Lore Die Konsistenz von Aurbis, Mundus und Nirn

Märzhäsin

Fremdländer
Hallo liebe Community,

Seit dem ich innerhalb der letzten Wochen auf unzählige komplizierte Lore-Texte von ehemaligen Entwicklern der Elder Scrolls-Serie gestoßen bin, die sich verstreut an unterschiedlichen Stellen des Internets finden lassen, fühle ich mich mittlerweile hoffnungslos überfordert und blicke innerhalb der Elder Scrolls-Lore einfach nicht mehr durch, was mich irgendwie belastet, weil es sich bei Nirn um meine Lieblings-Fantasywelt handelt. :(

Die Zusammenhänge und die Konsistenz der gesamten Universums erscheinen mir immer widersprüchlicher.

Wenn Aurbis und alles was sich darin befindet von Anu in die Realität hinein geträumt wurde wie kann es dann angeblich mehrere erträumte Universen (die scheinbar Amarant genannt werden) gleichzeitig auf Nirn geben welche durch die einzelnen Kontinente verkörpert werden? Akavir soll ja angeblich der Amarant von jemand anderem sein aber wie soll das möglich sein wenn Mundus von Lorkhan und Magnus erschaffen wurde die wiederum erst durch Anu und Padomay erschaffen wurden und alles was in Aurbis existiert von Anu erträumt wird?

Es wurde in einem der unzähligen Kommentare zu diesen Texten behauptet dass Akavir nicht nur von jemand anderem erträumt wird sondern auch noch die Zukunft darstellt aber wie sollen die Gegenwart und die Zukunft aus metaphysischer Sicht parallel zueinander existieren? Das geht doch überhaupt nicht nach den Regeln der Logik; die Zukunft ist alleine von der Gegenwart abhängig und befindet sich somit permanent im Wandel, die Zukunft ist das was sein könnte aber nicht sein muss.

Als Beweis für seine Behauptung hatte der Autor die Katastrophe von Ionith genannt und behauptet das dies deutlich zeigen würde dass man nicht von einem Kontinent zum anderen gelangen kann ohne von Aurbis weggefegt zu werden und jeder auf seinen Kontinent gebunden ist weil jeder ein einzelner Traum ist. Aber das ergibt irgendwie nun wirklich keinen Sinn. :confused:

Der Kaiser und seine Truppen sind doch damals sehr wohl auf Akavir gelandet und es sind hauptsächlich die Tsaesci gewesen die ihm zum Verhängnis wurden und nicht irgend eine übernatürliche Kraft die als Wächter der Welten funktioniert und jede Reise zu anderen Kontinenten oder Existenzebenen bestraft, oder etwa nicht?

Und warum konnten die Tsaesci dann problemlos nach Tamriel gelangen und sich dort vollkommen frei bewegen und sogar für lange Zeit dort leben?

Und wie konnte dann der Held von Kvatch zu den Totenländern und den zitternden Inseln reisen?

Und wie konnte das Drachenblut dann nach Apocrypha reisen?

Und wie konnte das Kaiserreich während der Reman-Dynastie dann Kolonien auf Masser und Secunda errichten?

Ich bin mit meiner Weisheit wirklich am Ende und hoffe das mir vielleicht irgend jemand ein wenig Klarheit verschaffen kann.
 
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Willkommen im Forum! Und keine Sorge, deine "Lieblings-Fantasywelt" ist ja die deine. :)

Man muss vieles davon im Kontext lesen, vieles als interessante Spekulation und Ansätze zu Themen, die sich über Jahre aufgebaut haben und dann (so um 2012-15) in den Foren und Texten aufgegriffen wurden. Speziell, was die Vorstellung von Aurbis als Traum (metaphorisch!) betrifft, oder die Frage, wie die Kontinente mit Zeitlinien in Verbindung stehen. Das geht oft noch einen Schritt selbst über tamrielische Metaphysik hinaus und ist wirklich ein recht spezieller Bereich - nichts, womit man unbedingt anfangen sollte, top down scheitert hier grandios.

Ich würde für den Anfang versuchen, vom ersten Pocket Guide (1st Edition) heranzugehen (dem eigentlichen Gründungsdokument der Lore nach den ersten Spielen) und mehr über die verschiedenen Kulturen und ihre Vorstellungen zu lernen. Darüber dann zu ihren Mythologien (die ganzen Schöpfungsgeschichten, etwa im Monomyth) und Religionen (Varieties of Faith), dann etwas Kosmologie, und dann erst zur Metaphysik (z.B. Vehk's Teaching). Besser nicht umgekehrt!

Vor allem gibt so viele unterschiedliche Ansätze zu Tamriel - speculative fiction par excellance. Für mich ist da auch nicht das eine Tamriel, sondern nur eine Klammer für verschiedene Settings. Die frühesten Spiele sind High Fantasy (a la Dragonlance etc), Battlespire ist schon etwas eigenes, Morrowind hat ganz andere Ahnen (Dune, Glorantha, Dark Sun, Weird Fiction uvm) als die frühesten Spiele etc. Das wunderbare Dschungel-Cyrodiil, das im PGE1 zu Redguard beschrieben wurde, hat nichts mit dem Cyrodiil aus Oblivion zu tun, auch wenn man notgedrungen eine (oder drei sich angemessen widersprechende) Retcon-Erklärungen zusammengeflickt hat. "Space Lore" ist noch ein Bereich für sich, und diese sehr abstrakte Metaphysik auch, denke ich. Alles unterschiedliche Brillen, sozusagen, keine richtiger oder falscher als die andere. Man teilt sich lediglich einige Namen und Bezugspunkte. Obwohl Tamriel in den jüngsten Spielen meinem Eindruck nach immer mehr streamlining unterworfen war, ist es aus seiner Entwicklung heraus eigentlich nie aus einem Guss gewesen. Darin liegt auch sein besonderer Reiz, finde ich. Tamriel ist in jeder Hinsicht mehrperspektivisch gebaut - sowohl, aus einer Meta-Perspektive, was die sehr unterschiedlichen Darstellungsweisen durch unterschiedliche Autoren und Entwicklungsteams über ca. 20 Jahre betrifft als auch, was Lore-Inhalte selbst angeht (z.B. wird man nur Darstellungen, nicht die eine Wahrheit zum Roten Berg oder zur Schöpfung der Welt finden). Ziemlich chaotisch, ziemlich modern.

Manchmal (besonders in Büchern oder beiläufigen Erwähnungen) gibt es Überschneidungen zwischen verschiedenen Settings - z.B., wenn im Pocket Guide (Third Edition!) zur konventionellen Fantasy Oblivions dann vom Raumfahrtprogramm der Remanen liest, oder wenn man herausfindet, dass Pelinal aus dem antiken Lied als zeitreisender Terminator angelegt war - solche Dinge.

Das bedeutet nicht, dass man derartiges je über die Maßen prominent in einem modernen Bethesda-Spiel sehen würde ... die Leute kaufen ein TES eben für Fantasy, Elfen und Orks statt für Mottenschiffe und Hindu-Mythologien. Morrowind hat da einen guten Kompromiss gefunden, aber seither werden imo leider wieder die ausgetretenen, (kommerziell) sicheren Pfade bevorzugt - auch, wenn sie immer noch versuchen mögen, hier und da einen eigenen Akzent einzubringen. Insgesamt führt die Entwicklung leider dazu, dass selbst ein grundsolides Nordpantheon für TES V: Skyrim abgelehnt wird, weil es Fans vermeintlich verwirren würde, und man lieber das denkbar simpelste Daggerfall-Pantheon einsetzt. Aber ceterum censeo ... ^^

Und wie konnte das Kaiserreich während der Reman-Dynastie dann Kolonien auf Masser und Secunda errichten?
Die remanischen Expeditionen werden im PGE3 zu Oblivion erwähnt, in diesem Kapitel. Ansätze zu transdimensionaler Space Lore gibt es schon in Battlespire - hier hat Semblio ein paar Referenzen zusammengestellt. Etwas Hintergrund zu Remans Eroberung gibt vor allem dieses Fragment. Man gelangt auf die echt nibenische Art dorthin - mit riesigen Megalomotten. :)
 
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Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!

Also handelt es sich bei vielen von diesen Texten und Erläuterungen eigentlich nur um metaphysische Theorien oder sogar um Dinge die über die Metaphysik von Nirn und Mundus hinausgehen?

Bis zu dem Zeitpunkt als es noch darum ging dass Aurbis und alles was sich darin befindet von Anu in die Realität hinein geträumt wurde hatte ich die Lore noch einigermaßen verstanden aber als dann an anderen Stellen behauptet wurde das Akavir der Traum (Amarant) von jemand anderem sein soll und sich obendrein in der Zukunft befindet, die aber als parallele Zeitlinie zur Gegenwart verläuft und gleichzeitig existiert was dann wiederum bedeuten soll das man den Kontinent und die Existenzebene nicht wechseln kann habe ich nur noch Widersprüche gesehen und alles was ich bisher durch den exzessiven Konsum von Morrowind, Oblivion und Skyrim erfahren und erlebt hatte ist wie ein Kartenhaus in sich zusammengebrochen. :(

Denn wenn alles was sich in Aurbis befindet von Anu erträumt wird kann Akavir ja nicht der Traum von jemand anderem sein und sich erst recht nicht in einer anderen Zeit befinden. Es kann auch keine dadurch verursachte Blockade zwischen den Kontinenten und Existenzebenen geben denn sonst hätten die kaiserlichen Legionen nicht Akavir betreten können und die Tsaesci nicht lange Zeit auf Tamriel leben können. Außerdem würde das doch den Erlebnissen des Helden von Kvatch und des Drachenbluts widersprechen?
 
Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
Also handelt es sich bei vielen von diesen Texten und Erläuterungen eigentlich nur um metaphysische Theorien oder sogar um Dinge die über die Metaphysik von Nirn und Mundus hinausgehen?

Ja, letztendlich schon, aber das kannst du halten wie du willst - es ist natürlich immer ein Unterschied, ob gerade Vivec, Heimskr, ein Hist oder ein ekstatischer Mottenpriester spricht. Und es ist auch ein Unterschied, wenn ein Entwickler im Dialog ein paar gute Ideen verrät, wie Aurbis als "Dreamscape" funktionieren könnte (ein Beispiel von MK) - und was diverse Communities Jahre später daraus machen.

Amarant ist ein metaphysisches Konzept, das im Loveletter (2006, wiederum ein Kommentar zu Vivecs Lektion 35) angekündigt und dann in C0DA (2014) auserzählt wird. Es geht ganz "gnostisch" um den Zweck von Lorkhans Schöpfung (siehe Spirit of Nirn), nämlich Aurbis zur "Flucht" aus der unvollkommenen in eine neue, bessere Welt zu nutzen, in der das Trauma der Anuade geheilt ist. Das ist sozusagen ein Schlussstein für die Mythologie Morrowinds und besonders die Lehren Vivecs.

Mit Akavir hat das an und für sich erst einmal nichts zu tun. Das ist teils ein Missverständnis, teils eine Möglichkeit, die später hinzugekommen ist (hier habe ich etwas dazu gesammelt -> Kapitel VIII!) und sich dann etwas weitergesponnen hat, weil es zugegebenermaßen einige sehr interessante Möglichkeiten für Akavir eröffnet. Ist aber jedenfalls kein Dogma. ^^

Und selbst wenn man mit diesen Ideen arbeitet - nicht jeder macht das, wie gesagt, man kann es auch ganz anders angehen - muss das nicht unbedingt zu Problemen mit Uriel "Conquering Diamond" V. in Akavir oder Tsaesci in Tamriel führen.
 
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Das ist wieder eine sehr ausführliche Art um zu sagen: Der Bildschirm ist das Lagerfeuer der Moderne.
Bei einer Fantasy-Welt in einem Buch hat der Autor die Autorität nicht nur über die Welt, sondern auch darüber, was eine Figur denkt, wie sie handelt, wofür sie sich entscheidet. In einem Spiel, zumindest in einem RPG, kann der "Autor" (also eine Gruppe von mehreren hundert Menschen mit komplett verschiedenen Hintergründen) entscheiden, wo ein Berg steht, was ein NPC sagt, welche Cutscenes eingeblendet werden, aber die Autorität über das Innenleben der Figur, über ihr Nachdenken über die Welt, über ihre Wünsche und Ziele in dieser Welt - entscheidet allein der Spieler/die Spielerin. Man ist immer Co-Autor eines Spiels. Oder besser: Co-Erzähler/in.

Das wunderbare an TES ist, dass den Spielen das bewusst ist. Wenn jemand die Spiele als Mantel-und-Degen-Geschichten spielen will, dann ist das die Welt, die er spielt. Wenn jemand sie als Versuch, hinduistische Kosmologie und parmenidische Metaphysik in einem narrativistischen Kommentar zum Nutzen des Oral Poetry in der Entwicklung früher Kulturen zusamenzubringen spielen will - dann funktioniert das auch.
Wenn du irgendeine Theorie liest, die dir merkwürdig oder sogar unsinnig erscheint, dann kannst du ruhig widersprechen, das machen die Spiele ja genauso. Im Endeffekt sind das alles eigene Welten, und manche Leute teilen ihre Welt mit der Community, um (vielleicht) unsere Welt zu bereichern.

Ansonsten wende dich einfach an Nume und seine Links, der weiß hier am besten Bescheid :p
 
Wunderbare Antwort, Viele. Und den letzten Satz gebe ich gerne zurück: Viele-als-Einer kennt sich mit den narrativen Tricks und Tücken in geteilten Fantasiewelten hier auch am Besten aus. :)

Ich glaube, die Irritation von @Märzhäsin ist einfach der Unterschied zwischen den Spielen und dem, was ElderScrolls-Lore down the rabbit hole (sorry could not resist!!) darüber hinaus noch sein kann ...

In einem Spiel, zumindest in einem RPG, kann der "Autor" (also eine Gruppe von mehreren hundert Menschen mit komplett verschiedenen Hintergründen) entscheiden, wo ein Berg steht, was ein NPC sagt, welche Cutscenes eingeblendet werden, aber die Autorität über das Innenleben der Figur, über ihr Nachdenken über die Welt, über ihre Wünsche und Ziele in dieser Welt - entscheidet allein der Spieler/die Spielerin. Man ist immer Co-Autor eines Spiels.

In unserem Fall würde ich praktisch sogar eher mit einem Spiel sagen.

Was mich immer fasziniert hat ist, dass es irgendwann gar nicht mal so sehr um ein Videospiel geht. Die ganzen Zugeständnisse an dieses Medium sind in den freien Texten, Diskussionen, Theorien einfach nicht nötig. Welt & Lore gewinnen dann ein Eigenleben statt nur ein ersetzbares Anhängsel für Gameplay zu sein. In dem Punkt - wir hatten auch schon mal darüber geschrieben - scheiden sich theoretisch immer die Geister, für manchen ist Gameplay (selbst so etwas wie stures MMO-Grinding) auch nur eine weitere Form des Erzählens und kultureller Text - während ich diese Formen idR für erzählerisch kaum beachtenswert halte (Ausnahmen bestätigen die Regel, nicht dass es unmöglich wäre, Gameplay als Form auch künstlerisch einzusetzen). TES Lore ist für mich daher im besten Fall ein großes Buch, das Borges geschrieben hätte, "if he only had been born with a USB port in the back of his beloved neck", wie MK es mal sagte - phantastische Literatur, auf neuartige Weise interaktiv und dem gegenüber auch inhaltlich durch viele moderne Aspekte aufgeschlossen (fragmentarische, gebrochene Perspektiven, Relativismus, Tod des Autors/Geburt des Lesers, teilweise auch Selbstreflexion als Text) - eben in erster Linie ein Buch und kein mit "Hintergründen" angereichertes Mensch-ärgere-dich-nicht.

Diese Eigenständigkeit einer ElderScrolls-Lore "for art's sake", die auch als Buch unabhängig vom Spielerischen funktioniert, vermisse ich besonders in Skyrim - stattdessen sehe ich immer mehr Verzahnung zwischen Spiel und Lore und den Versuch eines möglichst totalen Gameplay, in der Lore nur ein nützlicher Baustein unter vielen ist. So gut wie jedes neue Buch in Skyrim musste irgendwie mit diesem oder jenem Dungeon oder Ingame-Content gerechtfertigt werden, für so schöne Seltsamkeiten wie Morrowinds beide Drachenbruch-Bücher wäre da glaube ich überhaupt mehr kein Platz gewesen.

Natürlich sind die Spiele die Basis, wir wären ohne sie nicht hier und sie bringen ja auch den ganzen Content. Man kann in ihnen auch etwas Rollenspiel simulieren oder sich den hellen Wahnsinn zurechtmodden. Aber das "Lagerfeuer" bietet eben noch weit mehr als es ein Spiel (selbst ein MMO) könnte - hier wird die Fiktion erst wirklich geteilt, auf neue Art und Weise interaktiv und gewinnt eine Dynamik über die Spiele hinaus, lernt quasi auf eigenen Füßen zu stehen. Plötzlich vergleicht man dann mit anderen zusammen eine Stelle im Lied von Pelinal mit der Ilias oder diskutiert die Parallelen zwischen Pelinals und Lorkhans Ende, ohne dass es noch ein Skillbuch wäre. Aber das ist ein altes Thema, und ich meine eigentlich nur, dass Lore als Gegenstand an sich weit über die Spiele hinausreichen kann und auch sollte - selbst wenn die Diskrepanz erstmal etwas verwirren mag.

Ich erinnere mich dazu noch an diese unnachahmliche Antwort von Haute Queteure:

 
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Dank euch kann ich die Dinge nun wieder etwas besser verstehen und in meinem Verstand sortieren. Vielen Dank dafür!

@Numenorean: Welche Theorie zur Katastrophe von Ionith und zur metaphysischen Konsistenz von Akavir hast du eigentlich? Du hattest dazu kurz etwas in deinem Beitrag zu den Bewohnern von Akavir angedeutet welches scheinbar mit dem CHIM von Tiber Septim in Verbindung steht.

Und was hat es mit diesem Ritual namens Enantiomorph auf sich und wo könnte ich etwas genaueres darüber lesen?