Mahalo.
Ich habe heute gegen Mitternacht mal aus Fun Pokemonmusik gehört, und da gibt es einen neuen Soundtrack zu einem Spukhaus. Da kam mir die Idee: Mann, wie geil wär denn nicht so eine Spukhausgeschichte?
Ich hab so gegen 2 Uhr nachts damit angefangen und bin jetzt um 5:45 damit fertig. Absolut lachhaft, die Uhrzeit. Naja, irgendwie entstehen neuerdings all meine guten Kurzgeschichten um diese Zeit (meist Horrorgenre lol, dabei ist das eig. gar nicht so mein Hauptthema).
Na gut, hier ist die Story! Feedback egal welcher Art, kann auch kurz sein, sehr erwünscht!
Das alte Chateau
„Was könnte cooler sein, als an Halloween Geburtstag zu haben?“
„Ich mein ja nur, dass dann zwei Feste auf einen Tag fallen.“ Mina verschränkte die Arme.
„Ach was“, sagte Lukas mit erwartungsvollem Blick, „besser könnte ich’s mir gar nicht vorstellen. Und wisst ihr warum? Weil ich euch beide einladen kann!“
Er grinste Mina und mich an, wie immer, wenn er sich wieder eine seiner Ideen in den Kopf gepflanzt hatte.
„Kommt Mädels, wir gehen noch heute zum alten Chateau!“, posaunte er.
„Nein“, trotzte Mina wie aus der Pistole geschossen, „da gehen wir nicht hin.“
„Hast du Angst?“, grinste Lukas zu seiner Freundin hinüber.
„Quatsch. Aber da geht nie einer hin, wieso wir?“
„Och Schatz, das wird genial da drin. Vivi kommt auch mit, nicht wahr?“
Er sah mich ungeduldig an. Eigentlich fand ich ausnahmsweise, dass seine Idee gar nicht so übel war. In der alten verlassenen Villa sollte es spuken, darüber war man sich in der ganzen Gegend einig. Niemand hatte sich jedoch die Mühe gemacht, einmal nachzusehen.
„Naja“, meinte ich, „das ist irgendwie schon ein cooler Ausflug für Halloween.“
Ich sah, wie Mina, die bis eben noch auf meinen Beistand gehofft hatte, ihr Gesicht noch mehr in ihrem Halstuch vergrub und die Stirn kraus zog.
„Na bitte!“, triumphierte Lukas und nahm außergewöhnlich zärtlich Minas Hand, „sag ich doch.“
Sie machte sich sanft los. „Ich will lieber in der Stadt bleiben.“
„Das können wir gern an deinem Geburtstag machen. Aber heute ist mein Siebzehnter. Komm schon, es ist Halloween und du weißt doch, wie sehr ich Halloween mag.“
Mina wand sich hin und her. „Na gut... wir können ja mal in die Nähe gehen.“
Er gab einen Freudenschrei von sich, packte Mina und mich am Handgelenk und stürmte voran. „Weil du heut Geburtstag hast!“, fügte sie hinzu.
„Und das, obwohl du hier der Jüngste bist.“, bemerkte ich lachend.
Lukas wurde langsamer und wandte sich zu mir um. „Wer bin ich“, äffte er, „ich hatte vor einer Woche erst selbst Geburtstag aber sag anderen, dass sie jünger sind?“
Ich streckte ihm die Zunge raus.
Wir gingen die baufällige Hauptstraße entlang, vorbei an den Bushaltestellen, an denen wir sonst in den Bus zur Schule einstiegen. Auf beiden Straßenseiten sahen wir immer wieder verkleidete Kinder oder ganze Gruppen von Zombies, Vampiren und Yetis unterschiedlichsten Alters.
Es war ja erst Nachmittag, darum war das regste Treiben noch nicht ausgebrochen. Ich sah auf die Uhr. Vier Minuten nach halb Fünf. Dann würden wir – ich überschlug die Zeit im Kopf – gegen halb Sieben bestimmt zurück sein.
„Wann werden wir wieder hier sein?“, fragte Mina in diesem Moment.
„Ich schätze mal, rund Achtzehn Dreißig, oder?“, meinte ich.
„Klar“, sagte Lukas, „dann ist es noch gar nicht dunkel, wenn wir im Chateau sind. Keine Sorge also.“
Jetzt stutzte ich doch. „Im Chateau?“
Mina wurde wieder nervös. „Wir gehen da auf keinen Fall rein!“
„Immer langsam, Mädels. Wir checken natürlich erst mal die Lage dort. Der Plan ist, hinzugehen.“
Weitere Einwände gab es momentan nicht, also setzten wir unseren Weg fort. Bald kam das Ortsausgangsschild in Sicht. Direkt dahinter bog ein ausgetretener Pfad in den tiefen Wald ab.
Wir folgten dem Weg, Lukas grinsend, Mina zögerlich und ich – so hoffte ich – normal.
Ab und zu liefen uns hier noch andere Leute über den Weg, der verlassene Teil würde erst weiter hinten beginnen.
An einer Kurve stand ein junger Mann mit einem Camcorder in der Hand und filmte uns. Ich dachte mir vorerst nichts dabei und ging mit meinen Freunden einfach weiter. Lukas‘ Blick nach zu urteilen allerdings, stand irgendetwas bevor.
Plötzlich wurde einer der Büsche am Wegesrand lebendig und sprang brüllend auf uns zu. Ich konnte ein Kreischen nicht unterdrücken, und die anderen waren auch vor Schreck zurückgestolpert.
Der Busch stand vor uns und lachte ausgelassen. Der Kameramann kam hinzu und senkte das Aufnahmegerät.
Ich sah genauer hin. Der Busch war ein Mensch in einem sehr seltsamen Anzug, der wahrlich wie ein zottiger Busch aussah. Im Unterholz war er unmöglich vom Gestrüpp zu unterscheiden.
„Keine üble Aktion“, befand ich.
„Wie geil ist das denn?“, sagte Lukas dazu. „Nettes Ghillie Suit!“
„Danke, danke“, sagte der Buschmann, „das wollte ich schon immer mal machen.“
„Weiter so“, ermunterte er den Verkleideten, während wir uns wieder auf den Weg machten.
Als wir außer Hörweite waren, sagte Mina ihre Meinung. „Das war ja wohl voll die Assiaktion! Sowas kann man sich echt sparen.“
„Meinste?“ Lukas deutete nach vorn. „Hey, da ist die Abzweigung.“
Tatsächlich. Ein verwitterter alter Wegweiser markierte den kleinen Trampelpfad, der direkt bis zum alten Chateau führte. Nur „…ateau“ war noch zu entziffern.
Lukas ging sofort vor, Mina stolperte hinterher. Ich blickte noch einmal zurück, dann folgte ich ihnen.
Das feuchte hohe Gras an den Rändern verengte den Weg immer mehr, je weiter wir gingen. Und je weiter wir kamen, stellte sich bei mir auch ein diffuses Gefühl des Unheils ein. Doch nein. Wahrscheinlich hatte ich mir einfach zu viel Angst von den Schauergeschichten machen lassen. Und es gab nicht einmal richtige Geschichten über das verlassene Anwesen.
Der Weg schien sich ermüdend lange hinzuziehen. Schließlich erreichten wir das Ende des Pfades, wo sich das mehr als kniehohe Gras so sehr verdichtet hatte, dass man hindurch waten musste.
Neidisch sah ich zu Mina und Lukas, die sich in ihren Jeans langsam weiter vorwagten.
„Ich kann doch nicht einfach so durchs nasse Gras“, sagte ich.
Meine Freunde hielten an. Mina stemmte die Hände in die Hüften.
„Na, mit dem Rock bist du ja auch selbst schuld. Würde ich dir in Zukunft für den Herbst sowieso nicht empfehlen. Wenn du dich vorhin nicht so mit diesem… Wookie beschäftigt hättest, wüsstest du auch, wie dich der Kameratyp angeguckt hat.“
Ich konnte nichts erwidern. Völlig dumm kam ich mir vor. Sie hatte ja Recht.
Dann schnappte ich erschrocken nach Luft. Auf dem Boden direkt zu meinen Füßen lag etwas Weißes…
„Was ist los?“
„Nee, nichts“, sagte ich schnell, „nur ein Hundeschädel.“ Zumindest hoffte ich, dass es einer war. Es sah furchtbar aus.
Lukas winkte mich herbei. „Komm, Vivi. Wir machen dir einen Trampelpfad. Es kann gar nicht mehr weit sein.“
Wir bahnten uns langsam einen Weg durch das Gras. Das Grünzeug streifte unangenehm meine Beine, Wasser lief mir in die Schuhe und ich wünschte mir, wenigstens nicht die Chucks angezogen zu haben.
„Haha, Baby ja!“ Lukas führte mit einem Mal einen Freudentanz auf. „Wir sind da! Guckt euch das an, die Damen. Original Spukhaus vom allerfeinsten.“
Ich schloss zu ihm auf und erblickte es sofort. Kaum fünfzig Meter voraus stand das alte Chateau groß und halb verfallen im Wald.
Einige der Fenster waren bereits eingefallen, vom Putz war kaum etwas übrig und das ganze Gemäuer wirkte ergraut. Genau so hatte es immer auf den Bildern ausgesehen. Alptraumhaft.
„Kommt, dann mal los!“ Lukas stapfte direkt über die eingestürzten Zaunfragmente und näherte sich der Villa.
Es übte durchaus einen abenteuerlichen Reiz aus. Auch wenn es wie das Tor zur Hölle aussah, war es eine wirklich tolle Geschichte für nach Halloween. Ich ging Lukas nach und schob mich an Mina vorbei, die scheu ihren Blick über die Ruine gleiten ließ.
„Was ihr nur daran findet…“, sagte sie in meinem Rücken.
Ich sah wieder nach vorn zu den großen Doppeltüren. „Lukas, was zur Hölle treibst du da?“
„Das Ding ist nicht mal verschlossen. Die Tür hängt kaum in den Angeln. Wir können einfach rein. Sieht okay aus, da drinnen.“
Zögernd blieb ich stehen. „Ich weiß ja nicht…“
„Nein, Schatz“, Mina rannte an mir vorbei, packte Lukas am Arm und zog ihn von der Pforte weg. „Geh da nicht rein. Wir können doch hier draußen bleiben.“
„Aber wo wir doch schon mal da sind!“
Sie schüttelte energisch den Kopf. „Mich kriegen da keine zehn Pferde rein!“
„Also doch Muffensausen.“, grinste er.
Ich meldete mich zu Wort. „Klar ist das interessant, aber da geht nun mal niemand jemals rein. Nicht mal so nah wie wir jetzt.“
„Genau“, nickte Mina.
Lukas zuckte die Schultern. „Sorry, aber Halloween und mein Geburtstag. Ich geh rein. Wenn wir zu dritt gehen, kann uns nichts passieren. Du bleibst einfach nah bei Vivi, ich schau mir ein bisschen was an und gut ist.“
Ausgerechnet auf mich berief er sich. Eigentlich musste ich zugeben, dass ich auch gern mal hineingeschaut hätte, doch es schien nicht richtig. Mina schüttelte einfach den Kopf.
„Bäämm“, machte Lukas und stieß einen Flügel der Pforte auf. Mina zuckte zusammen. „Na, irgendwas passiert, ihr Angsthäschen?“
Er setzte frech einen Fuß hinein. „Oje“, klagte er theatralisch, „fürchterliche Geister verschlingen mich!“ Dann hüpfte er ganz durch die Tür und verschwand im alten Chateau.
Dieser Kindskopf. Ich ging hinterher. Wo war er hin verschwunden? Ich spähte durch den Türrahmen.
Lukas‘ Kopf tauchte mit einem „BUH!“ darin auf. Mina kreischte doppelt so laut auf wie ich.
„Du Idiot!“, meckerte sie.
„Sorry, aber der musste einfach sein.“ Er deutete mit dem Daumen ins Innere. „Hier drin ist alles okay. Zieht’s euch ruhig mal rein.“ Wieder verschwand er drinnen.
Zögernd tat ich einen Schritt durch die Tür. Das Innere der Villa sah tatsächlich nicht besonders beängstigend aus. Es war zwar alles verkommen und sehr alt, aber mehr auch nicht.
Da durchfuhr mich ein kalter Schauer. Zugluft, merkte ich im nächsten Moment. Ich drehte mich um.
„Mina.“ Sie blickte jetzt erst auf. „Es ist wirklich alles ganz normal. Ein etwas zugiges Haus, das ist alles.“ Selbst Lukas ließ sich wieder blicken.
„Guck einfach mal rein, Schatz.“, sagte er, „Das ist interessant. Du brauchst keine Angst zu haben.“
Sie kam zu uns. „Hab ich auch nicht“, schniefte sie, „ich will halt nur ungern da rein.“
Mit einem großen Schritt trat auch sie durch die Tür und nahm meine Hand, wie wenn man von einem Boot auf den Steg trat. In diesem Moment fuhr eine besonders starke Böe durch das Haus und ließ die Tür hinter uns zuschlagen.
„Ganz schön windig“, bemerkte ich.
„Kommen wir jetzt noch raus?“
„Klar“, sagte Lukas beiläufig, „ist doch nur zugefallen. Zieh dir lieber mal den hier rein. Ich sag doch, das lohnt sich hier!“
Der Flur war eine Art Halle. Geradeaus führte ein Durchgang in einen anderen Raum, an den Wänden verlief eine Treppe ins Obergeschoss.
Lukas ging zur linken Wand und deutete auf ein Gemälde, das vielleicht den ehemaligen Besitzer der Villa zeigte. Es sah aus wie der klassische Stereotyp eines Gemäldes, das einen mit den Augen verfolgte.
„Oder der Tisch hier“, Lukas hastete durch die Gegend, „alles total verstaubt.“
Ich ging zum Treppenabsatz, wo eine große grüne Topfpflanze stand. Mina wich nicht von meiner Seite. Na gut.
„Meinst du nicht auch“, sagte ich, „dass an der Pflanze irgendwas komisch ist?“
Sie sah nur kurz hin, zuckte die Schultern und blickte dann wieder nervös durchs Haus.
„Klar“, erkannte ich. „Wie kann die Pflanze hier noch leben, wenn sie Jahrzehnte lang ohne Wasser und Licht gestanden hat?“
„Mach mir nicht noch extra Angst“, mahnte Mina.
Ich blickte zu dem Ölporträt hinüber. Sowohl hier als auch an der Tür schienen die Augen direkt auf mich gerichtet zu sein. Aber es war ja klar, dass ich mir das jetzt einbildete.
Lukas sprintete gerade durch den Durchgang im Erdgeschoss und bedeutete uns, ihm zu folgen.
„Cool“, hörten wir ihn schon sagen, dann waren wir auch angekommen. Es handelte sich um einen Raum, der an einen Speisesaal erinnerte. Ein langes Bankett, sogar noch mit Tischdecke, stand mitten im Raum. Einige Stühle standen unordentlich darum, manche waren umgekippt.
Auf dem ursprünglich weißen Stoff war in der Mitte ein großer schwarzer Fleck zu sehen, der doch recht stark erinnerte an getrocknetes…
„Blut?“
„Quark.“, fand Lukas, der schon auf der anderen Seite des Tisches stand. „Das ist doch kein Blut. Hier ist noch mehr von dem Zeug. Es führt von diesem Platz aus weiter in die Richtung…“ Er schien einer Spur nachzugehen.
Ich folgte ihm bedächtig und musste dabei etwas Nachdruck auf Mina wirken, die sich an mich geklammert hatte.
„Hier führt das hin“, sagte er und zeigte auf einen steinernen Mülleimer. Am Rande des Saals war offenbar die Küche gewesen. „Nee, die hören ja schon vorher auf.“, korrigierte er.
Ich sah in den Eimer. Ein bisschen Laub war darin, und eine bauchige kleine Braunglasflasche. Es sah nicht eklig oder nach Spinnen aus, darum nahm ich meinen Mut zusammen und fischte die Flasche heraus.
Es war ein unerwarteter, seltsamer Anblick. ANTIDOT stand in verzierten Lettern darauf. Es folgte noch ein wenig unverständlicher Kauderwelsch aus scheinbar zufälligen Buchstaben und Zahlen. Eine dunkle Flüssigkeit schwappte darin herum. Ich ließ die Flasche wieder zurück fallen.
Plötzlich schrie Mina auf. Lukas und ich fuhren herum.
Sie starrte entsetzt auf den Durchgang, durch den wir gekommen waren. Daneben stand eine kleine seltsame Statue auf einem dünnen hohen Sockel. Wir mussten sie einfach beim Hereinkommen übersehen haben.
Mina stotterte nur ein paar Silben hervor, dann sagte sie: „Ich könnte schwören, dass sich diese Skulptur da gerade bewegt hat! Ganz sicher! Ich hab’s ja nur gemerkt, weil ich die Bewegung im Augenwinkel gesehen habe!“
„Kann doch gar nicht sein“, sagte Lukas und ging furchtlos zu der kleinen Statue. Sein sicheres Auftreten verdrängte meinen eigenen Schrecken. Ich zog Mina mit mir zu ihm.
Die Skulptur stellte ein unförmiges Wesen mit langen Gliedmaßen dar, das seinen Kopf mit den leeren Augenhöhlen auf die Stelle gerichtet hatte, an der wir eben gestanden hatten.
Lukas trat ausdrucksvoll in den toten Winkel des Wesens.
„Kannst mich nicht sehen. Ha-ha!“, höhnte er. „Siehst du?“, lächelte er zu Mina, „alles gut.“
Dann ging er zurück in den Flur. Mina jedoch stand der Schreck immer noch ins Gesicht geschrieben. „Aber… ich war mir so sicher.“, sagte sie leise zu mir.
„Das kann schon mal vorkommen“, sagte ich auf gut Glück und folgte Lukas.
Er hatte eine der Treppen schon fast erklommen und forderte uns zum Nachrücken auf. Da fiel mir das große Ölgemälde wieder ins Auge. Zweifellos standen die Augen, die mich wieder direkt ansahen, jetzt ein wenig anders als noch vorhin. Ach, Blödsinn. Jeder wusste über diese optische Täuschung Bescheid. Mina und ich folgten Lukas ins Obergeschoss und gingen ihm nach durch den dortigen Türrahmen.
Dahinter tat sich ein länglicher Flur zu beiden Seiten auf. Mehrere Türen führten von ihm ab.
Lukas öffnete geradeheraus die direkt vor uns, deren Schloss herausgebrochen war.
Zum Vorschein kam ein kleiner Raum mit zwei verstaubten Bücherregalen und zwei Tischen.
Während Mina still an der Wand stehen blieb, untersuchten Lukas und ich die unzähligen Notizzettel, die auf den Tischen verstreut lagen. Auf „meinem“ Tisch fand ich alle möglichen Alltagsnotizen wie Einkaufslisten und Nachrichten wie „Bin in zwei Stunden zurück“. Vieles war unleserlich geworden oder halb verfallen.
„Boah“, machte Lukas auf ein Mal, „hört euch das mal an. Ich lass einfach weg, was ich nicht lesen kann. ‚Der Alte ist am Bo… verreckt. Ich habe alte… Mo… gemischt zu Kre…‘ und hier unten ‚…Toter wandelt nicht…ruhig im Grabe durch Trank des Mid…k‘ – Also das ist doch echt mal gruselig.“
„Genug.“, sagte Mina plötzlich bestimmt. „Wir gehen jetzt auf der Stelle. Wie spät ist es überhaupt?“
„Okay, Schatz, machen wir.“ Er sah auf die Uhr. „Verarschen?! Es ist schon nach Achtzehn Uhr!“
Ich dachte, ich hätte mich verhört. Schnell riss ich meine eigene Uhr hervor und kam zu dem selben Ergebnis. „In der Düsternis hier drin merkt man gar nicht, wenn es dunkler wird.“
„Was?“, piepste Mina, „Wir müssen im Dunkeln durch den Wald zurück?“
„Nein, wir sind doch schnell.“, sagte Lukas und ging zum Treppenbereich.
Schleunigen Schrittes gingen wir zur Eingangstür zurück. Die plötzliche Flucht gab unserem Abschied einen panikartigen Charakter. Lukas erreichte die Tür, zog daran – und rutschte ab. Es rasselte in den Angeln. Er packte den Griff fester und riss ihn fast heraus, doch die Tür blieb zu. Das konnte einfach nicht wahr sein. Es konnte nicht.
Mina verfiel jetzt wirklich in Panik. „Geht sie nicht auf?!“, kreischte sie.
„Sorry, es geht nicht.“, sagte Lukas hilflos. „Es geht, geht, geht nicht!“ Er trat mehrmals gegen die Tür, doch außer Geklapper erreichte er nichts.
Ich wusste nur, dass wir unbedingt sofort hier raus mussten.
„Vielleicht kommen wir hinten raus!“, warf ich ein. Ohne Absprache rannten wir alle drei zum Speisesaal. Natürlich war zumindest auf den ersten Blick kein Ausgang zu sehen.
Da fing Lukas an, wütend zu brüllen. „Nein! Nein, niemals glaube ich das!“
Er hatte sich umgewandt und ging auf die kleine Statue zu, der Mina ein Eigenleben zugeschrieben hatte. Mir stockte der Atem, als ich sah, was Lukas meinte.
Der Kopf der Skulptur zeigte in eine andere Richtung als zuvor, daran gab es keinen Zweifel.
„Ich glaube dir das nicht!“, schrie er das Gestein an. Dann trat er mit einem großen stampfenden Schritt aus der Sicht des Steinwesens.
Im nächsten Moment fuhr der kleine Kopf zu ihm herum.
Kaltes Grauen packte mich. Ich schrie auf, formte einen Chor mit den angstverzerrten Rufen meiner Freunde. Wir rasten unter dem Durchgang zurück in den Flur, instinktiv die Treppen hoch. Das große Porträt folgte uns unverkennbar mit den Augen. Ich schrie noch lauter, lief noch schneller.
Der obere Durchgang schien uns bereits zu erwarten, das ganze Haus wusste von unserer Präsenz. Mit einem Höllentempo hasteten wir in den Gang mit den vielen Türen.
„Wir verstecken uns hinter einer Tür!“, rief ich. Mina stürzte vor in den Bücherraum, doch Lukas hielt sie zurück. „Die Tür geht nicht richtig zu!“
Wir hechteten zur nächsten von insgesamt vier Türen und fanden sie verschlossen. Die nächste war ebenso verschlossen. Es blieb nur eine übrig. Wir rannten uns die Seelen aus dem Leib und stießen die letzte Tür weit auf.
Ich prallte auf Lukas, der wie versteinert stehen geblieben war, Mina prallte auf mich.
Dann sah ich es. In der kleinen Kammer lagen mehrere skelettierte rotbraune Leichen übereinander. Zwei Schädel hatten noch graue Haarbüschel.
Wir stolperten rückwärts wieder heraus, Mina und ich fielen zu Boden. Lukas dagegen erzitterte im Stehen und rang nach Luft. Ich sprang auf die Füße und wollte ihn aus seiner Starre lösen, als ich mit Grauen sah, wie einer der toten Körper sich in eine Sitzposition erhoben hatte und den Kiefer weit öffnete.
Lukas‘ Gestalt schien sich eine Sekunde lang zu verzerren, dann verschwand er von einem Augenblick auf den anderen – er hatte sich buchstäblich in Luft aufgelöst.
Das lebende Skelett stellte sich auf die Füße und kam auf uns zu. Ein anderes erwachte zum Leben. Mina kreischte so laut, dass meine Ohren schmerzten, doch ich brachte keinen Ton hervor. Sie rammte mich beinah zu Boden, als sie mit langen Schritten davon setzte.
Ohne Nachzudenken folgte ich ihr zurück zu den Treppen, fiel mehr nach unten als dass ich lief und sprang zu Mina, die an der Tür zusammengesunken war.
Sie packte mich an der Hüfte, während ich verzweifelt an der eigentlich so morschen Tür rüttelte.
„Bitte mach die Tür auf, Vivian“, heulte Mina, „bitte mach die Tür auf, Vivian.“
Ich hätte im Moment jede Tür der Welt eingerissen, doch diese gab nicht nach. Ein Blick über die Schulter zeigte, dass die Untoten sich schnell näherten.
Ich rammte mich gegen die Tür, wieder und wieder. Sie ging nicht auf.
Ende
Hoffentlich gefiel es. Wie gesagt, bitte einen winzigen Kommentar, danke!
Rakios
Ich habe heute gegen Mitternacht mal aus Fun Pokemonmusik gehört, und da gibt es einen neuen Soundtrack zu einem Spukhaus. Da kam mir die Idee: Mann, wie geil wär denn nicht so eine Spukhausgeschichte?
Ich hab so gegen 2 Uhr nachts damit angefangen und bin jetzt um 5:45 damit fertig. Absolut lachhaft, die Uhrzeit. Naja, irgendwie entstehen neuerdings all meine guten Kurzgeschichten um diese Zeit (meist Horrorgenre lol, dabei ist das eig. gar nicht so mein Hauptthema).
Na gut, hier ist die Story! Feedback egal welcher Art, kann auch kurz sein, sehr erwünscht!
Das alte Chateau
„Was könnte cooler sein, als an Halloween Geburtstag zu haben?“
„Ich mein ja nur, dass dann zwei Feste auf einen Tag fallen.“ Mina verschränkte die Arme.
„Ach was“, sagte Lukas mit erwartungsvollem Blick, „besser könnte ich’s mir gar nicht vorstellen. Und wisst ihr warum? Weil ich euch beide einladen kann!“
Er grinste Mina und mich an, wie immer, wenn er sich wieder eine seiner Ideen in den Kopf gepflanzt hatte.
„Kommt Mädels, wir gehen noch heute zum alten Chateau!“, posaunte er.
„Nein“, trotzte Mina wie aus der Pistole geschossen, „da gehen wir nicht hin.“
„Hast du Angst?“, grinste Lukas zu seiner Freundin hinüber.
„Quatsch. Aber da geht nie einer hin, wieso wir?“
„Och Schatz, das wird genial da drin. Vivi kommt auch mit, nicht wahr?“
Er sah mich ungeduldig an. Eigentlich fand ich ausnahmsweise, dass seine Idee gar nicht so übel war. In der alten verlassenen Villa sollte es spuken, darüber war man sich in der ganzen Gegend einig. Niemand hatte sich jedoch die Mühe gemacht, einmal nachzusehen.
„Naja“, meinte ich, „das ist irgendwie schon ein cooler Ausflug für Halloween.“
Ich sah, wie Mina, die bis eben noch auf meinen Beistand gehofft hatte, ihr Gesicht noch mehr in ihrem Halstuch vergrub und die Stirn kraus zog.
„Na bitte!“, triumphierte Lukas und nahm außergewöhnlich zärtlich Minas Hand, „sag ich doch.“
Sie machte sich sanft los. „Ich will lieber in der Stadt bleiben.“
„Das können wir gern an deinem Geburtstag machen. Aber heute ist mein Siebzehnter. Komm schon, es ist Halloween und du weißt doch, wie sehr ich Halloween mag.“
Mina wand sich hin und her. „Na gut... wir können ja mal in die Nähe gehen.“
Er gab einen Freudenschrei von sich, packte Mina und mich am Handgelenk und stürmte voran. „Weil du heut Geburtstag hast!“, fügte sie hinzu.
„Und das, obwohl du hier der Jüngste bist.“, bemerkte ich lachend.
Lukas wurde langsamer und wandte sich zu mir um. „Wer bin ich“, äffte er, „ich hatte vor einer Woche erst selbst Geburtstag aber sag anderen, dass sie jünger sind?“
Ich streckte ihm die Zunge raus.
Wir gingen die baufällige Hauptstraße entlang, vorbei an den Bushaltestellen, an denen wir sonst in den Bus zur Schule einstiegen. Auf beiden Straßenseiten sahen wir immer wieder verkleidete Kinder oder ganze Gruppen von Zombies, Vampiren und Yetis unterschiedlichsten Alters.
Es war ja erst Nachmittag, darum war das regste Treiben noch nicht ausgebrochen. Ich sah auf die Uhr. Vier Minuten nach halb Fünf. Dann würden wir – ich überschlug die Zeit im Kopf – gegen halb Sieben bestimmt zurück sein.
„Wann werden wir wieder hier sein?“, fragte Mina in diesem Moment.
„Ich schätze mal, rund Achtzehn Dreißig, oder?“, meinte ich.
„Klar“, sagte Lukas, „dann ist es noch gar nicht dunkel, wenn wir im Chateau sind. Keine Sorge also.“
Jetzt stutzte ich doch. „Im Chateau?“
Mina wurde wieder nervös. „Wir gehen da auf keinen Fall rein!“
„Immer langsam, Mädels. Wir checken natürlich erst mal die Lage dort. Der Plan ist, hinzugehen.“
Weitere Einwände gab es momentan nicht, also setzten wir unseren Weg fort. Bald kam das Ortsausgangsschild in Sicht. Direkt dahinter bog ein ausgetretener Pfad in den tiefen Wald ab.
Wir folgten dem Weg, Lukas grinsend, Mina zögerlich und ich – so hoffte ich – normal.
Ab und zu liefen uns hier noch andere Leute über den Weg, der verlassene Teil würde erst weiter hinten beginnen.
An einer Kurve stand ein junger Mann mit einem Camcorder in der Hand und filmte uns. Ich dachte mir vorerst nichts dabei und ging mit meinen Freunden einfach weiter. Lukas‘ Blick nach zu urteilen allerdings, stand irgendetwas bevor.
Plötzlich wurde einer der Büsche am Wegesrand lebendig und sprang brüllend auf uns zu. Ich konnte ein Kreischen nicht unterdrücken, und die anderen waren auch vor Schreck zurückgestolpert.
Der Busch stand vor uns und lachte ausgelassen. Der Kameramann kam hinzu und senkte das Aufnahmegerät.
Ich sah genauer hin. Der Busch war ein Mensch in einem sehr seltsamen Anzug, der wahrlich wie ein zottiger Busch aussah. Im Unterholz war er unmöglich vom Gestrüpp zu unterscheiden.
„Keine üble Aktion“, befand ich.
„Wie geil ist das denn?“, sagte Lukas dazu. „Nettes Ghillie Suit!“
„Danke, danke“, sagte der Buschmann, „das wollte ich schon immer mal machen.“
„Weiter so“, ermunterte er den Verkleideten, während wir uns wieder auf den Weg machten.
Als wir außer Hörweite waren, sagte Mina ihre Meinung. „Das war ja wohl voll die Assiaktion! Sowas kann man sich echt sparen.“
„Meinste?“ Lukas deutete nach vorn. „Hey, da ist die Abzweigung.“
Tatsächlich. Ein verwitterter alter Wegweiser markierte den kleinen Trampelpfad, der direkt bis zum alten Chateau führte. Nur „…ateau“ war noch zu entziffern.
Lukas ging sofort vor, Mina stolperte hinterher. Ich blickte noch einmal zurück, dann folgte ich ihnen.
Das feuchte hohe Gras an den Rändern verengte den Weg immer mehr, je weiter wir gingen. Und je weiter wir kamen, stellte sich bei mir auch ein diffuses Gefühl des Unheils ein. Doch nein. Wahrscheinlich hatte ich mir einfach zu viel Angst von den Schauergeschichten machen lassen. Und es gab nicht einmal richtige Geschichten über das verlassene Anwesen.
Der Weg schien sich ermüdend lange hinzuziehen. Schließlich erreichten wir das Ende des Pfades, wo sich das mehr als kniehohe Gras so sehr verdichtet hatte, dass man hindurch waten musste.
Neidisch sah ich zu Mina und Lukas, die sich in ihren Jeans langsam weiter vorwagten.
„Ich kann doch nicht einfach so durchs nasse Gras“, sagte ich.
Meine Freunde hielten an. Mina stemmte die Hände in die Hüften.
„Na, mit dem Rock bist du ja auch selbst schuld. Würde ich dir in Zukunft für den Herbst sowieso nicht empfehlen. Wenn du dich vorhin nicht so mit diesem… Wookie beschäftigt hättest, wüsstest du auch, wie dich der Kameratyp angeguckt hat.“
Ich konnte nichts erwidern. Völlig dumm kam ich mir vor. Sie hatte ja Recht.
Dann schnappte ich erschrocken nach Luft. Auf dem Boden direkt zu meinen Füßen lag etwas Weißes…
„Was ist los?“
„Nee, nichts“, sagte ich schnell, „nur ein Hundeschädel.“ Zumindest hoffte ich, dass es einer war. Es sah furchtbar aus.
Lukas winkte mich herbei. „Komm, Vivi. Wir machen dir einen Trampelpfad. Es kann gar nicht mehr weit sein.“
Wir bahnten uns langsam einen Weg durch das Gras. Das Grünzeug streifte unangenehm meine Beine, Wasser lief mir in die Schuhe und ich wünschte mir, wenigstens nicht die Chucks angezogen zu haben.
„Haha, Baby ja!“ Lukas führte mit einem Mal einen Freudentanz auf. „Wir sind da! Guckt euch das an, die Damen. Original Spukhaus vom allerfeinsten.“
Ich schloss zu ihm auf und erblickte es sofort. Kaum fünfzig Meter voraus stand das alte Chateau groß und halb verfallen im Wald.
Einige der Fenster waren bereits eingefallen, vom Putz war kaum etwas übrig und das ganze Gemäuer wirkte ergraut. Genau so hatte es immer auf den Bildern ausgesehen. Alptraumhaft.
„Kommt, dann mal los!“ Lukas stapfte direkt über die eingestürzten Zaunfragmente und näherte sich der Villa.
Es übte durchaus einen abenteuerlichen Reiz aus. Auch wenn es wie das Tor zur Hölle aussah, war es eine wirklich tolle Geschichte für nach Halloween. Ich ging Lukas nach und schob mich an Mina vorbei, die scheu ihren Blick über die Ruine gleiten ließ.
„Was ihr nur daran findet…“, sagte sie in meinem Rücken.
Ich sah wieder nach vorn zu den großen Doppeltüren. „Lukas, was zur Hölle treibst du da?“
„Das Ding ist nicht mal verschlossen. Die Tür hängt kaum in den Angeln. Wir können einfach rein. Sieht okay aus, da drinnen.“
Zögernd blieb ich stehen. „Ich weiß ja nicht…“
„Nein, Schatz“, Mina rannte an mir vorbei, packte Lukas am Arm und zog ihn von der Pforte weg. „Geh da nicht rein. Wir können doch hier draußen bleiben.“
„Aber wo wir doch schon mal da sind!“
Sie schüttelte energisch den Kopf. „Mich kriegen da keine zehn Pferde rein!“
„Also doch Muffensausen.“, grinste er.
Ich meldete mich zu Wort. „Klar ist das interessant, aber da geht nun mal niemand jemals rein. Nicht mal so nah wie wir jetzt.“
„Genau“, nickte Mina.
Lukas zuckte die Schultern. „Sorry, aber Halloween und mein Geburtstag. Ich geh rein. Wenn wir zu dritt gehen, kann uns nichts passieren. Du bleibst einfach nah bei Vivi, ich schau mir ein bisschen was an und gut ist.“
Ausgerechnet auf mich berief er sich. Eigentlich musste ich zugeben, dass ich auch gern mal hineingeschaut hätte, doch es schien nicht richtig. Mina schüttelte einfach den Kopf.
„Bäämm“, machte Lukas und stieß einen Flügel der Pforte auf. Mina zuckte zusammen. „Na, irgendwas passiert, ihr Angsthäschen?“
Er setzte frech einen Fuß hinein. „Oje“, klagte er theatralisch, „fürchterliche Geister verschlingen mich!“ Dann hüpfte er ganz durch die Tür und verschwand im alten Chateau.
Dieser Kindskopf. Ich ging hinterher. Wo war er hin verschwunden? Ich spähte durch den Türrahmen.
Lukas‘ Kopf tauchte mit einem „BUH!“ darin auf. Mina kreischte doppelt so laut auf wie ich.
„Du Idiot!“, meckerte sie.
„Sorry, aber der musste einfach sein.“ Er deutete mit dem Daumen ins Innere. „Hier drin ist alles okay. Zieht’s euch ruhig mal rein.“ Wieder verschwand er drinnen.
Zögernd tat ich einen Schritt durch die Tür. Das Innere der Villa sah tatsächlich nicht besonders beängstigend aus. Es war zwar alles verkommen und sehr alt, aber mehr auch nicht.
Da durchfuhr mich ein kalter Schauer. Zugluft, merkte ich im nächsten Moment. Ich drehte mich um.
„Mina.“ Sie blickte jetzt erst auf. „Es ist wirklich alles ganz normal. Ein etwas zugiges Haus, das ist alles.“ Selbst Lukas ließ sich wieder blicken.
„Guck einfach mal rein, Schatz.“, sagte er, „Das ist interessant. Du brauchst keine Angst zu haben.“
Sie kam zu uns. „Hab ich auch nicht“, schniefte sie, „ich will halt nur ungern da rein.“
Mit einem großen Schritt trat auch sie durch die Tür und nahm meine Hand, wie wenn man von einem Boot auf den Steg trat. In diesem Moment fuhr eine besonders starke Böe durch das Haus und ließ die Tür hinter uns zuschlagen.
„Ganz schön windig“, bemerkte ich.
„Kommen wir jetzt noch raus?“
„Klar“, sagte Lukas beiläufig, „ist doch nur zugefallen. Zieh dir lieber mal den hier rein. Ich sag doch, das lohnt sich hier!“
Der Flur war eine Art Halle. Geradeaus führte ein Durchgang in einen anderen Raum, an den Wänden verlief eine Treppe ins Obergeschoss.
Lukas ging zur linken Wand und deutete auf ein Gemälde, das vielleicht den ehemaligen Besitzer der Villa zeigte. Es sah aus wie der klassische Stereotyp eines Gemäldes, das einen mit den Augen verfolgte.
„Oder der Tisch hier“, Lukas hastete durch die Gegend, „alles total verstaubt.“
Ich ging zum Treppenabsatz, wo eine große grüne Topfpflanze stand. Mina wich nicht von meiner Seite. Na gut.
„Meinst du nicht auch“, sagte ich, „dass an der Pflanze irgendwas komisch ist?“
Sie sah nur kurz hin, zuckte die Schultern und blickte dann wieder nervös durchs Haus.
„Klar“, erkannte ich. „Wie kann die Pflanze hier noch leben, wenn sie Jahrzehnte lang ohne Wasser und Licht gestanden hat?“
„Mach mir nicht noch extra Angst“, mahnte Mina.
Ich blickte zu dem Ölporträt hinüber. Sowohl hier als auch an der Tür schienen die Augen direkt auf mich gerichtet zu sein. Aber es war ja klar, dass ich mir das jetzt einbildete.
Lukas sprintete gerade durch den Durchgang im Erdgeschoss und bedeutete uns, ihm zu folgen.
„Cool“, hörten wir ihn schon sagen, dann waren wir auch angekommen. Es handelte sich um einen Raum, der an einen Speisesaal erinnerte. Ein langes Bankett, sogar noch mit Tischdecke, stand mitten im Raum. Einige Stühle standen unordentlich darum, manche waren umgekippt.
Auf dem ursprünglich weißen Stoff war in der Mitte ein großer schwarzer Fleck zu sehen, der doch recht stark erinnerte an getrocknetes…
„Blut?“
„Quark.“, fand Lukas, der schon auf der anderen Seite des Tisches stand. „Das ist doch kein Blut. Hier ist noch mehr von dem Zeug. Es führt von diesem Platz aus weiter in die Richtung…“ Er schien einer Spur nachzugehen.
Ich folgte ihm bedächtig und musste dabei etwas Nachdruck auf Mina wirken, die sich an mich geklammert hatte.
„Hier führt das hin“, sagte er und zeigte auf einen steinernen Mülleimer. Am Rande des Saals war offenbar die Küche gewesen. „Nee, die hören ja schon vorher auf.“, korrigierte er.
Ich sah in den Eimer. Ein bisschen Laub war darin, und eine bauchige kleine Braunglasflasche. Es sah nicht eklig oder nach Spinnen aus, darum nahm ich meinen Mut zusammen und fischte die Flasche heraus.
Es war ein unerwarteter, seltsamer Anblick. ANTIDOT stand in verzierten Lettern darauf. Es folgte noch ein wenig unverständlicher Kauderwelsch aus scheinbar zufälligen Buchstaben und Zahlen. Eine dunkle Flüssigkeit schwappte darin herum. Ich ließ die Flasche wieder zurück fallen.
Plötzlich schrie Mina auf. Lukas und ich fuhren herum.
Sie starrte entsetzt auf den Durchgang, durch den wir gekommen waren. Daneben stand eine kleine seltsame Statue auf einem dünnen hohen Sockel. Wir mussten sie einfach beim Hereinkommen übersehen haben.
Mina stotterte nur ein paar Silben hervor, dann sagte sie: „Ich könnte schwören, dass sich diese Skulptur da gerade bewegt hat! Ganz sicher! Ich hab’s ja nur gemerkt, weil ich die Bewegung im Augenwinkel gesehen habe!“
„Kann doch gar nicht sein“, sagte Lukas und ging furchtlos zu der kleinen Statue. Sein sicheres Auftreten verdrängte meinen eigenen Schrecken. Ich zog Mina mit mir zu ihm.
Die Skulptur stellte ein unförmiges Wesen mit langen Gliedmaßen dar, das seinen Kopf mit den leeren Augenhöhlen auf die Stelle gerichtet hatte, an der wir eben gestanden hatten.
Lukas trat ausdrucksvoll in den toten Winkel des Wesens.
„Kannst mich nicht sehen. Ha-ha!“, höhnte er. „Siehst du?“, lächelte er zu Mina, „alles gut.“
Dann ging er zurück in den Flur. Mina jedoch stand der Schreck immer noch ins Gesicht geschrieben. „Aber… ich war mir so sicher.“, sagte sie leise zu mir.
„Das kann schon mal vorkommen“, sagte ich auf gut Glück und folgte Lukas.
Er hatte eine der Treppen schon fast erklommen und forderte uns zum Nachrücken auf. Da fiel mir das große Ölgemälde wieder ins Auge. Zweifellos standen die Augen, die mich wieder direkt ansahen, jetzt ein wenig anders als noch vorhin. Ach, Blödsinn. Jeder wusste über diese optische Täuschung Bescheid. Mina und ich folgten Lukas ins Obergeschoss und gingen ihm nach durch den dortigen Türrahmen.
Dahinter tat sich ein länglicher Flur zu beiden Seiten auf. Mehrere Türen führten von ihm ab.
Lukas öffnete geradeheraus die direkt vor uns, deren Schloss herausgebrochen war.
Zum Vorschein kam ein kleiner Raum mit zwei verstaubten Bücherregalen und zwei Tischen.
Während Mina still an der Wand stehen blieb, untersuchten Lukas und ich die unzähligen Notizzettel, die auf den Tischen verstreut lagen. Auf „meinem“ Tisch fand ich alle möglichen Alltagsnotizen wie Einkaufslisten und Nachrichten wie „Bin in zwei Stunden zurück“. Vieles war unleserlich geworden oder halb verfallen.
„Boah“, machte Lukas auf ein Mal, „hört euch das mal an. Ich lass einfach weg, was ich nicht lesen kann. ‚Der Alte ist am Bo… verreckt. Ich habe alte… Mo… gemischt zu Kre…‘ und hier unten ‚…Toter wandelt nicht…ruhig im Grabe durch Trank des Mid…k‘ – Also das ist doch echt mal gruselig.“
„Genug.“, sagte Mina plötzlich bestimmt. „Wir gehen jetzt auf der Stelle. Wie spät ist es überhaupt?“
„Okay, Schatz, machen wir.“ Er sah auf die Uhr. „Verarschen?! Es ist schon nach Achtzehn Uhr!“
Ich dachte, ich hätte mich verhört. Schnell riss ich meine eigene Uhr hervor und kam zu dem selben Ergebnis. „In der Düsternis hier drin merkt man gar nicht, wenn es dunkler wird.“
„Was?“, piepste Mina, „Wir müssen im Dunkeln durch den Wald zurück?“
„Nein, wir sind doch schnell.“, sagte Lukas und ging zum Treppenbereich.
Schleunigen Schrittes gingen wir zur Eingangstür zurück. Die plötzliche Flucht gab unserem Abschied einen panikartigen Charakter. Lukas erreichte die Tür, zog daran – und rutschte ab. Es rasselte in den Angeln. Er packte den Griff fester und riss ihn fast heraus, doch die Tür blieb zu. Das konnte einfach nicht wahr sein. Es konnte nicht.
Mina verfiel jetzt wirklich in Panik. „Geht sie nicht auf?!“, kreischte sie.
„Sorry, es geht nicht.“, sagte Lukas hilflos. „Es geht, geht, geht nicht!“ Er trat mehrmals gegen die Tür, doch außer Geklapper erreichte er nichts.
Ich wusste nur, dass wir unbedingt sofort hier raus mussten.
„Vielleicht kommen wir hinten raus!“, warf ich ein. Ohne Absprache rannten wir alle drei zum Speisesaal. Natürlich war zumindest auf den ersten Blick kein Ausgang zu sehen.
Da fing Lukas an, wütend zu brüllen. „Nein! Nein, niemals glaube ich das!“
Er hatte sich umgewandt und ging auf die kleine Statue zu, der Mina ein Eigenleben zugeschrieben hatte. Mir stockte der Atem, als ich sah, was Lukas meinte.
Der Kopf der Skulptur zeigte in eine andere Richtung als zuvor, daran gab es keinen Zweifel.
„Ich glaube dir das nicht!“, schrie er das Gestein an. Dann trat er mit einem großen stampfenden Schritt aus der Sicht des Steinwesens.
Im nächsten Moment fuhr der kleine Kopf zu ihm herum.
Kaltes Grauen packte mich. Ich schrie auf, formte einen Chor mit den angstverzerrten Rufen meiner Freunde. Wir rasten unter dem Durchgang zurück in den Flur, instinktiv die Treppen hoch. Das große Porträt folgte uns unverkennbar mit den Augen. Ich schrie noch lauter, lief noch schneller.
Der obere Durchgang schien uns bereits zu erwarten, das ganze Haus wusste von unserer Präsenz. Mit einem Höllentempo hasteten wir in den Gang mit den vielen Türen.
„Wir verstecken uns hinter einer Tür!“, rief ich. Mina stürzte vor in den Bücherraum, doch Lukas hielt sie zurück. „Die Tür geht nicht richtig zu!“
Wir hechteten zur nächsten von insgesamt vier Türen und fanden sie verschlossen. Die nächste war ebenso verschlossen. Es blieb nur eine übrig. Wir rannten uns die Seelen aus dem Leib und stießen die letzte Tür weit auf.
Ich prallte auf Lukas, der wie versteinert stehen geblieben war, Mina prallte auf mich.
Dann sah ich es. In der kleinen Kammer lagen mehrere skelettierte rotbraune Leichen übereinander. Zwei Schädel hatten noch graue Haarbüschel.
Wir stolperten rückwärts wieder heraus, Mina und ich fielen zu Boden. Lukas dagegen erzitterte im Stehen und rang nach Luft. Ich sprang auf die Füße und wollte ihn aus seiner Starre lösen, als ich mit Grauen sah, wie einer der toten Körper sich in eine Sitzposition erhoben hatte und den Kiefer weit öffnete.
Lukas‘ Gestalt schien sich eine Sekunde lang zu verzerren, dann verschwand er von einem Augenblick auf den anderen – er hatte sich buchstäblich in Luft aufgelöst.
Das lebende Skelett stellte sich auf die Füße und kam auf uns zu. Ein anderes erwachte zum Leben. Mina kreischte so laut, dass meine Ohren schmerzten, doch ich brachte keinen Ton hervor. Sie rammte mich beinah zu Boden, als sie mit langen Schritten davon setzte.
Ohne Nachzudenken folgte ich ihr zurück zu den Treppen, fiel mehr nach unten als dass ich lief und sprang zu Mina, die an der Tür zusammengesunken war.
Sie packte mich an der Hüfte, während ich verzweifelt an der eigentlich so morschen Tür rüttelte.
„Bitte mach die Tür auf, Vivian“, heulte Mina, „bitte mach die Tür auf, Vivian.“
Ich hätte im Moment jede Tür der Welt eingerissen, doch diese gab nicht nach. Ein Blick über die Schulter zeigte, dass die Untoten sich schnell näherten.
Ich rammte mich gegen die Tür, wieder und wieder. Sie ging nicht auf.
Ende
Hoffentlich gefiel es. Wie gesagt, bitte einen winzigen Kommentar, danke!
Rakios
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