Ich habe im ersten Kapitel meiner Geschichte erzählt, wie ich zum Vampir wurde und das erste Mal getötet habe. Obwohl es den Leser erschrecken mag (und wohl auch sollte), dass mein erstes Opfer eine Freundin des Sterblichen war, der ich zu sein pflegte, sind dies meines Wissens nach keine ungewöhnlichen ersten Todesopfer.
Ich ließ die schneeweiße Leiche in der Gasse liegen und rannte zum einzigen Ort zurück, an dem ich mich widernatürlicherweise sicher fühlte: dem Mausoleum. In den ersten paar Tagen meines Untodes erschöpfte ich mich selbst damit, mein Schicksal zu betrachten. Ich lernte nun erneut, wozu ich fähig war und fand heraus, dass ich stärker, schneller, zäher und wendiger war als zuvor. Ich gebot über Kräfte, die ich als Ritter nur bei mächtigen Magiern gesehen hatte. Später entdeckte ich zusätzliche Fähigkeiten, wie zum Beispiel völlige Resistenz gegen Krankheiten. Hilfreich, wenn man wie ein Schakal über eine pestverseuchte Stadt herfällt.
Ich erkannte auch meine Schwächen. Ich konnte das Sonnenlicht nicht länger ertragen - ihm mehr als wenige Sekunden ausgesetzt zu sein, führte zu furchtbaren Verbrennungen.
Es bereitete mir auch Schmerzen, Tempel oder andere Orte der Anbetung zu betreten. Die schlimmste Auswirkung musste aber natürlich mein Blutdurst sein. Wenn ich nicht jede Nacht ein warmblütiges Geschöpf töten und sein Blut trinken konnte, würde mich mein Verlangen verzehren und keine erlittene Wunde mehr verheilen, selbst wenn ich noch so lange ruhte.
Ist das der Moment zu bekennen, dass es eine Zeit gab, in der ich es liebte, ein blutsaugendes Geschöpf der Nacht zu sein? Es ist nicht unmöglich, nur des Nachts zu leben, bloß gelegentlich unbequem. Und ich musste nicht jede Nacht Menschen töten, sondern nur warmblütige Kreaturen. Das Blut der Orks ist köstlich und würzig wie Brühe. Ratten sind als alleiniges Nachtmahl etwas süß. Werwölfe geben eine reine Gaumenfreude ab, die Tinktur zwischen Mensch und Bestie ist beinahe dekadent. Eine wahre Wonne für Gourmets.
Etwa einen Monat nach meinem Tod hatte ich die beste Zeit meines Lebens. Eines Nachts erhielt ich einen Brief von jemandem, der sagte, er wäre „Familie“. Neugierig geworden machte ich mich auf, ihn in seiner Taverne zu treffen, wo man mir von dem Vampirstamm erzählte, dem ich nun angehörte - den Montalion. Im Gegenzug dafür, bestimmten Verpflichtungen der „Familie“ nachzukommen, würde mich der Mann aus dem Gasthaus in meinen Vampirtalenten und -fähigkeiten ausbilden.
Obwohl ich nie viele Einzelheiten erfuhr, vermutete ich, dass die beiden Hauptunterschiede zwischen den verschiedenen Vampirclans in der Geographie und ihren Kräften bestanden. Einzig die Montalion verfügen über die Gabe der Teleportation, aber die anderen acht Clans haben ihre ganz eigenen Kräfte.
Mein Mentor (das ist der Titel, den er benutzte) beglückwünschte mich zu jedem Auftrag, den ich ausführte und vertraute mir mehr und mehr. Als ich ihn danach fragte, erzählte er mir von den neuesten Allianzen der Montalion, wen sie manipulierten und wen sie belauerten. Da begann ich schließlich, mich zu ängstigen. Sie und all ihre rivalisierenden Clans saugten das Blut von Tamriel selbst aus.
Ich geriet in Panik. Ich musste ein Heilmittel finden. Aber kein Buch oder Gerücht, das ich aufspüren konnte, ließ etwas anderes vermuten, als dass Vampirismus endgültig war. So beschloss ich, mich selbst zu töten, aber ich wollte die Montalion mitnehmen. Ich trat gegnerischen Gilden bei und versagte spektakulär bei jedem mir erteilten Auftrag. Ich dachte, mein Mentor würde sich gegen mich wenden, aber er wurde nur stiller und mit Informationen weniger freigiebig, nie gewalttätig. Er war nicht beunruhigt. Wahrscheinlich hatte er schon zuvor Vampire wie mich gesehen.
Und der Grund, warum er mich nie angriff? Unsterbliche können es sich leisten, ewig geduldig sein.
Zuletzt weigerte er sich, mir noch weitere Aufträge zu geben. Er wollte nicht einmal mehr mit mir reden, verließ aber niemals seine Taverne. Ich konnte kommen und gehen und er beobachtete mich, sagte aber nie etwas. Da erhielt ich einen weiteren Brief.
Wie ihr seht, gibt es einige von uns früheren Vampiren, die wissen, wonach sie suchen. Auch wir sind geduldig: Wir lernten es in unserem Unleben. Wir beobachten, lauschen und kontaktieren anonym die Vampire, von denen wir wissen, dass sie dem Fluch ein Ende zu setzen wünschen.
Den Fluch aufzuheben ist möglich, aber auch nur gerade eben. Es ist sehr gefährlich, doch wenn ihr einmal verflucht seid, besteht die einzige wirkliche Gefahr darin, keinen Ausweg zu suchen.