Ich wäre wohl nie in die Alik'r-Wüste aufgebrochen, hätte ich nicht in einer kleinen Taverne in Schildwacht Weltan getroffen. Weltan ist ein rothwardonischer Dichter, dessen Verse ich, wenn auch nur in Übersetzung, gelesen hatte. Er zieht es vor, in der alten Sprache der Rothwardonen statt in Tamrielisch zu schreiben. Einmal fragte ich ihn nach dem Grund.
„Das tamrielische Wort für das traumhaft köstliche Kind gärender, seidiger, gepresster saurer Milch ist ... Käse“, sagte Weltan, und ein breites Lächeln zog sich über sein rußschwarzes Gesicht. „Das altrothwardonische Wort dafür ist 'mluo'. Sagt mir nun welches Wort Ihr benutzen würdet, wenn Ihr ein in beide Sprachen gewandter Dichter wärt?“
Ich bin ein Kind der Städte und erzählte ihm Geschichten von Lärm und Verderbnis, von wilden Nächten, Tatkraft, Kultur und Dekadenz. Mit ehrfurchtsvoller Anerkennung vernahm er von meiner Geburtsstadt, der Kaiserstadt aus weißem Marmor, wo die ganze Bürgerschaft schon wegen der Nähe des Kaisers und der Lustration der Straßen von ihrer Wichtigkeit überzeugt ist. Sie sagen, dass ein Bettler in den Boulevards der Kaiserstadt ein Mann ist, der in einem Palast lebt. Über gewürztem Ale ergötzte ich Weltan mit Beschreibungen des Gewimmels auf dem Markt von Stromfeste; dem dunklen, vor sich hinbrütenden Gramfeste; den schimmelverkrusteten Villen Kleinmottiens; den wunderbaren, gefährlichen Gassen von Helstrom und den imposanten Prachtstraßen des großen alten Einsamkeit. All dies bestaunte er, fragte nach und kommentierte.
„Ich habe das Gefühl, als ob ich Eure Heimat, die Alik'r-Wüste, schon durch Eure Gedichte kennen würde, obwohl ich nie dort gewesen bin“, sagte ich ihm schließlich.
„Oh, das tut Ihr nicht. Kein Gedicht kann die Alik'r wirklich zum Ausdruck bringen. Es kann Euch weit besser auf einen Besuch vorbereiten als der beste Reiseführer, aber wenn Ihr Tamriel kennenlernen und ein wirklicher Bewohner dieses Planeten sein möchtet, müsst Ihr hinausgehen und die Wüste selbst spüren.“
Es kostete mich etwas über ein Jahr, Verpflichtungen abzusagen, Geld zu sparen (meine größte Herausforderung) und das städtische Leben zugunsten der Alik'r-Wüste hinter mir zu lassen. Als Reiseführer kaufte ich mehrere Bände mit Weltans Gedichten.
- Über das Feuer steigt eine heilige Flamme,
- Der Geister großer Männer und Frauen ohne Namen,
- Längst tote Städte steigen und fallen in der Flamme,
- Das Dioskurenlied der Offenbarung,
- Berstende Mauern und todloser Stein,
- Glühender Sand, der heilt und verzehrt.
Diese ersten sechs Zeilen aus dem Gedicht meines Freundes 'Von des Staubes Unsterblichkeit' bereiteten mich auf meinen ersten Eindruck der Alik'r-Wüste vor, aber sie werden ihr kaum gerecht. Meine armselige Feder kann die Strenge, Erhabenheit, Vergänglichkeit und Beständigkeit der Alik'r nicht wiedergeben.
All die Fürstentümer und Grenzen, welche die Reiche über das Land gelegt haben, lösen sich unter der Bewegung des Wüstensandes auf. Ich vermochte nie zu sagen, ob ich gerade in Antiphyllos oder Bergama war, und auch nur wenige Einheimische konnten es mir berichten. Für sie, und so ging es auf mich über, waren wir einfach in der Alik'r. Nein. Wir sind ein Teil der Alik'r. Das kommt der Philosophie des Wüstenvolkes näher.
Ich sah die heilige Flamme, von der Weltan schrieb, an meinem ersten Morgen in der Wüste: Ein gewaltiger, roter Nebel, der aussah, als käme er aus dem tiefsten Geheimnis von Tamriel. Lange vor der Mittagssonne war der Nebel aufgelöst. Dann sah ich Weltans Städte. Die Ruinen der Alik'r erhoben sich nach einer starken Böe des ungebändigten Windes aus dem Sand und wurden von der nächsten wieder verdeckt. Nichts ist in der Wüste von Dauer, aber nichts vergeht für immer.
Tagsüber verbarg ich mich im Zelt und dachte über das Wesen der Rothwardonen nach, das es ihnen ermöglichte, dieses ungezähmte, ewige Land anzunehmen. Sie sind von Natur aus Krieger. Als Gruppe sind sie um nichts besser. Nichts hat für sie einen Wert, wenn sie nicht darum gekämpft haben. Niemand streitet mit ihnen um die Wüste, doch die Alik'r selbst ist ein mächtiger Gegner. Und die Schlacht geht weiter. Es ist ein Krieg ohne Hass, ein heiliger Krieg in dem Sinn, den dieser Begriff immer meinen sollte.
Bei Nacht konnte ich eingehender über das Land an sich in seiner relativen Ruhe nachsinnen. Aber die Ruhe war nur äußerlich. Die Steine brannten ihrerseits mit Hitze und Licht, die nicht von der Sonne und auch nicht den Monden Jone und Jode kamen. Die Kraft der Steine kam aus dem Herzschlag Tamriels selbst.
Zwei Jahre verbrachte ich in der Alik'r.
Diese Worte schreibend bin ich zurück in Schildwacht. Wir befinden uns mit dem Königreich Dolchsturz im Krieg um den Besitz eines grasbedeckten Felsens, der dem Wasser der Iliac-Bucht gehört. Alle meine Dichterkollegen, Schriftsteller und Künstler sind ganz niedergeschlagen angesichts der Gier und des Hochmuts, der diese Menschen in die Schlacht führte. Es ist ein Tiefpunkt, eine Tragödie. In altrothwardonischen Worten eine 'ajcea', eine Abwärtsspirale.
Und doch kann ich nicht mehr betrübt sein. In den Jahren, die ich in der Großartigkeit der Alik'r verbrachte, habe ich die ewigen Steine gesehen, die bestehen bleiben, während die Menschen vergehen. Ich habe mein inneres Auge in diesem weglosen, formlosen, abwechslungslosen und doch wechselhaften Land gefunden. Eingebung und Hoffnung sind ewig wie die Steine der Wüste, auch wenn die Menschen es nicht sind.