[Im Folgenden zeichnen wir die Worte von Fürst Vivec auf, die dieser an einen abtrünnigen Priester, Malur Omayn, richtete, der Vivec mit den Aschländer-Legenden um die Schlacht am Roten Berg und den nerevarinischen Prophezeiungen konfrontierte, und an die Räte der Inquisition, die Vivec dabei halfen, den abtrünnigen Priester zu befragen.]
"Wer kann sich noch genau an all das erinnern, was vor unendlich langer Zeit geschehen ist? Aber Ihr habt mich gebeten, Euch mit meinen eigenen Worten die Ereignisse zu schildern, die sich in der Schlacht am Roten Berg zugetragen haben, die Geburtsstunde des Tribunals und die Prophezeiungen über einen wiedergeborenen Nerevar. Hier ist alles, woran ich mich erinnern kann.
Als wir Chimer das erste Mal die Herden und die Zelte unserer nomadischen Vorfahren verließen und die ersten großen Häuser errichteten, verehrten wir die Daedra und beteten sie wie Götter an. Aber unsere Brüder, die Dwemer, verachteten die Daedra und machten sich über unsere lächerlichen Rituale lustig. Sie zogen stattdessen ihre Götter der Vernunft und Logik vor. Zwischen Chimern und Dwemern herrschte also ein bitterer Streit, bis die Nord kamen und in Resdayn eindrangen. Erst dann legten die Chimer und die Dwemer ihre Fehde bei und taten sich zusammen, um die Eindringlinge zu vertreiben.
Sobald die Nord geflüchtet waren, beschlossen General Nerevar von den Chimern und General Dumac von den Dwemern, die einander mochten und respektierten, Frieden zwischen ihren Völkern zu schließen. Damals war ich nicht mehr als ein junger Berater von Nerevar und seiner Königin, Almalexia. Sein anderer geschätzter Berater, Sotha Sil, zweifelte daran, dass solch ein Friede lange halten werde. Die bitteren Auseinandersetzungen zwischen den Chimern und den Dwemern sprächen sehr dagegen. Durch Verhandlungen und Kompromisse gelang es Nerevar und Dumac jedoch, einen wenn auch zerbrechlichen Frieden aufrechtzuerhalten.
Als aber Dagoth Ur, Fürst des Hauses Dagoth und vertrauter Freund von Nerevar und den Dwemern, den Beweis erbrachte, dass der dwemerische Hohepriester Kagrenac das Herz von Lorkhan entdeckt und herausgefunden hatte, wie man dessen Kräfte anzapfen konnte und daraufhin begann, einen neuen Gott zu erschaffen - eine Verhöhnung des Glaubens der Chimer und eine angsteinflößende Waffe - rieten wir alle Nerevar dazu, den Dwemern den Krieg zu erklären und die Bedrohung des Glaubens und der Sicherheit der Chimer zu zerstören. Nerevar war sehr verunsichert. Er ging zu Dumac, seinem alten Freund, und fragte ihn, ob das, was Dagoth Ur erzählte, wahr sei. Kagrenac war konsterniert und fragte, für wen Nerevar sich denn hielte, dass er glaubte, sich in die Angelegenheiten der Dwemer einmischen zu dürfen.
Nerevar machte sich große Sorgen und pilgerte nach Holamayan, dem heiligen Tempel der Azura, die ihm bestätigte, dass alles, was Dagoth Ur behauptet hatte, tatsächlich der Wahrheit entsprach und dass die Erschaffung eines neuen Gottes durch die Dwemer mit allen Mitteln verhindert werden müsse. Als Nerevar zurückkehrte und uns berichtete, was die Göttin ihm gesagt hatte, fühlten wir, dass unsere Einschätzung richtig gewesen war und rieten ihm wiederum zum Kampf, schalten ihn ob seines naiven Vertrauens in die Freundschaft und erinnerten ihn an seine Verantwortung, den Glauben und die Sicherheit der Chimer gegen die Gottlosigkeit und die gefährlichen Ambitionen der Dwemer zu beschützen.
Daraufhin ging Nerevar ein letztes Mal nach Vvardenfell, in der Hoffnung, dass Verhandlungen und Kompromisse den Frieden erhalten könnten. Dieses Mal stritten sich die ehemaligen Freunde Nerevar und Dumac jedoch bitterlich und zwischen den Chimern und den Dwemern brach Krieg aus.
Die Dwemer waren in ihrer Festung im Roten Berg gut geschützt, aber der listige Nerevar trieb die meisten Armeen Dumacs ins Feld hinaus und hielt sie dort, so dass Nerevar und Dagoth Ur sowie eine kleine Gruppe anderer sich auf geheime Weise Zugang zur Kammer der Herzen verschaffen konnten. Dort traf Nerevar, der König der Chimer, auf Dumac, den König der Dwemer, und beide stürzten, nachdem sie sich tapfer gegen die Schläge und Zaubersprüche des jeweils anderen gewehrt hatten, schwer verwundet nieder. Da Dumac im Sterben lag und Dagoth Ur und die anderen ihn bedrohten, wandte sich Kagrenac mit seinen Werkzeugen dem Herzen zu. Wie Nerevar später erzählte, sah er Kagrenac und all seine Dwemer-Kameraden auf einmal vor seinen Augen verschwinden. In diesem Augenblick verschwanden alle Dwemer, ohne eine Spur zu hinterlassen. Kagrenacs Werkzeuge blieben jedoch zurück und Dagoth Ur nahm sie an sich. Er trug sie zu Nerevar und sagte: 'Dieser Dummkopf Kagrenac hat mit diesen Werkzeugen sein eigenes Volk vernichtet. Wir sollten sie unverzüglich unschädlich machen, damit sie nicht in die falschen Hände geraten.'
Aber Nerevar wollte dies zuerst mit seiner Königin und den Generälen besprechen, die diesen Krieg vorhergesehen hatten und deren Rat er nie wieder ignorieren würde. 'Ich werde das Tribunal fragen, was wir mit ihnen machen sollen, denn sie haben in der Vergangenheit Weisheit bewiesen, die ich nicht hatte. Bleibt hier, bis ich zurückkehre, mein treuer Dagoth Ur.' Nerevar wies Dagoth Ur an, die Werkzeuge und die Kammer der Herzen bis zu seiner Rückkehr zu bewachen.
Dann wurde Nerevar an den Fuß des Roten Berges getragen, wo wir auf ihn warteten, und er erzählte uns alles, was sich unter dem Berg zugetragen hatte. Nerevar sprach von den Werkzeugen, welche die Dwemer benutzt hatten, um ihr Volk unsterblich zu machen, und er erzählte auch von der wundersamen Kraft des Herzens von Lorkhan. [Wir erfuhren erst später von anderen, dass Dagoth Ur annahm, dass die Dwemer vernichtet und nicht, dass sie unsterblich geworden waren. Und keiner weiß wirklich, was genau damals geschah.]
Nachdem wir Nerevar zugehört hatten, bat er uns um unseren Rat, woraufhin wir ihm antworteten: 'Wir sollten die Werkzeuge zum Nutzen der Chimer aufbewahren. Und wer weiß, vielleicht sind die Dwemer nicht für immer fort, sondern nur in ein fernes Reich entschwunden, aus dem sie eines Tages zurückkehren werden, um unser Volk anzugreifen. Deshalb müssen wir diese Werkzeuge verwahren, um sie zu erforschen und herauszufinden, wie sie funktionieren. Auf diese Art und Weise sichern wir auch zukünftige Generationen.'
Und obwohl Nerevar von dieser Idee nicht angetan war, war er bereit, unserem Rat zu folgen, allerdings unter einer Bedingung: dass wir alle zusammen einen gemeinsamen Eid auf Azura schwörten, dass die Werkzeuge niemals zu dem profanen Zweck verwendet würden, den die Dwemer verfolgt hatten. Wir bestätigten ihm dies sogleich und schworen einen gemeinsamen Eid nach Nerevars Worten.
Danach kehrten wir mit Nerevar in den Roten Berg zurück und trafen auf Dagoth Ur. Dagoth Ur weigerte sich, uns die Werkzeuge zu geben. Er beschwor uns, dass sie gefährlich seien und wir sie nicht einmal anfassen dürften. Dagoth Ur schien verwirrt und bestand darauf, dass die Werkzeuge nur ihm anvertraut werden könnten. Wir vermuteten, dass er durch die Handhabung der Werkzeuge beeinflusst worden war, heute glaube ich jedoch, dass er, als er allein war, die Kräfte der Werkzeuge für sich zu nutzen gelernt und irgendwie entschieden hatte, dass sie für ihn bestimmt seien. Nerevar und unsere Wachen nahmen ihm die Werkzeuge mit Gewalt ab. Dagoth Ur und seinen Leuten gelang es zu entkommen, aber wir konnten die Werkzeuge retten und sie an Sotha Sil zur Untersuchung und sicheren Verwahrung übergeben.
Einige Jahre lang hielten wir den Eid, den wir mit Nerevar auf Azura geschworen hatten. Während dieser Zeit untersuchte Sotha Sil jedoch vermutlich die Werkzeuge und entschlüsselte ihre Geheimnisse. Er kam dann schließlich zu uns und erzählte uns von seiner Vision von einer neuen Welt des Friedens, die den Adligen Gerechtigkeit und Ehre und dem gemeinen Volk Gesundheit und Wohlstand bringen werde. Dem Tribunal würde die Rolle der unsterblichen Förderer und Beschützer zufallen. Uns gefiel diese Vision einer besseren Welt und so pilgerten wir zum Roten Berg und verwandelten uns mit Hilfe von Kagrenacs Werkzeugen.
Kaum hatten wir jedoch unsere Rituale beendet und waren gerade dabei, unsere neu erworbenen Kräfte zu entdecken, als Azura erschien und uns ob des gebrochenen Eides verfluchte. Sie prophezeite uns, dass ihr Schützling, Nerevar, getreu des Eides, den er geschworen hatte, zurückkehren werde, um uns für unsere Niedertracht zu strafen und sicherzustellen, dass das Wissen um das Böse nie wieder dazu genutzt würde, den Willen der Götter zu verhöhnen. Sotha Sil entgegnete ihr daraufhin: 'Die alten Götter sind grausam und willkürlich und kümmern sich nicht um die Hoffnungen und Ängste der Mer. Eure Zeit ist vorbei, Sir. Wir sind die neuen Götter, aus Fleisch geboren werden wir den Bedürfnissen unseres Volkes mit Weisheit und Liebe dienen. Spart Euch Eure Drohungen und Eure Schelte, Ihr wankelmütiger Geist. Wir sind mutig und stark und haben keine Angst vor Euch.'
Und dann, genau in dem Moment, wurden alle Chimer in Dunmer verwandelt und unsere Haut wurde aschefarben und in unseren Augen leuchtete das Feuer. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt natürlich nur, dass uns dies widerfahren war, aber Azura sagte: 'Dies ist nicht mein Wirken, sondern Eures. Ihr habt Euer Schicksal und das Eures Volkes selbst gewählt und alle Dunmer sollen Euer Schicksal von heute an bis ans Ende aller Zeiten mit Euch teilen. Ihr glaubt Euch Götter, aber Ihr seid blind und überall ist Dunkelheit.' Und Azura ließ uns im Dunkel zurück und wir hatten alle Angst. Dennoch machten wir uns mutig auf den Weg und verließen den Roten Berg, um die neue Welt unserer Träume zu errichten.
Die neue Welt, die wir erschufen, war herrlich und großzügig und die Anbetung der Dunmer inbrünstig und dankbar. Die Dunmer fürchteten sich zunächst vor ihren neuen Gesichtern. Doch Sotha Sil sprach zu ihnen und erklärte ihnen, dass dies kein Fluch, sondern ein Segen sei, ein Zeichen ihres geänderten Wesens und darüber hinaus ein Hinweis auf die Ehre, die sie als neue Mer erfahren würden, nicht länger Barbaren, die sich vor Geistern fürchteten, sondern zivilisierte Mer, die direkt mit ihren unsterblichen Freunden und Gönnern, den drei Gesichtern des Tribunals, sprechen könnten. Wir wurden alle von Sotha Sils visionärer Rede ergriffen und fassten neuen Mut. Mit der Zeit schufen wir die Traditionen und Institutionen einer gerechten und ehrenwerten Gesellschaft und das Land Resdayn erfuhr Jahrtausende von Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand, die anderen primitiven Rassen unbekannt waren.
Unter dem Roten Berg hatte Dagoth Ur jedoch überlebt. Und während das Licht unserer schönen neuen Welt immer heller leuchtete, vertiefte sich unter dem Roten Berg die Dunkelheit, eine Dunkelheit, die mit dem hellen Licht, das Sotha Sil mit den Werkzeugen von Kagrenac dem Herzen von Lorkhan entlockt hatte, eng verbunden war. Als die Dunkelheit weiter zunahm, kämpften wir gegen sie an und errichteten Mauern, um sie einzuschließen. Wir konnten sie jedoch nicht zerstören, denn die Quelle der Dunkelheit nährte dieselbe Quelle, die der Ursprung unserer göttlichen Inspiration war.
Und in diesen jüngsten Tagen von Morrowind, reduziert auf eine unterjochte Provinz des westlichen Kaiserreiches, da der Einfluss des Tempels nachlässt und die Dunkelheit aus dem Roten Berg kriecht, erinnern wir uns an Azura und ihr Versprechen, dass ihr Schützling zurückkehren werde. Wir haben gewartet, blind und in der Dunkelheit, nur noch Schatten unserer selbst, unserer flammenden Vision beraubt, beschämt ob unserer Torheit, ängstlich ob der Vergeltung und auf baldige Erlösung hoffend. Wir wissen nicht, ob der Fremdländer, der behauptet, die nerevarinischen Prophezeiungen zu erfüllen, unser alter Kamerad Nerevar ist, der wiedergeboren wurde, oder ob es sich um eine Figur des Kaisers handelt oder um eine Täuschung Azuras oder einfach nur um eine Wende des Schicksals. Aber wir bestehen darauf, dass Ihr Euch der Tempeldoktrin unterwerft und gemäß den Regeln die Hierographa von der Apographa trennt und dass Ihr nicht von dem redet, worüber man nicht offen reden darf. Benehmt Euch wie ein pflichtbewusster Priester, im Einklang mit Euren Gelübden, in denen Ihr versprochen habt, den Grundsätzen und den Erzgrundsätzen zu folgen, und Euch wird alles vergeben werden. Trotzt mir und Ihr werdet erfahren, was es heißt, sich gegen einen Gott zu stellen."