beweis ihrer Fähigkeiten gezwungen.
 
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„Also das ist mit Abstand das Hässlichste Monster, dass ich je gesehen habe….und ich habe viele von ihnen gesehen.“ Murmelte Fialtera anerkennend. Anira starrte immer noch fassungslos auf die sich windenden Tentakel die erneut vorschnellten um nach den beiden zu greifen. Reflexartig übernahm Fialtera die Kontrolle und wirbelte anmutig durch die Luft um den Tentakeln auszuweichen.

„Das Vieh macht vielleicht Töne.“ Sagte sie und Anira die Fialtera vollends die Kontrolle überließ, war glücklich das sie nun dem Kampf entgehen konnte. Aber Anira spürte immer noch das Pochen in Sonnenblut, aber es sang anders als vorhin. Nun sang es, pulsierte in einem Takt mit ihrem schlagenden Herzen. Es fühlte sich nicht einmal mehr an wie ein Schwert….mehr wie ein verlängerter Arm, wie ein Teil ihres Körpers. Anira staunte, ihr war gar nicht klar gewesen wie sehr sie Schwert und Dämon aneinandergeschmiegt hatte, als sie ihr Buch geschrieben hatte.

Es war unglaublich…wie sehr die beiden eine Einheit waren und doch, gleichzeitig floss etwas vom Schwert auf sie über…eine Gier…eine Gier zu töten, im Blut zu baden und so lange zu kreisen bis kein Feind mehr auf den Beinen war. Ein seltsames und zugleich befreiendes Gefühl. Weiter kam sie mit ihren Gedanken nicht denn das Wesen veränderte sich weiter. Die Köpfe veränderten ihre Lage, zwei von ihnen wanderten seitlich zu beiden Seiten an den Kopf, oder jedenfalls daran wo der Kopf sein sollte und einer wanderte ein Stück nach unten. Stattdessen schob sich eine Schnauze aus dem Stumpf hervor, die erst größer wurde, und dann wie Blütenblätter auseinanderklappte um den Blick auf ein widerwärtiges Auge freizugeben mit einer sternförmigen Pupille in deren Mitte ein weiteres Auge lag. Fialtera blieb davon unbeeindruckt, aber Anira würgte innerlich.

„Du Mistvieh wirst immer hässlicher.“ Bemerkte Fialtera höhnisch. Wütend schrie das Wesen auf und diesmal waren es keine Tentakel die nach ihr griffen. Es waren Krallenbesetzte…was es war konnte sie nicht wirklich erkennen da hatten sie ihren Körper schon umklammert.
„Pff ich bin ein Dämon..weit kommst du…“ sie erstarrte. Eisige Kälte glitt von diesem Wesen auf sie ein und fesselte sie. Die Mäuler verzogen sich zu einem höhnischen Grinsen und das Wesen kreischte vor Freude. Dann krachte ein Schuss, in diesen seltsam grotesken Arm eines Wesens das menschlich war und doch irgendwie, so anders. Fialtera hatte Mühe nicht einfach dumpf zu Boden zu schlagen. Ihrerseits wirbelte sie nun Sonnenblut auf den Arm des Wesens der krachend zu Boden schepperte. Dann schoss ihr eine Idee durch den Kopf.
„Schnell Mary zerschieß den Stumpf!“ schrie sie fast….
 
"Nein nicht ganz. Aber er kam wirklich viel herum oder besser gesagt ich. Verzeiht ich versuche immer noch mich daran zu gewöhnen. Nun wo war ich."
"Reiseleiter und bo wir hier wieder weg können", warf Anna schnell ein. Sie hoffte das ihr gegenüber wegen der momenaten Situation des Körperwechselsn so konfus war und sich bald wieder besinnen würde.
"Achja richtig. Ich bin kein wirklicher Reiseleiter, bowohl ich mich dank meiner Erfahrung durchaus zu solch einem eignen würde. Dieser Terminus war jedoch mehr auf unsere soeben enstandene Reisegruppe bezogen. Seht ich bin jemand mit Erfahrung über Ort und Wesen, ihr jemand mit starker Klinge. Ich möchte nicht zu verrückt klingen, aber was wenn es noch andere gibt?"
Anna schluckte. Er hatte recht. Warum sollten nur sie beide hierher gekommen sein. Wenn sie bedachte, dass dies das Reich der Schrift war so das alles vielleicht eine ganz eigenständige Geschichte. Eine Gruppe wird gebildet und muss die Welt retten. Es klang so albern in ihren Gedanken, doch was war hier schon real oder ernst?
"Ich sehe der Gedanke trübt eure Seele euch", sagte Ephilias ruhig." Ich bin eben aus diesem Grund, auf den Gedanken gekommen den Allwetterfrosch aufzusuchen."
Rhea lachte. Er ist defintiv verrückt. Von soetwas habe ich noch nie gehört.Anna bat sie zu schweigen.
"Wie kann ein Frosch uns helfen nach Hause zu kommen?".
"Nun es ist nicht irgendein Frosch. Immerhin der Allwetterfrosch. Eine wirklich große und alte Kröte, ein bischen stur und eigensinnig aber weise und sehr gebildet. Er ist so etwas wie ein wandelnes Lexikon. Er gehört zu den Paradoxen."
<Oha>. Rhea war erstaunt.< Anna vielleicht ist er doch nciht so verrückt. Die Paradoxen sind eine sehr alte und mächtige Art innerhalb unserer Welt. Wenn er wirklich einen Paradoxen kennt und es überlebt hat, dann kann er uns vemrutlich doch helfen. Auf der anderen Seite erscheint er mir wirklich verrückt.>Anna wollte gerade gedanklich darauf eingehen, als der Hutmacher sie unterbrach.
"Nun meine Vererhte. Was haltet ihr davon diesen alten Frosch zu suchen?".
 
< Was hat es mit diesen Paradoxen auf sich? > fragte Anna Rhea und ließ Ephilias damit unwissendlich warten. Sie war erst seit einigen Minuten in dieser Welt und verstand das alles noch nicht. Im Moment war sich Anna nicht einmal wirklich sicher, ob das alles hier realität oder ein Traum war. Doch für einen Traum fühlte es sich einfach zu echt an….
Es würde zu lange dauern um es jetzt zu erklären. Sie sind mächtig. Einige auch gefährlich.
< Ich möchte es aber wissen….> Anna gab keine Ruhe. Warum sollte sie einen Begriff kennen, aber nicht wissen können was sich dahinter verbirgt? Sie hatte sich noch nie damit zufrieden gegeben, dass etwas so war wie es war. Nein, Anna wollte immer das Warum dahinter kennen. In diesem Fall, welche Rolle diese Paradoxen in dieser Welt einnahmen. Aber trotzdem ließ sich Rhea nicht überzeugen.
Jetzt ist sicher nicht der Augenblick dafür. Der Mann vor dir wartet auf eine Antwort. Tatsächlich stand Ephilias immer noch vor Skarto und sah Anna erwartungsvoll an. Ein geduldiges Kerlchen, mochte man meinen.
„Nun, ich weiß nicht was genau dieser Frosch darstellt. Aber er ist sicher hilfreicher als nur hier herum zu stehen und zu warten dass ich endlich aufwache.“ Sagte Anna entschlossen. „Am besten gehen Sie vor.“ Dann traten sie ihre Reise an.

Während Anna immer noch auf Skartos Rücken den Weg zurück legte, lief Ephilias neben ihr her. Anne versuchte die ganze Zeit, irgendwas aus Rhea über diese Paradoxen rauszuholen. Doch die Kriegsherrin blieb stur. Irgendwann verstummte sie völlig. Scheinbar fühlte sie sich von Annas Fragen genervt und schottete ihren Geist deswegen von Annas ab.
„Was für ein Weg liegt eigentlich vor uns, Simon…oder Ephilias?“ Sie wusste nicht so recht, wie sie ihn ansprechen sollte….
 
Fox sah aus den Augenwinkeln wie skurril deformierte Krallen auf sie zurasten. Unerschrocken und kalkulierend tat sie einen Schritt zurück, bis ihre Fersen an einem Baum zum Stehen kamen. In letzter Sekunde ließ sie sich nach hinten fallen, rollte sich über ihren Kopf ab und sprang erneut ins Stehen. Sofort raste ihr Auge erneut über die Kampffläche. Zwei der nun mit Stacheln besetzten Tentakel hatten sich mehrfach um den Baum gewickelt und heftig verkeilt. Die abartige Kreatur zog heftig daran, doch mehr als ein müdes knarren des Baumes war diesem nicht zu entlocken. Ihre Augen rasten weiter und erfassten Fialtera, die von den Krallen erfasst war und die von einem bläulichen Schimmer, den diese aussendeten, fast wie gelähmt erschien. Ohne groß zu zögern, feuerte Fox auf die Missgestalt, bis diese ihre Kampfgefährtin los lies.

Mit einer akrobatischen Leichtigkeit, die Fox so nur selten gesehen hatte, schleuderte Fialtera herum und zerhackte den Rest des Auswuchses. „Schnell Mary zerschieß den Stumpf!“, schrie die Frau zu ihr herüber. Fox bemerkte es erst gar nicht. Sie war so fixiert auf das Auge und die Mutationen, sie bemerkte es erst gar nicht. „MARY! SCHIEß!“, diesmal schrie sie richtig. Fox wirbelte mit ihrem Kopf herum. Meint sie sie? Wer ist Mary? Aber wen meinte sie sonst. Etwas irritiert erhob sie ihre Pistole und feuerte zwei Kugeln auf das Auge. Glatte Durschüsse, die hinter sich eine rot grüne Spur durch die Luft zogen. Alle Münder des Wesens schrien lauthals vor Schmerzen auf. Unter dem Zorn zerberstenden manche sogar, nur damit ein neuer Mund, der noch schrecklicher schrie, nachwuchs. Das Auge zappelte weiter wild umher und schien sogar weiter und weiter aus dem Körper zu wachsen. Ohne groß zu zögern wirbelte Fialtera hoch und begann einen enorm filigranen wie auch schnellen Spurt auf die Tentakel neben Fox zu. Mit einem eleganten Sprung landete sie darauf und preschte sicher auf das Monster zu. Immer wieder zischten die verdoppelten Mutationen des anderen Armes auf sie zu, doch Fox vereitelte ihre Angriffe immer und immer wieder in dem sie sie gnadenlos mit Kugeln durchsiebte.

Für Fialtera war es noch ein Schritt, bevor die Kreatur in Sprungreichweite war, als erneut eine Ranke auf sie zu schnellte. Fox fokussierte und drückte ab, doch nichts als ein müdes Klicken kam von der Waffe. Die Munition war alle und der Arm raste bedrohlich auf die gewandte Kämpferin zu. Gerade als die Klauen zugreifen wollten, rettete diese sich jedoch geschickt mit einem gewaltigen Satz auf das Auge zu, zog ihr Schwert in der Luft, dreht sich um die eigene Achse und ließ die kaltblütige Klinge gnadenlos in den Hals einsinken. Beidhändig griff sie nach der eleganten Klinge und riss sie einmal komplett um das Monstrum herum um sich danach heftig von der Brust der Bestie abzustoßen. Im Kniefall landete sie auf dem Boden, Sonnenblut war anmutig in die Höhe gestreckt und langsam tropfte das Blut daran herab. Fialtera würdigte die Kreatur keines Blickes und während Fox mit einer geübten Handbewegung das leere Magazin weg warf und ein neues aus dem Gürtel zog, beobachteten die scharfen Augen der Mörderin das Monstrum weiter. Es schrie und kreischte, mutierte und zerfiel, wuchs und verfaulte bis der immer ändernde Körper eine gewaltige Klaue aus dem Magen streckte und sie auf Fialtera zu rasen lies. Fox schoss auf das Gelenk und ließ die Hand in einer gewaltigen Fontäne von Blut und Schleim vom Arm abplatzen. Erneut kreischte das Monster auf, die Beine zerflossen zu fettigen Knorpeln und brachten es zu Fall.

Erneut erhob sich Fialtera und lief unbeirrt von all dem Getöse auf die letzten Überreste zu, auch Fox näherte sich. Nach einem zielenden Blick ließ der Dämon beide Schwerter in den Leib rasen und riss die fleischige Masse beiseite. Der Anblick auf das skurrile Herz das noch immer schlug und nun frei war, war so bizarr, dass sogar Fox ekel erregt aufblickte. Mit einigen Schüssen in Masse erstarben die letzten Schreie und der letzte Wiederstand. Es war tot und nichts als das leicht klirrende Geräusch der leeren Patronen auf dem Boden war zu hören.
 
Fialtera zog sich wieder in ihren Kopf zurück und Anira übernahm wieder die Kontrolle.
„So ein widerlicher, hässlicher Fleischklumpen.“ sagte sie und trat vorsichtig gegen die Überreste des Herzens. Das wiederum wurde immer schwärzer und stank erbärmlich bis es schließlich zu Staub zerfiel. Anira hielt Sonnenblut und Mondsichel noch immer in der Hand. Spürte das Bewusstsein der beiden und vernahm ihre Stimmen die so unterschiedlich waren.

Sonnenbluts Stimme war drängend, reizend und auch wenn sie keine Worte verstand fühlte sie was das Schwert ihr mitteilen wollte. Es wollte kämpfen, noch mehr Blut lecken. Sie sah an dem Schwert herunter. Das Blut das die Klinge verunzierte begann langsam zu verschwinden, so als ob das Schwert das Blut aufsog. Mondsichels Ruf war anderer Natur. Es sang beruhigend wie eine Mutter die ihr Kind im Arm wog, sein Bewusstsein war sanft, einfühlsam und lindernd. Sie wusste was es tat was es sagte, es linderte ihre Schmerzen, beschützte sie wie eine Mutter über ihr Kind wachte.

„Seltsame Schwerter.“ Murmelte sie und steckte sie zurück in ihre Schwertscheiden. Sie wollte sich schon abwenden von diesem Schauplatz des Grauens. Schwarzes Blut, zäh wie Öl bedeckte das Gras und kein Vogel durchschnitt die Stille. Leichenteile lagen überall verstreut, ein widerliches Bild und Anira wurde übel. Fialtera hingegen blieb völlig unberührt und Anira fragte sich wirklich was sie schon alles gesehen hatte. Ein Knacken zerschnitt die Stille und dann riss sie ein Windhauch fast mit.

„Was…“ setzte Fox an und ihre Stimme kam nicht weit. Ein weißes pulsierendes Licht erfüllte die Lichtung und unheimlich spiegelte sich das Blut überall.
„Bravo ihr habt tatsächlich bestanden.“ Begann eine Stimme, sanft, rein mit einer Weisheit die so erschreckend war, dass Fox und Anira die Stimme erstarb. „Und damit seid ihr würdig meine Einladung zu empfangen. So nehmet diese Botschaft mit auf euren Weg: Findet die Kriegsherrin und den Hutmacher und ihr werdet den nächsten Hinweis finden der euch zu dem bringt was ihr am meisten wünscht.“ Sagte sie ruhig und ohne Hast.

„Und wo finden wir die beiden?“ platzte es aus Anira heraus.
„Sucht in dem Ort, der sich an des Waldes Schatten schmiegt, wo Silber tanzt und das Ticken unbarmherzig weiterschlägt.“ Und damit verschwand das Licht und sie blieben allein auf der Lichtung zurück. Anira schüttelte den Kopf, dann musterte sie Fox misstrauisch. Die Frau hatte ihr geholfen, was wohl bedeutete, dass sie sich getäuscht hatte.

„Also dann, gehen wir?“ fragte sie Fox die darauf nickte.
„Als Fear sind wir schneller.“ Teilte ihr Fialtera in ihrem Kopf mit. <
Recht hast du> antwortete Anira ihr. Sofort spürte sie wieder das Feuer die Hitze und dann war es vorbei. Sie öffnete die Augen und sah wieder alles auf diese Weise, die sich so wenig beschreiben ließ. Fox wich erschrocken zurück. Anira machte einen Schritt in ihre Richtung und senkte den riesigen Kopf.

„Ich tu dir nichts.“ Schienen ihre Augen zu sagen. Und Fox verstand. Zögernd kam diese einen Schritt näher. „Du kannst auch gar nichts.“ Murmelte Fialtera in ihrem Kopf. Anira war verwirrt, aber dann spürte sie wie ihr Geist seine Fühler nach Fox austreckte. <Steig auf, oder bist du angewachsen.> sagte Fialtera zu Fox die daraufhin noch verwirrter war….
 
„Nun der Weg. Wir müssen durch den Wald des blutigen Mondes, vorbei an den Windmooren und dann noch einmal durch die tiefen der Nebenwälder. So bewegen wir uns nahe am Rand der Nebelhügel, welche zu überqueren viel zu gefährlich wäre.“ Ephilias blickte kurz zu Theophilus hinab un sicher zu gehen, dass er den Weg richtig beschrieben hatte. Keine Reaktion von seinem kleinen grünen Gefährten. Er hatte also alles richtig gemacht. Langsam bekam er ein Gefühl für die Erinnerungen und Gedanken seines Wirtkörpers. Simon war immer wissbegierig gewesen und saugte dieses neue beinahe arkane Wissen in sich auf. Von so etwas hatte er immer geträumt. Eine Welt in der als seine Fantasie ein Heim finden konnte, in denen er mit seinen Figuren reden und lachen konnte. Einzig seine Freunde von der Erde vermisste er. All diese herrlichen Namen. Aber er hatte keine Bilder vor Augen.


<Er will nach Lexikona. Die größte Seitling Stadt, die ich kenne.><Was sind Seitlinge Rhea?>
<Lebendes Papier. Sie haben viele Formen>.


Von Minute zu Minute wurde diese Welt seltsamer und unheimlicher. Mächtige Frösche, lebendes Papier, und ihr einziger Helfer war ein vermutlich geistesgestörter Hutmacher. Was hatte das Schicksal ihr nun angetan? Wenn es jemanden in dieser Welt gab, der in irgendeiner Form dafür verantwortlich war, so würde sie vermutlich Rheas Fähigkeiten gebrauchen um sich gebührend zu bedanken. Simon hingegen schien völlig mit Ephilias zu verschmelzen und zu einer konformen Einheit zu werden. Es stimmte sie traurig, dass ein Mensch vermutlich schon nicht mehr zu retten war. Dabei hatte ihr Abenteuer noch nicht einmal begonnen.


„Also reisen wir nach Lexikona?“,fragte sie.
Ephilias nickte und schritt an ihr vorbei.
„Auch und nennt mich Ephilias, mein kleiner Freund hier ist Theophilus
 
Anna warf der lustig grünen, kleinen Echse auf Ephilias’ Schulter einen entzückten Blick zu. Sie mochte kleine süße Tiere und dieses gehörte eindeutig dazu. Ob seine Haut sich wohl so schuppig anfühlte, wie sie aussah? Irgendwann musste Anna es einfach herausfinden.
Dann wendete sie ihren Blick, sowie ihre Gedanken von Theophilus ab und grübelte über die momentan wichtigen Dinge.
„Lexikona…“ murmelte sie vor sich hin. „Diese Welt hat echt seltsame Namen ….“ Aber was wunderte sie sich eigentlich? Diese ganze Welt war seltsam. Allein was mit ihr passiert ist, wie die Wesen hier waren und wie die Umgebung sich gestaltete…. So etwas kam nicht einmal in ihren, teilweise wirklich fantastischen, Zeichnungen vor. Teilweise wirkte das alles so übertrieben und unreal, doch im nächsten Moment bewies sich wieder, dass es sich einfach nicht um einen Traum handeln konnte. Was immer hier vor sich ging, es würde sehr lange dauern ehe Anna alles vollständig verstehen würde.

Dann drang plötzlich das Geräusch von mächtigen Schwingen in der Luft an Annas Ohr. Wie die Flügel eines mächtigen Greifvogels, verursachte das auf und ab eines Wesens der Luft, ein kraftvoll klingendes Geräusch.
„Hast du das gehört?“ fragte Anna zog kräftig an Skartos Zügeln, worauf hin das Pferd kurz schnaubte, sich sofort aber wieder beruhigte.
„Klingt ziemlich groß… größer als ein Vogel….“ Sie sah nach oben und suchte den Himmel nach dem Verursacher des Geräusches ab. Zuerst war weit und breit nichts zu sehen doch dann tauchte über den Baumkronen plötzlich dieses Wesen auf.
< Das ist doch….> Oui, du denkst richtig. Du hast dieses Wesen schon einmal gesehen
„Vorhin in Silberuhr….“
Anna erinnerte sich wie sie vor gar nicht langer Zeit, dieses Ding am Himmel entdeckt hatte und selbst Rhea nicht deuten konnte, um was es sich handelte. Ein Vogel war das nun wirklich auf gar keinen Fall.
„Ob es uns sehen kann?“ fragte Anna Ephilias, bekam aber zuerst von Rhea eine Antwort.
Ich hoffe doch nicht. Solange wir nicht wissen was es ist, sollten wir achtsam sein…Und ehrlich gesagt habe ich keine Lust diesem Geschöpf als Mahlzeit zu dienen.
 
Unsicher trat Lenya auf die Lichtung und bemerkte sofort die vielen Blicke auf ihrer Haut, die von den Fackelträgern kamen.
Die Frau mit den schwarzen Krausen Haaren schritt hastig auf die junge Frau zu und blieb erst wenige Finger breit vor ihrem Gesicht stehen.
Dann sprach sie, wobei sie jedes Wort ausgedehnt sprach. ,,Hallo Reanya !
Ich bin es, Hyra ! Kennst du mich auch nicht mehr ?"
Lenya fühlte sich mit jeder verstrichenen Sekunde verlorener. Sie wollte in ihre Wohnung zurückkehren ! Sie wollte erfahren, was überhaupt geschehen war ! Dies alles schien so echt, dass sie langsam aufhörte, an einen Traum zu denken, oder daran, dass Kevaram derjenige war, der verrückt war.
Es gab noch mehr Menschen, die sie zu kennen schienen, doch all diese Gesichter sagten ihr nichts.
Das Merkwürdigste war, dass sie selbst es war, die den Namen Reanya erfunden hatte. Er stammte aus ihrem selbstgeschriebenen Buch "Nächte des Vollmondes". Doch ansonsten erinnerte nichts an ihre geschriebenen Seiten. Die Umgebung war eine andere, die Personen kamen nicht vor, und auch Kevaram existierte nicht.
Doch trotz diesen Tatsachen schien sie sich förmlich in einer anderen Welt zu befinden. Obwohl dieser Wald normal erschien, unterschied ihn irgendetwas von anderen Wäldern. Lenya konnte nicht definieren, was es war, doch sie war sich sicher, dass es einen Unterschied gab.
Auf jeden Fall wollte sie herausfinden, wo sie war. Doch ehe sie über etwas anderes nachdenken konnte, kamen die anderen Menschen aus der Gruppe ebenfalls zu ihr und unterhielten sich mit Kevaram.
,,Und sie kann sich wirklich nicht an uns erinnern ?", fragte ein etwas rundlicher Mann mit einem kurzen braunen Bart.
,,Nein, Racon, wenn ich es dir doch sage !" entgegnete Kevaram und rollte die Augen.
Die Frau namens Hyra richtete ein schwarzes Auge auf den jungen Mann und sagte dann mit ernster Stimme: ,,Keva, was ist, wenn sie... nicht... sie ist ?"
,,Rede mal so, dass ich es verstehe !" maulte ein kleiner schmächtiger Mann mit Pferdeschwanz.
Hyra zischte kurz und fuhr dann fort. ,,Ich meine damit, dass es vielleicht nicht Reanyas Geist ist, der in diesem Körper wohnt. Ich hoffe, du hast es jetzt verstanden, Jarun. Ihr kennt doch alle die Geschichten von dunklen Wesen, die sich im Körper eines Lebenden einnisten und seine Gedanken kontrollieren".
Eine andere, schlanke Frau kam hinzu, die letzte Verbleibende. Nun war die Runde vollständig. Sie sagte: ,,Das muss aber ein ganz schön verwirrtes Wesen sein, dass sich dort eingenistet hat. Es kann sich selbst nicht mehr daran erinnern, wie es in den Körper gelangt ist".
Jarun und Racon lachten kurz auf, ehe Kevaram ein zorniges Schnauben ertönen ließ. ,,Das ist nicht die Zeit für Witze, Tavamea ! Wenn es tatsächlich ein dunkles eingenistetes Wesen ist, so hat es jetzt sowieso gehört, dass wir es ertappt haben. Aber daran denke ich nicht. Es muss einen Grund haben, wieso Reanya sich nicht an uns erinnern kann, und unser Ziel ist es, herauszufinden woran das liegt."
,,Das wird uns hier kaum gelingen, hier ist nur Wald !", meinte Tavamea und blickte gelangweilt auf die vielen Bäume.
Racon grinste kurz die anderen an, dann meinte er belustigt: ,,Wie wäre es, wenn wir Reanya mal zeigen, was auch sie ist ? Vielleicht wird sie sich wieder an alles erinnern, wenn wir ihr ihre wahre Gestalt demonstrieren !"
Gerade wollte Kevaram ihm widersprechen, doch schon veränderte sich Racons Körper, und Lenya stockte der Atem.
Aus der Kleidung des Mannes wucherte schwarzes Fell, während sich sein Gesicht merkwürdig verzog. Ein lautes Knirschen ertönte, und sein Körper wuchs innerhalb weniger Augenblicke auf eine beachtliche Größe an.
Das Gewand riss entzwei und gab die Sicht auf einen mit Haaren übersäten Körper frei.
Lenya schrie und suchte verzweifelt ein Stück abseits der Gruppe Schutz. Doch während sie angsterfüllt das Weite suchte, blieben die anderen an ihrem Platz stehen. Kevaram schaute genervt zu dem haarigen Untier auf, und Tavamea betrachtete noch immer gelangweilt ihre Umgebung.
Jarun wischte sich ein wenig staub von seinem Gewand.
Keinen schien die Verwandlung zu verängstigen. Alle betrachteten sie mit einer enormen Normalität, als ob Racon nie etwas anderes getan hatte.
,,Komm wieder zurück Reanya, Racon tut dir nichts" drang schließlich Kevarams Stimme an ihre Ohren.
Doch die junge Frau konnte nur voller Furcht in die glühenden Augen des riesigen Wolfes starren, der sich wenige Meter vor ihr aufbaute und den Kopf in Richtung Himmel hob, an dem der Vollmond seinen silbernen Glanz versprühte.
 
„Äh, was? Wie jetzt. Wo…?! Fox? Ich? Nein.“ Mary schüttelte heftig den Kopf. Wie das abrupte Ende einer halluzinierenden Droge war sie wieder in die unverschleierte Wahrnehmung gefallen. Einzelne Brocken des Geschehenen hallten vor ihrem geistigen Auge wie Bilder aus zu starken Farben vorbei. Sie war sich sicher nichts gesehen zu haben, es war als wäre wie ein Traum, man bemerkt ihn, doch man kann nicht eingreifen, man merkt in dem Moment nicht einmal, wie einem geschieht. Nicht einmal die abwegigsten Situationen und Gefühle kamen einem selbst unangebracht oder falsch vor. Mary schloss ihre Augen und atmete tief durch. Sie war gerade aufgefordert worden auf ein gewaltiges rabenähnliches Monstrum zu steigen, von einer Stimme, die von allen Seiten dröhnte, doch keinen Verursacher zu haben schien.

„Okay“, stieß sie dann in einem kurzen ungläubigen Ton aus. Was tat sie da gerade? Sie kraxelte mühevoll auf den gefiederten Rücken eines riesen, monströsen Raben, der vorhatte mit ihr wegzufliegen. Wohin überhaupt? Doch ehe sie es sich anders überlegen konnte, trug sie die gewaltige Kraft der starken Flügel in die Höhe. Mary war sich nicht sicher ob sie jetzt eher das erhabene Gefühl genießen sollte, oder die aufsteigende Übelkeit bekämpfen sollte. Sie entschied sich schließlich dafür, sich krampfhaft am Hals des Riesenvogels festzuhalten und einfach zu warten, was kommen würde. Mit geschlossenen Augen genoss sie das von der Sonne langsam erwärmte schwarze Gefieder und das Rauschen des Windes in den Ohren.

Die Gleichmäßigkeit und die Stärke mit der die Eindrücke auf sie wirkten, ließen Mary in eine fast traumartige Phase wechseln. Es reinigte ihren Kopf für kurze Zeit von all den Gedanken die wie Betonpfeiler gegen ihren Verstand hämmerten, als würden sie um Aufmerksamkeit streiten. Was hier nun wirklich los war, war ich ihr schlicht zu hoch und in diesem Moment der Wahrheit wurde ihr klar, dass sie es wie jeden anderen Traumauch behandeln sollte. Sie ließ es einfach über sich ergehen. Was blieb denn schon anderes übrig.

„DA!“, rief es erneut in dieser alles umfassende Stimme. Erschrocken richtete sich Mary auf und schaute entgeistert. „In deinem Kopf“, ertönte es genervt. „Oh“, sagte sich und akzeptierte diesen weiteren unglaublichen Fakt. „Das ist Silberuhr. Das muss das Mädchen gemeint haben. Ich geh runter.“ Und schon wenige Moment e später setzte das Ungetüm unerwartet sanft auf dem Boden auf. Etwas orientierungslos rutschte Mary von dem Rücken und schaute sich um.
 
>Eindeutig Persönlichkeitsstörung< murmelte Anira, als sie den verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte der jetzt auf Marys Gesicht stand. Anira ließ sich einfach treiben, überließ Fialtera völlig die Kontrolle über ihren gemeinsamen Körper. Es war ein angenehmes Gefühl, nichts tun zu müssen sondern jemand anderem die Zügel in die Hand zu geben. Sie konnte nachdenken, ohne dass sie sich Sorgen machen müsste es könnte etwas passieren. Kaum saß Mary auf ihrem Rücken, erbebte der ganze Körper – angespannt wie eine Katze vor dem Sprung.

Fear ging etwas in die Knie und stieß sich dann mit einer schier unglaublichen Kraft vom Boden ab. Vier Meter höher und um einiges schneller, entfalteten sich die riesigen Flügel und mit wenigen machtvollen Flügelschlägen waren sie über der Baumgrenze. Anira bewunderte die Kraft und die Eleganz die in diesem Körper steckte. Mit kräftigen Flügelschlägen stiegen sie höher. Die Sonne brannte wie Feuer auf dem schwarzen Fell und der Wind pfiff durch die Federn. Anira hatte sich nie freier gefühlt. Eine beeindruckende Leichtigkeit erfüllte ihren ganzen Körper und durchströmte ihn wie ein Fieber. Schnell glitten die Bäume unter ihnen hinweg als Fear auf Richtung Silberuhr zusteuerte. Es dauerte nicht lange bis sie den Ort erreichten.

Schnell wie ein Pfeil schossen sie über dem Dorfplatz in die Tiefe, die Flügel angelegt in einem freien Fall. Wenige Meter vor dem Boden bremsten die Schwingen dann ihren Flug und ließen sie sanft wie eine Feder zu Boden sinken. Kaum war Mary abgestiegen verwandelte sie sich zurück.

„Jetzt bis du wieder dran.“ Hörte Anira Fialtera sagen, als sie die Plätze tauschte. Die wenigsten Leute in ihrer Umgebung hatten auch nur den Kopf gehoben um zu sehen was los war.
>Sehen die wohl öfter< dachte Anira ehrfürchtig.
„Und wohin nun?“ fragte Mary kleinlaut, das Gesicht kreideweiß und die Augen vor Ungläubigkeit weit aufgerissen.
„Ich würde sagen da lang.“ Antwortete Anira und deutete auf einen Weg vom Dorfplatz weg.
>Muss ich da lang?< fragte sie Fialtera.
„Vertrau deinem Gefühl.“ Antwortete diese.
>Dann muss ich wohl da lang.< sagte sie Anira und stapfte los, gefolgt von einer offensichtlich verwirrten Mary…
 
Unwillkürlich begann er, das letzte Lied zu pfeifen, das in der Bar, aus der er kam, gespielt worden war, während er mit federnden Schritten den Bürgersteig entlang spazierte. Der Tag war wirklich perfekt für ihn gelaufen. Nicht nur, dass die Prüfung gut gelaufen war, nein, er hatte auch noch einige Stunden später eine sehr nette und äußerst gutaussehende junge Frau kennen gelernt.
Kyle ließ seine Hand in die Tasche gleiten und zog den kleinen Taschenkalender heraus, in den er sich die Telefonnummer notiert hatte. Eigentlich war es sinnlos, sie sich jetzt anzusehen, doch der Anblick der Zahlenfolge würde seine momentane Euphorie wohl nur noch weiter steigern.

Er ließ die Seiten einzeln an seiner rechten Daumenkuppe vorbei gleiten, bis er schließlich die Notizseite erreicht hatte, die er suchte.
Das Lächeln in seinem Gesicht erstarb schlagartig, als er das Buch schließlich aufschlug. Da war nicht die erwartete Telefonnummer, auch nicht der leichte Abdruck der Notizen auf der vorherigen Seite. Da war einfach nichts. Hastig blätterte er um. Und noch einmal. Nichts! Nicht einmal die hellgraue Linie, die sich eigentlich auf jeder Seite knapp unterhalb des oberen Randes entlang zog und über der die Seitenzahl stand.
Er klappte den Taschenkalender wieder zu und kniff kurz die Augen zusammen. Dafür gab es eine vollkommen logische Erklärung., redete er sich ein. Wahrscheinlich träumte er gerade schon oder er bildete es sich ein. Eigentlich hatte sich der Alkoholgenuss zwar in Grenzen gehalten, doch welche anderen Erklärungen könnte es schon dafür geben?

Er rieb sich die Augen, um die Müdigkeit los zu werden und öffnete sie schließlich wieder. Entsetzt starrte Kyle auf die Seite, die er aufgeschlagen hatte. Da waren noch immer keine Notizen, doch etwas anderes. Dort, in diesem unscheinbaren Taschenkalender, in dem eigentlich unter eine Telefonnummer, einige Notizen und die Termine der letzten Zeit stehen müssten, war plötzlich etwas anderes. Eine Geschichte … seine Geschichte!
Kyles Hochgefühl war weggeblasen, wie eine Serviette in einem plötzlichen Windstoß, und an dessen statt trat Schrecken, Überraschung … und Panik. Kalter Schweiß bildete sich auf seinem gesamten Körper und ließ sein T-Shirt unangenehm an seiner Haut kleben. Sein Atem wurde flach, als er immer noch die Seiten dieses Buches anstarrte.
Wie von einem Blitz getroffen zuckte sein Körper zusammen. Sein Gesicht verkrampfte sich zu einer abstrakten Grimasse, als sein Geist ihre Hülle verließ.

Er spürte, dass sein Körper zu Boden fiel. Doch anstatt, dass er auf dem harten, kalten Asphalt aufschlug, landete er auf einer angenehm warmen Wiese. Die saftigen grünen Grashalme kitzelten leicht an seiner Haut.
Kyle stützte sich mit den Händen auf dem Erdboden ab und versuchte, sich zu erheben. Es fiel ihm ungewöhnlich schwer, seine Knochen schmerzten dabei etwas, als würde es ihm einige Anstrengung abfordern.
Als er endlich auf seinen Beinen stand, klopfte er sich den Dreck von der Kleidung. Doch er trug nicht mehr die hellblaue Jeans, die er noch vor wenigen Sekunden angehabt hatte. Verwirrt und noch immer geschockt sah er an sich herab. Er war nicht nur anders bekleidet, auch seine Hände wirkten wie die eines Fremden. Sie waren nicht wie die eines 21 Jahre alten Studenten, viel eher gehörten sie einem alten Mann!
Ah, wie ich feststelle ist mein Geist nicht mehr so alleine hier, wie vor ein paar Minuten.
Noch verwirrter als zuvor runzelte Kyle die Stirn und sah sich um. Er befand sich auf einer kleinen Wiese neben einem Weg, der scheinbar zu einem Dorf führte. Doch niemand war zu sehen, von dem diese Worte hätten stammen können. »Wo … wo sind Sie?«, rief er, damit der Angesprochene ihn auch sicher hören konnte. Es war aber nicht seine eigene Stimme, die aus seiner Kehle kam. >Dieser Traum wird jeden Augenblick verrückter<, stellte er gedanklich fest.
Als Antwort hörte er zuerst das glucksende Lachen eines alten Mannes. Wo ich bin?, wiederholte er dann. Ich stehe weder vor, noch hinter dir. Ich bin in dir!
 
Mary trottete etwas verloren hinter der stolzen Kriegerin her. Ihr war überhaupt nicht klar, was sie hier suchten, warum sie diese Straße entlang gingen. Die Zeichnerin, hatte nichts mitbekommen, als Fox ihren Geist in ihrem Körper ausgebreitet hatte. Für Mary waren es nur seltsame Blackouts an die sie sich nur äußerst Schemenhaft und vor allem völlig unakustisch erinnern konnte. Alles was sich noch vor ihrem geistigen Auge wiederspiegelte, waren verschwommene Bilder mit vielen Schlieren und deren Farben, wie durch Opiate, in hellem Licht erschienen. Manche Flecken ihrer Erinnerungen waren auch gänzlich von schwarzen Flecken überzogen, als wollte Fox nicht, dass ihre Mitbewohnerin in diesem Körper, den Anblick teilte. Aber wusste sie überhaupt was los war? Bekam die Killerin mit, was Mary jetzt erlebte? Für einige Minuten schweifte Mary ins fast schon philosophische ab und dachte darüber nach, wie sich jetzt wohl ihre Schöpfung, also Fox, fühlte. War Mary ein Eindringling? Oder war es wie eine Beanspruchung ihres Eigentums? Vielleicht war sich Fox ja auch bereits jeglicher Konsequenzen bewusst. Vielleicht wusste sie ja um die Ankunft Marys? Vielleicht…

Mary räusperte sich und begann dann leise zu sprechen: „Ähm. Wo… Wo gehen wir eigentlich hin?“ Doch Fialtera schien sie nicht bemerkt zu haben. Mit einigen schnellen Schritten schloss sie zu der Frau auf, sodass sie direkt neben der Kriegerin her lief. Diese dreht langsam ihren Kopf und schaute auf Fox‘ Körper herab. Mary schaute in die schwarzen Augen und Ehrfurcht beschlich sie. Sie wusste nicht warum, aber die Kämpferin wirkte so zielsicher und bestimmt auf den kleinen Geist der Zeichnerin, dass sie zutiefst beeindruckt von ihrer Erscheinung war. Dann erhob sie ihre Stimme erneut und fragte erneut: „Wohin gehen wir eigentlich? Was“, sie stockte kurz, „was wollen wir an diesem seltsamen Ort?“

Und ja, dieser Ort war seltsam. Es begann schon beim Boden, der die Wege bildete auf denen sie liefen. Es waren tausende Uhren aus scheinbar reinem Silber, die so eng aneinander gepackt waren, dass sich der Laufkomfort kaum von normalem Parkettboden unterschied. Auch die Häuser wirkten in ihrer Erscheinung eher surreal als wirklich erklärbar. Während ihr Fundament teilweise erschreckend klein war, ragten Die Dächer über gewaltige Flächen. Es wirkte wie ein Fehler in der Perspektive und fast jeder Betrachter des skurrilen Schauspiels begann verwirrt den Kopf zu drehen und zu wenden, doch der Knick in der Optik hob sich nicht auf. Auch interessant war, dass der Abstand zwischen den Häusern trotz des großen Unterschieds von Fundament und Dach, kaum größer war als ein Meter.

Anira schaute Mary verwirrt an. „Naja: Sucht in dem Ort, der sich an des Waldes Schatten schmiegt, wo Silber tanzt und das Ticken unbarmherzig weiterschlägt. Klingelt da was? Schon wieder vergessen?“ Während Anira zwar wohl über das Persönlichkeitsproblem in Fox Körper Bescheid wusste, war ihr in diesem Moment nicht klar, dass die, die nicht aktiv war, nichts vom Geschehen mitbekam. „Nein, nichts klingelt“, meinte Mary etwas eingeschüchtert und schaute zu Boden. Nach einem kurzen Moment des Schweigens betrachtete sie erneut die Kriegerin neben ihr. „Ich habe das noch nie gehört. Wirklich nicht. Was hat es zu bedeuten?“ Etwas genervt über die Frage, verwirrt über das Wirrwarr in Fox‘ Kopf und belustigt über die kindliche Neugier, die sich nun auf Marys Gesicht gelegt hatte, antwortete Anira schließlich in einem neutralen Ton. „Du hast in letzter Zeit Blackouts, oder?“ Langsam wurde der Schriftstellerin klar, was sich in den Untiefen des Gehirns der Person ihr gegenüber abspielte. Während Fialtera mit dem Begriff nichts anfangen konnte, fuhr Anira fort, „also da war ein Mädchen und ein Monster und nachdem dieses Mistvieh“, Anire kamen die Bilder der Kreatur wieder vor Augen und ihr wurde kurz etwas unwohl, „erlegt war, sprach dieses Mädchen eben jenen Satz. Und dann noch: Findet die Kriegsherrin und den Hutmacher. Tja und nun sind wir hier, der Ort stimmt wohl, aber diese Leute sind nicht da.“

Mary schaute die Frau mit großen Augen an. Einerseits war sie begeistert über die Informationen, andererseits konnte sie kaum fassen, dass ihr Gegenüber über ihre Aussetzer Bescheid wusste. Nach einer kleinen Überlegung schlussfolgerte sie daraus, dass Anira auch wissen müsste, was mit ihr in dieser Zeit geschah. Gerade als sie fragen wollte, zog eine krächzende Stimme ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ein kleiner Mann, sicherlich nicht größer als ein Meter, stand vor ihnen. Sein Kopf war geziert von einem Hut, der an die zwei Meter in die Höhe ragte und dasselbe geometrische Phänomen wie die Häuser in dieser Stadt aufwies. Der Zylinder war in lila und grünen Karos angemalt und der kleine koboldartige Mann darunter trug einen knallgelben Anzug und eine gewaltig große Brille. „Nun“, sagte er und räusperte sich vornehmlich, „ihr habt um meine Hilfe gebeten? Wie kann ich euch helfen, meine hübschen Damen?“ Die eben benannten Frauen schauten sich verwirrt an und gerade als Anira anfieng: „Ähm, wir haben eigentlich gar…“, fiel er ihr ins Wort, „Jaaaajajaja“, meinte er und wurde gegen Ende leiser, „das dachte ich mir. Nun die Antwort ist sowohl interessant wie auch verwirrend, doch ich bevorzuge ohnehin keine Frösche zum Frühstück.“ „Äh bitte was?“ entfuhr es Anira. Der kleine Mann fuhr zurück und schaute sie bestürzt an. „Mädchen!“, rief er bekümmert, „Mädchen! Mädchen! Nein, nein, nein! Das ist falsch! Man fällt dem alten Bob nicht ins Wort! Nicht wenn er von Fröschen erzählt! Denn das ist was ihr wollt! Den Frosch.“ Während Anira einfach nur mit leeren Augen und einer entsetzten Miene auf den Mann starrte, schien Fialtera vor Lachen schier nicht mehr atmen zu können.

„Nun, nun, nun, nun!“, meinte dieser, „ich weiß nicht wo er ist. Und sie weiß es auch nicht. Er auch nicht. Peter auch nicht. Aber das Chamäleon weiß es! Jawohl! Und das ist beim Hutmacher!“ Als er geendigt hatte schloss er seine Augen und setzte einen stolzen Gesichtsausdruck auf, als wäre er stolz auf sich selbst, dass er dies wusste. „Was!“ rief Anira auf, „der Hutmacher?“ Sie war wieder voll da und ihr Ausdruck ernst, „wo ist er?“ Die Situation war so abartig und seltsam, dass es einfach kein Zufall sein konnte, dass bei zwei seltsamen Gestalten über den selben Mann gesprochen wurde „Tjahahahahaha“, meinte der Mann und applaudierte sich selbst vergnügt. „Er war eben noch hier! Doch nun ist er es nicht mehr. Wer weiß, vielleicht ist er auch schon gestorben und spielt nun mit dem großen Meister der Kaulquappen Skat! Vielleicht ist er aber auch zum Krümelmonster aufgestiegen, dieses steht ja eher auf Mau-Mau. Aber nein, ein Hutmacher kommt sicherlich zum Gürtelschnallen-Joe. Aber ich weiß gar nicht mehr, was dem so spaßmacht. Hm…“, er verfiel in Schweigen und machte einen angestrengten Gesichtsausdruck während er sich am Kinn kratzte. Nach einigen Minuten Stille, meinte Mary dann ironisch: „Vielleicht auf Tontaubenschießen?!“ „Aber ja! Natürlich! Wie konnte mir das nur entfallen“, und während er vergnügt auf und ab hüpfte, schaute Mary nur noch verwirrter zu der Frau neben ihr. „Wie konnte mir das nur entfallen! Wie, wie, wie, wie! Nunja. Ihr hattet eine Frage? Nun wie kann ich euch helfen?“

Anira blendete kurz Fialtera, die nun endgültig am Lachen zu kollabieren schien, aus und sagte mit strapazierten Nerven: „Wo ist der Hutmacher?“ „Nun!“, begann der kleine Mann, „folgt einfach diesem Weg, wenn ihr euch ein wenig beeilt holt ihr ihn ein. Aber bevor ich euch sage, wo er ist, erzählt mir einen Witz.“ Genervt warf Anira eine Hand ins Gesicht und verdrehte die Augen. „Äh. Ihr habt uns bereits gesagt, wo er ist.“ Die Miene des Kleinen fror ein und wurde ernst. „Was? Wirklich?“, dann hellte sie sich wieder auf und mutierte zu einem lauthalsen Lachen, „was für ein fabelhafter Witz. AHAHAHA!“ Er lachte immer lauter, bis sein ganzer Körper darunter bebte und er umfiel. Doch selbst auf dem Boden, lachte er immer weiter und weiter und das wirklich herzhaft. Mit einem verzweifelten Grinsen schaute Mary zu Anira und wie abgesprochen begannen die beiden dem Weg zu folgen, während das Lachen des Mannes mit zunehmender Distanz immer leiser wurde.
 
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Reaktionen: Ragnar und Solon
„Diese Welt ist voll von Irren.“ Murmelte Anira, immer noch etwas genervt. Sie hörte Fialtera noch immer lautstark lachen und fragte sich ernsthaft, ob sie das nicht einfach abstellen konnte. Dazu kam noch die Tatsache, dass jede Uhr die den Weg pflasterte, munter vor sich hin tickte in einem gleichmäßigen monotonen Ticken. Aber sie blieb nicht lange genervt. Stattdessen bewunderte sie lieber die Gebäude, die jede Form der Schwerkraft zu ignorieren schienen.

Diese Welt war wirklich wunderbar, auch wenn sie voll mit Verrückten war. So viel interessanter, als Chicago oder das Haus in dem sie gelebt hatte. Ihr bisheriges Leben war gegen das hier gar nichts. Absolut und wirklich nichts. Sie begann mit Fialteras melodischer Stimme zu pfeifen, ohne auf Mary zu achten, die immer noch völlig verwirrt schien.

„Was ist eigentlich ein Blackout?“ fragte Fialtera auf einmal. Jetzt war es an Anira los zu lachen. Die Art wie Fialtera das Wort aussprach war einfach göttlich.
>Das ist wenn jemand Erinnerungslücken hat< erklärte sie grinsend.
„Und wozu dann dieses umständliche Wort?“ fragte Fialtera missgelaunt, sie hatte den Witz offensichtlich nicht verstanden.

>In meiner Welt sind solche Worte normal< antwortete Anira und unterdrückte ein Kichern.
„Seltsame Welt.“ Murmelte Fialtera. Anira war wieder gut gelaunt. Es war doch schon ein Wunder, dass sie hier war, noch dazu in ihrer eigenen Figur. Hach das Leben konnte schön sein. Sie verließen den kleinen Ort, auf dem von dem Mann beschriebenen Weg und landeten auf einer Grasebene, dessen Gras so grün war, dass es fast in den Augen schmerzte. Anira meinte mit Fialteras Augen tatsächlich jemanden in der Ferne zu sehen. Aber vielleicht täuschte sie sich auch nur...
 
»Was soll das heißen, ‚Sie sind in mir’?« Kyles Augen waren noch immer geweitet und spähten in die Ferne. Irgendwo musste dieser Kerl doch stecken! Doch es kam keine Antwort, nur ein merkwürdiges, fast schon kindliches Gelächter.
Kyles Verwirrung blieb zwar nach wie vor erhalten, doch sie schien ein Stück zur Seite zu rücken, wenn auch nur, um etwas Platz für Wut zu schaffen. Allmählich kam er sich wirklich auf den Arm genommen vor und zu der ohnehin schon beinahe unzählbaren Anzahl an Fragen in seinem Kopf kam eine weitere hinzu. >Was zum Teufel denkt der Kerl sich eigentlich?<
Doch er erkannte, dass es wenig Sinn hatte, weiter so auf Distanz mit diesem Menschen zu reden. Langsam setzte er sich in Bewegung und ging einige Meter in eine scheinbar willkürliche Richtung. Mit der Zeit beschleunigte er seine Schritte und ging auf den Weg zu, der sich an der saftigen Wiese vorbeischlängelte wie ein kleiner Gebirgsbach, der sich seinen Weg durch ein Geröllfeld suchte.
Er stolperte und wäre beinahe wieder gestürzt, als er auf etwas Rundes trat, das unter seinen Füßen wegrutschte. Kyle fing sich gerade noch und drehte sich um, um das Objekt zu untersuchen. Seine Knochen knackten unangenehm, als er seinen Oberkörper nach vorne beugte.
Er stellte fest, dass es sich um ein Stück Holz handelte, vermutlich ein abgebrochener Ast, und wollte sich schon wieder umdrehen, doch etwas an diesem Ding erschien ihm unnatürlich. Ächzend bückte er sich und hob den Stock auf. Jetzt erkannte er auch, was ihm so seltsam vorgekommen war. Es handelte sich nicht um einen zufällig abgebrochenen Ast, sondern um eine Art Gehhilfe. Eine Geschnitzte Form bildete das obere Ende, die ermöglichte, dass der Stock einigermaßen bequem in der Hand lag.
Kyle drehte den Stock kurz in der Hand, um ihn sich anzusehen. Dann setzte er das andere, leicht spitz zulaufende Ende auf den Boden und stützte sich probehalber darauf, um zu prüfen, ob das Holz sein Gewicht aushalten würde. Wer wusste schon, wie lange der Stock schon hier herumlag?
Doch es schien stabil zu sein, weshalb Kyle wieder weiter ging. Der Körper, in dem er sich befand schien tatsächlich recht alt zu sein, sodass der Stock wirklich eine große Hilfe beim Gehen darstellte.

Mit wachsamen Augen ging er den Weg entlang. Wie es schien waren seine Augen auch nicht mehr die besten, denn mit zunehmender Entfernung verschwamm sein Blick immer weiter.
Obwohl er sich beeilte, kam Kyle nur recht langsam voran. Dieser Körper war wirklich nicht in der Blüte seiner Jahre …
Er drehte seinen Kopf immer wieder zur Seite, sobald er an einem Baum oder einem anderen potenziellen Versteck vorbei kam. Doch den Ursprung dieser etwas hämischen Worte fand er nicht. Stattdessen meinte er, eine verschwommene Silhouette vor ihm erkennen zu können.
Mit zusammen gekniffenen Augen versuchte er, zu erkennen um was es sich handelte. Sein Blick klarte zwar nicht um nicht viel auf, die Schemen waren noch ziemlich weit entfernt, doch zumindest erkannte er, dass es eigentlich zwei waren. Und dass sie sich bewegten!
»Hey!«, rief Kyle, so laut es sein Körper zuließ. »Hey, warten Sie!« Er konnte nicht genau erkennen, ob die beiden Menschen ihn gehört hatten, doch sie schienen sich ohnehin nicht sonderlich schnell zu bewegen, es sollte ihm also möglich sein, sie einzuholen.

Und tatsächlich. Es dauerte zwar etwas, doch er näherte sich den beiden immer weiter. Immer mehr Details wurden klar, sodass er mittlerweile schon erkannte, dass es sich um einen Mann und eine Frau zu handeln schien, die auf einem Pferd saß.
Sobald er sich sicher war, dass er in Hörweite war, rief er erneut und diesmal schienen sie ihn wirklich zu hören, denn sie blieben stehen und wandten sich um.
»Entschuldigung, aber können Sie mir möglicherweise sagen, wo wir uns hier befinden?«, fragte er, als er zu ihnen aufgeschlossen hatte.
 
Anna es nützt nichts, wenn du hetzt. Dieses Wesen ist in die andere Richtung geflogen.
Anna trieb Skarto an, schneller zu laufen. So schnell, dass Ephilias noch mithalten konnte aber es trotzdem zügig voran ging. < Verzeihung wenn ich NICHT an den Anblick solcher Viecher gewöhnt bin…>
Meine Güte Anna….
<Nicht, ‘Meine Güte’!>
Wäre Rhea in der Lage gewesen, ihren Körper noch zu kontrollieren, hätte sie in den Moment die Augen verdreht. Sie konnte nicht nachvollziehen, wieso Anna eine solche Furcht vor diesem Wesen hatte. Was sie aber nicht bedachte: Rhea war Kriegsherrin, konnte kämpfen und hatte schon viel gesehen. Anna konnte all das nicht von sich behaupten. Ein Wesen dieses Formates, hatte sie vielleicht einmal gezeichnet aber mehr auch nicht. Das größte Lebewesen, was sie jemals gesehen hatte war ein Blauwal doch selbst der hang tot und präpariert in einem Museum.
Nicht alle Wesen sind das, was sie zu sein scheinen, Anna. Manch großes Ungeheuer ist so zahm wie eine Schmusekatze, während ein kleines, unscheinbares zu einem tödlichen Raubtier werden kann!

Währens Skarto über die Wiese trabte, bemerkten weder Anna noch Ephilias die Rufe eines fremden Mannes. Erst nach einiger Zeit drang seine Stimme an Annas Ohr.
Skarto stoppte und Anna hieß ihn an, sich um zu drehen. Er war zwar noch entfernt aber Anna erkannte einen alten, an Stock gehenden Mann, der sich für seine Verhältnisse schnell näherte.
Sicher ein Bettler bemerkte Rhea spottend Geben wir uns nicht weiter mit ihm ab. Reite weiter Skarto!
Doch Skarto hörte nicht auf Rhea. Wie auch? Er konnte sie ja nicht hören.
< Du vergisst, dass du nur noch in meinem Kopf bist. Und dein Pferd kann wohl kaum Gedanken lesen. Außerdem ein bisschen mehr Respekt bitte. Selbst wenn das ein Bettler ist, muss man ihn noch lange nicht so hochnäsig behandeln!>
Anna wartete also ab, bis der alte Mann sie erreicht hatte. Er sah nicht aus wie ein Bettler, eher wie ein verrückter Wissenschaftler oder so was. Jedenfalls wirkte er ziemlich konfus.
Halte mich ruhig für hochnäsig, Anna. Aber ein Mensch, der nicht mehr geschafft hat als in den Stand eines Bettlers zu kommen, verdient nicht mehr Respekt als ihm zusteht. Irgendwann wirst du das auch einsehen.
Rheas Worte ignorierend, versuchte sie auf die Frage des alten Mannes zu reagieren.
Sie fing an zu lächeln und antwortete freundlich: „Wir sind in der Nähe von Silberuhr, einem kleinen Dorf.“ Eigentlich wollte Anna noch nicht aufhören zu sprechen doch mitten im Redefluss fiel ihr auf, dass sie selbst nicht mehr wusste. Etwas schüchtern gab sie also zu: „Mehr kann ich Ihnen aber leider auch nicht sagen…“
 
Noch immer starrte Lenya auf den riesigen Wolf, der sich vor ihr erhob. Doch lange hatte sie nicht mehr Zeit, um sich vor ihm zu fürchten, denn schon wurde sie von Kevaram zurückgezogen und er warf seinen Freunden einen Blick zu. Jeder schien die Geste verstanden zu haben, und der Werwolf zog sich einige Meter zurück.
Lenya wurde von Kevaram ein Stück zurück in den Wald gebracht, wo er sich direkt vor sie stellte und die Stirn runzelte.
,,Du kannst dich wirklich nicht mehr an uns erinnern, oder ?"
,,Wenn ich es doch sage !" rief Lenya verzweifelt.
,,Ich möchte nur nach Hause ! Ihr alle seid vollkommen fremd für mich, und ich habe wirklich keine Ahnung, wo ich bin ! Was geht hier vor sich, und wieso ist aus deinem Freund Racon plötzlich so ein Monster geworden ?"
Kevaram blickte noch einmal zwischen die Bäume hindurch. Seine Freunde unterhielten sich angeregt und Racon saß schwanzwedelnd im feuchten Gras.
,,Wir sind Werwölfe, dass sagte ich doch bereits", begann Kevaram. ,,Du solltest aufhören, dies alles für einen schlechten Scherz zu halten, Reanya. Wir sind heute Nacht hier, weil wir jede Vollmondnacht in die Wälder verschwinden, damit die Menschen uns nicht zu Gesicht bekommen. Sie würden uns aus dem Land jagen wollen, und deshalb können wir nur tagsüber die Städte besuchen. Du kannst eigentlich froh sein, dass es Nacht war, als du den Gedächtnisschwund erlitten hast, denn so habe ich dich gleich gefunden. Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn du blind in eine Stadt gelaufen wärst, und dich plötzlich verwandelt hättest. Du wärst vermutlich gestorben, bevor du einen Atemzug getan hättest".
Lenya starrte Kevaram unverwandt an. ,,Das bedeutet, dass auch ich mich in einen dieser Wölfe verwandeln kann ?"
,,Da du dich an nichts mehr erinnern kannst, wirst du dich bei der nächsten großen Gefahr, vor der du dich befindest, verwandeln. Vorausgesetzt, es ist Nacht, und der Vollmond scheint.
Sobald du diese, für dich erste, Verwandlung hinter dich gebracht hast, kannst du in jeden weiteren Vollmondnächten selbst entscheiden, ob du dich verwandeln möchtest oder nicht. Zumindest gehe ich von diesem Konzept aus. So war es bei uns allen, doch ich habe auch noch nie einen Werwolf mit Gedächtnisverlust getroffen".
,,Und was soll ich jetzt tun ?", fragte Lenya flehend. ,,Wo soll ich hingehen ? Wo wirst du hingehen ?"
,,Ich werde, sobald es Morgen ist, zurück in die Stadt gehen. Doch du kannst mir unmöglich folgen. Es ist wichtig, dass wir alle getrennte Wege gehen, damit wir keine Aufmerksamkeit erregen. Es ist schon seltsam genug, dass ständig mehrere Leute im Wald übernachten. Wenn sie uns dann auch noch gemeinsam sehen, wird schnell der Verdacht auf eine Sekte auf uns fallen, und man wird uns auslöschen wollen".
,,Wieso verwandelt ihr euch überhaupt, wenn ihr es kontrollieren könnt ? Bleibt doch einfach in der Stadt und führt ein Menschenleben !", warf Lenya ein.
,,Wir können es nicht kontrollieren. Wir können nur entscheiden",
gab Kevaram zurück.
Oft müssen wir uns verwandeln, weil unser Werwolf-Instinkt uns dazu zwingt. Wenn wir uns nicht regelmäßig verwandeln, sondern den Trieb immer unterdrücken, dann bricht die Wolfsgestalt irgendwann von allein aus. Unkontrollierbar und wild. Und was wir dann anrichten, vermag ich mir nicht vorzustellen. Aber nun hör gut zu, denn ich habe einen Plan für dich".
Er schwieg kurz, bis er sich sicher war, dass Lenya ihm aufmerksam zuhörte.
,,Du wirst dir jetzt einen Weg in die Stadt suchen. Jetzt sofort. Ohne Verzögerung. Achte darauf, dass du mit keiner Gefahr konfrontiert wirst, damit deine Wolfsgestalt noch unterdrückt wird. Ich kann dir den Weg nicht zeigen, aber wenn du von hier aus weiter nach Osten gehst, wirst du auf eine Straße treffen, der du nördlich folgen musst. Dann folgst du den Wegweisern, die dich zur Stadt führen. Dort angekommen, sagst du, du bist eine Reisende. Dann dürften dich die Wachen eigentlich ohne weiteres hereinlassen. Sie sind nicht sonderlich auf Sicherheit bedacht, weil sich hier nicht viele Überfälle ereignen".
,,Aber sehe ich euch dann nie wieder ? Ihr seid doch neben mir die einzigen Werwölfe !"
,,Nein, es gibt noch viele von uns, doch davon weiß niemand. Viele leben versteckt in Höhlen und sind Einzelgänger. Doch du kannst uns jederzeit wiedersehen. Du findest uns immer hier, und ich werde dich sowieso nie völlig aus den Augen lassen, bevor du nicht jemanden gefunden hast, an den du dich wenden kannst. Und so, wie ich meine Freunde kenne, werden sie mir folgen. Also werden wir dich vorerst begleiten, auch wenn du uns nicht sehen wirst. Und nun beeil dich, bevor die letzten Wachen für diese Nacht die Tore schließen".
,,Aber ich habe noch eine Frage, und außerdem -"
,,Beeil dich", rief Kevaram und gab Lenya einen leichten Schubs in den Wald hinein.
Ein letztes Mal drehte sie sich um. Erst schaute sie auf die weit entfernten Freunde Kevarams, dann auf ihn.
,,Machs gut, Keva !"
,,Du auch Reanya ! Wir sehen uns auf jedenfall wieder !"
Lenya wusste nicht, wo Osten war, doch sie hatte eine Eingebung, und sie spürte, dass sie diesem Gefühl nur zu folgen brauchte. Dann lief sie los, und ließ sowohl die Lichtung, als auch Kevaram, der allein im Schatten der Bäume stand, hinter sich.
 
'Wa-' und da war das Ende klarer Gedanken, es gab nur noch Momentaufnahmen.
Dunkelheit. Dunkelheit und das entsetzliche Gefühl, zu fallen, endlos zu fallen. Der Versuch, die aufflammende Panik und Verwirrung hinauszuschreien - erfolglos, denn es gibt keinen Raum für all den Schall. Er konnte nicht einmal die Augen schließen, selbst wenn es in der Schwärze einen Unterschied gemacht hätte. Einzelne, zusammenhang- und bedeutungslose Bilder flackerten kurz auf und erloschen wieder - der berühmte Abspann kurz vor dem Ende hielt bei weitem nicht, was er versprach. Er fiel, und verlor sich selbst.


Damian gähnte und wickelte sich fester in die Decke. Es war Nachmittag, und seine Glieder waren schwer wie Blei. Er war gegen Sonnenaufgang eingenickt und konnte schließlich nicht mehr weiterschlafen, auch wenn ihm die Müdigkeit noch tief in den Knochen steckte.
Verfluchte Sonne. Er rieb sich die von dunklen Ringen gezeichneten Augen und blinzelte, bis er einigermaßen klar sehen konnte. Der Wald hatte sich nicht viel verändert seit er eingeschlafen war. Die Sonne stand jetzt tiefer und ihr Licht brannte ihm nicht mehr unmittelbar in die empfindlichen Augen, was gut war. Er hob die Decke aus dünner, grauer Seide an und stand auf. Seltsam. Was er fühlte, ging über die gewöhnliche Tagesmüdigkeit hinaus. Mit einer Verwunderung, die er sich selbst nicht erklären konnte, betrachtete er das gar nicht so ungeschickte Gewirk aus Spinnenseide - es war doch seines?

Dann schlug die Erkenntnis ein. Er war nicht Damian. Eben hatte er doch noch gelesen.. Langsam gelang es ihm, ein wenig Ordnung in seine Erinnerung zu bringen. Ein recht normaler Tag, was bedeutete, dass er absolut mies verlaufen war. Wenn nicht dieses Buch gewesen wäre - das war es. Das Buch. "Du bist mir ins Netz gegangen" dieser so einfache Satz jagte ihm jetzt einen kalten Schauer über den Rücken. Ja, an seiner Wahrheit bestand kein Zweifel. Er hatte es geöffnet und war jetzt... hier. Wo auch immer das war.
Eine Lichtung. Er war selten im Wald gewesen, und die Bäume hier hatten zwar entfernte Ähnlichkeit mit Tannen, aber - Kholinbäume. Sie hießen Kholinbäume, wie die Stadt weit im Norden. Er akzeptierte dieses Wissen einfach, denn es gab eine dringendere Frage: Wie um Hi- wie kam er hier her?
Zu Fuß, lautete die Antwort aus den Tiefen seiner Erinnerung. Es war schon zwei Jahre her, und die Erinnerung an diese Nacht nie besonders genau gewesen.. Ein bleicher Halbmond am Himmel, hastige Schritte. Blut, Schreie. Eine, zwei, drei Leichen? keine Zeit, sie zu zählen...

WAS?! Der rationale, irdische Teil seines Selbst schrie auf, als er sich so denken hörte. Die Vorstellung, das er überhaupt irgendjemanden getötet - er weigerte sich, das andere Wort auch nur zu denken - haben sollte, widersprach so ziemlich jedem Selbstbild, das er jemals besessen hatte - diese enthielten übrigens auch an keiner Stelle, nicht einmal in den übelsten Alpträumen, acht chitingepanzerte Beine und Giftfänge in seinem Gesicht. Langsam wurde ihm schwindelig, und er ließ sich auf den Hosenboden fallen.
Damian - nein, Luke! Du bist Luke! - Betrachtete seine Hände, die nicht seine waren. Diese hier waren rauher als die, die er kannte, hatten seit Jahren mit Fäden und Stoff gearbeitet und trugen Narben davon - und sie waren schmaler. Sein eigener Atem klang unnatürlich laut in seinen Ohren, als er schließlich akzeptierte, dass er irgendwie.. halluzinierte, oder? Niemand fiel einfach so in eine fremde Welt. So etwas gab es überhaupt nicht..
Sagte ausgerechnet er. Gut, betrachten wir die Dinge rational..
Er steckte in einem fremden Körper ( oder bildete es sich auf eine Art und Weise ein, die von Wirklichkeit nicht unterscheidbar war.. Nein! Mach es nicht noch komplizierter!) und der frühere Bewohner hatte darin einen Mord begangen. Und den anderen kurz davor einfach geschehen lassen.. Grässlich. Aber es war weniger entsetzlich, als man hätte erwarten können. Weil es die Erinnerung eines Fremden war, sagte er sich, nicht seine. Er konnte schließlich nichts dafür. Konnte er einfach nicht...

Nachdem diese Frage geklärt war, wandte er seine Aufmerksamkeit der Umgebung zu. Es war eine unbewachsene Waldlichtung, nur die seltsame graue Decke lag noch neben ihm auf dem Boden. Er ließ den Stoff durch seine Finger laufen. Erde und Staub hatten sich zwischen den Fäden verfangen, aber es bestand kein Zweifel daran, dass es sich um Seide handelte. Spinnenseide.
Vorsichtig legte er den Stoff wieder auf den Boden. Er erinnerte sich daran, ihn selbst gesponnen zu haben, heute Morgen erst.. Sein Gehirn versuchte, die zuständigen Körperteile ausfindig zu machen. Ohne Erfolg, natürlich.. aber noch während er rätselte, wie nun diese Erinnerung zu verstehen war, geschah es.
Zunächst wurde sein Körper von kurzen, aber heftigen Krämpfen geschüttelt, er fiel mit dem Gesicht nach vorn auf den staubigen, harten Boden. Brennende Hitze loderte in seiner Brust und wallte qualvoll langsam durch den restlichen Körper, bis sie schließlich Fingerspitzen und Zehen erreichte und verglühte, um klirrendem Schüttelfrost Platz zu machen. Ächzend und zitternd arbeitete er sich wieder auf die Beine. Es kümmerte ihn nur noch unwesentlich, dass derer acht Stück waren. Zwischen all dem Chaos in seinen Gedanken stach nur ein einziger, urtümlicher Drang messerscharf hervor.
Hunger.
Die pochende Leere in seinem Inneren kam fast einen Vakuum gleich, so.. hungrig fühlte er sich. Es war kein Gefühl, dass er jemals gekannt hatte. Nie hatte jemand wie er, glücklich wie er doch gewesen war, länger als ein paar unbedeutende Stunden auf sein Essen warten müssen - kein Vergleich zu dem ausgehungerten Raubtier, das nun in seiner Seele gierte. Hunger, das lernte er nun, war ein sonderbares Gefühl. Er fühlte sich einerseits schwach und zittrig, wollte eigentlich am liebsten zusammenklappen und nicht wieder aufstehen - aber andererseits brodelte unter dieser Oberfläche ein erbamungsloser Jagdinstinkt, der ihm das niemals erlauben würde. Sterben hieß Niederlage. Die Bestie war bereit, sofort das Kommando zu übernehmen. Zu fangen - und zu töten.
Und er war nicht in der Verfassung, ihr Widerstand zu leisten.
 
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